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Erneuerbare Primärenergie - PEr

Willkommen auf der Startseite zum Thema „Erneuerbare Primärenergie“ (PEr). Hier finden Sie eine Einführung in das Thema PEr und weitere Artikel, die die verschiedenen Aspekte dieses Themenbereichs erläutern.

Übersicht

Bewertungsmethoden für Gebäude

Übliche Methoden zur Bewertung der Gesamt-Energieeffizienz von Gebäuden sind:

  • Primärenergie (PE) (nicht erneuerbar) oder
  • Emissionsumfang an CO2-Äquivalenten, das so genannte Treibhauspotenzial (Global Warming Potential, GWP).

Gegenwärtig ist unser Hauptanliegen die Reduzierung der Treibhausgase, GWP (mit dem PE in Zusammenhang steht), und der Übergang zu einer nicht fossilen Energieversorgung, der sich über mehrere Jahrzehnte erstrecken wird. Gebäude, die heute gebaut werden, werden längere Lebenszyklen haben als diese Übergangsphase zu einer nicht fossil basierten Gesellschaft, und werden auch in der Zeit nach dem Übergang genutzt werden. Während der Übergangsphase ändern sich die PE- und GWP-Faktoren und werden schließlich gegen Null tendieren, wenn wir eine Gesellschaft erreichen, die zu 100% aus erneuerbaren Energien versorgt wird. Bedeutet dies im Rückschluss, dass Gebäude, unabhängig von ihrer Bauweise, immer besser und besser werden und ihr (End-)Energieverbrauch keine Rolle spielt?

Die oben genannten Bewertungsmethoden legen dies nahe - auch wenn das offensichtlich nicht der Fall ist. Erneuerbare Energie muss erzeugt, geliefert und oft gespeichert werden um z.B. wetterbedingte Versorgungslücken zu überbrücken. Erneuerbare Energie braucht Infrastruktur und Raum, was zu einem entscheidenden limitierenden Faktor werden wird. Wir wollen bezahlbare erneuerbare Energie für alle und für alle Anwendungen. Aus diesen Gründen muss die Energienutzung effizient sein: Energieeffizienz ist die Voraussetzung für eine effektive Versorgung mit erneuerbarer Energie. Fast ein Drittel des Gesamtenergieverbrauchs in den entwickelten Ländern wird für den Betrieb von Gebäuden benötigt; damit ist klar, wie wichtig dieser Sektor für den Übergang ist: Offensichtlich sind dafür die traditionellen Bewertungsmethoden nicht angemessen.

Abb.1: Bewertung der Primärenergie: Von PE zu PER

Nachhaltige Gebäude für eine nachhaltige Zukunft

Wenn die Energieversorgung zu 100 % erneuerbar wird, brauchen wir solche Entwürfe von Gebäuden, die diese zu integralen Bestandteilen der erneuerbaren Zukunft machen. Mit dem PEr-System wurde dazu eine Methode entwickelt, die es erlaubt, Gebäude hinsichtlich ihrer Verträglichkeit mit einem System mit 100 % Energie aus erneuerbaren Ressourcen zu optimieren. In einem solchen Versorgungssystem werden Gebäude eine wichtige Rolle spielen, indem sie nicht nur ihren Energiebedarf reduzieren, sondern auch Flächen und Eignung für Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien bieten - das ist bei Gebäuden vor allem die solare Stromerzeugung.

Null, Netto-Null, Nahe-Null, Plus: Welches ist die beste Lösung?

Klassische Bewertungssysteme berücksichtigen oft die vor Ort (oder in der Nähe) erzeugten erneuerbaren Energien. Dabei wird der Endenergiebedarf bzw. -verbrauch mit der Energieerzeugung über das Jahr bilanziert1). Aber die Energienachfrage und das Angebot an erneuerbaren Energien sind nicht immer zeitgleich. Deshalb muss Energie so lange gespeichert werden, bis sie benötigt wird. Dies führt zu Umwandlungsverlusten und benötigt daher zusätzliche Energie, die berücksichtigt werden muss. Eine besondere Herausforderung sind jahreszeitlich bedingte Unterschiede zwischen Energieproduktion und Energieverbrauch: Netto-Null-Gebäude in Europa benötigen typischerweise die meiste Energie im Winter. Diese muss dann im Sommer gewonnen und für den Winter gespeichert werden. Dies erfordert nicht nur zusätzliche Energie, sondern ist auch ziemlich teuer, da ein solcher saisonaler Speicher nur einmal pro Jahr genutzt werden kann2). Daher ist es ratsam, Gebäude energieeffizient zu bauen, so dass insbesondere der Energiebedarf in den Jahreszeiten sinkt, in denen sonst erneuerbare Energie nicht im Überfluss zu Verfügung steht - in unseren Breiten ist das im Winter3).

Abb. 2: Das Net-Zero-Niedrigenergiegebäude (LEH) verfügt über eine große PV-Anlage, sowohl auf dem Dach als auch an der Fassade. Aber es benötigt im Winter immer noch viel Energie, die entweder aus nicht erneuerbaren Quellen oder aus saisonalen Speichern stammen muss. Um die Speicher aufzuladen wird Energie benötigt, die ebenfalls berücksichtigt werden muss. (Das Beispiel zeigt ein Niedrigenergiehaus in einem kühl-gemäßigten Klima, die gesamte Elektrizität für Heizung und Warmwasser mit Wärmepumpen und Geräten). Der Fremdenergiebedarf ist nicht nur weit von Null entfernt, sondern wird bei so großen Energiemengen, die saisonal gespeichert werden müssen, auch teuer werden.
Abb. 3: Das gleiche Gebäude aber mit der Effizienz eines Passivhauses: es bleibt auch dann noch eine Winterlücke, aber in der Jahreszeit, für die eine Speicherung erforderlich wird, wird weit weniger Energie benötigt. Bei gleicher PV-Erzeugung beträgt der zusätzliche Winterbedarf nun nur 20 % von dem des Niedrigenergiehauses nach Abb. 2. Der zugehörige Speicher bleibt bezahlbar.





Abb. 4: Im Falle des Passivhauses könnte die Anzahl der PV-Module und die entsprechende Energieproduktion sogar reduziert werden (z.B. bei mehrgeschossigen Gebäuden), ohne die „Lücke“ stark zu beeinträchtigen. Die aus dem Speicher zu entnehmende Menge wäre auch dann immer noch gering. Dies zeigt, dass energieeffiziente Gebäude den Übergang zu einer Versorgung mit erneuerbaren Energien erheblich erleichtern. Übrigens: Wir empfehlen in solchen Fällen weiterhin, PV-Anlagen so groß wie möglich zu bauen, weil nicht überall solche Flächen zur Verfügung stehen und weil so Kapazität für weitere Anwendungen geschaffen wird.

Was ist Erneuerbare Primärenergie?

Erneuerbare Primärenergie (PER) ist die Energiemenge, die aus erneuerbaren Ressourcen erzeugt4) werden muss, um einen gegebenen Energiebedarf zu decken. Überwiegend wird das elektrische Energie sein, die von einer Photovoltaikanlage oder Windturbine erzeugt wird, oder Wärme, die mit einer solarthermischen Anlage erzeugt wird. PEr-Faktoren geben die primären erneuerbaren Ressourcen an, die zur Deckung des Endenergiebedarfs eines Gebäudes benötigt werden, einschließlich der Verteilungs- und Speicherverluste. Im Falle eines PEr-Faktors von 1,5 wird eine zusätzliche Menge von 50% erneuerbarer Primärenergie benötigt, um den Endenergiebedarf der gewünschten Anwendung decken zu können. Je höher der PER-Faktor, desto höher sind die erforderlichen Ressourcen und desto wichtiger ist die Umsetzung von Effizienzmaßnahmen, um zu vermeiden, das die verbleibenden Lücken dann doch wieder aus nicht erneuerbaren Quellen gedeckt werden5).

Mit dem PER-System wird der Übergang zu einer 100 % Primärenergieversorgung aus erneuerbaren Ressourcen vorweggenommen. Diese Bewertungsmethodik fördert explizit nicht den jährlichen Ausgleich von Energiebedarf vor Ort und Energieproduktion im Kontext einzelner Gebäude - das erzeugt nämlich vermeidbaren zusätzlichen Aufwand. Das erreichte Niveau der Energieeffizienz und die Versorgung mit erneuerbarer Energie müssen aufeinander optimiert werden. Bei einem direkten Gegenrechnen nicht zeitgleich erzeugter Energie würde unterstellt, dass die Energieverluste durch Umwandlung und Speicherung Null sind.

Im Rahmen des PEr-Systems wird der Energiebedarf von Gebäuden in einem Umfeld eines ausschließlich erneuerbaren Energieversorgungsnetzes analysiert. Abhängig von der Art der Energieanwendung sowie den lokal verfügbaren erneuerbaren Energieressourcen variieren die benötigten Speicherkapazitäten und daher die damit verbundenen Verluste. Aus einer Jahressimulation werden Gewichtungsfaktoren, die sogenannten PEr-Faktoren, abgeleitet und als Indikator dafür verwendet, welche Energieanwendungen wie ressourcenintensiv sind. Auf diese Weise hängen die PEr-Faktoren vom Standort des Gebäudes, aber insbesondere von der Anwendung (z.B. Heizung, Kühlung, Warmwasser oder Fahrstrom) und dem Endenergie-Träger ab. Sie sind aber weitgehend unabhängig vom derzeit bestehenden Versorgungssystem. Es handelt sich um regionale physikalische Parameter, wie z.B. Klimadaten. Für die Praxis werden sie ebenso wie die Klimadatensätze automatisch mit dem PHPP bereitgestellt.

Nachhaltigkeitsbewertung mit PER.

Passivhaus – das nächste Jahrzehnt.

Einordnung der Heizung in Bezug auf den Gesamtenergieverbrauch

PER – Die Bewertung für eine nachhaltige Energieversorgung - 1 Seite PER-Kurzinfo zum Download

Energienutzung und Energieerzeugung

Sowohl der Energiebedarf an Erneuerbarer Primärenergie als auch für die Erzeugung erneuerbarer Primärenergie am Gebäude werden bewertet – unabhängig voneinander.

Der Bedarf an erneuerbaren Primärenergieträgern wird an dem Wert der Dienstleistung gemessen, der durch die Nutzfläche des Gebäudes, die sogenannte „Energiebezugsfläche (EBF)“, dargestellt wird.

Die erneuerbare Primärenergieerzeugung wird an den begrenzten Ressourcen gemessen, über die das Gebäude verfügt, d.h. an der Fläche, die es belegt, so dass es für andere Nutzungen nicht mehr zur Verfügung steht. Wir nennen sie den „Überbaute Fläche“.

Daher können die spezifischen PER-Werte für Nachfrage und Erzeugung nicht direkt ausgeglichen werden und bleiben als zwei verschiedene Dimensionen der Bewertung bestehen.

Abb. 5: In beiden Situationen wird links und rechts der gleiche Nutzraum (beheizt oder gekühlt) zur Verfügung gestellt. Sie unterscheiden sich in der Fläche für die Energieerzeugung, aber in der gleichen Beziehung in der Gebäudegrundfläche, so dass die spezifische PER-Erzeugung ähnlich sein wird. Unter der Annahme, dass sie den gleichen Energiebedarf haben, werden ihre PER-Bewertungen gleich sein.

Passivhaus-Klassen

Die PER-Bewertungsmethodik ist die Grundlage für die Definition der Passivhausklassen. Sie klassifizieren das Gebäude hinsichtlich seines Gesamteffizienzniveaus und der erneuerbaren Energieerzeugung in drei verschiedene Kategorien: Passivhaus Classic, Plus und Premium.

Es muss unbedingt darauf hingewiesen werden, dass die funktionale Definition des Passivhausstandards unverändert bleibt und für alle drei Passivhausklassen gleich ist (in Bezug auf den Nutzenergiebedarf für Heizung und Kühlung sowie Luftdichtheits- und Komfortkriterien). Für die drei Klassen sind sowohl Schwellenwerte für den PER-Bedarf als auch für die PER-Erzeugung definiert. Der Bedarf umfasst alle Energieanwendungen in einem Gebäude, d.h. die Heiz- und Kühlenergie, sowie Warmwasser, den gesamten Strombedarf und alle Hilfsenergie zur Bereitstellung der Energiedienstleistungen. Je höher das erreichte Niveau der Gesamteffizienz und der Erzeugung erneuerbarer Energie, desto höher ist die Passivhausklasse gemäß den in Tabelle 1 aufgeführten Schwellenwerten. Dies macht das Passivhaus zu einer idealen Blaupause für den NZEB-Standard.

Abb. 6: Die Passivhaus-Klassen
Tabelle 1: Anforderungen an die Passivhausklassen in Bezug auf die Gesamtenergieeffizienz und die Erzeugung erneuerbarer Energie

Die neuen Passivhaus-Klassen

Classic, Plus, Premium: Classic, Plus, Premium: Die neuen Passivhaus-Klassen und wie sie erreicht werden können


Grundlagen Artikel

Die folgenden Artikel sind Grundlagen-Artikel, die die zugrundeliegende Theorie, Methodik und Anwendung des Erneuerbare Primärenergie Systeme beschreiben. Diese Artikel beinhalten die Grundkenntnisse, die zum Verständnis des PER-Systems und der zusätzlichen Passivhausklassen Passivhaus Plus und Passivhaus Premium erforderlich sind.

Passivhaus – das nächste Jahrzehnt.

Nachhaltigkeitsbewertung mit PER.

Die neuen Passivhaus-Klassen

Classic, Plus, Premium: Classic, Plus, Premium: Die neuen Passivhaus-Klassen und wie sie erreicht werden können

Passive House – On-grid or Off-grid? (In Englisch)


Artikel zu Spezialthemen

Literatur und weitere Lektüre

Feist, Wolfgang: Energiekonzepte – das Passivhaus im Vergleich. In: Tagunsband 17. Internationale Tagung in Frankfurt. PHI, Darmstadt 2013.

Feist, Wolfgang: Passivhaus – das nächste Jahrzehnt. In:Tagungsband 18. Internationale Passivhaustagung in Aachen. PHI, Darmstadt 2014.

Grove-Smith, Jessica and Feist, Wolfgang. Die PER-Bewertungsmethode. In: Tagungsband 19. Internationale Passivhaustagung in Leipzig 2015. PHI, Darmstadt, 2015

Grove-Smith, Jessica; Wolfgang Feist; Benjamin Krick: Balancing energy efficiency and renewable energies: An assessment concept for nearly zero-energy buildings. In: Bertoldi, P. JRC of European Commission (ed.): 9th International Conference Improving Energy Efficiency in Commercial Buildings and Smart Communities, 2016. p. 894-902. Link zum externen Artikel hier (In Englisch)

iPHA Blog Bronwyn Barry Our all-renewable energy future: Passive House Plus & Premium (In Englisch)

1)
sogenannte „Netto“-Nullenergie
2)
Die Zahl der Zyklen pro Jahr $n_a$ liegt in der Regel nur wenig über 1, meist sogar darunter, weil für strenge Winter Vorsorge-Vorräte gehalten werden müssen.
3)
Interessanterweise stellt sich das Winterlückenproblem auch schon heute: Der Verbrauch an Öl und Gas ist im Winter sehr viel höher als im Sommer; müsste der hohe Winterbedarf direkt durch zeitgleiche Importe gedeckt werden, so würde das hohe Kapazitäten für die Lieferung der Energieströme erfordern. Daher speichern wir auch heute schon z.B. Erdgas in großen Gasspeichern mit rund 246 TWh/a für diesen Winterbedarf; mit fossiler Energie, insbesondere mit Erdgas, geht dies auch relativ einfach - es können z.B. alte Erdgasfelder im Sommer wiederbeladen werden; diese Speicher sind daher sogar relativ billig. Die Idee liegt nahe, diese Speicher auch künftig für das dann erneuerbare Energiesystem weiter zu nutzen - das geht sogar, ist aber an die Verwendung von Methan (oder anderen gasförmigen Kohlenwasserstoffen) gebunden. Solch ein chemischer, gasförmiger Energieträger muss aus der im Sommer im Überschuss verfügbaren erneuerbaren Elektrizität erst synthetisiert werden: An dieser Stelle kommen bedeutende Umwandlungsverluste ins Spiel - auch alle anderen saisonalen Speichermethoden haben solche, sind dazuhin aber auch noch teurer bei der Errichtung der Speicher selbst: Wie es auch gewendet wird: saisonale Speicherung anderer als fossiler Energie wird teuer. Hier ist die PEr-Methode ein Tool, mit dem der dafür erforderliche Aufwand bestimmt werden kann.
4)
gemessen bei der Übergabe ins Netz, am „Kraftwerkszaun“
5)
Es versteht sich von selbst, dass hohe PEr-Faktoren auch höhere Kosten für die gelieferte Energie zur Folge haben.
grundlagen/energiewirtschaft_und_oekologie/erneuerbare_primaerenergie_per.txt · Zuletzt geändert: 2024/09/04 15:25 von webel