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Einflussgrößen auf die thermische Behaglichkeit
Behaglichkeit wird durch viele sehr subjektive Empfindungen bestimmt, wobei sogar die Farbe der Umgebung eine gewisse Rolle spielt - in jedem Fall aber die Stimmung der Person, die ihre Empfindung mitteilt. Ein wesentlicher Teil des Komforts hängt aber von der „thermischen Behaglichkeit“ ab. Dieser Teil ist sehr gut erforscht - die Ergebnisse sind in weltweit eingeführten Normen enthalten (DIN EN ISO 7730). Einen wichtigen Anteil an den vorliegenden Erkenntnissen hatte der dänische Wissenschaftler P. O. Fanger (Wikipedia Seite).
Optimale thermische Behaglichkeit stellt sich ein, wenn die Wärmeabgabe des menschlichen Körpers im Gleichgewicht mit seiner Wärmeproduktion ist. Daraus wird die Fanger'sche Behaglichkeitsgleichung abgeleitet. Diese stellt eine Beziehung her zwischen der Aktivität (z.B. Schlafen, Laufen, …) und Kleidung sowie den Bestimmungsgrößen der thermischen Umgebung, welche sind
- die Lufttemperatur
- die Temperatur der umgebenden Flächen, die man auch in der „Strahlungstemperatur“ zusammenfassen kann,
- die Luftgeschwindigkeit und ihre Turbulenz und
- die Luftfeuchtigkeit.
Es gibt immer einen ganzen Bereich von Kombinationen der vier genannten Behaglichkeitsparameter, in dem die Behaglichkeit sehr gut ist: Das sogenannte Behaglichkeitsfeld. Es kann durch die Fanger'sche Gleichung, niedergelegt in ISO 7730, bestimmt werden. Weiter ist es nach dieser Norm wichtig, dass
- die Schwülegrenze bzgl. der Luftfeuchtigkeit nicht überschritten wird,
- die Luftgeschwindigkeiten eng begrenzt bleiben (für Geschwindigkeiten unter 0,08 m/s wird die Zahl der Unzufriedenen bezüglich Zugluft kleiner als 6%)
- die Differenz zwischen Strahlungs- und Lufttemperatur gering bleibt,
- die Differenz der Strahlungstemperaturen in verschiedene Richtungen gering bleibt (weniger als 5 °C; sogenannte „Strahlungstemperatur-Asymmetrie“),
- die Raumlufttemperaturschichtung weniger als 2 °C zwischen Kopf und Fußknöchel bei einer sitzenden Person beträgt,
- die empfundenen Temperaturen sich im Raum von Ort zu Ort um weniger als 0,8 °C ändern.
Zum letzten Punkt schrieb P.O. Fanger: „Je ungleichmäßiger das thermische Feld in einem Raum ist, desto größer ist die erwartete Anzahl der unzufriedenen Personen.“
Temperaturgefühl und 'operative' Temperatur
Wenn die Feuchtigkeit im Rahmen bleibt (30 bis 70% rel.Feu.) und Zugerscheinungen vermieden werden, sind es letztlich schon die Temperaturen, die den Ausschlag geben. Nun sind aber mehrere Temperaturen beteiligt: Die der Luft und die der Umfassungsflächen. Mit einem schon früh eingeführten Konzept, nämlich der sog. „operativen Temperatur“ können diese in gewöhnlichen Innenräumen aber zusammengeführt werden: Unter diesen Umständen stellt sich nämlich heraus, dass die wahrgenommene Behaglichkeit recht genau dem Mittelwert aus Lufttemperatur Tair und Strahlungstemperatur Trad entspricht: $$ T_{op} = \frac{T_{air} + T_{rad}}{2} \\ $$
Wenn wir jetzt in Innenräumen übliche Winterkleidung (1.1 clo) und leichte sitzende Tätigkeit zugrundlegen (1.2 met), dann lässt sich ein Satz von Werten für den Winter angeben, bei dem optimale thermische Behaglichkeit vorliegt:1)
- Operative Temperatur 21.0 °C (±0.8)
- Luftgeschwindigkeit < 0.1 m/s
- Luftfeuchtigkeit rel.Feu.>30% aber abs.Feu. < 11.5g/kg
- Strahlungstemperatur-Asymmetrie < 5K
- Temperaturschichtung < 1.5 K/m
In Abhängigkeit von der Aktivität (sitzen, gehen, trainieren) und der Kleidung (Bikini oder im Wintermantel) ändern sich diese Werte natürlich. Lassen wir die Einflüsse (2) bis (5) in den angegebenen Grenzen, dann lässt sich die Abhängigkeit von der Temperatur Top angeben (Ergebnisse gemäß Fangers ursprünglicher Publikation aber auch ISO 7730).
Kleidung | clo | optimale Wohlfühl- temperatur (operativ) Top /[°C] |
nackt | 0 | 27.8 |
Bikini | 0.2 | 26.6 |
Shorts& kurzärmeliges Hemd | 0.31 | 25.9 |
'zulässige' Sommerkleidung2) | 0.5 | 24.7 |
'Winterkleidung' um 20203) | 0.74 | 23.2 |
'Winterkleidung' um 19654) | 1.13 | 20.7 |
'noch'n Pullover' 5) | 1.25 | 20.0 |
'warme Winterkleidung' 6) | 1.74 | 17.1 |
Die Tabelle zeigt, dass das Behaglichkeitsfeld sehr stark von der Kleidung abhängt - und die Kleiderordnung ist letztlich eine der Mode folgende gesellschaftliche Übereinkunft. Diese hat sich mit der Verfügbarkeit von Zentralheizung und billigen Brennstoffen über die Jahrzehnte gewandelt - wir haben uns heute daran gewöhnt, auch im Winter in Innenräumen leichte Kleidung zu tragen - und uns nicht besonders stark zwischen Winter und Sommer anzupassen. Das stellt dann natürlich höhere Anforderungen an die Heizung (und die Klimatisierung) und fordert auch entsprechend mehr Energie. Sehr lange Zeit war „20°C in Innenräumen“ die Norm - und die zugehörige Kleidung inkl. Pullover oder Weste und Jacke die Regel. Viele der oft beobachteten Unterschiede im Energieverbrauch ansonsten gleich gebauter Wohnungen sind auf unterschiedliche Kleidungsgewohnheiten zurück zu führen. Und, interessanterweise, oft ist die Diskussion der Kleidung unter solchen Gesichtspunkten ein gesellschaftliches Tabu. Die reiche Gesellschaft ist immer noch so ein wenig in der Haltung: „wir können uns das leisten und wir zeigen das auch“.
Als Konsequenz dieser Entwicklung empfehlen wir einen verbesserten Wärmeschutz der Gebäude - damit wird das warme Kleid sozusagen vom Körper an eine Stelle rund um die Gebäudehülle verlagert; dann spielt die Innentemperatur nach wie vor eine Rolle und hat nach wie vor (sogar höheren relativen) Einfluss; aber die absoluten Verbrauchswerte bleiben dann trotzdem sehr gering. Das erspart eine kulturelle Diskussion um Kleidungsordnungen.7)
Auch wir haben im Erdgas-Krisen-Winter 2022/23 den Nutzereinfluss so optimiert, dass möglichst wenig Energie verbraucht wurde: Das war die Methode „noch'n Pullover“ und einige Räume wurden vorerst gar nicht beheizt; in dieser Webblog-Reihe berichten wir über die Erfahrungen.
Bewertung von Abweichungen vom behaglichen Optimum
Die Arbeit von Fanger ging aber weit über die Bestimmung der jeweils „optimalen“ Behaglichkeitswerte8) hinaus. Durch das Verständnis der Gleichgewichtsbedingung ist es nämlich möglich, auch die Auswirkungen von Abweichungen vom Optimum zu bewerten. Sicher haben sich viele auch schon gefragt: Wieviel Grad kälter darf es denn sein, ohne dass sich die Mehrzahl der Menschen beschwert? Der Stand der Kenntnisse dazu wird im Kapitel Komfortbänder für die Behaglichkeit genauer behandelt.
Wie hoch sind Einsparungen, die sich realistisch optimiertes Nutzerverhalten beiden Raumtemperaturen erreichen lassen? Eine Diskussion dazu finden Sie hier: Einsparen durch Temperaturabsenkung.
Siehe auch
Übersicht der Passipedia-Artikel zum Thema „Thermische Behaglichkeit“
Wärmeübertragung 🌡️
Heizlast in Passivhäusern
Der Einfluss der inneren Wärmekapazität