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Mythen zum Thema Wärmedämmung


Kurz gefasst beruhen die Mythen zur Wärmedämmung auf einem unzureichenden Verständnis der dazu gehörigen, seit Jahrhunderten sehr gut verstandenen Physik. Die Bauphysik hat hierüber Klarheit gebracht - und das ist eigentlich alles auch recht gut verständlich, wenn erst einmal grundsätzlich falsche Vorstellungen überwunden werden. Übrigens: Alles, was wir hier ausführen, entspricht dem neuesten, unter Fachleuten allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft; der sich diesbezüglich auch in den letzten 50 Jahren nicht grundlegend verändert hat1). Das meiste davon ist in einschlägiger internationaler Normung niedergelegt; so, wie wir es hier beschreiben, nichts davon ist aus wissenschaftlicher Sicht „umstritten“2).

Mythos 1: "Wärmedämmen bedeutet, alles muss dicht gemacht werden"

Das beruht auf der (falschen) Vorstellung, dass die Wärme durch die Außenbauteile irgendwie von warmer Luft getragen nach außen gebracht wird und dass die „Wärmedämmung“ demgegenüber die Bauteile „so richtig dicht“ machen muss.

Richtig ist: Der weit überwiegende Teil der Wärme wird nicht von Luftströmen nach außen transportiert, sondern durch Wärmeleitung. Bei der Wärmeleitung wird die Wärmebewegung von einem Molekül zum nächsten weitergereicht (sozusagen durch „anschubsen“); dabei fließt keinerlei Material - es ist nur der heftige Bewegungszustand der mikroskopischen Wärmevibration, der weitergereicht und am Ende an der Außenseite an die Umgebungsluft abgegeben wird. Es ist sehr wichtig, das richtig zu verstehen, weil es hilft verschiedenste Fehler zu vermeiden:

  • Fehlermöglichkeit 1: „Alles Abdichten“, z.B. durch Fugendichtmasse etc. - „bringt“ bei herkömmlichen Außenbauteilen im Altbau in aller Regel gar nicht viel (außer dass der Luftaustausch3) verringert wird). Der weit überwiegende Teil der Wärme wird weiter durch z.B. sehr gut wärmeleitende Wände nach außen geführt.
  • Fehlermöglichkeit 2: Wird so eine Abdichtung ohne Sachverstand auch noch an der falschen Stelle ausgeführt, so können sogar Schäden am Bauteil entstehen. Ein Beispiel dafür sind „dichte Farben“, die in guter Absicht oftmals auf Außenputz aufgetragen wurden - und dann regelmäßig zu Durchfeuchtung führen und abblättern. Merke: Dampfdichte Lagen NIEMALS auf der kalten Seite (Außenseite). Mehr dazu finden Sie unter „Innendämmung luftdicht ausführen“.

Richtig ist, dass

  • Wärmedämmstoffe solche Materialien sind, die die Wärmebewegung nur stark verringert weiterleiten. In der Regel machen sie das, weil sie vor allem aus Luft bestehen; Luft, die sozusagen „verpackt“ ist. Sie stellen der Wärme einen Widerstand entgegen: Und dazu müssen sie noch nicht einmal perfekt dicht sein. Die meisten Dämmstoffe sind sogar weniger luftdicht4) als herkömmliche Baumaterialien wie Steine, Beton oder Holz.
  • Bei Materialien wie Baumwolle, Schafwolle, Stroh, Zelluloseflocken, Hanfmatten, Mineralwolle,… ist das sofort offensichtlich. Diese Materialien sind allerdings in der Regel tatsächlich „zu undicht“ um für sich allein volle Wärmedämmwirkung zu entfalten - wenn da der Wind durchbläst, kommt es in diesem Fall tatsächlich zu durch Luftströme transportierter Wärme. Diese Materialien wirken daher nur in Verbindung mit den anderen Komponenten eines Außenbauteils: Der Innenputz einer verputzten Wand ist beispielsweise ausreichend luftdicht, so dass im Zusammenwirken des vorhandenen Putzes und einer Dämmschicht eine insgesamt funktionierende Wirkung entsteht. Die Dämmung macht das Bauteil dabei überhaupt nicht dichter. Bei innenseitiger Dämmung müssen diese Punkte besonders berücksichtigt werden, siehe hier: Innendämmung - die muss tatsächlich raumseitig dicht sein!
  • Es gibt tatsächlich bei Gebäuden Bauteile, die nahezu perfekt dicht sind: Fensterscheiben z.B. oder Metallbleche. Dass diese wirklich „dicht“ sind5) kann leicht daran gesehen werden, dass sich diese Materialien auch als Außenhüllflächen von U-Booten oder Raumschiffen eignen. Auch am Bau lassen sich solche Bauteile durchaus einsetzen, ohne dass es dadurch zu Problemen kommt (wie das Beispiel Verglasung zeigt; auch da kann das „besser“ und „schlechter“ gemacht werden, siehe Verglasung). Die genannten Materialien weisen sogar hohe Wärmeleitfähigkeiten auf - es sind alles andere als Wärmedämmstoffe. Außenbauteile, die solche Schichten enthalten, müssen daher die Wärmedämmung auf anderem Weg zusätzlich herstellen: Bei den Verglasungen erfolgt dies durch die Verglasungs-Zwischenräume, die mit wenig wärmeleitenden Gasen gefüllt sind.

Mythos 2: „Ein wärmegedämmtes Haus kann nicht mehr ,atmen‘.“

Das hängt natürlich mit der falschen Vorstellung aus Mythos 1 zusammen. Dass Wände atmen können oder müssen, ist eine irrige Vorstellung. Der Luftdurchtritt durch heute übliche Außenbauteile ist grundsätzlich extrem gering - außer, es liegen Risse und nicht geschlossene Fugen vor. Oft gibt es durch Diffusion einen gewissen, sehr langsamen und für die Energiebilanz völlig unbedeutenden Stoffaustausch. Den müssen wir für den Wärmeschutz gar nicht ändern; es sei denn, es gibt andere Gründe dafür.

Richtig ist: …dass z.B. durch die Bewohner im Haus erzeugte Feuchtigkeit wieder abgeführt werden muss. Wände und andere Bauteile tragen dazu aber fast nichts bei und die Wärmedämmung ändert daran nichts. Frischluft im Winter kann durch regelmäßiges Lüften ins Haus kommen. Noch besser geht das mit einer Lüftungsanlage. Für das Thema Feuchtigkeit haben wir in der Passipedia mehrere Fachinformationen: Feuchte Luft und Feuchteprobleme auch bei Innendämmung vermeiden.

Mythos 3: „Wärmedämmung verursacht Schimmel.“

Richtig ist: Bei sachgerechter Ausführung ist genau das Gegenteil der Fall: Mit Wärmedämmung werden die Innenoberflächen wärmer. Warme Oberflächen sind automatisch auch trockener. Auf trockenen Oberflächen kann kein Schimmel wachsen. Das gilt sowohl für Dämmung von außen als auch für richtig ausgeführte Innendämmung (da gibt es dann allerdings ein paar Punkte zu beachten: Innendämmung richtig ausführen).
Schauen wir einmal an, wo denn tatsächlich Schimmel und erhöhte Feuchtigkeit auftreten:

  • Am auffälligsten: alte Fensterscheiben, oder, noch extremer, alte ungetrennte Alu-Profile als Fensterrahmen. Da läuft nicht selten das Tauwasser an den Innenoberflächen herunter; kann es nicht nach außen ablaufen (manche alte Fenster hatten dafür tatsächlich Ablaufrinnen eingebaut), müssen die Bewohner das Wasser regelmässig aufwischen. Wird das Fenster nicht sorgfältig gesäubert ist das Wachstum von Schimmel hier praktisch garantiert.
  • Auch gut sichtbar: Kalte Innenoberflächen z.B. an der Deckenunterseite von auskragenden Balkonplatten. Die Wärmebrückenwirkung ist da regelmäßig als 'biologische Thermographie' sichtbar: Der Schwarzschimmel wächst da, wo das Bauteil am kältesten und daher am feuchtesten ist. Ähnliches an Rolladenkästen, Fensterlaibungen (mit dort nur sehr dünner wirksamer Außenwand) und an Innenkanten ungedämmter Wände, insbesondere, wenn da auch noch ein Möbelstück steht.

Es sind die ungedämmten und die schlecht gedämmten Bauteile, die gefährdet sind. Es ist die verbesserte Wärmedämmung, welche diese Probleme letztlich löst; in einem rundum EnerPhit-gedämmten Altbau gibt es keine feuchten Innenoberflächen von Bauteilen mehr6).

Mythos 4: „Herstellungsenergie ist ein Problem“

Richtig ist: Es gibt eine Vielzahl verschiedener Dämmstoffe, die sich u.a. im Herstellungs-Energieaufwand unterscheiden7). Aber selbst synthetische Dämmstoffe wie das weitverbreitete EPS8) haben in der Regel schon im ersten Winter die zu ihrer Herstellung eingesetzte Energie wieder eingespart9). Hier gibt es weitere Informationen zum Thema: Herstellungs-Energie und Emissionen. Insbesondere bei einer nachträglichen Dämmung von Bauteilen in meist sehr schlecht gedämmten Altbauten ist die dabei eingesetzte Herstellungsenergie gegenüber der damit erzielten Einsparung vernachlässigbar; die Einsparung erfolgt Jahr für Jahr und bei korrekter Ausführung 'hält' die Wärmedämmung Jahrzehnte. Das gilt auch für die CO2-Bilanz.10)

Mythos 5: „Wärmedämmung ist nicht recyclingfähiger Müll.“

Die meisten Wärmedämmstoffe sind langlebig: 50 Jahre und mehr Nutzungsdauer sind regelmäßig erreichbar (Siehe z.B. [Feist 2020]). Derzeit gibt es daher nur geringe Mengen an Altdämmstoff. Für viele Dämmstoffe gibt es praktikabel demonstrierte Recyclingverfahren. Oft wird allerdings eines kaum beachtet: Dämmstoffe bestehen zu 95 bis 99% aus Luft, sie lassen sich daher auf einen kleinen Bruchteil ihres Volumens komprimieren (mindestens einen Faktor 20). Lose Dämmstoffe, wie zum Beispiel Zelluloseflocken, oder aufgelegte Platten können auch ganz direkt wieder eingesetzt werden. Das alles entbindet uns nicht von der Verpflichtung, die hier verwendeten Materialien ungiftig und auch nicht ökotoxisch zu produzieren; das ist bei Wärmedämmmaterialien ohne weiteres möglich - und bei Stoffen wie Stroh, Hanf, Zellulose, Glasschaum und Mineralwolle auch offensichtlich der Fall. Andere Dämmstoffe taten sich da schwerer: Dennoch ist heute jeder am Europäischen Markt zugelassene Dämmstoff human- und ökotoxikologisch unbedenklich.

Mythos 6: „Gedämmte Häuser haben ein ,Barackenklima‘."

Richtig ist: Ein 'Barackenklima' kann entstehen, wenn ein Gebäude nur wenig Wärme speichern kann und zudem einen unzureichenden Wärmeschutz hat. Bei Sonnerschein kann sich so ein Gebäude rasch aufheizen und schnell wird es dann später auch wieder kalt. Durch korrekt geplanten Wärmeschutz verbessert sich das Innenklima regelmäßig. Das ist leicht verständlich, weil die Speicherfähigkeit der Innenbauteile so viel besser genutzt werden kann. Es ist aber auch durch die Praxiserfahrung mit den gebauten Passivhäusern und EnerPHit-Sanierungen aus der Erfahrung belegt.

Mythos 7: „Wärmespeichern ist wichtiger als Wärmedämmen."

Richtig ist: Beides ist Teil der physikalischen Beschreibung von Wärmetransport-Vorgängen, nicht nur in Gebäuden, sondern in allen Gebieten von Natur und Technik. Die zugehörigen Vorgänge sind heute sehr gut verstanden und wir haben dazu in „Dämmen oder Speichern?“ eine leicht verständliche Darstellung. Das Ergebnis kurz gefasst: In Gebäuden in Europa geht der mit weiten Abstand wichtigste Einfluss auf den Energieverbrauch von der Wärmedämmung aus. Die Wärmespeicherung im Gebäude ist meist nicht schädlich - ihre positive Wirkung wird durch eine Verbesserung des Wärmeschutzes regelmäßig verstärkt.

Mythos 8: „Verbesserung der Wärmedämmung bringt nichts solange... (die Fenster noch schlecht sind)"

Richtig ist: Ein verbesserter Wärmeschutz an einem einzelnen Bauteil verringert die Wärmeverluste durch dieses Bauteil in guter Näherung immer um absolut gleich viel, ob es sich um einen Neubau oder ein Altbau handelt, die Einsparung hängt kaum vom Zustand der anderen Bauteile ab11).
Auch richtig ist: Möglicherweise sind die Verluste insgesamt in einem Altbau so hoch, dass z.B. 20 kWh/(m²a) absolute Einsparung für eine Maßnahme (z.B. eine gute Dachdämmung) nur 10% relativ zum Gesamtverbrauch ausmachen. Weil wir aber Schritt für Schritt, immer wenn sich die Gelegenheit ergibt, auch die anderen Bauteile verbessern, addieren sich die Einzelbeiträge (z.B. Dach 20 + Außenwände 65 + Fenster 25 + Kellerdecke 10 kWh/(m²a) und schon sind wir 60% unter dem Anfangswert). Regelmäßig ärgern sich Bauherren, dass sie anfängliche Maßnahmen nicht gut genug ausgeführt haben und die dann vermeidbar hohe Wärmeverluste behalten. „Wenn schon, denn schon“ ist daher immer die richtige Devise. Und die Qualität sollte sich an den Zielwerten für das Haus orientieren, nicht an den „immer noch schlechten“ alten Zuständen.

Zuverlässigkeit dieser Aussagen

Gerade im Internet finden sich Unmengen mehr oder weniger zutreffender Behauptungen zur allen möglichen Fragen. Die meisten Menschen haben das heute bereits erkannt und lassen die gebotene Vorsicht walten - nicht alle Quellen sind seriös und Irrtümer, wie die oben von uns widerlegten, sind sehr weit verbreitet.

Viele Menschen fragen sich daher zu recht: „Was kann ich eigentlich glauben?“ oder „Wem kann ich vertrauen?“. Schon diese beiden Fragen führen nicht so recht weiter, denn sie fragen nach „glauben“ und „blindem Vertrauen“. Beides ist gerade in solchen Fragen wie die hier diskutierten physikalischen Zusammenhänge nicht zielführend: Hierbei handelt es sich nämlich um Fakten und Sachverhalte, die in der Natur (und damit auch in der Technik, denn diese gehorcht selbstverständlich ebenfalls immer den Naturgesetzen) so und nicht anders vorliegen. Gleichgültig wer, wann und wo diese Sachverhalte von der Natur „abgefragt“ werden, die Antwort ist jedes mal die gleiche. Das ist übrigens gerade bei den hier behandelten Fragen von Wärmeleitung, Luftströmung, Strahlungsaustausch sogar leicht von jeder/m selbst überprüfbar12). „Blindes Vertrauen“ ist hier gar nicht erforderlich, siehe z.B.: "Beispiele zu Vorgängen mit feuchter Luft".

Die physikalischen Gesetze, die für den Bereich des Wärmehaushalts von Gebäuden gelten, sind in ihren entscheidenden Grundzügen seit über 150 Jahren bekannt und gesichert. Auch wenn manche gut aufgemachte „Erfolgsmeldung“ zu völlig neuen Erkenntnissen in diesem Bereich alle Jahre wieder vorkommt, so haben sich diese doch letztlich immer alle als in voller Übereinstimmung mit den grundlegenden Gesetzen des Wärme- und Stofftransportes erwiesen; oftmals eben in einer besonders „pfiffigen“ Anwendung eben dieser Gesetze. Weil reale Gebäude geometrisch und in den Details oft kompliziert zusammengesetzt sind, war es vor der Verfügbarkeit der modernen Computertechnik oft nur möglich, die Gesetze in einfachen Näherungen auszuwerten. Inzwischen können aber die kompliziertesten Vorgänge in Rechenmodellen in elementare Zellen zerlegt, dort nach den gültigen Gesetzen berechnet und dann wieder numerisch zusammengesetzt werden. Diese Verfahren wurden seither auch immer wieder mit Messungen (im Labor und in realen Gebäuden) verglichen. Und diese Vergleiche haben sowohl die numerischen Verfahren als auch die dabei verwendete Physik immer wieder neu bestätigt.

Wir legen großen Wert darauf, dass wir in allen unseren Arbeiten den allgemein anerkannten Erkenntnissen der Bauphysik und der verbundenen Disziplinen folgen. Die Aussagen, die Sie hier finden, werden daher vielleicht von manchen als 'langweilig' oder 'nicht neu' empfunden. Wir folgen den gesicherten Erkenntnissen - und werden auch nicht zögern, neue Erkenntnisse aufzunehmen, so sich diese als gesichert erweisen. Leider folgen heute auch in eigentlich fundierten Feldern der Technik manche 'spektakuläre Innovationen' dem Streben nach Neuigkeit um jeden Preis13) oder, schlimmer noch, den Interessen eines Auftraggebers einer Forschungsarbeit. Diese Dinge sind ganz besonders geeignet, das Vertrauen in die naturwissenschaftliche Forschung zu untergraben. Wir legen daher sehr großen Wert auf die Unabhängigkeit unserer Forschung.

Der Bereich des energieeffizienten Bauens ist interessanterweise ein Feld, in dem es in den letzten etwa 60 Jahren enorme Fortschritte und Innovationen in der Praxis gab, einfach nur durch die konsequente Anwendung bekannter physikalischer Prinzipien. Auch heute noch sind alle diese Innovationen aber leicht von allen Personen, die das möchten, in eigener Anschauung auf der Basis der altbekannten Grundregeln verstehbar. Ein Beispiel ist die (enorme!) Verbesserung bei den heute allgemein eingesetzten Fensterscheiben, die inzwischen um einen Faktor 8 (acht!) niedrigere Wärmeverluste aufweisen als die mancherorts noch vorzufindende alte Einscheibenverglasung14). Diese Innovationen haben dazu geführt, dass unsere Gebäude heute viel komfortabler sind als noch vor 60 Jahren und dass sie trotzdem bezogen auf die Wohnfläche deutlich weniger Energie verbrauchen. In Einfamilienhäusern der 60er Jahre waren nicht selten 10.000 Liter Öltanks verbaut und ein Verbrauch von über 5.000 Liter im Jahr war damals keine Ausnahme, das sind über 300 kWh/(m²a). Dass sich so ein gigantischer Ölverbrauch drastisch reduzieren lässt, wenn nur die Geschossdecke gedämmt und die Fenster ausgewechselt werden, hat viele Besitzer vor extrem hohen Heizkosten bei dauerhaft steigenden Energiepreisen bewahrt. Der Erfolg der Anwendung der gesicherten Regeln der Bauphysik in der baulichen Praxis ist auf der Basis dieser praktischen Erfahrungen offensichtlich. Immer noch hängen der mittlere Heizwärmebedarf unserer Wohngebäude aber bei um 128 kWh/(m²a) herum, weil wir durch billig erscheinendes Erdgas die gerade angelaufene Modernisierung der in Zeiten „billigen Öls“ entstandenen Gebäude glaubten aufgeben zu können. Allerdings: Die Innovation der Anwendung der physikalischen Gesetze wurde trotzdem fortgesetzt, z.B. durch eine in großem Umfang weltweit ausgeführte praktische Erprobung des Passivhausstandards in inzwischen Millionen von Neubauten15). Gar nicht wenige vollständige Siedlungen von diesen wurden messtechnisch begleitet und das hat weitere empirische Ergebnisse zur Gültigkeit der Bauphysik auch in diesem Sektor ermöglicht: [Johnston 2020] dokumentiert einen Querschnitt durch solche Auswertungen. Danach liegt der gemessene Durchschnittswärmeverbrauch in diesen Gebäuden unter 15 kWh/(m²a) und somit bei weniger als einem Zehntel des heutigen Durchschnitts bei bestehenden Gebäuden in Deutschland16). Diese Ergebnisse beruhen alle auf Maßnahmen in Übereinstimmung mit den allgemein anerkannten Erkenntnissen der Bauphysik; weil bei der Querschnittuntersuchung eine Vollerfassung aller Objekte der untersuchten Baugruppen mit über 1000 unterschiedlichen belegten Wohnungen vorliegt, kommen die Ergebnisse aus einer statistisch gesehen großen Gesamtheit: Dieser gehören Sozialwohnungen in großen Wohnblocks, aber auch eigengenutzte Einfamilienhäuser an; der daraus bestimmte Mittelwert mehrjähriger Heizenergieverbrauchswerte ist daher typisch für den untersuchten Baustandard17).

Quellennachweis

[Feist 2020] Wolfgang Feist; Rainer Pfluger; Wolfgang Hasper: „Durability of building fabric components and ventilation systems in passive houses“ Energy Efficiency 13(3) Dec. 2020 DOI: 10.1007/s12053-019-09781-3; (direct link to full-text-prublikation: Durability Passive House)

[Johnston 2020] Johnston, D., Siddall, M., Ottinger, O. et al. „Are the energy savings of the passive house standard reliable?“ A review of the as-built thermal and space heating performance of passive house dwellings from 1990 to 2018. Energy Efficiency 13, 1605–1631 (2020). link (englisch)

1)
Und, wie nahezu überall auf dieser Welt, gibt es auch Scharlatane, die obskure Phantasien verbreiten, die aber mit dem Stand der Erkenntnis nichts zu tun haben. Wir sehen davon ab, uns mit jeder solchen absurden Phantasie (z.B. „Flat-Earther“) auseinander zu setzen. Wenn eine Person an einem wirklichen Verständnis interessiert ist, dann findet sie die Zusammenhänge hier erklärt - und kann unsinnige Behauptungen leicht selbst erkennen.
2)
Das bedeutet wirklich sehr viel: Denn, seriöse Wissenschaft beruht gerade darauf, dass den Dingen auf den Grund gegangen wird: Dazu gehört eine ständige kritische Analyse des Erkenntnisstandes: Nur die Aussagen, die diesem Prozess standhalten, bleiben in dieser Kategorie des gesicherten Wissens. An den Grenzen der Erkenntnis (heute z.B. bei den Fragen von dunkler Materie) sind Aussagen auch in der Wissenschaft oft noch weniger gesichert - einen bedeutenden Einfluss auf das gesicherte Wissen (z.B. über die Bewegung von Raumschiffen im Schwerefeld von Erde, Mond und Sonne) wird das aber nur extrem wenig ändern. In dem hier behandelten Bereich der Wärmeleitung sind diese Erkenntnisse hingegen seit Jahrhunderten bei jeder Anwendung (und auch allen kritischen Prüfungen) immer nur bestätigt worden. Das Passivhaus Institut hat selbst zahlreiche gut dokumentierte und publizierte Tests der Grundgleichungen zum Wärmetransport in Bauteilen durchgeführt: Auch in diesem Anwendungsfeld stimmt die Physik. Das ist in diesem Fall sogar für alle, auch Nicht-Wissenschaftler, leicht überprüfbar: Durchschnittliche bestehende Gebäude in Deutschland brauchen auch heute noch (um 2021) über 125 kWh/(m²a) allein für die Heizung. Inzwischen hunderttausendfach realisierte und genutzte Gebäude in Passivhausqualität dagegen nur um 15 kWh/(m²a) [Johnston 2020]. Der Unterschied zwischen diesen beiden Kategorien besteht eben gerade in der konsequenten Umsetzung der gesicherten Erkenntnisse der Bauphysik bei den Gebäudehüllen der Passivhäuser.
3)
möglicherweise auch zu stark
4)
und auch weniger dampfdicht - Schaumglas ist die bedeutende Ausnahme, für dieses Material ist die absolute Luftdichtheit aber gewollt, es lässt sich so auch in stark feuchtebelasteten Anwendungsbereichen einsetzen
5)
Fachleute sprechen da von vakuum-dicht
6)
außer bei einem Rohrbruch oder wenn z.B. das Aquarium leckt
7)
Dabei sogar solche, die auf Basis nachwachsender Rohstoffe wie Holz und Stroh hergestellt werden und auf diesem Weg sogar Kohlenstoff binden.
8)
expandiertes Polystyrol, normalerweise „Styropor“ genannt
9)
Das ist hier dokumentiert: Primärenergieeinsparung schon ab dem 1. Jahr
10)
Es gibt allerdings Giftstoffe und Umweltgiftstoffe, die weder in Dämmstoffen noch in anderen Baustoffen enthalten sein sollten. Das ist (oft nach langen Diskussionen mit der betreffenden Lobby) inzwischen in Europa umfassend gesetzlich geregelt - und zwar sachgerecht. Z.B. dürfen weder FCKW noch HBCD eingesetzt werden (aus guten Gründen!).
11)
Wenn überhaupt, dann ist es sogar so, dass die Heizperiode im ansonsten schlechten Gebäude ein kleines Bisschen länger ist; dann wird sogar auch 'ein kleines Bisschen' mehr eigespart
12)
Ja, etwas Zeit und Aufwand kostet das schon. Aber die ganz elementaren Dinge - das sollten tatsächlich alle die versuchen, die sich hier verunsichert fühlen. Oft geht das auch durch einfache sorgfältige Beobachtungen. Dafür stellen wir in den 'Grundlagen' immer wieder Anregungen bereit.
13)
ein Beispiel ist diese immer wieder aufflammende behauptete Erfolgsmeldung zur „kalten Kernfusion“
14)
die wir übrigens in meinem Elternhaus noch lange überall hatten
15)
Einige Beispiele sind unter Beispiele realisierter Passivhäuser zu finden
16)
Objekte bei im Rahmen der Messgenauigkeit gleichem Klima wurden hier zum Vergleich herangezogen
17)
Natürlich ist die individuelle Streuung bei den einzelnen Wohnungen um diesen Mittelwert groß, in der Regel ist die prozentuale Standardabweichung in der Größenordnung von 33% (σ/µ mit einem Mittelwert µ). Bei einer Gesamtheit mit über 1000 Wohneinheiten liegt die Genauigkeit des so bestimmten Mittelwerts bei σ/1000¹′² ≈ 1%. Es kann somit mit ziemlich hoher Genauigkeit ausgesagt werden, dass die Verbrauchswerte bauphysikalisch wirklich gut gebauter Wohngebäude im Mittel unter einem Wert von rund 18 kWh/(m²a) liegen (3σ entsprechend einer Irrtumswahrscheinlichkeit von weniger als 0,3%). Das sind 86% weniger als die heutigen durchschnittlichen Verbrauchswerte; an anderer Stelle in Passipedia wird gezeigt, dass es leicht möglich ist, Gebäude mit dieser Effizienz allein mit Strom aus dem öffentlichen Netz für alle Energieanwendungen inkl. der Heizung zu versorgen und dass dieser Strom dann schon heute aus vollständig erneuerbarer Stromerzeugung gewonnen werden kann.
baulich/mythen.txt · Zuletzt geändert: 2024/06/16 13:17 von wfeist