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Allgemeines zur Nachhaltigkeit

Immer nur Energie? Sind nicht auch andere Nachhaltigkeitsthemen wichtig?

Diese Frage war in den letzten Jahren der wichtigste Punkt in den meisten öffentlichen Diskussionen nach Vorträgen von Passivhaus Experten. Und tatsächlich haben auch fast alle Nachhaltigkeits-Bewertungssysteme ihre Schwerpunkte an ganz anderer Stelle – Energie spielt da oft nur eine kleine Rolle neben Wasser, Baustoffen, sozialer Nachhaltigkeit, Kosten und Ästhetik.

Eine Erkenntnis muss ausgesprochen werden: Ja, die Energiefrage ist die wichtigste und alles entscheidende Frage für die Entwicklung unserer Zivilisation in Richtung Nachhaltigkeit. Und: Nein, wenn Bestnoten in der Bewertung der Nachhaltigkeit vergeben werden für Gebäude, die bestenfalls mittelmäßige Qualität in Bezug auf den restlichen nicht nachhaltigen Energieverbrauch haben – dann ist das eine Irreführung der Öffentlichkeit. Hier gibt es eine Analyse zum Energieverbrauch in Deutschland.

Das ist leicht zu erkennen:

  • Erinnern wir uns an die Ereignisse der vergangenen Jahre (außerhalb von unnötigem Gezänk und 'empörenden' Machenschaften gewiefter Ganoven): Extremwetter-Ereignisse wie alles zerstörende Orkane, Todesfälle durch das Abschalten von Erdgas-Pipelines, explodierende Energiepreise, Ölpest in der Karibik, nuklearer Kernschmelzunfall, Infektionen durch innenluftgetragene Erreger, Angriffe auf Nuklearanlagen, Sprengung von Erdgas-Pipelines, Ausfall französischer Nuklearanlagen wegen zu großer Trockenheit im Sommer,…1) .
  • Diese Ereignisse betreffen schon lange nicht mehr „nur die Umwelt“2). Diese Ereignisse bestimmen unser tägliches Leben schon jetzt in hohem Maße mit. Insbesondere für die weniger reichen Bürger dieser Welt fressen steigende Energiekosten immer größere Anteile des Einkommens. Die Schäden der fossilen Energieversorgung müssen von allen Betroffenen mitfinanziert werden, sie sind nicht beim Energiepreis eingepreist – ganz abgesehen davon, dass viele Staaten auch heute noch3) viele fossile Energieträger subventionieren und dadurch die Märkte verzerren. Fakten, die klar auszusprechen sind: Kohle, Erdöl und Erdgas sind fossile Energieträger; Kohlenstoff, der verbrannt wird und als CO2 in die Atmosphäre gelangt, ist nicht nachhaltig; auch nicht „als Brücke“4)
  • Bei der bestehenden Abhängigkeit bedeutet die Verfügung über Energie Macht und Reichtum. Dies ist leicht zu erkennen – und Macht und Reichtum werden in der Folge auch dazu verwendet, um die demokratischen Organe zu beeinflussen.
  • Dass die Energiefrage die über unsere Zukunftsoptionen entscheidende Frage ist, haben maßgebliche Kräfte in der Wirtschaft schon lange erkannt. Nur fordern sie (oft aus Kurzsichtigkeit, manchmal auch, weil sie es einfach nicht besser wissen) überwiegend falsche Richtungsentscheidungen. Es geht nicht darum, z.B. durch militärischen Druck mehr Einfluss auf die Ölquellen im Nahen Osten zu bekommen (diese Strategie ist auch offensichtlich nicht aufgegangen), sondern darum, unsere Abhängigkeit von den Strukturen der Energiegiganten zu reduzieren. Das geht vor allem dadurch, die durch fossile Energie gewonnenen Dienstleistungen möglichst durch eigene, regionale Wertschöpfung zu erbringen – und genau das können Energieeffizienz und Erneuerbare Energieträger leisten.
  • Von kaum einem anderen Wirtschaftsbereich ist unsere Zivilisation in so substantiellem und existentiellem Maß abhängig wie von der Energieversorgung; das zeigte gerade die „Gaspreiskrise von 2022“ wieder in vollem Ausmaß. Diesbezüglich haben die warnenden Lobbyisten durchaus Recht und es wäre ein großer Fehler, dies nicht zu beachten. Dass sie genau immer wieder die gleichen Konzepte propagieren, die am Ende alles nur schlimmer machen, sollte aber auch nicht sonderlich wundern - Schuhmacher werden immer Schuhe empfehlen und nicht ausgerechnet Hüte; das ist nicht anders zu erwarten5).
  • Auch „unabhängige Denker“, die von ganz anderen Ansätzen kommen, haben diese Zusammenhänge erkannt und durchschaut: Bill Gates z.B. in seinem Monolog „Bill Gates on Energy: Innovating to Zero!“. Die Analyse ist (bis auf die etwas überspannte Betonung der „Null“ – denn noch 8% oder 12% sind in dem hier vorliegenden Fall bereits als so „nahe an Null“ anzusehen – dass das Problem dann erledigt ist, mit dem „Rest“ können Natur und Gesellschaft umgehen und wir haben dann (Jahrhunderte!) Zeit, für diese Restbestände auch noch Lösungen zu finden6) ) weitgehend richtig, die angepriesene „Lösung“ allerdings zielt in die falsche Richtung – mit zusätzlicher nicht-erneuerbarer Energieerzeugung werden vor allem neue Abhängigkeiten geschaffen, anstatt die Menschen und die Wirtschaft aus den Abhängigkeiten zu befreien.

Soll das nun heißen, dass alles andere weniger wichtig oder gar unwichtig wäre? Keinesfalls, andere Themen haben in der Realität unserer Gesellschaft einen hohen Stellenwert: Der behindertengerechte Zugang, die Mülltrennung, das Wohnumfeld, eine sozial gerechte Kostenaufteilung, der Schutz unserer Baudenkmäler. Tatsache ist, dass wir für die meisten dieser Themen bereits sehr weitgehende Anforderungen – oft sogar gesetzlich – fixiert haben. Und diese stehen keinesfalls in Konkurrenz zu den Maßnahmen für eine erheblich effizientere Nutzung von Energie. Letzteres aber wurde in den Jahrzehnten nach 1950 geradezu sträflich vernachlässigt7) – der Energieverbrauch hat sich seither verfünffacht! Das heutige Pro-Kopf-Niveau an nicht erneuerbarem Energiekonsum ist in den Industrieländern immer noch ungefähr um einen Faktor Vier zu hoch für eine weltweit nachhaltige Entwicklung. Hier muss somit wirklich etwas geschehen, und zwar in signifikantem Ausmaß.

Die gute Botschaft ist: Das geht sogar. Die Möglichkeiten, die Energieeffizienz um mehr als einen Faktor Fünf zu erhöhen, stehen uns zur Verfügung – und der Energiebedarf, der dann noch verbleibt, kann weltweit nachhaltig durch regional verfügbare Energiequellen gedeckt werden. Umgesetzte Projekte in besonders engagierten Regionen beweisen dies beispielhaft schon heute – auch, dass dies geht, ohne alle anderen wichtigen Zielsetzungen zu vernachlässigen oder gar die Funktion der Infrastruktur zu gefährden8).

Gerade dies ist eine der herausragenden Eigenschaften der Energieeffizienz-Lösungen – dass sie einen vergleichsweise geringen Eingriff darstellen – sachlich wie ökonomisch. Passivhaus-Sanierungen (genannt: EnerPHit) sind z.B. auch schon unter Einbeziehung der Belange der Denkmalpflege durchgeführt worden – und sie vereiteln z.B. auch das behindertengerechte Bauen nicht.

Etwas beschäftigen müssen sich die Architekten, Planer und Handwerker mit dem Thema allerdings schon. Deshalb gibt es die entsprechenden Weiterbildungsangebote. Und letztlich sind es genau diese Berufsgruppen, die von der Entwicklung profitieren – ihre Kompetenz ist nämlich gefragt. Diese Kompetenz kann weitgestreut zur Verfügung stehen - Kenntnisse, die von vielen Menschen für viele weitere Menschen bereitgestellt werden. Das erlaubt ein weitverzweigtes Markt-Geschehen: Denn die erforderlichen Komponenten können überall auf der Welt produziert und angewendet werden; Abhängigkeiten von Oligopolen werden dadurch verringert. Die entstehenden Lösungen sind dauerhaft und fortwährend über den Einsatz von Arbeit und regional dauerhaft verfügbarer Ressourcen aufrecht zu erhalten, ohne dass dabei begrenzte Ressourcen das Planeten „endverbraucht“ werden. Das genau ist übrigens die korrekte Definition für Nachhaltigkeit.

Ein Thema, das immer wieder für Diskussionen geführt hat, sind der Energieaufwand und die Emissionen, die vorab bei der Herstellung von Materialien und Komponenten, auch und gerade am Bau, entstehen. In zwei Arbeitskreis-Sitzungen hat das Passivhaus-Institut 2022 diese Fragestellung erneut eingehend behandelt:


Siehe auch

1)
Fast kann der Eindruck entstehen, dass die Bedrohlichkeit solcher Ereignisse und die Ohnmacht, mit der die meisten Menschen dem gegenüber stehen, zusätzlich zur Verdrängung des Themas beitragen. Es scheint gut 'anzukommen', wenn einige 'Experten' den Menschen versichern, dass es doch mit der Energieversorgung überhaupt kein Problem gebe. Die Aufmerksamkeit wird dann auf solche eher banale Themen gelenkt, bei denen Lösungen 'einfach' erscheinen - wie beispielsweise ein Verbot von Plastiktüten. Ein solches Verbot schadet der Umwelt sicher nicht - es ist aber ein großer Schaden, wenn nun die Mehrheit glaubt, bereits 'genug für die Umwelt getan zu haben'.
2)
Da geht es nicht ausschließlich um Eisbären und Honigbienen. Auch wenn deren Schicksale ein warnendes Anzeichen für ein dahinter stehendes ernstes Problem sind
3)
oder sogar wieder
4)
..allenfalls, wenn es sich um deutlich weniger als 10 Jahre 'Überbrückungszeit„ handelt. Investitionen in Energiesysteme 'rechnen' sich aber in aller Regel nicht, wenn sie nur 10 Jahre genutzt werden. Deshalb sind die Investitionen in die sog. „Brücken“ in Wahrheit Festlegungen auf weitere Jahrzehnte mit hohen Emissionen. Ein strukturell festgezurrtes „Lock-In“, wie das im englischen Sprachgebrauch heißt. Im Deutschen ist das begrifflich etwa eine „Sackgasse“; wir fahren mit viel Aufwand hinein und brauchen dann nochmal viel Aufwand, um da wieder herauszukommen. Im Übrigen wird der 'Aufwand' für das Wieder-heraus-Kommen dann als Argument verwendet, warum es 'jetzt viel zu teuer ist' dann evtl. doch schließlich das Vernünftige zu tun. So legen wir uns auf einen äußerst gefährlichen Pfad fest (zahlreiche Beispiele: (a) Förderung der örtlich weiten Trennung von „Wohnen“ und „Arbeiten“. (b) Förderung des Neukaufs von Verbrennungsmotor-angetriebenen Fahrzeugen. (c ) Festlegung des Neubaus auf weiter viel Beton und ohne ausreichenden Wärmeschutz. (d) Subventionierung des Flugverkehrs. (e) Zahlreiche Vorteile für „to big to fail“-Unternehmen, noch weit hinaus über deren Rettung aus Steuergeldern, wenn das alles immer noch nicht half. (f) Preisrabatte für Mehrverbrauch von Energie. (g) Behinderung des Ausbaus von Erneuerbarer Energie (davon gibt es eine ganze Menge, nicht nur 'Abstands'-Regeln die für fossile Energie nicht als notwendig angesehen wurden. Für den Braunkohletagebau werden sogar ganze Regionen 'geräumt'; da ging es nicht um „Abstand“, da musste alles andere 'aus dem Weg'. Nicht dass das für Erneuerbare auch so sein muss, das braucht es für diese nämlich nicht. Dass wir die Windräder in der Landschaft 'sehen' und wie wir das ästhetisch bewerten, ist ein anderes Thema; ein Thema, das sich erheblich entspannt, wenn wir z.B. effizienter mit Energie umgehen. Siehe dazu: PEr - der zukunftsweisende Maßstab für Primärenergie .)
5)
Es beweist aber keinesfalls im Umkehrschluss, dass barfuß laufen für uns alle besser wäre. Es geht nicht anders: Für solche Fragen braucht es eine Kompetenz außerhalb der direkten Verkaufsinteressen; am besten bei den 'Verbrauchern' selbst. Aufklärung ist also gefragt.
6)
Prognose: So lange wird es gar nicht brauchen. Denn: Technisch sind auch dafür Lösungen bereuts vorhanden; diese umzusetzen braucht allerdings etwas mehr Zeit als drei Jahrzehnte, vor allem, weil das große Teile bestehender und funktionierender Infrastruktur betrifft, deren Funktion besser nicht gefährdet werden sollet
7)
und seit etwa 2008 auch wieder
8)
Das geschieht vielmehr tatsächlich immer wieder durch die sehr hohe Abhängigkeit von extrem hohen Lieferungen an Energierohstoffen
grundlagen/allgemeines_zur_nachhaltigkeit.txt · Zuletzt geändert: 2024/04/14 13:03 von wfeist