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Verkaufsstätten als Passivhaus

Verkaufsstätten und Energieeffizienz

Verkaufsstätten existieren in vielen verschiedenen Größen. Die Spanne reicht vom kleinen Kiosk, der gerade einer Person Platz bietet, bis zu großen Möbelhäusern oder Shopping Malls mit mehreren hundert Geschäften. Das Oberfläche-Volumen-Verhältnis kann sich ohne weiteres zwischen 0,1 und 2 m-1 bewegen.

Auch die Struktur der Nutzung variiert stark. Die wohl wesentlichste Unterscheidung besteht zwischen Verkaufsstätten mit und ohne Warenkühlung. Wo Lebensmittel angeboten werden, können so große Wärmeströme in die offenen Kühlregale fließen, dass trotz eines hohen Energieumsatzes für die Beleuchtung die Summe der internen Gewinne negativ wird. Umgekehrt treten in Non-Food-Geschäften oft so große Wärmelasten auf, dass schon mäßig gedämmte Gebäudehüllen fast ganzjährig gekühlt werden müssen. Dazu tragen auch die immer längeren Öffnungszeiten bei.

Je nach Art der angebotenen Waren unterscheiden sich auch die Außendarstellungen der Geschäfte stark. Während Discounter u.a. durch die Art der Warenpräsentation auf die niedrigen Preise ihrer Produkte hinzuweisen suchen, werden hochpreisige Waren auch in einem entsprechenden Ambiente angeboten. Diese Unterschiede wirken sich auch auf die Energieumsätze aus. In allen Fällen wird man vom Primat der Ökonomie ausgehen müssen: Der Umsatz entscheidet; Versuche, den Energiebedarf von Verkaufsstätten zu reduzieren, müssen nicht nur für sich allein ökonomisch tragfähig sein, sie müssen sich vor allem mit dem Verkaufskonzept vereinbaren lassen.

Die Zyklen, in denen Verkaufsstätten den Mieter wechseln oder grundlegend umgebaut werden, sind weit kürzer als die Lebensdauer der Gebäude. Im Lebensmittelbereich liegen sie beispielsweise deutlich unter 10 Jahren. Das bedeutet umgekehrt für die Gebäudehülle, dass eine Optimierung nicht allein auf eine spezifische, aktuell geplante Nutzung hin erfolgen kann, sondern auch künftige Umnutzungen in gewissem Rahmen mit berücksichtigt werden sollten.

Im Lebensmittelbereich ist bei Discountern und Vollsortimentern gleichermaßen ein Ladenformat von ca. 1000 m² Verkaufsfläche beliebt. Diese Märkte werden baulich möglichst kostengünstig und mit stützenfreien Räumen ausgeführt, was zu einer typischen Gebäudestruktur geführt hat, wie sie in Abbildung 1 zu sehen ist. Das gezeigte Satteldach erlaubt die einfache Unterbringung großer effektiver Höhen der Tragkonstruktion. Fensterflächen sind, vom Eingangsbereich abgesehen, eher unerwünscht, u.a. weil die Außenwände möglichst vollständig mit Regalen belegt werden sollen. Die Größe von Nebenflächen wie Lager und Personalräumen wird zugunsten der Verkaufsfläche minimiert.

Abbildung 1:
Typischer Verbrauchermarkt, hier als Discounter


Typische Heizwärmeverbräuche für solche Lebensmittelmärkte liegen um 100 kWh/(m²a), in Neubauten etwas niedriger. Die Stromverbräuche betragen ca. 300 kWh/(m²a). Für Lebensmittelmärkte in den USA werden sogar typische Stromverbräuche von 750 kWh/(m²a) genannt. Die Energiekosten sind dementsprechend erheblich, sie liegen z.B. im Lebensmitteleinzelhandel in der Größenordnung der Netto-Gewinne. Das könnte für die Betreiber grundsätzlich eine Motivation zur Beschäftigung mit diesem Themenbereich darstellen, zumal Schwankungen der Energiepreise den Gewinn (ein bis zwei Prozent des Umsatzes) leicht vollständig auffressen können.

Energieeinsparung in Verkaufsstätten

Der Passivhausstandard in Wohngebäuden zielt zunächst auf den Energiebedarf für die Raumheizung, der bei Bestandgebäuden dieses Typs dominiert und planerisch gut zu beeinflussen ist. Hinzu kommt die Anforderung an den Primärenergiebedarf für sämtliche Energieanwendungen einschließlich Haushaltsstrom. Bei Verkaufsstätten zeigen die obigen Betrachtungen bereits, dass die Raumwärme eine eher untergeordnete Rolle spielt. Weit größere Einsparungen lassen sich in anderen Bereichen erzielen. Diese werden im Folgenden kurz angesprochen, anschließend soll wieder der Bogen zur Raumheizung geschlagen werden.

Lebensmittelkühlung

Im Lebensmitteleinzelhandel, insbesondere in kleineren Läden, ist der Stromverbrauch für die Lebensmittelkühlung allein für etwa die Hälfte des gesamten Stromverbrauchs verantwortlich. Wie im Artikel Lebensmittelkühlung in Verkaufsstätten gezeigt wird, weist dieser Bereich ein erhebliches Einsparungspotenzial auf; aus technisch-physikalischer Sicht erscheint – ähnlich wie bereits bei der Heizwärme im Wohngebäude realisiert – insgesamt ein Faktor 10 erreichbar!

Abbildung 2:
Die Wärmeabgabe der Verbundkälteanlage erfolgt nach außen,
um die internen Wärmelasten zu begrenzen.


Die Kühlregale entziehen dem Raum in erheblichem Maße Wärme, die üblicherweise zumindest zum Teil durch eine sogenannte Verbundkälteanlage mit zentraler Kälteerzeugung nach außen abgeführt wird (Abbildung 2). Damit fallen auch die durch die Kälteerzeugung selbst entstehenden Wärmelasten nicht innerhalb der thermischen Hülle an. Vor allem im Tiefkühlbereich sind aus praktischen Gründen (geringe Investitions- und Betriebskosten, höhere Warensicherheit beim Ausfall einer einzelnen Truhe, dadurch geringere Anforderungen an die Zuverlässigkeit des Einzelgeräts, räumliche Flexibilität, leichte, auch saisonale Anpassung an geänderte Anforderungen) steckerfertige Kühltruhen populär. Diese Geräte setzen ihre Abwärme direkt am Aufstellort frei. Ist das richtige Verhältnis beider Arten von Kühlung gegeben, kommt der Markt – trotz der hohen Beleuchtungslasten, s.u. – im Sommer ohne aktive Kühlung aus. Gleichzeitig sinken die Temperaturen vor den Kühlregalen nicht so stark ab, dass der Komfort der Kunden beeinträchtigt wird.

Die Abwärme aus Verbundkälteanlagen kann als Wärmequelle für die Warmwasserbereitung oder die Raumheizung genutzt werden. Diese Technik wird im Artikel Lebensmittelkühlung in Verkaufsstätten näher diskutiert.

Beleuchtung

EN 12464 schreibt für den Verkaufsbereich eine Beleuchtungsstärke von 300 lx vor. Das ließe sich beim aktuellen Stand der Technik mit einer installierten Leistung von etwa 5 W/m² gewährleisten. Um die Waren (vermeintlich oder tatsächlich) optimal zu präsentieren, liegen die real installierten Leistungen mit um 30 W/m² oft deutlich höher, die Beleuchtungsstärken können durchaus mehr als 1000 lx betragen. In Lebensmittelmärkten führt das dazu, dass rund ein Viertel des gesamten Stromverbrauchs für die Beleuchtung eingesetzt wird, in anderen Bereichen kann der Anteil noch höher sein.

Abbildung 3:
Auch wenn Fenster vorhanden sind, wird die Beleuchtung fast immer unabhängig vom
Tageslichtangebot betrieben.


Gewöhnlich werden nicht die effizientesten Leuchten und Leuchtmittel eingesetzt, sondern solche, die eine optimale Warenpräsentation versprechen. Zeitweilige Tageslichtnutzung, die sich angesichts der Öffnungszeiten prinzipiell anzubieten scheint, kann man in der Praxis fast nie beobachten. Selbst wenn Tageslicht verfügbar ist, wird die künstliche Beleuchtung nicht reduziert, sei es aus technischen Gründen oder um die Warenpräsentation nicht zu beeinträchtigen (Abbildung 3). In Lebensmittelmärkten wird die Tageslichtnutzung dadurch erschwert, dass offene Lebensmittel bei direkter Solarstrahlung wesentlich schneller verderben.

Durch intelligente Planung sind auch im Beleuchtungsbereich bedeutende Einsparungen möglich. Sofern die Wärmelasten aus der Beleuchtung nennenswert zu einem Bedarf an aktiver Klimatisierung beitragen, ist eine effiziente Beleuchtung doppelt interessant. Selbst wenn der Stromverbrauch für die Beleuchtung nicht reduziert werden kann, sollte über Lösungen nachgedacht werden, die im Sommer möglichst wenig Wärme im Verkaufsraum abgeben, etwa Abluftleuchten oder außerhalb der thermischen Hülle installierte Vorschaltgeräte.

Vielversprechend ist die angekündigte weitere Entwicklung bei den LED-Leuchtmitteln: Hier sind in absehbarer Zeit Lampen mit bis zu 200 lm/Watt zu erwarten. Damit lassen sich die Strombedarfswerte auch in Verkaufsstätten ganz erheblich weiter reduzieren - und das reduziert dann auch einen oft benötigten Klimatisierungsbedarf weiter. Energieeffizienz ist auch hier der attraktivste Ansatz für eine erfolgreiche Energiewende.

Eingangsbereiche

Die Eingangsbereiche von Verkaufsstätten werden ihrer Bestimmung gemäß oft stark frequentiert. Eine zweckmäßige Gestaltung, die den Luftaustausch pro Besucher minimiert, ist daher empfehlenswert. Windfänge und Türluftschleier können dazu beitragen. Wie deren Gestaltung im Detail aussehen kann, wird im Artikel Hochfrequentierte Eingangsbereiche behandelt. In jedem Fall trägt eine gute Luftdichtheit der übrigen Gebäudehülle dazu bei, unnötigen Luftaustausch in den Eingangsbereichen zu verhindern.

Wärmeschutz

Wie andere Effizienzmaßnahmen auch fristet der Wärmeschutz in Verkaufsstätten bislang eher ein Mauerblümchendasein (vgl. z.B. Abbildung 4). Teilweise wird er nicht nur vernachlässigt, sondern sogar kritisch gesehen: In Gebäuden mit hinreichend hohen internen Wärmelasten stellt sich die Frage, ob eine gute Wärmedämmung überhaupt zielführend ist, oder ob man besser absichtlich möglichst hohe Transmissionsverluste erzeugen sollte, um den Kühlbedarf zu reduzieren.

In der Tat ist eine weitere Verbesserung des Wärmeschutzes spätestens dann zwecklos und führt allenfalls zu einem erhöhten Kühlbedarf, wenn die internen Wärmegewinne die maximale Heizlast decken (Abbildung 5).

Abbildung 4:
Schaufenster im Bestand sind oft noch einfachverglast.


Abbildung 5:
Nutzenergiebedarf eines Verbrauchermarktes (ähnlich Abbildung 1)
für Heizung und Kühlung bei unterschiedlichen internen Wärmequellen.


Ein Wert von 0 auf der x-Achse bezeichnet das nach EnEV erforderliche Dämmniveau.
Bei hohen internen Lasten überwiegt der Kühlbedarf, mehr Dämmung wird dann
kontraproduktiv. Abbildung 7 zeigt, dass eine zusätzliche freie Lüftung im Sommer
das Problem bereits lösen kann.


Da die internen Gewinne eine entscheidende Einflussgröße für das Konzept der baulichen Hülle sind, wird ihre Zusammensetzung hier näher betrachtet. Wie stark Wärmegewinne im Einzelhandel schwanken können, illustriert Abbildung 6.

Auf der linken Seite sind vier Varianten für einen Lebensmittel-Vollsortimenter dargestellt. Die Variante “alt” zeigt einen Markt, dessen ineffiziente Beleuchtung (installierte Leistung ca. 25 W/m²) und sonstige Ausstattung zu einer mittleren Wärmeabgabe an den Raum von über 20 W/m² führen. Andererseits werden dem Raum durch offene Kühlmöbel mit schlechten Luftschleiern und ohne Nachtrollos im Mittel über 50 W/m² Wärme entzogen, so dass im Endeffekt interne Netto-Wärmeverluste von mehr als 30 W/m² anstehen. Der gesamte Stromverbrauch beträgt 640 kWh/(m²a). Eine zusätzliche sommerliche Klimatisierung ist nicht erforderlich, stattdessen muss fast das ganze Jahr gegen die Wärmeabfuhr aus dem Markt angeheizt werden.

Abbildung 6:
Variationsbreite der internen Wärmegewinne.
TK = Tiefkühlung, NK = Normalkühlung


Bei heutiger “Standard”-Ausstattung mit Nachtrollos vor den Kühlregalen und Beleuchtung mittels T8-Lampen mit 10 W/m² installierter Leistung liegt der Stromverbrauch nur noch bei 260 kWh/(m²a), und der Wärmeentzug ist bereits deutlich geringer. Noch leichter beherrschbar werden die Wärmeströme, wenn gemäß dem Szenario “gut” die besten heute verfügbaren Technologien eingesetzt werden – bei mäßigen Beleuchtungsstärken. Für die “Zukunft” darf man optimierte Kühlmöbel und verringerte Stromverbräuche für die Beleuchtung erwarten, selbst wenn die Beleuchtungsstärken weiter steigen sollten. Wenn sich auch bei der Bäckerei und den sonstigen Stromanwendungen die Effizienz verbessert, werden die internen Gewinne nur noch wenige Watt pro Quadratmeter betragen. Je nach Beleuchtungsstärke und Kühlmöbel-Anteil können sie positiv oder negativ ausfallen.

Wie erwähnt sind in vielen praktisch anzutreffenden Fällen nicht alle Kühlmöbel an die Verbundkälte angeschlossen. Häufig wird ein gewisser Anteil an steckerfertigen Truhen eingesetzt. Der in Abbildung 6 rechts dargestellte Discounter hat zwar nur eine vergleichsweise mäßige Beleuchtungsstärke, aufgrund der Steckertruhen ergeben sich aber positive interne Gewinne von 5 W/m².

Werden keine gekühlten Waren angeboten, können die internen Gewinne bei hohen Beleuchtungsstärken auch über 20 W/m² liegen. Von einem gewissen Punkt an ist eine leistungsstarke Klimaanlage mit entsprechendem Energieverbrauch dann bereits zum Ausgleich der Tag-Nacht-Schwankungen erforderlich.

Bei der Frage nach dem angemessenen Wärmeschutzniveau sollten zwei Aspekte nicht aus dem Auge verloren werden: Die geplante Nutzung kann sich in der Lebensdauer der Gebäudehülle mehrfach ändern, zumindest muss man mit einer Anpassung der Verkaufskonzepte rechnen. Die Hülle soll dann trotzdem weiter funktionieren. Insbesondere für die Effizienz der Beleuchtung wird in den nächsten Jahren eine deutliche Verbesserung erwartet (vgl. den Beitrag Tages- und Kunstlicht von Wilfried Pohl im Protokollband Nr. 40 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser). Mit durchdachten Beleuchtungskonzepten lassen sich außerdem auch bei mäßigen mittleren Beleuchtungsstärken die Waren angemessen präsentieren.

Zum Zweiten kann ein erhöhter Wärmeverlust im Sommer gut durch eine verstärkte freie Lüftung realisiert werden, sei es nachts oder am Tage. Setzt man einen dreifachen Luftwechsel an, so führt eine verbesserte Wärmedämmung bereits in allen hier untersuchten Fällen nicht mehr zu höheren Gesamtverbräuchen (Abbildung 7). Dennoch ist eine Begrenzung der internen Wärmegewinne natürlich prioritär, erstens aufgrund des Stromverbrauchs selbst, zweitens um leichter ein komfortables Raumklima ohne Zugluft und mit ausreichender Luftfeuchte im Winter erreichen zu können.

Abbildung 7:
Wie Abbildung 5, jedoch mit einem zusätzlichen Luftwechsel von 3 h-1
zur Raumkühlung.


Passivhaus-Verkaufsstätten

Die vorangegangene Analyse wird in folgenden Artikeln auf Passipedia vertieft:


Weitere Beiträge zum Thema finden Sie im Protokollband Nr. 40 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser.
Die vorangegangene Analyse zeigt bereits, dass in Bezug auf die Energieeffizienz von Verkaufsstätten erhebliche Potenziale bestehen. Die wichtigsten Punkte sind die Warenkühlung im Lebensmittel-Einzelhandel sowie, in fast allen Arten von Verkaufsstätten, die Beleuchtung. Eine Verringerung des Energiebedarfs für die Raumwärme bzw. die Klimatisierung erscheint demgegenüber zunächst nachrangig. Die in anderen Bauaufgaben bewährten Passivhaustechnologien können größtenteils trotzdem sinnvoll eingesetzt werden, wenn die spezifischen Randbedingungen von Verkaufsstätten in der Planung beachtet werden.

Siehe auch

planung/passivhaus_nichtwohngebaeude/passivhaus_verkaufsstaetten.txt · Zuletzt geändert: 2018/10/22 12:01 von cblagojevic