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Wärmeübergänge I

In der bauphysikalischen Praxis sind die Reservoire oft beheizte (oder gekühlte) Räume und ihre Temperaturen werden gern durch die „Raumlufttemperatur“ gekennzeichnet10). Für eine erste Näherung sind die Raumlufttemperaturen aber auch gar nicht so schlecht - insbesondere dann, wenn es sich um wärmetechnisch relativ gut gebaute Gebäude handelt, denn dann unterscheiden sich diese Temperaturen (die meiste Zeit) kaum von den operativen Temperaturen.

Befindet sich Luft in Räumen mit mehr als ein paar cm Durchmesser11) bei den üblichen Raumtemperauren, so gibt es im Inneren des Raumes immer eine turbulente Luftbewegung. Auch wenn die zugehörigen Luftgeschwindigkeiten klein sind12), führt das im Aufenthaltsbereich zu einer starken Durchmischung der Luft; gern wird da von „vollständiger Durchmischung“ gesprochen. Daher sind die Luft-Temperaturen im Aufenthaltsbereich auch so gut wie konstant, da Unterschiede immer recht schnell durch Konvektion ausgeglichen werden.

Praxis: Die konvektiv turbulente Strömung in dicken Luftschichten ist auch die Ursache, warum im Raum so gut wie keine Dämmwirkung der Luft wirksam wird. Gäbe es die, dann hätten wir als Menschen erhebliche Probleme, die durch uns erzeugte Wärme wieder ab zu geben. Aus dem gleichen Grund verbessert sich die Dämmwirkung einer Luftschicht mit Dickenzunahmen über ca. 16 mm hinaus kaum mehr: Auch hier wird die Wärme dann in der Luft vor allem durch Konvektion übertragen. Und dies gibt uns einen neuen Blick für die Wirkungsweise konventioneller Dämmstoffe: Dabei handelt es sich im Grunde nur um verpackte Luft; Luft, die an starker konvektiv-turbulenter Durchmischung gehindert wird und daher ihre gut wärmedämmende Wirkung entfalten kann. Die dauernde turbulente Konvektion im Raum ist auch der Grund dafür, dass sich Gerüche, leichte Staubteilchen, aber auch Keime relativ schnell über einen ganzen Raum ausbreiten. Ein paar Minuten reichen, und schon ist der Geruch oder sind die Keime praktisch überall im Raum.

Wenn wir uns nun in der Nähe einer Oberfläche befinden, so kann die Luft dort nur kleine Geschwindigkeiten und die nur parallel zur Oberfläche aufweisen 13).An der Oberfläche gibt es also einen Bereich mit nahezu „stehender“, bzw. nur parallel zur Oberfläche strömender Luft14). Durch eine solche Schicht kann Wärme wieder nur durch Wärmeleitung transportiert werden15). Wir haben also quasi eine zusätzliche wärmedämmende Luftschicht auf jeder Oberfläche, die auch „Grenzschicht“ oder „Schicht des Wärmeübergangs“ genannt wird. Die Schichtdicke beträgt dabei im Baubereich nur 1 bis 2 cm, so dass die hier erzeugte Dämmung nur gering ist. Wichtig ist die Kenntnis dieses sog. „Wärmeübergangswiderstandes“ $R_i$ und $R_e$ vor allem, weil durch seine Existenz die Temperatur an den Oberflächen etwas verändert16) ist als die der Luft; vor allem bei schlecht gedämmten Bauteilen kann das schon mal zu einem Problem führen. Der Index i steht dabei für „innen“, e für „extern“(außen)). Für eine erste näherungsweise Betrachtung nimmt man den Wärmetransport durch Strahlung gleich mit dazu17). Zudem ist es eingeführte Praxis, für diese Wärmeübergänge konstante Werte anzunehmen18). So ist das dann sogar normativ für die 'offiziellen' U-Werte festgelegt und dabei sind die folgenden Werte üblich.

Oberflächensituation $R_{oberfl}$ $h_{Oberfl} = \frac {1}{R_{Oberfl}}$
m²K/W W/(m²K)
innen vertikal 0,13 7,7
„oben nach unten“ 0,17 5,9
„unten nach oben“ 0,1 10
außen Wind und Wetter 0,04 25



Eine Illustration zur Anwendung: Wir betrachten eine einfache 4 mm dicke vertikale Glasscheibe (im dunklen :-) ). Dann gibt es drei Schichten: den inneren Wärmeübergang mit $R_i$, die Glasschicht und den äußeren Wärmeübergang $R_e$, die sich gemäß [U7] alle addieren:

${\displaystyle R_g = R_i + \frac {d}{\lambda} + R_e = 0,13 \text{ m²K/W} + \frac {0,004 \text{ m} }{1 \text{ W/(mK)} } + 0,04 \text{ m²K/W} = 0,174 \text{ m²K/W}}$

eisblumen_einfachverglasung.jpg Damit haben wir den Wärmedurchgangswiderstand einer „Einscheibenverglasung“ konsistent mit der Tabelle im Kapitel U-Werte bestimmt. Der U-Wert wird damit

${\displaystyle U_g = \frac {1}{R_g} = 5,7 \text{ W/(m²K)} .}$

Die Dämmwirkung einer Einfachverglasung besteht praktisch so gut wie nur aus dem inneren Wärmeübergangswiderstand. Die Folge ist ein extrem hoher Wärmeverlust und eine im Winter sehr kalte Innenoberflächentemperatur an der Glasoberfläche; die kann sogar niedrigere werden als der Gefrierpunkt und dann bilden sich Eisblumen.



Übung: Sie können jetzt alle in der Tabelle im Kapitel U-Werte angegebenen Beispielwerte nachrechnen. Evtl. hier noch nicht genannte Wärmeleitfähigkeiten dort vorkommender Materialien lassen sich durch Internet-Suche leicht finden. Bei nicht angegebenen Dicken: Prüfen Sie, ob die dabei erforderlichen Dicken in einem plausiblen Bereich liegen.




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10)
Wir werden später sehen, dass für den Komfort auch noch andere Größen wichtig sind, z.B. die Temperaturen der inneren Wandoberflächen, da wir Menschen auch den Wärmeeintrag (oder den Entzug) durch Wärmestrahlung wahrnehmen. Siehe unsere Seiten zur thermischen Behaglichkeit.
11)
und das gilt ja für jeden Raum in dem sich Menschen aufhalten
12)
so um 0,1 m/s
13)
sie dringt ja per definitionem nicht ein und sie „ruht“ wegen der Reibung in unmittelbarer Nähe der Oberfläche
14)
In der Hydrodynamik „laminare Unterschicht“ genannt, weil die Strömung darin auch nicht mehr turbulent ist
15)
na ja, es gibt auch noch die Wärmestrahlung, dazu später
16)
bei einem Wärmeverluststrom niedriger
17)
der ist eigentlich sogar der bedeutendere
18)
insbesondere für moderne, gut wärmegedämmte Bauteile ist das sogar eine relativ gute Näherung
grundlagen/waermeuebergaenge_i.txt · Zuletzt geändert: 2023/11/16 15:13 von wfeist