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Nichtwohngebäude: Wärmeabfuhr durch Nachtlüftung

Zur Notwendigkeit sommerlicher Wärmeabfuhr

Einerlei ob Wohn- oder Nichtwohngebäude, Neu- oder Altbau, Passivhaus oder nicht: Sommers ist es regelmäßig außen wärmer als innen. Es resultiert ein Wärmestrom in das Gebäude, welches sich, zusätzlich durch solare Gewinne und interne Lasten zwangsläufig, auch über die Außentemperatur hinaus, aufheizt. Schnell erwärmt sich der Innenraum dabei im Lauf des Tages über die Behaglichkeitsgrenze hinaus. Dieser Zustand soll auf höchstens 10 % der Nutzungsstunden des jeweiligen Gebäudes begrenzt werden, um den Komfort der Nutzer nicht über die Maßen zu reduzieren.

Durch Sonnenschutzelemente sowie den Einsatz möglichst energieeffizienter Beleuchtungsmittel und Arbeitshilfen kann der Temperaturanstieg im Tagesverlauf wirksam reduziert werden (lesen Sie hierzu auch den Beitrag "Sommerverhalten von Nichtwohngebäuden im Passivhaus-Standard: Sonnenschutz - Tageslicht - Kunstlicht - EDV"). Gleiches wird durch eine gute Verfügbar- und Zugänglichkeit von thermischer Speichermasse erreicht (lesen Sie hierzu auch den Beitrag "Maßnahmen für akustischen Komfort in Räumen mit schallharter Decke").

Es ist jedoch evident, dass sich ein Temperaturanstieg (gleiche oder höhere Außentemperatur vorausgesetzt) nicht vollkommen vermeiden lässt. In der Praxis resultiert außerhalb der Heizzeit daraus eine täglich steigende Innenraumtemperatur, die bereits früh im Jahr zu unbehaglich hohen Innentemperaturen führen kann.

Die Notwendigkeit einer Wärmeabfuhr ist damit gegeben. Über weite Teile des Frühjahres und des Herbstes reicht dazu ein Sommerbypass / Sommerbetrieb der Lüftungsanlage oder eine manuelle Fensterlüftung während des Tages aus. Während der Sommer, gerade in Nichtwohngebäuden mit ihren hohen Wärmelasten, zusätzliche Maßnahmen erforderlich macht.

Primat der freien Nachtlüftung

Im Wohnungsbau hat sich hier die freie Nachtlüftung bestens bewährt. In Mitteleuropa liegen die Nachttemperaturen auch im Hochsommer überwiegend unter der oberen Behaglichkeitsgrenze. Die Nachtluft wird so als Wärmesenke nutzbar, über manuell bediente Fenster erfolgt auch bei Windstille ein thermisch getriebener Luftwechsel, über den die im Tagesverlauf akkumulierte Wärme herausgeführt werden kann.

In Nichtwohngebäuden stellen sich neue Anforderungen, da beispielsweise die manuelle Bedienung der Fenster nur eingeschränkt möglich ist und möglicherweise erhöhte Sicherheitsanforderungen bestehen.

Eine Alternative zur freien Nachtlüftung bietet die Kühlung des Gebäudes mittels der ohnehin vorhandenen Lüftungsanlage mit kalter Nachtluft. Die Problematiken des Witterungs-, Einbruchs- und Eindringschutzes sowie der Bedienung der Fenster stellen sich nicht. Nachteilig wirkt sich allerdings der zusätzliche Strombedarf der Lüftungsmotoren aus. Auch sorgt der Zuluft-Ventilator für eine Verringerung der Temperaturdifferenz, die Effizienz des Systems sinkt, höhere Luftwechsel werden nötig. Bei geringen Belegungsdichten, also kleinen hygienisch notwendigen Luftwechselraten, kann eine Auslegung des Lüftungssystems auf den Nachtluftwechsel erforderlich werden, was erhöhte Investitionskosten nach sich zieht.

Eine mechanische Abluftanlage kombiniert die freie- mit der mechanischen Nachtlüftung. Hier sind weniger Öffnungsflügel notwendig, als bei der freien Nachtlüftung. Entsprechend verringert sich die Problematik des Witterungs-, Einbruchs- und Eindringschutzes sowie der Bedienung der Fenster. Der Antriebsenergiebedarf sinkt gegenüber der rein mechanischen Nachtlüftung, da nur noch ein Ventilator benötigt wird. Auch die Problematik der Erwärmung der Luft durch den Zuluft-Ventilator ist nicht mehr gegeben, wohl jedoch die möglicherweise bestehende Notwendigkeit der Auslegung zumindest des Abluft-Netzes auf die Nachtlüftung.

Eine weitere Möglichkeit der Kühlung besteht in der thermischen Aktivierung von Decken mittels wasserführender Leitungen (lesen Sie hierzu auch den Beitrag "Maßnahmen für akustischen Komfort in Räumen mit schallharter Decke"). Von den hier genannten Alternativen arbeitet allein die freie Nachtlüftung ohne Hilfsenergie. Daher sollte sie stets eingesetzt werden, wenn keine wichtigen Gründe dagegen sprechen.

Weiterführende Abschnitte für Mitglieder der IG Passivhaus

Literatur

[Hasper 2010a] Hasper, Wolfgang: „Maßnahmen für akustischen Komfort in Räumen mit schallharter Decke“; Arbeitskreis kostengünstige Passivhäuser, Protokollband Nr. 41

[Hasper 2010b] Hasper, Wolfgang: „Betonkerntemperierung in Passivhäusern“; Arbeitskreis kostengünstige Passivhäuser, Protokollband Nr. 41

[Hörner at.al. 2010] Hörner, Michael; Knissel, Jens; Großklos, Marc: „Versicherungsfragen bei Wärmeabfuhr durch sommerliche Nachtlüftung“; Arbeitskreis kostengünstige Passivhäuser, Protokollband Nr. 41

[Kah et.al. 2010] Kah, Oliver; Schulz, Tanja; Winkel, Susanne; Schnieders, Jürgen; Bastian, Zeno; Kaufmann, Berthold: „Leitfaden für energieeffiziente Bildungsgebäude“ Passivhaus Institut Darmstadt, 2010

[Kaufmann 2010] Kaufmann, Berthold: „Solare Lasten – Sonnenschutz – Tageslicht – Interne Wärmequellen – Kunstlicht – EDV: Betriebserfahrungen Bürogebäude lu-teco“; Arbeitskreis kostengünstige Passivhäuser, Protokollband Nr. 41

[Stadt Frankfurt 2010] Magistrat der Stadt Frankfurt am Main, Dezernat Planen, Bauen, Wohnen und Grundbesitz (Hrsg.): Leitlinien zum wirtschaftlichen Bauen 2010, Frankfurt am Main, Mai 2010


Siehe auch

grundlagen/sommerfall/sommerverhalten_von_nichtwohngebaeuden_im_passivhausstandard_-_nachtlueftung.txt · Zuletzt geändert: 2018/10/16 09:35 von cblagojevic