Inhaltsverzeichnis
Lüftung und Energiebilanz bei Verkaufsstätten im Passivhaus-Standard
Anforderungen an die Lüftung in Verkaufsstätten
Erstes Ziel jeder Lüftungsplanung muss die Gewährleistung hygienisch zuträglicher Raumluftbedingungen sein [vgl. VDI 2082]. Im konkreten Fall vorliegende Belastungen müssen daher im Rahmen der Planung zunächst identifiziert und quantifiziert werden, um eine zielgerichtete und angemessene Lösung erarbeiten zu können.
Hygienisch erforderlicher Luftwechsel
Belastungen ergeben sich grundsätzlich aus der Abfuhr von Stoffwechselprodukten der anwesenden Personen, insbesondere von CO2 und ggf. Gerüchen. Weiterhin können bei bestimmten Verkaufsstätten Emissionen der lagernden Ware einen Einfluss darstellen. Im Zuge eines wachsenden Bewusstseins für den schädlichen Einfluss vieler Chemikalien auf die menschliche Gesundheit und der damit einhergehenden restriktiveren Gesetzeslage könnte dies jedoch zukünftig an Gewicht verlieren.
Wärmeabfuhr
Der neben dem eigentlich hygienisch erforderlichen Luftwechsel wichtige zweite Aspekt der Lüftung in Verkaufsstätten besteht in der Wärmeabfuhr. Diese Funktion tritt in Lebensmittelmärkten mit Wärmesenken durch Warenkühlsysteme weniger in den Vordergrund, stellt bei Verkaufsstätten mit hoher Wärmelast (hier insbesondere aus Beleuchtung) jedoch ein wesentliches Element der Gebäudefunktion, besonders im Sommer, dar. Vorrang vor lüftungstechnischen Antworten zur Wärmeabfuhr muss in allen Fällen die Vermeidung unnötig hoher Wärmelasten durch effiziente Beleuchtungskonzepte (Tageslichtnutzung, Raumgestaltung, Oberflächen, Leuchten/Leuchtmittel und deren Anordnung) und Geräteausstattungen haben. Die Möglichkeiten hierzu und die in naher Zukunft erwarteten Effizienzsteigerungen sind beachtlich (vgl. Artikel „Tages- und Kunstlicht“ von Wilfried Pohl im Protokollband Nr. 40 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser).
Während der ganzjährig erforderliche hygienische Luftwechsel geringe Luftmengen bewegt (20-30 m³/Pers*h) und in der Heizperiode eine Wärmerückgewinnung wünschenswert erscheinen lässt, sind zur Wärmeabfuhr große Luftmengen erforderlich und eine Wärmeübertragung an die Zuluft ist widersinnig. Es können folglich für beide Zwecke ganz unterschiedliche, an den jeweiligen Zweck angepasste und vereinfachte Systeme zum Einsatz kommen.
Bei thermisch höher belasteten Gebäuden kann es zudem sinnvoll sein, durch den Einsatz von Abluftleuchten (auch bekannt als Klimaleuchten) den Hauptteil der abzuführenden Wärme direkt an ihrem Entstehungsort durch verhältnismäßig geringe Luftvolumenströme abzuführen. Dies erlaubt die Begrenzung des Energieeinsatzes für die Luftförderung. Da die Ablufttemperatur bei diesem Ansatz deutlich über der gewünschten Raumtemperatur liegt, ist dann eine Wärmedämmung der Leuchtenkörper und Abluftleitungen erforderlich.
Weiterführende Abschnitte für Mitglieder der IG Passivhaus
Zusammenfassung und Ausblick
Lüftungstechnische Ausstattungen in Verkaufsstätten haben für die Heizperiode und die Wärmeperiode im Sommer grundlegend verschiedene Anforderungen zu erfüllen. Eine Trennung in zwei Systeme kann daher aussichtsreich sein. Insbesondere kann der Eingangsluftwechsel durch Kundenverkehr schon bei der Auslegung der winterlichen Lüftung für eine gute Raumluftqualität, auf jeden Fall aber beim sensorisch gesteuerten Betrieb mit berücksichtigt werden. Die sommerliche Lüftung dient primär der Wärmeabfuhr und sollte einen hohen Luftwechsel bei günstigen Randbedingungen (kühle Nachtluft) sowie eine Minimierung des Förderenergieeinsatzes zum Ziel haben.
Die Dynamik des Gebäudeverhaltens wird maßgeblich von der Warenkühlung bestimmt. Diese ist, zusammen mit der Qualität der Beleuchtungsanlage, zudem entscheidend für den Primärenergiebedarf und daher ein Schwerpunkt der Planungsaufgabe „effiziente Verkaufsstätte“. Wird der Wärmeentzug durch effiziente Warenkühlung und dadurch der Hauptbeitrag zum Heizwärmebedarf reduziert, treten Transmissionsverluste der Gebäudehülle zunehmend in Erscheinung. Ein effizienter Lebensmittelmarkt wird daher auch eine effiziente Gebäudehülle mit Passivhaus-üblichen Bauteilqualitäten erfordern. Durch die hohe Nutzungsdauer der Gebäudehülle ist dies auch dann sinnvoll, wenn die aktuell verfügbare Kühltechnik (Erstausstattung) noch nicht das angestrebte Effizienzniveau erreichen sollte. Es ist davon auszugehen, dass im Lauf der Nutzungsdauer der Gebäudehülle (mehrere Jahrzehnte) ein mehrfacher Wechsel von Warenkühlung und Beleuchtungstechnik zu deutlichen Effizienzsteigerungen führen wird.
In Verkaufsstätten ohne Warenkühlung ist ein geringer Heizwärmebedarf aufgrund der vergleichsweise hohen internen Wärmegewinne (primär aus künstlicher Beleuchtung) mit den Passivhaus-üblichen Strategien leicht zu erreichen. Hier konzentriert sich die Planungsaufgabe auf die Sicherung einer komfortablen Sommersituation. Diese kann primärenergetisch vorteilhaft immer dann mit wenig Aufwand erreicht werden, wenn es gelingt, interne Lasten gering zu halten. Einbeziehung von Tageslicht und gut überlegter Einsatz von künstlicher Beleuchtung sowie effiziente Leuchtmittel und Leuchten sind wesentliche Ansätze. Bis etwa 5 W/m² tagesmittlerer Last sind verhältnismäßig einfache Entwärmungsstrategien Erfolg versprechend, darüber hinaus müssen zunehmend aufwändige Anlagen vorgesehen werden. In vielen Fällen kann durch den Einsatz gut wärmegedämmt ausgeführter Abluftleuchtensysteme ein wesentlicher Teil der Wärmelast direkt am Entstehungsort abgefangen werden. Die marktgängigen Produkte hierfür sollten in diesem Sinne ertüchtigt werden.
Durch den hohen Primärenergieeinsatz zur Gewinnung von elektrischer Energie wirken sich Verbesserungen bei der Kühltechnik und der Beleuchtungsanlage überproportional auf den Gesamt-Primärenergiebedarf einer Verkaufsstätte aus. Welche Verbesserungen hier möglich sind, illustriert die Jahreskühlarbeit der verschiedenen Varianten in Abbildung 15 (siehe Abschnitt Dynamische Gebäudesimulation) anschaulich.
Literatur
[AkkP 17] Dr. Wolfgang Feist (Hrsg): Dimensionierung von Lüftungsanlagen in Passivhäusern; Protokollband Nr. 17 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser, Darmstadt 1999
[AkkP 31] Dr. Wolfgang Feist (Hrsg): Energieeffiziente Raumkühlung; Protokollband Nr. 31 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser, Darmstadt 2005
[DIN 10505] DIN 10505 Lebensmittelhygiene - Lüftungseinrichtungen für Lebensmittelverkaufsstätten - Anforderungen, Prüfung, Deutsche Institut für Normung, Berlin 2009
[DIN EN 12464-1] EN 12646-1 Beleuchtung von Arbeitsstätten; 2003 Deutsches Institut für Normung, Berlin 2003
[DYNBIL] Feist, Wolfgang: Thermische Gebäudesimulation: Kritische Prüfung unterschiedlicher Modellansätze, Heidelberg 1994
[ISO 7730] EN ISO 7730 Ergonomie der thermischen Umgebung - Analytische Bestimmung und Interpretation der thermischen Behaglichkeit durch Berechnung des PMV- und des PPD-Indexes und Kriterien der lokalen thermischen Behaglichkeit, Deutsche Institut für Normung, Berlin 2005.
[Prüfreglement] Passivhaus Institut: Prüfverfahren zur energetischen und schalltechnischen Beurteilung von Lüftungsgeräten für die Zertifizierung als „Passivhaus geeignete Komponente“, Darmstadt 2009
[VDI 2082] VDI 2082 Raumlufttechnische Anlagen für Verkaufsstätten, VDI Lüftungsregeln, Verein Deutscher Ingenieure, Düsseldorf 2010
Siehe auch
Übersicht der Passipedia-Artikel zu Nichtwohngebäuden im Passivhaus-Standard
Übersicht der Projektbeispiele von Nichtwohngebäuden im Passivhaus-Standard
Verkaufsstätten als Passivhaus
Lebensmittelkühlung in Verkaufsstätten
Wärmeschutz und Lüftungskonzeption bei großen Hallen
Hochfrequentierte Eingangsbereiche
Zusammenfassung - Passivhaus-Verkaufsstätten
Pilotprojekt Passivhaus-Supermarkt Tesco Tramore, Irland
Arbeitskreis kostengünstige Passivhäuser, Protokollband Nr. 40: Passivhaus-Verkaufsstätten