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Sommerfall im mitteleuropäischen Klima auch bei Nichtwohngebäuden beherrschbar

Temperaturanstieg begrenzen

Die Minimierung interner Wärmelasten ist der Ausgangspunkt für eine gute sommerliche Behaglichkeit, sie dient gleichzeitig der primärenergetisch besonders bedeutenden Einsparung elektrischer Energie und der Reduzierung der Investitions- und Betriebskosten durch vermiedenen Kühlbedarf.

Der Raumbeleuchtung als wesentliche Energiedienstleistung und häufig hohem Energiebedarf bei Nichtwohngebäuden kommt besondere Beachtung zu. Anders als häufig wahrgenommen ist dies zuallererst eine architektonische Aufgabe! Durch weit reichende Tageslichtautonomie und optimierte Beleuchtungseinrichtungen können hier substanzielle Einsparpotenziale erschlossen werden.

Bei der Realisierung einer hoch effizienten Raumbeleuchtung kommt es sowohl auf die Effizienz des Lichterzeugung (Lampe) als auch die der Lichtverteilung (Reflektoren der Leuchte, Anordnung der Leuchten im Raum, Farbgestaltung des Raumes „Raumwirkungsgrad“) an. Auch eine kritische Prüfung der geforderten Beleuchtungsstärken bzw. die Aufteilung in eine Grundbeleuchtung und lokale Effekte bzw. Arbeitsplatzleuchten kann in der Summe zu einer Verringerung des Stromverbrauches und damit der internen Last hilfreich sein. In jedem Fall sollte eine spezifische Effizienz von 2 W/(m² 100lx) oder besser gewährleistet sein und durch eine qualifizierte Planung nachgewiesen werden. Es sollten Maßnahmen getroffen werden, die eine Abschaltung nicht benötigter Beleuchtungseinrichtungen sicherstellen.

Daneben gilt es, Wärmeeinträge aus Arbeitshilfen und Geräten zu minimieren. Dazu sollten nicht verwendete Geräte automatisch in einen Absenkbetrieb wechseln und Stand-by-Verbrauch bei Nichtnutzung durch volle Abschaltung vermieden werden. In Bürogebäuden ist eine effiziente Ausstattung mit Computern und deren Zubehör bedeutsam: In zunehmendem Maß werden Effizienztechnologien aus dem Laptop-Bereich auch für Desktop PC verfügbar (< 40 W/PC für normale Büroarbeit), Flachbildschirme sind heute bereits Standard, es gilt nun aber zwischen Bildschirmen unterschiedlicher Effizienz zu unterscheiden. E-Ink Technologie (Monitor mit praktischem Null-Stromverbrauch) kann in absehbarer Zeit eine ernsthafte Alternative für PC-Bildschirme im Bürobereich werden, hier ist dann nur noch ein verschwindend geringer Energieeinsatz erforderlich. Auch Verbraucher wie Telefonanlagen und Netzwerkeinrichtungen sollten auf geringen Strombedarf optimiert werden, durch ihren meist ununterbrochenen Betrieb tragen sie nennenswert zum Stromverbrauch bei. Moderne Mobiltelefone haben beispielsweise eine extrem geringe Leistungsaufnahme und daher Wärmeabgabe; mindestens so gut sollten konventionelle Telefonsysteme ebenfalls sein.

Sonnenschutz, Tageslicht

Eine konsequente Anwendung von temporären Sonnenschutzeinrichtungen in Wechselwirkung mit individuellen Nutzeranforderungen erfordert wirksame Steuerungs- und Regelungskonzepte (Link zur Artikel Nichtwohngebäude: Sonnenschutz - Tageslicht - Kunstlicht - EDV. Als zielführend kann eine geschoss- und orientierungsweise zonierte, automatische Ansteuerung angesehen werden. Diese ist wichtig, da der Sonnenschutz auch an Wochenenden und Feiertagen, sowie bei Abwesenheit einzelner Nutzer gewährleistet werden muss, um unerwünschte Wärmeeinträge zu begrenzen.

Ein Sonnenschutz, der von den Nutzern nicht akzeptiert wird, weil er den Ausblick unmöglich macht oder weil keine temporäre Übersteuerung der Automatik möglich ist, führt allerdings regelmäßig zu Unzufriedenheit. Hier muss eine Bedarfssteuerung durch den Nutzer, z.B. für eine Stunde, ein Abweichen vom Automatiksignal ermöglichen, dieses wird anschließend von selbst wieder wirksam.

Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass die aktivierte Sonnenschutzvorrichtung eine ausreichende Tageslichtversorgung der Räume gewährleistet. Hierfür wird häufig ein Lamellenstore mit geteiltem Behang verwendet. Dabei kann allerdings der Ausblick beeinträchtigt sein, teilweise wird er durch eine feine Perforation der Lamellen wieder hergestellt. Vielversprechend für die Zukunft sind aufrollbare Sonnenschutzfolien mit teilweise reflektierender Oberfläche oder aber mit Infrarot-selektivem Durchlassverhalten. Aufrollbare Folien bieten gute Voraussetzungen für eine Integration im Scheibenzwischenraum, eine weitere, häufig gewünschte Eigenschaft: So kann auf eine mechanische Sicherung gegen Windeinwirkung verzichtet werden, auch entfällt die bei Lamellen schwierige Reinigung. Zudem bieten durchsichtige Folien einen vollständig freien Ausblick. Verschattungen für horizontale Verglasungen, etwa von Atrien oder Oberlichtern, stellen eine bislang nur in unzureichender Weise marktverfügbare Anwendung dar. Hier kommt es häufig darauf an, im Sommer effektiv zu verschatten ohne aber die winterlichen Solargewinne zu schmälern. Glasintegrierte Systeme mit Folien können auch hier neue Möglichkeiten eröffnen.

Speichermassen und Raumakustik

Für viele Gebäudekonzepte mit energieoptimierten Strategien für sommerliche Behaglichkeit ist die Nutzung der thermischen Speicherfähigkeit der Gebäudestruktur wesentlich. Dies steht in Konkurrenz zu den heute häufig aus Gründen der Raumakustik vorgesehenen abgehängten Deckensystemen (Link zum Artikel Maßnahmen für akustischen Komfort in Räumen mit schallharter Decke). Durch Baffeln oder Wandabsorber kann den Anforderungen der Raumakustik in üblichen Büroräumen jedoch vergleichsweise leicht entsprochen werden, ohne dass gleich die ganze Decke abgehängt werden muss: Elementar wichtig ist eine frühzeitige Konzeption im Rahmen einer interdisziplinären Planung. So können auch Elektro-, IT- und Beleuchtungsinstallationen sowie Elemente der lüftungstechnischen Ausrüstung, die sonst in der abgehängten Decke ihren Raum finden, in das Raumkonzept integriert werden. Einfache Werkzeuge zur Abschätzung der raumakustischen Verhältnisse in Büroräumen stehen zur Verfügung und können auch vom Architekten selbst zur Konzeptentwicklung herangezogen werden.

Wärmeabfuhr

Nachtlüftung

Von den im Wesentlichen guten Erfahrungen mit einem durch Nachtlüftung entwärmten Bürogebäude berichtet Klaus Schweitzer (Bürohaus Cölbe, Bj. 2000) (Artikel „12 Jahre Passivbürohaus Cölbe. Langzeiterfahrungen der Nutzer. Konsequenzen für den Erweiterungsneubau“, erschienen im Protokollband Nr. 41 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser, hier bestellen). Die Zuverlässigkeit der damals eingebauten elektrischen Fensterantriebe erwies sich als Schwachpunkt. Bei neuen Planungen sollte daher auf die Auswahl der verwendeten Produkte besondere Sorgfalt verwendet werden. Hilfreich ist auch eine Optimierung der Geometrie der Lüftungsöffnungen, damit möglichst wenige motorische Ansteuerungen erforderlich werden. Hierzu wurden von Benjamin Krick die wesentlichen Einflüsse herausgearbeitet (Link zum Artikel Nichtwohngebäude: Wärmeabfuhr durch Nachtlüftung). Hohe, schmale Öffnungen sind weitaus wirksamer als liegende Formate, da die Öffnungshöhe überproportional in den möglichen Luftaustausch eingeht. Das PHPP bietet mit dem „SommLuft“-Blatt ein wertvolles Hilfsmittel zur Berechnung dieser elementar wichtigen Größe. Weiterhin wurde der Einfluss von Gittern und Sicherungseinrichtungen zum Schutz der Nachtlüftungsöffnungen gegen Einbruch und eindringende Tiere untersucht und Abschätzungen zur Quantifizierung gegeben.

Den Anforderungen der Versicherungsunternehmen an den Einbruchsschutz von Nachtlüftungsöffnungen kann selbst unter den Einschränkungen einer Bestandssanierung entsprochen werden, wie ein Beitrag von Michael Hörner gezeigt hat (Artikel „Versicherungsfragen bei Wärmeabführung durch sommerliche Nachtlüftung“, erschienen im Protokollband Nr. 41 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser, hier bestellen). Im Neubau hat der Planer noch weit größere Möglichkeiten alle Anforderungen an eine Nachtlüftungsöffnung auch gestalterisch ansprechend zu Integrieren. Die Weiterentwicklung ohnehin erforderlicher Fenster zu Nachtlüftungsöffnungen erscheint sinnvoll, um Kosten zu vermeiden und die thermische Qualität der Gebäudehülle nicht unnötig zu schwächen.

Betonkerntemperierung und maschinelle Kühlung

Als realisiertes Beispiel dient z.B. das Bürogebäude lu-teco mit einer für ein Passivhaus typischen Gebäudehülle vorgestellt (Link zum Artikel Betriebserfahrungen Bürogebäude lu-teco). Die Heiz- und Kühllasten und die damit erzeugten Energieumsätze sind dementsprechend sehr gering. Dies konnte mit den bisher zur Verfügung stehenden Messdaten bestätigt werden. Weil die Heiz- und Kühllasten gering sind, wurde die Betonkerntemperierung (BKT) als alleiniges Heiz- und Kühlsystem ausgelegt. Die ausdrückliche Planungsempfehlung war daher, dass die Steuerung und Regelung sowohl der BKT aber auch für die Verschattungssysteme bereichsweise ausgelegt werden sollte, d.h. dass verschiedene Gebäudeflügel, Fassadenorientierungen und Stockwerke jeweils unabhängig voneinander steuerbar sein sollten. Die Auswertung der bislang verfügbaren Messdaten bestätigte diesen Ansatz.

Durch dynamische thermische Gebäudesimulation wurden Möglichkeiten und Grenzen der ausschließlichen Heizung und Kühlung eines Passivhaus Bürogebäudes durch aktivierte Betondecken weiter untersucht (Artikel „Betonkerntemperierung in Passivhäusern“, erschienen im Protokollband Nr. 41 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser, hier bestellen). Dabei wurden unterschiedliche Verglasungsanteile und unterschiedliche Verschattungsszenarien betrachtet. Während die Beheizung im Passivhaus in üblichen Fällen keine wesentliche Einschränkung darstellt (der Wärmeschutz wird ohnehin auf kleine Heizlast hin ausgelegt), ist die täglich abzuführende Wärmemenge aus internen Wärmequellen und solaren Einträgen für das Sommerverhalten ausschlaggebend.

Gebäude mit mäßigem Verglasungsanteil verhalten sich erwartungsgemäß im Winter und im Sommer deutlich gutmütiger als voll verglaste Varianten. Sie sind auch wesentlich robuster bei nicht ganz konsequenter Anwendung des Sonnenschutzes. Eine einfache konstant-Temperaturregelung des Betonkernes während der Nacht (22°C von 22 h–7 h, ganzjährig) erwies sich für die Passivhaus-typischen Größen interner Wärmequellen als ausreichend, erst bei hohen internen Lasten (~ 7 W/m² im Tagesmittel) und/oder hohen solaren Einträgen kann eine gleitende Regelung weiteres Potential erschließen. Dies setzt dann aber längere Pumpenlaufzeiten voraus, die sich, aufgrund der hohen Massenströme, als bestimmend für die Energieeffizienz der realisierten Lösung erweisen. Wenn Betonkerntemperierungen vorgesehen werden, was oft in Verbindung mit Erdsonden oder Brunnen als Wärmesenke geschieht, ist deshalb auch immer große Sorgfalt auf die Druckverluste aller hydraulischen Anlagen und die Wahl hoch effizienter Pumpen mit optimierten Laufzeiten zu achten. Wann immer möglich bleibt daher die Nachtlüftung die bei Weitem energieeffizienteste Entwärmungsstrategie im kühl-gemäßigten Klima.

Sofern keine natürlichen Wärmesenken verfügbar sind, und auch Nachtlüftung nicht durchführbar ist, muss auf eine maschinelle Kühlung zurückgegriffen werden. Hier ist für ein effizientes System zunächst die Beachtung einfacher thermodynamischer Grundsätze, wie geringer Temperaturverluste in Wärmeübertragern und bei der Wärmeübergabe elementar. Die Betonkerntemperierung bietet hier den Vorteil, dass sie in Passivhäusern nur wenige Kelvin unterhalb der gewünschten Raumtemperatur betrieben werden kann. Bei geeigneter Auslegung der Rückkühleinrichtungen können hier also sehr günstige Randbedingungen für einen Wärmepumpenprozess geschaffen werden, parallel ist zeitweilig oft sogar freie Kühlung über das Rückkühlwerk möglich (wenn es sich z.B. um Brunnen oder Erdwärmeübertrager handelt). Damit einhergehen technische Herausforderungen, da viele Wärmepumpen aufgrund ihrer Bauart nicht in der Lage sind, das Potential voll zu nutzen. Etwa, weil Entspannungsventile bei geringen Druckdifferenzen im System, wie sie aus geringen Temperaturdifferenzen folgen, keinen ausreichenden Durchsatz an Kühlmittel erlauben. Hier wären technische Weiterentwicklungen bis hin zu Kältemittelpumpen denkbar. Zudem kann auf die im Kleinklimabereich zunehmend etablierte Technologie sog. „Inverter geregelter“, d.h. modulierend betriebener Kompressoren zurückgegriffen werden.

Planungstools

Die Anwendbarkeit der im PHPP vorgesehen Algorithmen zur Berechnung des Sommerverhaltens von Gebäuden mit den speziellen Randbedingungen von Nichtwohngebäuden wurde näher untersucht (Link zum Artikel Planungstools für den Sommerfall im Nichtwohngebäude). Seine Anwendbarkeit für Wohngebäude in warmen Klimata konnte bereits von [Schnieders 2009] gezeigt werden. Der erwartete Sommerkomfort wird dabei durch das Verhältnis der Überhitzungsstunden (> 25°C) zu den Jahresstunden in Prozent angegeben. Kein vereinfachtes Verfahren kann eine solche Angabe im Prozentbereich genau gewährleisten, es erfolgt vielmehr eine Kategorisierung des Sommerkomforts von sehr gut (0 %…2 %) über gut (2 %…5 %) und mäßig (5 %…10 %) bis hin zu schlecht (10 %…15 %) und sehr schlecht (> 15 %). Dies sollte in allen Fällen berücksichtigt werden.

Wesentliche Erkenntnisse der Studie sind:

  • Das Bewertungsverfahren des PHPP für den sommerlichen Komfort in nicht klimatisierten Gebäuden erweist sich auch für Nichtwohngebäude als ausreichend genau im Sinn der oben genannten Kategorisierung des Sommerkomforts (±1 Güteklasse).
  • Dies gilt auch bei im Betrag schwankenden Lasten / intermittierendem Gebäudebetrieb (Tag/Nacht).
  • Für übliche Nutzungen ist die errechnete Übertemperaturhäufigkeit auch für die Nutzungszeit mit hinreichender Genauigkeit gültig.
  • Die Grenze der Anwendbarkeit liegt bei hohen Lasten ≥ 50 W/m² (momentane Last) mit gleichzeitig starker Dynamik. Es ist dabei unerheblich, ob die Wärme aus Solareinträgen oder internen Wärmequellen stammt. Bei Gebäuden / Räumen mit nur kurzer Nutzung und ausgeprägten Lastspitzen liefert das Verfahren somit keine zuverlässigen Ergebnisse, hier ist eine dynamische Untersuchung sinnvoll (z.B. Seminarraum: Wärmemenge kann nicht mehr in der Baustruktur gepuffert werden)
  • Die Kühlenergie wird sehr gut abgebildet, nur bei extrem geballten Lasten wird das Verfahren ungenau.
  • Die maximale tagesmittlere Kühllast wird gut abgebildet, Abweichungen von der dynamischen Simulation sind mäßig und bleiben auf der sicheren Seite.
  • Liegen in einem Gebäude räumlich inhomogene Verhältnisse hinsichtlich der internen Wärmequellen und solaren Lasten vor, kann die Untersuchung der kritischen Bereiche mit einem separaten PHPP für diesen Bereich nur bedingt brauchbare Ergebnisse liefern, da die (im Allgemeinen bedeutende) thermische Koppelung an die angrenzenden Räume nicht berücksichtigt wird. Ergebnisse sind dann weit auf der sicheren Seite zu erwarten, was zu Fehloptimierungen führt.
  • Das Nutzungsgradverfahren gemäß EN 13790 / PHPP wird für den Winterfall bei voll verglasten Gebäuden für den Heizwärmebedarf beim Jahresverfahren ungenau (relevanter Anteil rückreflektierter Strahlung sowie nicht nutzbare Solargewinne (Übertemperaturen).

Das Passivhaus Institut wird sich im Zuge der Weiterentwicklung des PHPP daher auch um eine weitere Verbesserung der in EN 13790 vorgeschlagenen Algorithmen bemühen, um die Rechengenauigkeit für vollverglaste Gebäude noch weiter zu erhöhen.

Literatur

[Schnieders 2009] Schnieders, Jürgen, Passive Houses in Southwest Europe, Passivhaus Institut, Darmstadt 2009

Siehe auch

grundlagen/sommerfall/sommerverhalten_von_nichtwohngebaeuden_im_passivhaus-standard.txt · Zuletzt geändert: 2024/08/27 11:33 von jgrovesmith