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Das Passivhaus-Konzept für den Sommerfall

Sommerklima im Passivhaus - eine entscheidende Fragestellung

Immer noch wird in der öffentlichen Debatte um energiesparende Gebäude die Frage nach einer möglichen sommerlichen Überhitzung gestellt - „wegen der guten Wärmedämmung“.1). Praxiserfahrungen mit realisierten Passivhäusern zeigen klar, dass diese Häuser auch in Hitzeperioden ein gutes (kühles) Innenklima aufweisen. Allerdings ist dazu eine fachgerechte Planung unverzichtbar. Dieser Beitrag behandelt die wesentlichen Gesichtspunkte für ein typisches Klima in Mitteleuropa - dort ist keine aktive Klimatisierung in Wohngebäuden erforderlich.

Abb. 1: Gemessene Raumtemperaturen im heißen Sommer 1993
in drei Geschossen auf der Südseite des Passivhauses Darmstadt
Kranichstein (Foto: unten links)



passivhaus_kranichstein_sommer.jpg Die vier Reihenhäuser des ersten Passivhauses in Kranichstein sind exakt nach Süden orientiert und vollständig in schwerer Bauweise errichtet (Foto links). Sie haben leicht bedienbare temporäre Verschattungselemente (motorisch bewegte Außenstores) und die Möglichkeit zur ausgiebigen Nachtlüftung im Sommer; außerdem sind infolge des Stromsparkonzeptes die inneren Wärmequellen gering.
Dies sind günstige Voraussetzungen für ein kühles Innenklima im Sommer.

Wie sich Passivhäuser in anderer Bauweise und mit abweichenden Orientierungen in Abhängigkeit von Verschattung und Lüftung im Sommer verhalten, kann allgemein mit Hilfe der thermischen Gebäudesimulation behandelt werden. Dies wurde erstmals durch die 1998 fertiggestellte „Passivhaus Sommerklima Studie“ systematisch untersucht [Feist 1998a] . Die Studie entstand als Verbund-Forschungsprojekt im Auftrag von: G&H Ladenburg, ISORAST GmbH Taunusstein, Nordhessische Kalksandsteinwerke GmbH&Co; Rasch&Partner GmbH Darmstadt; Schwenk Dämmtechnik GmbH Landsberg und VEGLA GmbH Aachen. Den Auftraggebern sei an dieser Stelle ausdrücklich gedankt. Inzwischen wurden die folgenden Erkenntnisse in zahlreichen realisierten Passivhäusern auch aus der Praxis bestätigt. Eine messtechnische Begleitstudie, in welcher die Sommersituation im Mittelpunkt stand, wurde in [Peper/Feist 2002] publiziert.

In diesem Aufsatz werden einige Teile der Studie zusammengefasst und mit heutigen Messergebnissen untermauert. Eine frühere Fassung dieses Artikels wurde 1999 im Protokollband Nr. 15 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser publiziert [Feist 1999] . Bei diesem Arbeitskreis wurde ein Verfahren erarbeitet, mit dem die Ergebnisse für den Sommerfall auch vereinfacht bestimmt werden können. Dieses PHI-Sommerfall-Verfahren wird im Protokollband dokumentiert. In Tabellenkalkulations-Formeln gefasst wurde das Verfahren seit 2000 in das PHPP (Passivhaus-Projektierungspaket) aufgenommen [PHPP 2007] . Jeder Planer eines Passivhauses kann damit die im Folgenden behandelten Einflüsse selbst für sein Bauprojekt ermitteln und so ein behagliches Sommerklima durch fachgerechte Planung des Gebäudes erreichen.

Methodische Grundlage: Gebäudesimulation; Hausmodell

Für die Simulation des wärmetechnischen Verhaltens wurde das instationäre Simulationsprogramm DYNBIL verwendet. Das Programm und seine Methoden wurden in [Feist 1994] systematisch überprüft. Damit liegt ein validiertes Simulationsmodell vor, mit welchem mit hoher Zuverlässigkeit Aussagen über die Temperaturverläufe im Passivhaus gemacht werden können. (Link zu weiteren Informationen über Dynamische Simulation).

Als Klimadatensatz wurde in dieser Studie das DYNBIL-Klimajahr Frankfurt/M verwendet, das auf den Testreferenzjahren beruht, aber einen korrigierten Datensatz für die atmosphärische Gegenstrahlung verwendet.

Die Pläne des bewohnten Passivhauses Darmstadt-Kranichstein sind Grundlage der Untersuchungen. Für die Optimierungsarbeiten wurden die Pläne eines Reihenmittelhauses auf ein einfacheres Basismodell reduziert. Das Basismodell ist übersichtlich genug, gibt aber die Zonierung des Hauses wieder und erlaubt die Veränderung der wesentlichen Modelleigenschaften auf einfache Art. Dieses Modell mit sieben Zonen wurde bereits an anderer Stelle ausführlich beschrieben ([Feist 1993] ):

Zone -I

Zone 0

Zone I

Zone II

Zone III

Zone IV

Zone V

Zone VI

Zone VII
Erdreichtemperatur 1 m unter der Bodenplatte

Außenluft

Keller

Erdgeschoss (EG) vorne : Wohnen

Erdgeschoss (EG) hinten : Küche und Eingangsbereich

Obergeschoss (OG) vorne : Kinder

Obergeschoss (OG) hinten : Schlafen

Dachgeschoss (DG): Gäste/Arbeit

Kernbereich : Bäder und Treppenhaus
Abb. 2: Schnitt durch das Passivhaus Darmstadt Kranichstein mit den gekennzeichneten Zonen.


Die Modellparameter sind in der Studie im Detail dokumentiert [Feist 1998a] ; Tab. 1 gibt einen Überblick über einige wesentliche Parameter dieses Basisfalles.

Tab. 1: Bestimmungsgrößen für das Passivhaus Darmstadt-Kranichstein (wie gebaut,
vereinfachtes Modell) während des Sommerbetriebes (Reihenmittelhaus):
U-Werte, Lüftung, Fenster, innere Quellen


Bewertung nach operativen Temperaturen

Auch für die Bewertung der Behaglichkeit im Sommer ist die operative Temperatur der entscheidende Maßstab; darüber hinaus spielen Luftfeuchtigkeit (Schwülegrenze!) und Luftgeschwindigkeit eine wichtige Rolle. Da hier vor allem das mitteleuropäische Klima behandelt wird, hat sich die Studie zunächst auf die operativen Temperaturen konzentriert [Kirtschig 1998] . An anderer Stelle wurde gezeigt, dass auch noch in feucht-heißen Klimaten eine Verallgemeinerung dieses Konzeptes mit der „Effektiven Standard Temperatur“ – (SET) – möglich ist [Wang 1996] .

Der Referenzfall (PH Kranichstein ohne Fensterlüftung)

Abb. 4 zeigt die Tagesmittelwerte der Raumlufttemperaturen im Jahresgang für den Referenzfall „Passivhaus Darmstadt-Kranichstein - ohne Verschattung, ohne Fensterlüftung“. Für den Betrieb der Lüftungsanlage wurde dabei angenommen, dass

  • die Wärmerückgewinnung (80%) nur im Winter in Betrieb ist,
  • im Sommer (genauer: vom 15. April bis 30.September) die Lüftungsanlage als reine Abluft mit einem Wechsel von 0.475 h-1 betrieben wird.

Ab etwa 10. Juli werden in allen Räumen Temperaturen von 25°C oder mehr erreicht, in der Hitzeperiode zwischen 30. August und 8. September des Testreferenzjahres steigen die Werte sogar auf bis 30°C an. Bis auf die wenigen Tage in dieser Hitzeperiode ist das Innenklima im Passivhaus dennoch auch im Sommer behaglich. Später werden jedoch noch weitere Fälle behandelt, die durch erhöhte Lüftung zu weit günstigerem Innenklima führen.

Abb. 4: Die Tagesmittelwerte der Raumlufttemperaturen im Jahresverlauf für den Referenzfall
(ohne Fensterlüftung, ohne temporäre Verschattung)


Abb. 5 zeigt einen Detailverlauf von Temperaturen in der Hitzeperiode im Raum „Dachgeschoss Süd“. Man erkennt, dass alle Innentemperaturen in diesem Zeitraum allmählich zunehmen: von einem Niveau mit knapp 25° auf bis zu 28 und 30°C. Die Oberflächentemperaturen sind noch etwas wärmer als die Raumluft; bei den hochgedämmten Massivbauteilen ist diese Temperaturerhöhung aber geringer als etwa ½ Grad. Die Innenoberflächentemperatur der Fensterscheiben ist sehr stark erhöht: mit bis zu 40°C liegt sie um 10 K über der Maximaltemperatur der Raumluft. Man beachte, dass bei diesem Basisfall (außer den kleinen Überständen der Minibalkons) weder eine temporäre Sommer- verschattung noch eine Fensterlüftung vorgenommen wird.

Abb. 5: Detailverlauf von Oberflächen- und Raumlufttemperaturen sowie der operativen
Temperatur in der kritischen Zeitperiode im Raum „Dachgeschoss Süd“
(Referenzfall, Sommer ohne Fensterlüftung und ohne temporäre Verschattung)


Abb. 6 zeigt die Raumlufttemperaturen des Referenzfalles als geordnete Jahresdauerlinie; sie ist wie folgt zu verstehen: Die Temperatur 25°C wird in Zone VI (OG Süd) des Hauses 7816 h des Jahres unterschritten. Nur in einem Zeitraum von 943 h ist die Temperatur höher. Das entspricht einer Häufigkeit h der Temperaturüberschreitung von hθ>25°C = 10.77%. Diese Überschreitungshäufigkeit erlaubt eine gute Charakterisierung des sommerlichen Klimas in Gebäuden. Nach vorausgehenden Arbeiten wird das Sommerklima in Wohngebäuden noch für gut angesehen, wenn hθ>25°C kleiner oder gleich 10% des Jahres bleibt [Kolmetz 1996] . Dieser Wert wird im hier behandelten Referenzfall nur um weniger als 1% überschritten.

Abb. 6: Die Raumlufttemperaturen des Referenzfalls (ohne Fensterlüftung und ohne temporäre
Verschattung) als geordnete Jahresdauerlinie


Basisfall Passivhaus mit "bei Bedarf gekippten Fenstern"

Alle Daten des in Kapitel 3 behandelten Referenzfalls bleiben unverändert, bis auf einen Nutzereingriff:

werden Temperaturen von 21°C im Haus überschritten und ist die Außentemperatur niedriger als die Innentemperatur, so wird je Raum ein Fenster auf „Kippen“ gestellt. Das ist im Passivhaus Darmstadt Kranichstein möglich, in jedem Aufenthaltsraum gibt es mindestens ein Fenster mit dreh-kipp-Beschlag.

Die Fensterkippstellung führt zu einem erheblich höheren mittleren Luftwechsel. Abb. 7 zeigt, dass dadurch die Temperaturen im Haus während des Sommers spürbar absinken, und zwar auf dauerhaft komfortable Werte.

Abb. 7: Basisfall Passivhaus mit im Sommer bei Bedarf gekippten Fenstern, ohne temp. Ver-
schattung; Tagesmittelwerte der Raumlufttemperaturen in sechs Zonen; Simulationslauf


Auch in der kritischen Hitzeperiode ist trotz fehlender temporärer Verschattung in dieser Betriebsweise ein sehr gutes Innenklima im Passivhaus erkennbar (Abb. 8). Die Jahresdauerlinie (Abb. 9) zeigt, dass die Übertemperaturhäufigkeit sehr gering wird: hθ>25°C = 0.68% (entsprechend 60 h).

Der hier behandelte Fall entspricht (bis auf den Unterschied Endhaus/Mittelhaus) in etwa der in den Jahren 1991 bis 1993 vorliegenden wirklichen Situation in der westlichen Endhauseinheit des bewohnten Passivhauses Darmstadt-Kranichstein - es gab dort keine Ver- schattungsmöglichkeit 2), aber es konnte durch Kippen der Fenster gelüftet werden. Von Bewohnern und Besuchern war regelmäßig mit Verwunderung festgestellt worden, dass das Haus auch in sommerlichen Hitzeperioden wohltuend kühl blieb.

Abb. 1 zeigt Temperaturmesswerte aus allen drei Geschossen, die sogar noch etwas günstiger liegen im Vergleich zur Simulation aus Abb. 8. Das liegt vor allem daran, dass die Fenster in den frühen Morgenstunden eine Zeitlang in Drehstellung vollständig geöffnet werden können. Der Sommer 1993 war im Vergleich zum langjährigen Mittel besonders heiß.

Abb. 8: Basisfall Passivhaus mit im Sommer bei Bedarf gekippten Fenstern (keine temporäre
Verschattung); Detailtemperaturen in der wärmsten Zone während einer ausgeprägten
Hitzeperiode; DYNBIL-Simulationslauf


Abb. 9: Basisfall mit im Sommer bei Bedarf gekippten Fenstern, ohne temp. Verschattung;
Jahresdauerlinie


In Abb. 10 ist dargestellt, wie sich die Übertemperaturhäufigkeit entwickelt, wenn der Luftwechsel mit einer kontrollierten Lüftungsanlage allmählich erhöht wird. Läuft die Wärmerückgewinnung auch im Sommer, wobei energieäquivalente Luftwechselraten um 0.1 h-1 resultieren würde , so würden extrem hohe Temperaturen und Übertemperaturhäufigkeiten von über 35% erreicht. Diese Betriebsart ist somit in jedem Fall auszuschließen:

Lüftungsgeräte müssen einen Sommerbetrieb ohne Wärmerückgewinnung erlauben

So ist das auch als Zertifizierungskriterium für Passivhaus geeignete Lüftungsanlagen vorgegeben - dies kann durch einen Bypass oder durch eine Sommerkassette oder durch den ausschließlichen Betrieb nur des Abluftventilators erfolgen.

Bei reiner Abluft (entspr. 0.475 h-1) liest man 10.77% ab (siehe Referenzfall). Annähernd entlang einer mit n-1 verlaufenden Funktion nimmt die Überhitzungshäufigkeit ab, wenn der permanente Luftwechsel weiter erhöht wird. Zu bedenken ist allerdings, dass für einen 0.7 h-1 maschinellen Sommerluftwechsel bereits ein gewisser zusätzlicher Ventilatorstromverbrauch entsteht. Dennoch ist dies eine Möglichkeit für solche Gebäude, bei denen ein Öffnen von Fenster z.B. aus Schallschutzgründen nicht möglich ist.

Besser ist es, wie schon im oben behandelten Fall mit gekippten Fenstern, im Sommer auf natürliche Lüftung zu setzen. Aus Abb. 10 kann entnommen werden, dass der oben behandelte Fall mit im Bedarf gekippten Fenstern einem dauernden Luftwechsel mit reiner Abluft von etwa 1.4 h-1 entspricht. Würde dieser Abluftvolumenstrom mit einer effizienten Anlage maschinell erzeugt, so würde der Ventilatorstromverbrauch im Sommer etwa 560 kWh erreichen - durch Fensterlüftung geht es ohne zusätzliche Betriebskosten.

Abb. 10: Der Einfluss der Lüftung auf die sommerliche Übertemperaturhäufigkeit im Passivhaus
(Basisfall, Simulation); durch Fensterkippstellung lässt sich bereits eine ausreichende Kühlung
erreichen. Beim hier berechneten Fall gibt es keine temporäre Verschattung!


Der Einfluss von Fenstergröße und Verglasungsqualität

Der Verglasungsflächenanteil im bestehenden Passivhaus in Darmstadt-Kranichstein beträgt 35% der Südfassade. Verwendet wurden Dreischeiben-Wärmeschutzverglasungen der ersten Generation (mit 3-WSK bezeichnet), die einen U-Wert von etwa 0.71 W/(m²K) und einen g-Wert von 49.5% aufweisen.

Abb. 11 zeigt, wie sich die thermische Behaglichkeit im Sommer entwickelt, wenn Fenstertyp und Fenstergröße verändert werden.

Abb. 11: Der Einfluss von Verglasungsgröße und Verglasungsqualität im Referenzfall;
mit zunehmender Verglasungsfläche über ca. 20% nimmt die Übertemperaturhäufigkeit steil zu.


Die Ergebnisse für das Sommerklima sind anhand der Überhitzungshäufigkeiten hθ>25°C dargestellt:

  • Unabhängig von der Verglasung wird die Temperatur 25°C bei Verglasungsflächenanteilen kleiner 14% in Südrichtung auch im Sommer überhaupt nicht erreicht. Bei kleineren Fenstern besteht somit keinerlei sommerliches Überhitzungsproblem in Passivhäusern. Allerdings werden die Heizwärmekennwerte von 15 kWh/(m²a) bei derart kleinen Südfenstern nur knapp unterschritten. Auch aus Gründen der Tageslichtnutzung sind größere Fenster empfehlenswert (vgl. den Beitrag von Ursula Schneider zur 10. Passivhaustagung [Schneider 2006] ).
  • Mit größer werdender Südfensterfläche steigt der Häufigkeitswert der Überschreitung von 25°C bei den Dreischeiben-Wärmeschutzverglasungen an: Bis zu Verglasungsflächenanteilen in der Südfassade:
    • etwa 30% bei „3-WSK“
    • etwa 25% bei „3-Magnetron“ (Weißglas)

können auch ohne temporären Sonnenschutz im Passivhaus noch gute Werte erreicht werden.

  • Hingegen gibt es bei Verglasungsflächenanteilen
    • über 42% bei „3-WSK“
    • über 35% bei „3-Magnetron“ (Weißglas)

im hier behandelten Basisfall derart hohe Solarenergieeinträge im Sommer, dass zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden müssen. Diese werden später behandelt.

Interessant ist, dass die Zweischeiben-Wärmeschutzverglasung „2 WSA“ und die Verglasung „3-Magnetron“ bei normalen Fenstergrößen praktisch zu den gleichen Sommerklimabedingungen führen: die g-Werte beider Verglasungen sind auch etwa gleich.

Diese Analyse zeigt, dass die Ursache für mögliche sommerliche Übertemperaturen bei Wohngebäuden hauptsächlich bei einem (zu) hohen sommerlichen solaren Energieangebot zu suchen ist. Dies lässt sich jedoch durch fachgerechte Planung und mit Hilfe einfacher marktverfügbarer Komponenten (Jalousien, Stores, Überstände, …) vermeiden.

Der Einfluss der Orientierung

Wie sich eine unterschiedliche Orientierung der Hauptfassade auswirkt, zeigt Abb. 12. Dargestellt ist der Verlauf für die Dreischeibenwärmeschutzverglasung „3-WSK“. Es wurde eine Verglasungsfläche von 19.127 m² (entsprechend 34%, das ist die im Referenzgebäude vorhandene Größe) angenommen.

Abb. 12:Abhängigkeit der hθ>25°C und des Jahresheizwärmebedarfs eines Reihenmittelhauses
als Passivhaus von der Orientierung der Hauptfassade (3-WSK, 19.127 m², Referenzfall,
ohne temporäre Verschattung und ohne Fensterlüftung)


  • Man erkennt, dass sich sowohl der Jahresheizwärmebedarf (zwischen 10 und 12 kWh/(m²a)), als auch die sommerliche Überhitzungshäufigkeit (15 bis 18%) nur wenig ändern, wenn von der idealen Südorientierung um maximal ± 30° abgewichen wird.
  • Dann allerdings steigen sowohl die Überhitzungshäufigkeit als auch der Heizwärmebedarf spürbar an. Im Bereich zwischen 60° und 90° Richtung gegen Süd werden maximale Werte für die Überhitzungshäufigkeit mit um 20% erreicht. Bei 90°-Orientierung (West oder Ost) ist übrigens auch der Jahresheizwärmebedarf bereits bei um 16 kWh/(m²a) angelangt.
  • Bei weiterem Herausdrehen aus der Südrichtung ändert sich dieser nun kaum noch, d. h. für den Winterfall ist eine Nordorientierung kaum ungünstiger als eine Ost- oder Westorientierung. Anders im Sommerfall: bei Weiterdrehen Richtung Nord fallen die Überhitzungshäufigkeiten steil ab. Zwischen ±45° gegenüber Nord sind die Überhitzungsstunden mit nur 10% am kleinsten.

Auf der Grundlage dieser Ergebnisse wird verständlich, warum Gebäude mit großen Verglasungsflächen vor allen bei Orientierungen in Ost- oder Westrichtung Probleme bei der sommerlichen Behaglichkeit haben. Eine genauere Analyse zeigt, dass bei sehr großen verglasten Flächen das Maximum der Übertemperaturhäufigkeit jedoch wieder bei der Südorientierung erreicht wird, weil es dann auch schon in der Übergangsjahreszeit und im Winter zu Überhitzungen kommen kann.

Der Einfluss von feststehenden horizontalen Verschattungselementen über den Fenstern (Dach- oder Balkonüberstände)

Hier gehen wir von einem Fall ohne jede feststehende Verschattungselemente aus (das ist nicht der Referenzfall!). Für diesen Fall werden nun allein der Balkon- und Dachüberstand vergrößert (gemessen wird immer von der Verglasungsaußenoberfläche, jeweils mit Abstand 0.59 m über der Verglasungsoberkante, vgl. Abb. 13).

Abb. 13: Feststehende Balkon- oder Dachüberstände über
einer südorientierten Verglasung können den sommerlichen
Energieeintrag bedeutend reduzieren. Beim Dämmstandard
des Passivhauses erhöhen sie den Heizwärmebedarf nur
wenig (vgl.Abb. 14), wenn der Überstand nicht sehr tief
gewählt wird. Gemessen wird der Überstand von der
Außenoberfläche der Verglasung, der Abstand von
der Verglasungsoberkante.


Abb. 14 zeigt die Veränderungen für diese Fallstudie:

  • Der Jahresheizwärmebedarf in einem Passivhaus ändert sich bis zu Überstandstiefen von etwa 1.25 m praktisch nicht (das ist in Niedrigenergiehäusern noch anders).
  • Hingegen nimmt die Überhitzungshäufigkeit im Sommer zwischen horizontalen Überständen von 0.5 m bis 1.5 m spürbar ab (von hθ>25°C = 22% bis unter 7%).

Noch größere Überstände erhöhen den Jahresheizwärmebedarf dann deutlich, bringen aber kaum noch eine Verbesserung beim Sommerklima.

Abb. 14: Auswirkung feststehender Verschattungselemente im Abstand von 0.59 m über der
Verglasungsoberkante auf den Jahresheizwärmebedarf und die Überhitzungshäufigkeit
(Fenster außenbündig, keine temporäre Verschattung, Südorientierung, keine Fensterlüftung).


Hieraus können unmittelbar praxisbezogene Empfehlungen gegeben werden: Die feststehenden horizontalen Verschattungselemente über Fenstern wirken sich bei deutschem Klima in südorientierten Passivhäusern bis zu einem Überstand von ca. 1.25 m günstig auf das Sommerklima aus, ohne den Heizwärmebedarf merklich zu erhöhen.

Der Einfluss einer temporären Verschattung

Abb. 15 zeigt, dass durch den Einsatz eines außenliegenden Verschattungselementes die Temperaturen im Passivhaus (Referenzfall) während des Sommers spürbar absinken. Temperaturen über 25°C werden nun so gut wie gar nicht erreicht (hθ>25°C wird kleiner als 0.5%).

Auch ein Rollo im Scheibenzwischenraum wirkt sich ähnlich wie das außenliegende Rollo auf das Innenklima aus, und selbst ein innenliegendes Rollo reduziert die sommerlichen Temperaturen noch spürbar: hθ>25°C sinkt auf 6.8% im Vergleich zu 10.8% im Referenzfall. Damit ist das innenliegende Rollo zwar nicht annähernd so wirksam wie ein außenliegendes und ein solches im Scheibenzwischenraum, aber es kann in Verbindung mit z.B. einer verstärkten Sommerlüftung die Erwärmung lindern helfen.

Abb. 15: Durch temporäre Verschattungseinrichtungen lässt sich die Behaglichkeit im Sommer
bedeutend verbessern. Bei den im Passivhaus üblichen Verglasungsqualitäten mit drei Scheiben
und hoher Scheibenabsorption ist eine innenliegende Verschattung allerdings nur von begrenz-
tem Nutzen.


Nicht diskutiert wird an dieser Stelle die Problematik einer möglichen unzulässigen Erwärmung der Verglasung durch die Rückreflektion und den Wärmestau bei innenliegenden Rollos. Vor dem praktischen Einsatz solcher Systeme muss diese Problematik geklärt werden [Feist 1998b] .

Temporäre Verschattung ist für alle Fensterorientierungen gleichermaßen wirksam - leider gilt das nicht für die unter letztem Kapitel behandelten feststehenden Überstände, die in Ost- oder Westrichtung nur unbedeutende Sommerverschattungseffekte bringen. Eine temporäre Verschattungsmöglichkeit ist daher das Mittel der Wahl, wenn mit sommerlicher Überhitzung gerechnet werden muss. Das entspricht durchaus den überlieferten Erfahrungen z.B. in den Mittelmeerländern, in denen tagsüber geschlossene Fensterläden zur Standardausstattung der traditionellen Gebäude bestehen.

Der Einfluss der inneren Wärmequellen

Für die Studie zum Sommerfall wurde in den bisher behandelten Fällen mit einer mittleren inneren Last von 386.8 Watt gerechnet. Dies entspricht 2.48 Watt/m² und ist etwas mehr, als die Standardannahme zu inneren Wärmequellen bei Berechnungen mit dem Passivhaus Projektierungs Paket (für den Sommerfall liegt man mit dem etwas höheren Ansatz auf der sicheren Seite; während der Heizzeit muss jedoch zur Sicherheit mit dem kleineren Wert gerechnet werden).

In Abb. 16 ist dargestellt, wie sich nach der DYNBIL-Simulation der Jahresheizwärmebedarf reduziert, wenn sich die verfügbaren inneren Wärmequellen erhöhen:

  • Zunächst nimmt der Wärmebedarf nahezu linear mit der zusätzlich zur Verfügung gestellten freien Wärme mit einem Ausnutzungsgrad von etwa 80% ab.
  • Die Kurve flacht dann allerdings bei höherem Angebot schnell ab. Das „Nullheizenergiehaus“ wird erst bei 3.5facher Höhe der inneren Wärmequellen erreicht.

⇒ Dies würde einem zusätzlichen internen Energieumsatz von 8470 kWh/a entsprechen; keine Frage, dass dies weder als ökonomisch noch als ökologisch sinnvoll angesehen werden kann.

Abb. 16: Der Einfluss unterschiedlich hoher innerer Wärmequellen auf den Jahresheizwärme-
bedarf und die Übertemperaturhäufigkeit im Passivhaus (Referenzfall des Reihenmittelhauses).


Aber auch für die Behaglichkeit im Sommer wirkt sich jede zusätzlich anfallende innere Wärmequelle ausgesprochen ungünstig aus, wie ebenfalls aus Abb. 16 entnommen werden kann.

  • Zunächst steigt die Überhitzungshäufigkeit ebenfalls annähernd linear mit den inneren Wärmequellen an; eine Verdopplung der Quellen entspricht dabei etwa 2.3fach mehr Übertemperaturstunden.
  • Bei über 5 W/m² hinausgehenden inneren Wärmequellen steigt die Überhitzungshäufigkeit dann sogar überproportional. In dem oben genannten Extremfall mit 3.5fach erhöhter Quellleistung von 8.7 W/m² würde in diesem Gebäude die Übertemperaturhäufigkeit hθ>25°C mehr als 64% des Jahres erreichen. Das Sommerklima in einer solchen Wohnung wäre unerträglich.

Die Untersuchung zeigt, weshalb es entscheidend ist, bei Passivhäusern nicht nur auf gute Dämmung und Wärmerückgewinnung und damit niedrige Werte für den Jahresheizwärmebedarf zu achten, sondern auch auf niedrige innere Wärmequellen, insbesondere was elektrische Geräte und Abwärme aus Rohrleitungen, Warmwasserspeichern etc. angeht. Hier ist eine besonders hohe Energieeffizienz gefragt, die sich sowohl auf den Komfort im Sommer, als auch in Bezug auf den Umweltschutz und zusätzlich auf den Geldbeutel positiv auswirkt. Effiziente Stromnutzung ist eine Devise der Zeit!

Referenzfall „Holzleichtbau“

Bei gleichen Grundrissen, gleicher Lüftungstechnik und gleichen Fenstergrößen und Verglasungsqualitäten wie im gebauten Passivhaus Darmstadt, jedoch ausschließlicher Verwendung von Holz-Leichtbauteilen ergeben sich die in Abb. 17 gezeigten Tagesmitteltemperaturen im Jahresverlauf. Es betragen:

  • der Jahresheizwärmebedarf 12.8 kWh/(m²a)
  • die Überhitzungshäufigkeit 17.7%.

Die Häufigkeit von Übertemperaturen nimmt beim Leichtbau in signifikantem Ausmaß zu. Bedingt durch die geringere thermische Trägheit des Gebäudes schwanken die Temperaturen deutlich stärker als im Referenzfall. Insbesondere sind jetzt auch Raumlufttemperaturen bis 25°C in den Monaten November bis Februar möglich. Die höchste Tagesmitteltemperatur liegt mit 34°C am 4. September weit über dem tolerierbaren Maß. Schon aus dieser ersten groben Analyse wird erkennbar, dass für einen reinen Holzleichtbau in jedem Fall zusätzliche Maßnahmen für die Schaffung eines akzeptablen Sommerklimas erforderlich werden (Verschattung und/oder Zusatzlüftung).

Abb. 17: Die Tagesmittelwerte der Raumlufttemperaturen im Jahresverlauf im Basisfall „reiner
Holzleichtbau“


Abb. 18 zeigt ausgewählte Oberflächentemperaturen und die Raumlufttemperatur im Raum „Dachgeschoss Süd“ in der kritischen Hitzeperiode im Detail. Der Anstieg der Temperaturen ist gegenüber Abb. 4 (Referenzfall) deutlich erhöht – es werden Temperaturen zwischen 32 und 36°C erreicht. Auch die tägliche Temperaturamplitude ist erkennbar höher: z. B. beträgt sie für die Innenoberfläche der Außenwand etwa 2.5 K.

Abb. 18: Detailtemperaturen in der Hitzeperiode Anfang September im Referenzfall „reiner
Holzleichtbau“; zusätzliche Maßnahmen sind unverzichtbar.


Beides ist eine Folge der geringeren Speichermasse des Gebäudes, wodurch sich die Zeitkonstante verringert. Bei der Bewertung der Ergebnisse muss beachtet werden, dass in diesem Referenzfall

  • keine Fensterlüftung und
  • eine nur sehr geringfügige sommerliche Verschattung

vorgenommen wird.

⇒ Maßnahmen der einen oder anderen Art sind für den hier behandelten Fall des Holzleichtbaus aber unverzichtbar.

Abb. 19 zeigt beispielhaft, dass sich durch eine erhöhte Sommerlüftung durch gekippte Fenster auch in diesem Fall das Raumklima sehr stark verbessern lässt. Die Übertemperaturhäufigkeit beträgt dann hθ>25°C = 3.9%. Das ist immer noch bedeutend mehr als im vergleichbaren Fall für einen Massivbau, aber bereits ein akzeptables Sommerklima. Der Unterschied im instationären Verhalten wird deutlich, wenn die stündlichen Temperaturwerte in der Hitzeperiode vom 30. August bis 6. September verglichen werden (Abb. 19 im Vergleich zu Abb. 8). Die Endtemperaturen liegen im Fall des Leichtbaus gut 2 K höher, die Temperaturamplituden sind ebenfalls erhöht.

Abb. 19: Sommerlüftung mit bei Bedarf gekippten Fenstern: Detailtemperaturen in der
Hitzeperiode Anfang September bei der Bauweise „reiner Holzleichtbau“.
(vgl. Abb. 19 mit Abb. 18 einerseits, und Abb. 8 andererseits)


Im Endbericht der publizierten Sommerfallstudie sind neben den hier beispielhaft aufgeführten Fällen noch weitere Parametervarianten für den Fall des Leichtbaus untersucht und dokumentiert worden. Darüber hinaus werden dort auch noch weitere Konstruktionsvarianten betrachtet: So z.B. der Leichtbau mit geringfügig erhöhter wirksamer Masse (durch doppelte Beplankung mit Gipskartonplatten) und Gebäude in Bauweise mit Betonschalungssteinen sowie in Mischbauweise. Auch die Abhängigkeit des Heizwärmebedarfs und der Übertemperaturhäufigkeit von der wirksamen Wärmekapazität wird dort systematisch dargestellt. Für jede Bauweise gibt es in Mitteleuropa eine Lösung mit gutem sommerlichem Komfort - mit dem PHPP kann eine solche Lösung im konkreten Fall gefunden werden.

Bessere Wärmedämmung: gut oder schlecht für den Sommer?

Die wesentliche Einflussgröße auf den Jahresheizwärmebedarf, welche über das Erreichen des Passivhaus-Standards (d. h. Unter- schreiten der 15 kWh/(m²a)) entscheidet, ist der Wärmeschutz der opaken Außenbauteile, insbesondere von Dach und Außenwand. Vielfach ist die Vermutung geäußert worden, dass eine Erhöhung des Wärmschutzniveaus zu verschärften Überhitzungsproblemen im Sommer führen würde. Um den Einfluss der Dämmung auf das sommerliche Innenklima zu untersuchen, wurden die Wärmedurchgangskoeffizienten von Dach und Außenwand gemäß Tabelle 2 variiert.


Tab. 2: Vorgenommene Variation von Dämmniveaus und sich daraus ergebende Wärmedurchgangs-
koeffizienten der opaken Bauteile (Außenwand und Dach); verwendet wurden Außenbauteile analog
dem gebauten Passivhaus in Darmstadt-Kranichstein.


Abb. 20 zeigt, dass für den Referenzfall „Sommer reine Abluft“ die Übertemperaturhäufigkeiten durch die Verbesserung der Wärmedämmung tatsächlich ansteigen: Die Höhe der inneren Wärmelast und der solaren Wärmegewinne im Sommer ist so hoch, dass zusätzliche Wärmeverluste durch schlecht gedämmte Bauteile zu einer vergrößerten Abfuhr der Überschusswärme führen. Diesem Ergebnis nach müssten Passivhäuser tatsächlich größere Probleme beim sommerlichen Innenklima aufweisen als gewöhnliche Häuser mit gleichem Grundriss und gleicher Solarapertur.

Abb. 20: Abhängigkeit der hθ>25°C vom mittleren U-Wert der opaken Bauteile für den Referenzfall
des Reihenmittelhauses bei veränderten Dämmstoffdicken; Sommerbetrieb: reine Abluft,
ohne Fensteröffnung.


Dieses Ergebnis steht zunächst scheinbar im Widerspruch zum ausgesprochen guten sommerlichen Innenklima im Passivhaus Kranichstein.

  • Der Widerspruch löst sich aber, wenn die Übertemperaturhäufigkeiten bei geänderter und praxisnaher sommerlicher Lüftungsstrategie betrachtet werden (Abb. 21): Werden die Fenster im Sommer bei Bedarf gekippt, so sinken die Übertemperaturhäufigkeiten bei diesem Massivbau beträchtlich.
  • Nicht nur das: auch der Einfluss des Wärmeschutzniveaus von Dach und Wand kehrt sich um. Bei schlechterer Dämmung liegen nun zunächst höhere Übertemperaturhäufigkeiten (um 0.5%) vor, die auf ein Minimum im Bereich des Passivhaus-Standards absinken.


Abb. 21: Abhängigkeit der hθ>25°C vom mittleren U-Wert der opaken Bauteile im Passivhaus
bei veränderten Dämmstoffdicken; nun aber mit im Sommer bei Bedarf gekippten Fenstern.
Jetzt ist erkennbar, dass besserer Wärmeschutz vorteilhaft für ein gutes Sommerklima ist.


Der Unterschied in der sommerlichen Behaglichkeit zwischen den verschiedenen Dämmniveaus ist nicht sehr groß. Aus dieser Untersuchung geht aber klar hervor, dass in Passivhäusern, sofern eine Möglichkeit für das Kippen von Fenstern im Sommer besteht, jedenfalls kein schlechteres Raumklima vorliegt als bei Niedrigenergiehäusern oder noch schlechteren Dämmstandards.

Die Ergebnisse sind leicht zu erklären:

  • Besteht im Sommer eine Möglichkeit zur Fensterlüftung, so kann wirkungsvoll Überschusswärme „abgelassen“ werden, wenn die Außentemperaturen niedrig genug sind. Damit kann das Haus insgesamt auf ein komfortables sommerliches Innenklima gebracht werden.
  • Bei großer Hitze hingegen lässt man die Fenster wieder zu: dann hilft die verbesserte Wärmedämmung sogar, das Einfallen von Wärme über die opaken Bauteile zu begrenzen. Ein solches Haus ist leichter „kühl“ zu halten, als bei schlechter Dämmung.
Gute Dämmung hilft im Winter wie im Sommer

Das Ergebnis der Untersuchung zum Wärmeschutzniveau führt auf eine weitere Planungsleitlinie: Ein verbesserter Wärmeschutz reduziert einerseits die Wärmeverluste im Winter bedeutend und hilft andererseits, das sommerliche Innenklima kühl zu halten – unter der Voraussetzung, dass eine ausreichende Lüftung im Sommer möglich ist.

Eine Ergänzung ist jetzt (im Jahr 2022) notwendig geworden: Inzwischen sind die sommerlichen Temperaturen auch in Mitteleuropa bereits spürbar angestiegen3). Die Hitzeperioden halten auch länger an. Und vor allem: Oft kühlt es jetzt bereits in den Nächten kaum noch aus4). Unter solchen Umständen wird es immer schwerer, ein erträgliches Temperaturniveau in Innenräumen überhaupt noch aufrecht zu erhalten - das gilt ganz unabhängig vom Gebäudestandard. Wenn es außen nicht mehr kälter wird als z.B. 24°C und das über lange Zeiträume, dann funktioniert selbstverständlich auch die „Nachtlüftung“ nicht mehr zufriedenstellend. In anderen Teilen der Welt ist das schon seit einiger Zeit so (Mittelmeerraum, aber natürlich auch in weiten Teilen Indiens oder Chinas). Dort wird dann schon seit vielen Jahren im Sommer weit überwiegend aktiv gekühlt - und es sieht ganz danach aus, dass diese Entwicklung in den kommenden Jahren auch Mitteleuropa umfassen wird.

Hat das Temperatur-Amplitudenverhältnis noch Einfluss?

In einer Vielzahl älterer Publikationen wurde die Bedeutung des Temperatur-Amplitudenverhältnisses (TAV) und der Phasenverschiebung (φ) von Außenbauteilen für die Behaglichkeit, insbesondere im Sommer, hervorgehoben. Auch heute noch sehen einige Autoren einen hohen Einfluss dieser Kenngrößen.

In der Sommerfallstudie wurden variierte Außenwände so ausgewählt, dass die instationären Wärmetransporteigenschaften sich möglichst stark unterscheiden, um diese Effekte so deutlich wie möglich herauszuarbeiten (Abb. 21).

Abb. 21:
Abhängigkeit
der hθ>25°C vom
Temperatur-Am-
plitudenverhältnis
(Parameterschar)
der Außenwände
im Passivhause
gleicher Dämmung
und gleicher
Wärmekapazität.

Als unabhängige
Variable wurde
der Verglasungs-
flächenanteil
verwendet.
1. „KS17&30“: „Massivbauweise“ außen 300 mm expandiertes Polystyrol (EPS); innen 175 mm Kalksandstein-Wand (KS-Wand);
U=0.126 W/(m²K), flächenspezifische Speicherkapazität 106.5 Wh/(m²K).
2. „KS InnDämm“: Hier wird das zuletzt beschriebene Bauteil einfach „umgedreht“; die EPS-Dämmung kommt nach innen,
der Kalksandstein nach außen; gleiche flächenspezifische Speicherkapazität, gleicher U-Wert.
3. „2*Sandwich“: Dämmschicht und KS-Mauerwerk gegenüber dem letzten Fall aufgeteilt: 87.5 mm KS; 150 mm EPS;
87.5 mm KS; 150 mm EPS; immer noch gleicher U-Wert und Gesamtkap.
4. „HomWa“: Wärmedurchgangswiderstand und Wärmekapazität homogen über das Bauteil verschmiert. UW= 0.126
W/(m²K), flächenspez. Speicherkap. 106.5 Wh/(m²K) unverändert.


Abb. 21 zeigt die Entwicklung von hθ>25°C bei unterschiedlicher Süd-Fensterfläche für die Gebäudevarianten, bei denen die Außenwände mit den oben aufgeführten unterschiedlichen Bauteilen mit extrem verschiedenen TAV-Werten belegt sind; die Werte unterscheiden sich auf dem gesamten Bereich nur sehr geringfügig. Als Schlussfolgerung können wir festhalten:

Das Temperatur-Amplitudenverhältnis von opaken Außenbauteilen spielt beim Dämmstandard des Passivhauses keine Rolle mehr – weder für den Jahresheizwärmebedarf noch für die sommerliche Behaglichkeit. Die Ursache liegt darin, dass hoch wärmegedämmte Bauteile bereits eine so starke Verringerung der Amplituden unabhängig von der Zeitperiode bewirkt, dass die zusätzlichen dynamischen Dämpfungseffekte nicht mehr relevant sind. Bei schlecht(er) gedämmten Bauteilen wir der Einfluss des TAV dagegen erkennbar.

Zusammenfassung und Schlussfolgerungen zum sommerlichen Raumklima in Passivhäusern

In der Passivhaus-Sommerklima-Studie wurde der Einfluss verschiedener baulicher Parameter auf die Behaglichkeit im mitteleuropäischen Sommer untersucht. Als wichtigste Kenngröße wurde dabei die Übertemperaturhäufigkeit zu 25°C verwendet, d.i. das Verhältnis zwischen der Zahl der Stunden mit Überschreitung dieser Temperatur zur Zahl der Stunden des Jahres (8760 h). Für die Untersuchung verwendet wurde das instationäre Simulationsprogramm DYNBIL, das mit einem am Passivhaus Darmstadt-Kranichstein validierten Gebäudemodell eines Reihenmittelhauses eingesetzt wurde.

Die Variation der baulichen Parameter erlaubte folgende Schlussfolgerungen:

  • In Bezug auf das Dämmniveau: Besserer Wärmeschutz kann bei vernünftigem Nutzerverhalten im Sommer die Behaglichkeit verbessern helfen. Das Passivhaus hat daher in Mitteleuropa entgegen häufig geäußerter Befürchtungen kein spezifisches „Sommerklimaproblem“.
  • In Bezug auf die Lüftung: Selbstverständlich ist es ratsam, die im Passivhaus vorhandene balancierte Lüftung mit Wärmetauscher zeitweise im Sommer ohne Wärmerückgewinnung zu betreiben. Sehr gute Ergebnisse sind erzielbar, wenn ein bewusstes Sommerlüften bei Bedarf mit gekippten Fenstern möglich ist (insbesondere auch in der Nacht).
  • In Bezug auf die Verglasung: Die effektive Solarapertur erweist sich als neben der Lüftung wichtigste Einflussgröße auf die sommerliche Behaglichkeit. Bei kleinen Fenstern entstehen in der Regel ohnehin keine Übertemperaturen. Vertikale Südorientierungen sind im Sommer weit günstiger als z.B. Ost- oder Westrichtung. Es werden Richtlinien gegeben, ab welcher Apertur weitergehende Maßnahmen (Verschattung) empfehlenswert sind.
  • In Bezug auf Verschattung: Im Gegensatz zum normalen Niedrigenergiehaus sind für das Passivhaus bei südorientierten Fenstern feststehende horizontale Schirme (Balkonüberstände) mit nicht zu großer Tiefe (1.2 bis 1.6 m bei raumhohen Fenstern) sehr wirksam für den Sonnenschutz im Sommer, ohne dass der Jahresheizwärmebedarf zu stark erhöht wird. Sehr effizient sind außenliegende temporäre Verschattungseinrichtungen, aber auch solche, die im äußeren Scheibenzwischenraum der Dreifachverglasung angeordnet sind.
  • In Bezug auf die Gebäudemasse: Gebäude mit größerer wirksamer innerer Masse sind in Mitteleuropa im Sommer etwas leichter auf kühlen Temperaturen zu halten als reine Leichtbauten. Auch bei letzteren ist unter der Voraussetzung des sehr guten Wärmeschutzes eines Passivhauses aber ein gutes sommerliches Raumklima erreichbar. Für alle Bauweisen sind Lösungen mit sehr gutem sommerlichen Innenklima verfügbar. Die Projektierung kann diesbezüglich mit dem PHPP-Sommerblatt erfolgen.
  • In Bezug auf das Temperatur-Amplituden-Verhältnis TAV: Bei den im Passivhaus vorliegenden Dämmqualitäten ist die stationäre Dämpfung bereits so groß, dass die dynamische Dämpfung und damit das TAV keine Rolle mehr spielt.


Mit diesen Informationen kann der Architekt mit Hilfe des PHPP-Sommerblattes ein Gebäude auf akzeptable sommerliche thermische Behaglichkeit hin planen. Innerhalb des Wissenschaftlichen Programms des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser wurden vereinfachte Algorithmen entwickelt und getestet, die eine ausreichend genaue Darstellung der in diesem Artikel beschriebenen Abhängigkeiten des Raumklimas im Sommer von den baulichen Parametern erlauben. Das resultierende Verfahren wurde in [Feist 1999] publiziert.

Das Verfahren wurde später In Tabellenkalkulationsformeln umgesetzt und in das PHPP als Sommer-Blatt aufgenommen. Dieses Sommerblatt arbeitet mit denselben Eingabedaten, die für das PHPP-Monatsbilanzverfahren bereits eingegeben worden sind - dazu kommen nur die spezifisch für den Sommerfall benötigten Kennwerte, nämlich:

  • Art und Umfang der sommerlichen Zusatzlüftung,
  • Art und Deckelfaktor der temporären sommerlichen Verschattungseinrichtungen je Fenster,
  • Auswahl der maßgeblichen sommerlichen Grenztemperatur.

Das Blatt ermittelt daraus die Häufigkeit von Übertemperaturstunden hθ>25/26°C.

Durch Verwendung dieses Instrumentes ist es sehr einfach, in Mitteleuropa ein Passivhaus zu projektieren,
das auch im Sommer eine sehr hohe thermische Behaglichkeit aufweist.


Siehe auch

Literatur

[DIN 1946] „Raumluftqualität, Gesundheitstechnische Anforderungen (VDI-Lüftungsregeln)“; Januar 1994

[Feist 1993] Feist, Wolfgang: „Passivhäuser in Mitteleuropa“; Dissertation, Unversität Kassel GhK, Kassel 1993

[Feist 1994] Feist, Wolfgang: „Thermische Gebäudesimulation“; 1.Auflage Karlsruhe 1994

[Feist 1997] Feist, Wolfgang (Hrsg.): „Energiebilanz und Temperaturverhalten“; Protokollband Nr. 5 des Arbeitskreises kosten­günstige Passivhäuser; Darmstadt 1997

[Feist 1998a] Feist, Wolfgang: „Passivhaus Sommerklima-Studie“; Passivhaus Institut, Darmstadt 1998 Link zur PHI Publikation

[Feist 1998b] Feist, W. und Holtmann, K.: „Erhöhter Glaseinstand kann Gefahr von thermisch induzierten Scheibensprüngen reduzieren“; Gff (Glas Fenster Fassade), Heft 5/1998

[Feist 1999] Feist, Wolfgang (Hrsg.): „Passivhaus Sommerfall“; Protokollband Nr. 15 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser, Passivhaus Institut, Darmstadt 1999 Link zur PHI Publikation

[Peper/Feist 2002] Peper, Sören; Feist, Wolfgang: „Klimaneutrale Passivhaussiedlung Hannover-Kronsberg Analyse im dritten Betriebsjahr“; 1. Auflage, Proklima, Hannover 2002; dieser Bericht kann kostenlos hier bei Passivhaus Institut bezogen werden.

[Kirtschig 1998] Kirtschig, Thomas; Werner, Johannes; Feist, Wolfgang: „Thermische Behaglichkeit im Passivhaus Kranichstein - eine Wohneinheit als Nullheizenergiehaus: Winter 1994/95“; Passivhaus-Bericht Nr. 16, Institut Wohnen und Umwelt GmbH, Februar 1998

[Knissel 1998] Knissel, Jens: „Validierung des Simulationsprogramms TAS; Vergleich mit Messergebnissen aus dem Passivhaus Damstadt-Kranichstein“; Institut Wohnen und Umwelt, 1998

[Kolmetz 1996] Kolmetz, S.; „Thermische Bewertung von Gebäuden unter sommerlichen Randbedingungen – Ein vereinfachtes Verfahren zur Ermittlung von Raumtemperaturen in Gebäuden im Sommer und deren Häufigkeit“; Dissertation Universität Gesamthochschule Kassel 1996.

[PHPP 2007] Feist, W.; Pfluger, R.; Kaufmann, B.; Schnieders, J.; Kah, O.: Passivhaus Projektierungs Paket 2007, Passivhaus Institut Darmstadt, 2007

[Schneider 2006] Schneider, U.: Grünes Licht; im Tagungsband der 10. Passivhaustagung, Hannover, Passivhaus Institut Darmstadt, 2006 Link zur PHI Publikation

[Wang 1996] Wang, Zhiwu: „Controlling Indoor Climate“; Dissertation, Lund University, Department of Building Science, 1996

1)
Hierzu zunächst eine allgemeine Bemerkung zur Physik: Wärmedämmung „erzeugt“ keine Wärme, sie verringert den Wärmeaustausch zwischen Systemen mit unterschiedlicher Temperatur. Sie schützt daher auch ein kühles System vor Wärmeeintrag aus der Umgebung. Kühlgeräte werden deswegen wärmegedämmt - ein populäres Beispiel ist das Kühlhalten von Eiswasser in einer (gut wärmedämmenden) Thermoskanne.
2)
Alle anderen drei Hauseinheiten hatten und haben außenliegende Jalousien zur temporären sommerlichen Verschattung. Bei der Endeinheit wurden solche Jalousien nicht installiert, weil diese Einheit für das Nullheizenergiehaus-Experiment im Herbst 1993 mit wärmegedämmenten Schiebeläden ausgerüstet wurde.
3)
Durch den Klimawandel
4)
Die Fachleute nennen dies eine „Tropennacht“
grundlagen/sommerfall/passivhaus_im_sommer.txt · Zuletzt geändert: 2022/08/21 12:32 von wfeist