Benutzer-Werkzeuge

Webseiten-Werkzeuge


planung:passivhaus_nichtwohngebaeude:passivhaus_schulen

Passivhaus-Schulen – wie geht das?

Im Folgenden stellen wir Empfehlungen zusammen, auf deren Basis mit vertretbarem Aufwand die Kriterien für ein Passivhaus erfüllt werden können. Diese Empfehlungen sind keine Anforderungen – von den Empfehlungen kann abgewichen werden, dann muss aber in aller Regel an anderer Stelle eine kompensierende Maßnahme erfolgen. Ausschlaggebend für das Erreichen des Passivhaus-Standards ist letztendlich die Rechnung mit dem PHPP.

Ein günstiges A/V-Verhältnis

Schulgebäude sind regelmäßig vergleichsweise große Baukörper. Wenn diese nicht unnötig zerklüftet projektiert werden (was vor allem die Kosten in die Höhe treibt), können A/V-Verhältnisse unter 0,4 m²/m³ meist erreicht werden. Je kompakter gebaut wird, desto kostengünstiger kann das Gebäude in der Regel werden.

Eine exzellente Wärmedämmung

Die Wärmedämmung sollte das übliche Passivhausniveau erreichen (um 0,1 bis 0,15 W/(m²K)). Wie das Beispiel der Schule in Aufkirchen zeigt, kann man je nach Objekt durchaus z.B. kostengünstig eine bessere Dachdämmung erreichen und dafür dann z.B. die Außenwände etwas weniger dämmen.

  • Je kompakter das Gebäude ist, desto weniger streng sind die Anforderungen an die Dämmstärke.
  • U-Werte von 0,2 W/(m²K) sollte man allerdings bei opaken Bauteilen ohne Not nicht unterschreiten, da dies ökonomisch suboptimal würde.
  • Einzel-U-Werte sehr kleiner opaker Teilflächen sollten auf keinen Fall 0,35 W/(m²K) überschreiten (Bauphysik an Anschlüssen).


passivhausschule_montessori_aufkirchen_muenchen.jpg
In die Landschaft integriert, freundlich, geradezu edel - und doch
kostengünstig: die Passivhaus-Montessori-Schule in Aufkirchen
bei München; Architekten Walbrunn / Grotz / Vallentin.
Hier mehr Informationen.


Wärmebrückenfreiheit

Es sollte so weit wie möglich eine wärmebrückenfreie Ausführung angestrebt werden, was in der Regel bis auf die Fußpunkte von tragenden Innenwänden auch leicht erreichbar ist. Wenn Details nicht vollständig wärmebrückenfrei geplant werden können, muss dennoch eine weitgehende Wärmebrücken-Reduktion erfolgen. Die Wärmeverluste durch die verbleibenden Wärmebrücken müssen im PHPP berücksichtigt werden. In jedem Fall müssen die minimalen inneren Oberflächentemperaturen überall größer als 13 °C sein.

passivhausschule_alsfeld1900und2007_k.jpg
Alt und neu: Passivhausanbau an das Albert-Schweitzer-
Gymnasium in Alsfeld. Architekt: Michael Frielinghaus.
Beratung durch das Passivhaus Institut im Rahmen eines
Forschungsprojektes des Hessischen Ministeriums für
Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung. [AkkP 33]


Luftdichtheit

Das ist auch bei Schulgebäuden im Passivhausstandard unverzichtbar. Wir empfehlen sogar, n50-Werte im Bereich um 0,3 h-1 anzustreben. Zahlreiche realisierte Beispiele zeigen, dass solche Werte bei größeren Gebäuden mit vertretbarem Aufwand gut zu erreichen sind.

Passivhaus-Fenster

Die Verwendung von Passivhausfenstern (Uw unter 0,8 W/(m²K)) erleichtert generell das Erreichen des Passivhaus-Standards. Daher sollte von deren Verwendung nur in begründeten Fällen abgewichen werden und immer nur dann, wenn Temperaturasymmetrien ausgeschlossen werden können (z.B. durch einen Heizkörper in Fensternähe).

Altbau: Albert-Schweitzer-Gymnasium in Alsfeld im infraroten
Licht; die hohen Wärmeverluste der Fenster fallen direkt auf
(rot und weiß), aber auch die Außenwand und das Dach
strahlen kräftig Wärme ab.

Passivhaus-Neubau: Albert-Schweitzer-Gymnasium in Alsfeld
ebenfalls infraroten Licht (unten die neue Aula); in der Aula
und im 2. Stock sind einige Fenster gekippt - das zeigt, dass
auch dieser Gebäudeteil beheizt ist. Die Oberflächen-
temperaturen sind deutlich niedriger als beim Altbau.

Die Temperaturauflösung und die Farbskala sind in den beiden hier dokumentierten IR-Aufnahmen gleich. Quelle: Passivhaus Institut.

Lüftungsanlagen

Der Einbau von Lüftungsanlagen mit ausreichender Außenluftrate für gute Luftqualität in den Klassenräumen ist unverzichtbar (siehe oben formulierte Anforderungen). Die Luftmengen sollten auf 15 bis 20 m³/(Person · h) in der Nutzungsphase projektiert werden. Die Anlage muss vor allem hygienischen Kriterien genügen: Man beachte insbesondere die erforderlichen Filterqualitäten (mindestens F7 in der Außenluft), vgl. Protokollbandbeitrag von R. Pfluger sowie die Protokollbände [AkkP 17] , [AkkP 23] und [AkkP 30] .

Wärmerückgewinnung

Eine hocheffiziente Wärmerückgewinnung aus der Abluft ist gerade bei Passivhaus-Schulgebäuden unverzichtbar (Wärmebereitstellungsgrade um 80% und spezifischer Strombedarf für Luftförderung bei Auslegungsbedingungen um 0,4 Wh/m³ geförderter Luft). Der Frischluftvolumenstrom ist so hoch, dass er sonst zu bedeutenden Wärmeverlusten in der Heizperiode führt. Mit hygienisch ausreichender Fensterlüftung ist unter mitteleuropäischen Klimabedingungen keine Passivhaus-Schulen realisierbar. Auch die thermische Behaglichkeit lässt sich mit Wärmerückgewinnung leichter einhalten. Die Wärmeübertrager der Wärmerückgewinnung müssen über einen Bypass verfügen (für den Sommerbetrieb).

Zeitsteuerung der Lüftung

Die Lüftung muss zumindest über eine Zeitsteuerung verfügen; eine Regelung über Anwesenheitsmelder oder CO2-Sensoren verspricht eine noch höhere Effizienz. Ohne Abschaltung oder weitgehende Volumenstromreduktion außerhalb der Nutzungs- und Spülphasen ist der Stromverbrauch der Lüftungsanlagen zu hoch.

Beheizung über die Zuluft

Eine Beheizung der Klassenräume über die Zuluft kann gruppenweise – z.B. für eine Fassadenseite – erfolgen. Damit wird auch zugleich eine zentral gesteuerte morgendliche Anheizung während der Vorspülphase möglich. Für Abschätzungen bei Extremlagen in einer Raumgruppe steht im [PHPP 2007] der „Risiko-Abschätzungsteil“ im Blatt „Heizlast“ zur Verfügung (vgl. dazu [AkkP 25] ). Diese Systemtechnik setzt einen rundum sehr guten Wärmeschutz voraus (keine Kompromisse gegenüber Passivhaus-Niveau).

Die Beheizung über die Zuluft ist jedoch nicht zwingend für Passivhäuser: Selbstverständlich können auch Heizkörper und Flächenheizungen eingesetzt werden. Alle Systeme sind bereits erfolgreich in Passivhaus-Schulen eingesetzt worden, wie die Beispiele in [AkkP 33] zeigen.

Sommerlicher Wärmeschutz

Der sommerliche Wärmeschutz muss gerade bei Schulen besondere Beachtung finden. Im Zweifel wird eine thermische Gebäudesimulation empfohlen. Bei Schulen werden i.A. hohe Verglasungsflächenanteile in den Fassaden erreicht.

  • Eine Verschattung der im Sommer hohen solaren Lasten ist in der Regel unverzichtbar (Ausnahme nur bei Nordorientierung).
  • In aller Regel wird ein temporärer Sonnenschutz erforderlich sein.
  • Ebenfalls unverzichtbar bei Schulgebäuden ist eine ausreichende Nachtlüftung in Hitzeperioden (mindestens 2 h-1).
  • Diese ist u.U. auch mit der/den in Bypassstellung betriebenen Lüftungsanlage(n) möglich.
  • Alternativ dazu ist eine Bauteiltemperierung möglich.


Hohe innere Wärmekapazität

Wegen der intermittierenden und zeitweise sehr hohen inneren Lasten ist für Schulgebäude eine hohe innere Wärmekapazität zu empfehlen. Die mit massiven Innenbauteilen (Innenwände, Decken, Fußböden) erreichbaren Kapazitäten reichen aus.

Sind keine ausreichenden inneren Wärmekapazitäten vorhanden, so muss dies durch andere, leistungsfähige Systeme zur sommerlichen Kühlung ausgeglichen werden (das können nicht allein die Nachtlüftung und eine Verschattung sein, denn diese Komponenten sind ohnehin unverzichtbar, sie können aber bei reiner Leichtbauweise ihre Wirkung nicht ausreichend entfalten).

Es sollte cwirk > 150 Wh/(m²K) bezogen auf die Nutzfläche eines Klassenraumes sein.

Vergleich der sommerlichen Raumtemperaturen beim Schul-
bau als Leichtbau (grau mit Kreisen) und als Massivbau
(schwarz mit Rautensymbol), beides in Passivhaus-Standard:
Unter sonst identischen Randbedingungen verhält sich der
Massivbau ruhiger und erreicht nur geringere Temperaturen.
Durch die zeitweise Belegung gibt es in Schulen eine hohe
instationäre Wärmelast. (aus: [AkkP 33] ; dort werden die
Gründe für die Empfehlungen zur Bauweise genauer erläutert).


Fazit

Wie realisierte Beispiele zeigen, ist es mit diesen grundsätzlichen Empfehlungen und heute am Markt verfügbaren Komponenten möglich, Passivhaus-Schulgebäude unterschiedlichster Entwurfskonzeptionen zu realisieren. Die gegenüber dem Passivhaus-Wohngebäude deutlich höhere Bedeutung der Lüftung und der inneren Wärmekapazität wurde erst im Zuge der vorbereitenden Forschung zur Arbeitskreissitzung 33 in voller Konsequenz erkannt. Als weiteres Tool für die Planung wurde ein Arbeitsblatt für die individuelle Berechnung der internen Lasten durch Schüler, Beleuchtung etc. verfügbar gemacht.

passivhaus_schulsanierung_haase.jpg
Schulsanierung mit Passivhaus-Komponenten in Baiersdorf /
Architekt Werner Haase


Passivhaus-Schulen – Vorgehen für den Erfolg

Im Zuge des Arbeitskreises stellte sich heraus, dass Passivhaus-Schulgebäude mit Hilfe des PHPP projektiert werden können und dass dabei – bis auf klar umrissene Besonderheiten – die gleichen Schwerpunkte beachtet werden müssen wie bei Wohn- oder Verwaltungsbauten mit Passivhaus-Standard.

Eine wesentlich andere Randbedingung ist die intermittierende Nutzung mit zeitweise extrem hohen inneren Lasten. Der zeitliche Mittelwert der internen Lasten liegt allerdings mit durchschnittlich 2,8 W/m² nicht weit von den Werten bei Wohnnutzung entfernt. Ein Tool für die evtl. erforderliche individuelle Projektierung wurde verfügbar gemacht.

Absenkphasen spielen in Schulgebäuden eine bedeutende Rolle. Ein Tool für die Bestimmung der zu erwartenden effektiven Temperaturabsenkung wird ebenfalls verfügbar gemacht [PHPP 2007] .

In Schulgebäuden ist der sommerliche Nutzungsfall besonders zu beachten. Es gibt ein Muss für eine ausreichende Verschattung, ein Muss für die Nachtlüftung und ein Muss für eine hohe innere Wärmekapazität. Ist eine dieser Vorgaben nicht erfüllbar, so muss ein gleichwertiger Ausgleich geschaffen werden – dieser kann z.B. in einer Betonkerntemperierung oder der Verwendung ausreichender Erdwärmetauscher liegen.

Für die Wiederanheizung nach Absenkphasen muss vom zentralen Wärmeerzeuger ausreichend Heizleistung zur Verfügung stehen (Größenordnung: 50 W/m² beheizte Nutzfläche). Die Vorheizphase muss über Zeitsteuerung und Innentemperaturmessung gesteuert werden.

Nach allen vorliegenden Erfahrungen hat sich das Passivhauskonzept auch bei Schulen bewährt, es ist dort sogar wegen der Bedeutung der Lüftung von besonderem Vorteil.

einstein.jpgEr hätte ganz sicher große Freude an der schnellen Verbreitung der vielen Passivhaus-Schulen.
Gerade für das Thema Schule hat sich Albert Einstein stark engagiert – ein Zitat aus einer
seiner Reden:

„Man hat manchmal in der Schule einfach das Instrument gesehen, um ein gewisses,
möglichst großes Quantum von Wissen auf die heranwachsende Generation zu übertragen.
So ist es aber nicht. Wissen ist tot; die Schule aber ist Dienerin des Lebens. …

Persönlichkeiten aber formen sich nicht durch das, was sie hören und sagen, sondern durch
Arbeit und Handeln.“


Siehe auch

Allgemeine Hinweise zum Planen eines Passivhauses:

Literatur

[AkkP 17] Dimensionierung von Lüftungsanlagen in Passivhäusern, Protokollband Nr. 17 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser Phase II; Passivhaus Institut; Darmstadt 1999.

[AkkP 23] Einfluss der Lüftungsstrategie auf die Schadstoffkonzentration und -ausbreitung im Raum, Protokollband Nr. 23 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser Phase III, Passivhaus Institut, Darmstadt 2003.

[AkkP 25] Temperaturdifferenzierung in der Wohnung, Protokollband Nr. 25 Arbeitskreis kostengünstige Passivhäuser; Passivhaus Institut, 1. Auflage, Darmstadt 2004.

[AkkP 30] Lüftung bei Bestandssanierung: Lösungsvarianten, Protokollband Nr. 30 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser Phase III, Passivhaus Institut, Darmstadt 2004.

[AkkP 33] Passivhaus-Schulen, Protokollband Nr. 33 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser Phase III, Passivhaus Institut, Darmstadt 2006.

[Bretzke 2005] Bretzke, A.: Planung und Bau der Passivhaus Grundschule Kalbacher Höhe 15, Frankfurt am Main, 2005: PDF.

[Peper 2007] Søren Peper, Oliver Kah, Rainer Pfluger, Jürgen Schnieders: Passivhaus-Schulen Frankfurt Riedberg Messtechnische Untersuchung und Analyse, 1. Auflage, Passivhaus Institut, 2007. PDF zum kostenfreien Herunterladen.

[PHPP 2007] Feist, W.; Pfluger, R.; Kaufmann, B.; Schnieders, J.; Kah, O.: Passivhaus Projektierungs Paket 2007, Passivhaus Institut Darmstadt, 2007. Siehe die Seite PHPP – Das Passivhaus-Projektierungspaket 🌡️

planung/passivhaus_nichtwohngebaeude/passivhaus_schulen.txt · Zuletzt geändert: 2021/11/23 15:37 von yaling.hsiao@passiv.de