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Pilotprojekt Passivhaus-Supermarkt Tesco Tramore, Irland

Hintergrund

Warum ein Passivhaus-Supermarkt, und warum in Irland? Die Entscheidung kam 2007 von Tesco selbst: Es sollte der erste sogenannte „TESCO Eco-store“ in Irland gebaut werden. Ziel war es, wie bereits zuvor an vier britischen Standorten geschehen, unterschiedliche Energieeinsparpotentiale am realen Objekt zu erproben (siehe Abbildung 1 und 2 von dem wohl bis dato ambitioniertesten Tesco Eco-store Wick, Schottland). Die wirkungsvollsten Maßnahmen sollten dann langfristig im großen Stil in allen Märkten angewendet werden, so dass die 2007 in der Presse angekündigte Senkung der CO2-Emissionen um 50 % bis 2020 gegenüber 2006 auch in die Tat umgesetzt werden kann. Natürlich spielen dabei bei einem Großkonzern wie Tesco noch weitere Bereiche wie z. B. Logistik, Transportwege, Waren, Verpackung eine Rolle, der folgende Artikel konzentriert sich jedoch auf die Verbesserungsmöglichkeiten, die direkt das Gebäude betreffen und wie diese in Tesco Tramore umgesetzt wurden.

Abbildung 1:
Tesco Wick, Schottland:
Hauptfassade mit Micro-Windrädern


Foto: Tesco
Abbildung 2:
Tesco Wick, Schottland:
Blendfreies Nordlicht durch Dachfenster


Foto: Tesco


Auf Anregung der Autorin (Susanne Theumer, Passivhaus Institut), damals Architektin bei Joseph Doyle Architects, einem irischen Architekturbüro, das hauptsächlich Tesco-Supermärkte plante, wurde für diesen Eco-store der Passivhaus-Standard zum Ziel gesetzt: wenn schon ökologisch, dann Passivhaus. Als Vorbild diente der Supermarkt „Nah und Frisch“ in Kirchberg-Thening, Oberösterreich, der im Internet von der Firma Uwe Kroiss energiesysteme als „1. Passivhauslebensmittelmarkt Europas“, Baujahr 2003, beworben wurde (siehe Abbildung 3). Mit der Beauftragung für Beratung und Zertifizierung durch das Passivhaus Institut konnte der kompetente Partner für die Umsetzung dieses ambitionierten Projektes gewonnen werden.

Abbildung 3:
Passivhaus-Lebensmittelmarkt „Nah und Frisch“,
Österreich


Foto: Poppe*Prehal Architekten


Wie zunächst geplant, diente der gerade fertig gestellte Tesco Markt in Shrewsbury in Wales als Ausgangspunkt (siehe Abbildung 4), aber zusätzlich zu den dort umgesetzten ökologischen Maßnahmen wurde das Passivhaus-Zertifikat als Ziel definiert.

Abbildung 4:
Tesco Eco-store Shrewsbury, England


Foto: Joseph Doyle Architects


Die Entscheidung, den ersten TESCO Eco-store in Irland in Passivhaus-Standard zu bauen, wurde allerdings getroffen, nachdem die Baugenehmigung bereits erteilt war. Deshalb wurde die Standard-Gebäude-Geometrie beibehalten, auch um zu zeigen, welche Energie-Einspar-Potentiale ein typischer Tesco-Markt birgt. Dadurch lässt sich der Markt gut mit anderen gleicher Größe und Ausstattung vergleichen. Alle vorgeschlagenen Maßnahmen wurden nach den folgenden drei Kategorien bewertet: 1) Save energy 2) Be energy efficient 3) Use renewables, wobei den Energie-Einspar-Maßnahmen (Beispiel: Licht aus, wenn es nicht gebraucht wird) die größte Priorität zukam, dicht gefolgt von Energieeffizienz (Beispiel: Wenn das Licht an ist, dann eine Energiesparlampe verwenden). Der Einsatz von Erneuerbaren Energien wurde eher als Eye-catcher für die Kunden gesehen, mit dem Argument, dass man jederzeit auch noch zu einem späteren Zeitpunkt Investitionen in diesem Bereich tätigen kann, ohne das Gebäude selbst verändern zu müssen. So ist momentan nur ein kleiner Teil der Dachfläche mit Photovoltaikmodulen bedeckt.

Projekt-Vorstellung

Der Lebensmittelmarkt Tesco Tramore entstand im Süden Irlands, in der direkt am Meer gelegenen Stadt Tramore im County Waterford. Das Klima in diesem Küstenstädtchen ist mild (60 kKh/a Heizgradstunden), aber windig, und es herrscht eine ganzjährig hohe Luftfeuchtigkeit. Über 50 % der Zeit ist der Himmel bedeckt [Met Éireann 2010].

Das Gebäude steht auf einem Hügel, seine Orientierung ist an dem vorgelagerten Kundenparkplatz ausgerichtet. Die verglaste Hauptfassade zeigt deshalb nach Norden (siehe Abbildung 5).

Abbildung 5:
Gesamtansicht Tesco Tramore, Co. Waterford, Irland


Foto: Joseph Doyle Architects, Dublin, Irland


Die Verkaufsfläche beträgt 2757 m², die Energiebezugsfläche nach PHPP beträgt, unter Anrechnung von Lagerflächen, 3970 m². Die Planung startete 2007, Bauzeit war von März bis Oktober 2008. Der Markt wurde am 10.10.2008 mit einem Pilot-Zertifikat eröffnet [Sunday Times 2008]. Neben dem Verkaufsraum sind Verwaltung und Anlieferung angeordnet. Die Passivhaus-Hülle umfasst das gesamte Gebäude. Passivhaustypisch ist, dass es eine durchgehende Dämmhülle sowie eine luftdichte Ebene gibt. Die Bilanzgrenze ist in Abbildung 6 dargestellt.

Abbildung 6:
Grundriss: Die Energiebezugsfläche umfasst Eingangs-Lobby,
Verkaufsfläche, Büros und Lager - Tesco Tramore.


Zeichnung: Joseph Doyle Architects, Dublin, Irland


Notwendige bauliche Veränderungen konnten in ausreichendem Maße verwirklicht werden: So wurden Lobbies an beiden Haupteingängen eingebaut (Anlieferung und Kunden-Eingang). Diese sind ausreichend breit (vgl. Artikel Hochfrequentierte Eingangsbereiche) und mit Schiebetüren und Luftschleiern versehen. Da die Ausrichtung des Gebäudes durch die optimale Ausnutzung des Grundstücks vorgeben war, wurde die Glasfläche der normalerweise vollverglasten Hauptfassade links, rechts und im oberen Bereich verkleinert, um Wärmeverluste zu minimieren, siehe Abbildung 7, 8 und 9.

Abbildung 7:
Schnitte durch die Nordfassade - Tesco Tramore


Zeichnung: Joseph Doyle Architects, Dublin, Irland


Abbildung 8:
Schnitte durch die Nordfassade - Tesco Tramore


Zeichnung: Joseph Doyle Architects, Dublin, Irland


Eine der größten Änderungen war der Wechsel von einem reinen Stahlskelett zu einer Mischkonstruktion aus Leimbindern im Hauptgebäude und Stahlskelett-Konstruktion im Lagerbereich. Da sich auf dem Dach des Lagers die Technik befindet, verzichtete man aus statischen Gründen auf Holz. Um die ökologische Bauweise von außen ablesbar zu machen, wurden zusätzlich die Wandpaneele mit einer horizontalen Holzlattung versehen.

Abbildung 9:
Nord-Fassade mit Dreifach-Wärmeschutz-Verglasung und Eingangslobby,
Tesco Tramore, Co. Waterford, Irland


Foto: Joseph Doyle Architects, Dublin, Irland


Alle Passivhaus-Kennwerte sind im Folgenden aufgeführt sowie abrufbar unter Projekt-ID 1751 auf der Passivhaus-Projektdatenbank www.passivhausprojekte.de:

  • Spezifischer Heizwärmebedarf: 15 kWh/(m²a) nach PHPP
  • Spezifischer Primärenergiebedarf: 758 kWh/(m²a)
  • Ergebnis des Drucktests: n50 = 0,3 h-1
  • U-Wert Außenwand: 0,18 W/(m²K)
  • U-Wert Dach: 0,15 W/(m²K)
  • U-Werte Fensterrahmen und Verglasung: Uw-Wert = 1,08 W/(m²K)
  • Ug-Wert = 0,6 W/(m²K), g-Wert = 43 %

Zu beachten: Die U-Werte sind für das irische, mildere Klima optimiert. In einem vergleichbaren deutschen Projekt gilt die Empfehlung, dass U-Werte von opaken Bauteilen zwischen 0,10 und 0,15 W/(m²K) liegen sollten.

Energieverbraucher

In einem Passivhaus kommt es maßgeblich darauf an, den gesamten Energieverbrauch wesentlich zu senken; dazu müssen zunächst die relevante Energieverbraucher bekannt sein. Mit der „Green Tesco“-Studie ([Kruft, 2007]) gab es hierzu bereits eine Grundlage. Die Studie zeigt an einem Standard-Markt (3000 m² Verkaufsfläche) auf, welche Bereiche am energieintensivsten sind: Am meisten Energie verbrauchen die Kühltruhen (> 40 %) und die künstliche Beleuchtung (ca. 25 %). Weitere Verbraucher sind die Bäckereiöfen und die Lüftung. Die Transmissions-Wärmeverluste durch die Gebäudehülle sind mit ca. 15 % dagegen gering.

Die bis dahin bekannten Passivhaus-Anforderungen lauteten, einen Heizwärmebedarf ≤ 15 KWh/(m²a) zu erreichen, einen n50-Wert von ≤ 0,6 1/h für die Luftdichtheit, und den Primärenergie-Kennwert so niedrig wie möglich zu halten. Ein fester Wert für die Deckelung des Primärenergiebedarfs bei einem Supermarkt wurde nicht vorgeschrieben, weil dieser wesentlich von der Anzahl der eingesetzten Kühltruhen sowie der Beleuchtungsanforderung abhängt und nicht für alle Verkaufsstätten einheitlich vorgegeben werden kann. Das lässt sich nur mit dienstleistungsbezogenen Anforderungen lösen. Einzelanforderungen schon vor Beginn der damaligen Planung wären hilfreich gewesen (wie z.B. eine Effizienzanforderung der Kühltruhen pro lfm, oder eine Effizienzanforderung für die Beleuchtung: max. 2 W/100 lumen). Da darüber hinaus keine getrennten Abrechnungen / Messungen der Energieverbraucher aus anderen Objekten vorlagen, tat man sich zu Beginn dieses Projektes schwer mit der Optimierung, und es wurde während der Planung kein Zielwert definiert. Seitdem hat Tesco detaillierte Messungen in verschiedenen Märkten durchgeführt, so dass sie in Zukunft Einspar-Potentiale aufspüren und gezielt ausnutzen können. Wichtig ist hier die Kooperation und Kommunikation zwischen Tesco als Erfasser der Daten und dem Planerteam. Damals behalfen wir uns, indem Geräte pauschal nach der Devise „So effizient wie möglich“ ausgesucht wurden. Oftmals waren weitere Potentiale auch deshalb nicht praktisch umsetzbar, weil die Weiterentwicklung von Geräten nicht rechtzeitig gelang, da Lieferzeiten einzuhalten waren und langfristige Verträge mit Herstellern bestanden.

Aus der Analyse der wesentlichen Energieverbraucher folgte von Anfang an klar, dass die Heizwärmebedarfs-Optimierung im Supermarkt allein nicht zielführend für ein insgesamt effizientes Gesamtkonzept ist, denn im Vergleich zu anderen Anwendungen verbrauchten herkömmliche Supermärkte ja kaum Heizwärme. Dennoch hilft die gute Gebäudehülle mehrfach: Durch die Anhebung der Innenoberflächentemperatur erhält man hohen Komfort für Angestellte und Kunden an allen Stellen des Marktes. Darüber hinaus garantiert sie über das gesamte Jahr hinweg gleichmäßige Randbedingungen, so dass Technik effizienter arbeiten und zielgenauer ausgelegt werden kann. Auch die Verbesserung der Luftdichtheit bringt zusätzliche Vorteile mit sich, die im folgenden Abschnitt erläutert werden.

Weiterführende Abschnitte für Mitglieder der IG Passivhaus

Fazit

Die Kriterien für eine Zertifizierung für Nicht-Wohngebäude wurden erreicht, jedoch ist der Primärenergiekennwert dieses Pilot-Projektes laut PHPP mit 758 kWh/(m²a) immer noch extrem hoch. Der gemessene Stromverbrauch von 389 kWh/(m²a) x 2,6 (Primärenergiefaktor Strom) führt zu 1012 kWh/(m²a) Primärenergieverbrauch zzgl. des Gasverbrauchs durch das BHKW. Auf die Überwachung und Reduzierung dieses PE-Wertes sollte in zukünftigen Passivhaus-Supermärkten verstärkt geachtet werden. Im vorliegenden Projekt würde das v.a. bedeuten, die Optimierungs-Potentiale der Kältetechnik und der Kühlmöbel auszunutzen und hocheffiziente Öfen einzusetzen.

Ein Passivhaus-Supermarkt besteht NICHT nur aus einer Passivhaus-Hülle, sondern gerade die Energieanwendungen im Gebäude müssen höchste Energieeffizienz aufweisen.

Jedoch hat sich eine qualitativ hochwertige Gebäudehülle auch für Verbrauchermärkte als sinnvoll erwiesen, denn sie steigert nicht nur den Komfort und die Effizienz von Kühltruhen und der Lüftungsanlage, sondern wird – als Langzeit-Maßnahme – das sogar dann noch tun, wenn neue Technologien wie z. B. Energiespar-Kühltruhen oder nochmals verbesserte Lichtkonzepte ältere Technologien ersetzen werden.

Der Passivhaus-Standard lässt sich auf Supermärkte anwenden und kann hier nicht nur zur Energieeinsparung, sondern auch zur Energiekosten-Reduzierung gute Dienste leisten.

Literatur

[Kah, Theumer 2012] Kah, Oliver; Theumer, Susanne, Wärmeschutz und Lüftungskonzeption bei großen Hallen, Protokollband Nr. 40 Passivhaus-Verkaufsstätten‚ Arbeitskreis kostengünstige Passivhäuser, (2012).

[Kruft 2007] Kruft, Arne, Machbarkeitsstudie Green Tesco Supermarket, Webseite: www.ekg-kruft.de, (2007).

[Mc Nerney 2010] Mc Nerney, Michael, Energy Manager Tesco Ireland, interview (03.03.2010).

[Met Éireann 2010] Met Éireann, der Irish National Meteorological Service, Department of the Environment, Heritage and Local Government. Webseite: www.met.ie

[Passipedia 2011] Passivhaus Institut, Gründe für die Luftdichtheit, Passivhaus-Wissensdatenbank, (2011).

[Passivhausprojekte 2011] ID 1751, Passivhaus-Projektdatenbank www.passivhausprojekte.de, Passivhaus Dienstleistung GmbH (2011).

[Schnieders 2012] Schnieders, Jürgen, Lebensmittelkühlung in Verkaufsstätten, Protokollband Nr. 40 Passivhaus-Verkaufsstätten‚ Arbeitskreis kostengünstige Passivhäuser, (2012).

[Sunday Times 2008] Monaghan, Gabrielle, Artikel ‚New stocks of green credentials – Tesco’s first Irish eco-store profits the environment and the chain‘, Sunday Times, (05.10.2008).

[Wegner 2010] Wegner, Marc, A review of the Passivhaus concept, and an examination of how this was applied to a supermarket in Ireland, thesis, Dublin Institute of Technology (2010).

Siehe auch

beispiele/nichtwohngebaeude/passivhaus-verkaufsstaetten/pilotprojekt_passivhaus-supermarkt_tesco_tramore.txt · Zuletzt geändert: 2018/10/22 12:48 von cblagojevic