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grundlagen:energiewirtschaft_und_oekologie:nullenergiehaus_und_nullheizenergiehaus

Nullenergiehaus und Nullheizenergiehaus

Vorbemerkung

Die ersten Nullenergiehäuser, die schon in den 70er Jahren gebaut wurden, erforderten komplizierte und teure technische Systeme. Heute führt die Erfahrung mit Niedrigenergiehäusern jedoch auf einen einfachen und praktikablen Weg: Kostengünstige hochgedämmte Häuser mit einem stark vereinfachten Heizsystem, genannt Passivhäuser, bilden den zukünftigen Standard.

Passivhäuser sind einfach, betriebssicher, nutzerfreundlich und komfortabel. Dass die Lösung der Umweltprobleme beim Energieeinsatz für die Raumheizung so einfach sein könnte, wurde noch vor kurzer Zeit selbst von den Experten nicht erwartet. Auch das energieautarke Haus ist auf der Basis des Passivhauses realisierbar geworden - wenngleich der Aufwand derzeit noch sehr hoch ist: Weitere Fortschritte sind aber absehbar.

Bedeutende Fortschritte, insbesondere bei den Fenstern und bei der Lüftungstechnik, hat es bereits wenige Jahre nach dem Bau der ersten Passivhaus Prototypen zu Beginn der 1990er Jahre gegeben. Seitdem sind ständig Weiterentwicklungen auf dem Weg - z.B. ist die für das Klima in Mitteleuropa optimale Dreischeiben-Wärmeschutzverglasung inzwischen (2010) so kostengünstig, dass sie generell zum Einsatz kommen kann. Aber immer noch ist das energieautarke Haus in Gebieten, in denen eine Stromversorgung vorhanden ist, zu teuer, zu aufwendig und der ökologische Nutzen ist zweifelhaft.

Auch bei der dezentralen Erzeugung von Erneuerbarer Energie gibt es seit der Jahrtausendwende bedeutende Fortschritte. Wir empfehlen heute generell, bei einem Neubau und auch bei Altbau-Sanierungen wann immer möglich und so viel wie sinnvoll Erneuerbare Energie am Gebäude zu gewinnen. Ein beträchtlicher Teil des eigenen Energiebedarfs kann so gedeckt werden - um so leichter, je effizienter die Energienutzung (insbesondere bei der Heizung) ist. Weiterhin empfehlen wir den Anschluss an ein verfügbares Energienetz: Vor allem, weil es regelmäßig Überschüsse bei der selbst erzeugten Energie gibt, die am besten anderen Nutzern verfügbar gemacht wird. Ist das Gebäude am Netz angeschlossen, so spricht nichts dagegen, im umgekehrten Fall eines zeitlich begrenzten höheren Energiebedarfs (z.B. beim Kochen), Energie aus diesem Netz zu entnehmen - die dann im besten Fall an anderer Stelle aus Erneuerbaren Quellen erzeugt wird; das ist evtl. ein naheliegender Nachbar - der nämlich nicht zur gleichen Zeit kocht.

Das Niedrigenergiehaus

Das „Nullenergiehaus“ ist ein Ziel, an dessen Verwirklichung sich schon in den siebziger Jahren einige Architekten und Wissenschaftler versucht haben [KORSGAARD 1976] , [HÖRSTER 1980] , [SHURCLIFF 1981] . Den gesamten Energieverbrauch eines Hauses auf Null zu senken, ist eine äußerst anspruchsvolle Aufgabe, die bisher nur von wenigen teuren Pilotprojekten gelöst wurde. „Nullenergie“ ist zwar technisch möglich, aber derzeit ökonomisch und auch ökologisch nicht in der Breite umsetzbar.

Die Erfahrung führte schnell zu einer etwas bescheideneren Zielsetzung: Das Niedrigenergiehaus (NEH) erwies sich als ein einfacher, kostengünstiger und rasch einführbarer Standard. Niedrigenergiehäuser haben einen Jahresheizwärmebedarf unter 70 kWh/(m²a) bezogen auf die Wohnfläche. Ihr Heizenergieverbrauch liegt damit um etwa zwei Drittel niedriger als im unsanierten Gebäudebestand.
In Schweden waren bereits am Anfang der achtziger Jahre zahlreiche Niedrigenergiehäuser in Forschungs- und Demonstrationsprojekten gebaut worden. Dieser Standard hat sich dort so gut bewährt, dass schon Mitte der achtziger Jahre in Übererfüllung der Baunorm überwiegend Niedrigenergiehäuser gebaut wurden. Mit der „Nybyggnadsregler“ wurde 1991 der NEH Standard in Schweden obligatorisch. Dort ist bereits seit Jahren ein politisches Ziel, das Land vom Öl unabhängig zu machen - oder, weitergehend, völlig auf fossile Energieträger zu verzichten.
In Deutschland entspricht die heute gültige Energie-Einspar-Verordnung (EnEV 2010; auch 2022 immer noch nicht substantiell verbessert) in etwa diesem NEH Standard. Aber auch in Deutschland wird heute oft schon besser gebaut als es die staatliche Verordnung fordert.

In alten Gebäuden ist die Heizung (rot) die alles dominierende Energieanwendung -
auch dann, wenn ein Primärenergiemaßstab verwendet wird. Die Verringerung des
Heizwärmebedarfs stand daher im Mittelpunkt der Entwicklung: Mit dem Passivhaus
ist die Heizung nur noch eine sparsame Energieanwendung neben vielen anderen.
Die Stapelsäulen für das Passivhaus stellen die Messwerte aus dem Passivhaus
Darmstadt-Kranichstein dar. Wenn energieeffiziente Haushaltsgeräte verwendet werden
(und das ist eine Bedingung für ein richtiges Passivhaus),
sind diese Werte typisch für heutige Passivhäuser der 3. Generation.
Siehe auch Primärenergie - ein Maßstab für den Umweltschutz
Vergleich der Primärenergiekennwerte verschiedener Energiestandards.


Das Passivhaus

Der Jahresheizwärmebedarf von Passivhäusern liegt bei nur noch 15 kWh/(m²a). Dieser Wert hat sich in der Baupraxis bestätigt: Gebäude mit 15 kWh/(m²a) sind immer noch mit bewährten Methoden zu planen, technisch unkompliziert, wirtschaftlich zu errichten und ganz normal zu bedienen: Entscheidend dafür, diesen Wert zu erreichen, sind ein wirklich sehr guter Wärmeschutz, die Vermeidung von Wärmebrücken, ausgezeichnete Luftdichtheit, Dreischeiben-Wärmeschutzverglasungen sowie eine Komfortlüftung mit Wärmerückgewinnung. Damit kann sogar erreicht werden, dass auf ein separates Heizsystem verzichtet werden kann und die ohnehin vorhandene Lüftungsanlage die Wärme verteilen kann. Die Heizwärmeerzeugung kann dabei durch das Warmwasserbereitungssystem mit übernommen werden. Das bedeutet eine wirklich umfassende Vereinfachung - die in Form der Passivhaus-Kompaktgeräte am Markt verfügbar ist. Für alle die Anwender, die diesen Schritt beim ersten Projekt noch nicht gehen wollen: Selbstverständlich kann ein Passivhaus auch nach wie vor über ganz konventionelle Haustechnik verfügen, z.B. über Heizkörper und einen Erdgas betriebenen Wärmeerzeuger (welcher dann jedoch nur noch extrem wenig Gas verbraucht) oder über einen kleinen, raumluftunabhängigen Ofen. Entscheidend für das Passivhaus ist die Einhaltung des maximal 15 kWh/(m²a) Heizwärmebedarfs nach (PHPP); spezielle Vorgaben zur Bau- und Anlagentechnik werden bewusst nicht gemacht - das hat dazu geführt, dass es Passivhäuser in der ganzen Breite aller Bauweisen, Gebäudetypen und Bauaufgaben gibt: Als Massivbau (in Ziegelbauweise, Porenblöcken, Beton), als Holzbau (mit Vollholzträgern, Leichtbauträgern, Holzmassivplatten), mit Stahltragkonstruktion und den verschiedensten Mischbauweisen. Gerade dies ist wichtig für einen energetischen Standard, den alle Marktteilnehmer zu ihrem Vorteil anwenden können.

Bei Passivhäusern wird auch eine Vorgabe für den maximalen Jahresprimärenergiebedarf gemacht. Dieser Grenzwert beinhaltet neben der benötigten Wärme für Heizung und warmes Wasser auch die Energie für Pumpen und Ventilatoren und auch für die Beleuchtung sowie für die Haushaltsgeräte. Die Grenze liegt derzeit im Wohnungsbau bei 120 kWh/(m²a). Die Einbeziehung aller Energieanwendungen ist wichtig, da aus jeder Anwendung letztendlich Wärme freigesetzt wird - die Anwendung „Heizung“ lässt sich somit nicht abtrennen; und das gilt insbesondere dann, wenn der Heizwärmebedarf gar nicht mehr die dominierende Rolle ist. Gerade das gilt für das Passivhaus: hier ist der Heizwärmebedarf mit 15 kWh/(m²a) sogar deutlich niedriger als der heutige durchschnittliche Jahresstromverbrauch von Haushalten (Beispiel: Deutschland über 33 kWh/(m²a)).

Für die breite Umsetzung des Standards ist nun vor allem eine qualitativ hochwertige Weiterbildung von Architekten, Fachingenieuren und Handwerkern der wesentliche Beitrag. Um dies zu erreichen, hat das Passivhaus Institut gemeinsam mit europäischen Partnern die Fortbildung zum zertifizierten PassivhausPlaner entwickelt.

Auch das Angebot innovativer Bauprodukte (Verglasungen mit niedrigen U-Werten, gedämmte Fensterrahmen, vorgefertigte Bauteile zur Vermeidung und Reduzierung von Wärmebrücken) erleichtern die rasche Einführung dieses Standards. Das Passivhaus Institut zeichnet Produkte, welche diese Anforderungen erfüllen, mit Zertifikaten aus.

Null-Heizenergie-Häuser

Das Passivhaus kann durch zusätzliche Maßnahmen zu einem „Nullheizenergiehaus“ weiterentwickelt werden:

Ein Nullheizenergiehaus ist ein Gebäude, dessen Jahresheizwärmebedarf in einem durchschnittlichen Jahr definitionsgemäß 0 ist. In einem solchen Haus darf daher auch am kältesten Tag kein Bedarf an Notheizung anfallen.


Noch weiter fortgesetzte Reduktion ist mit erhöhtem Aufwand verbunden

Erfahrungsgemäß wird die fortgesetzte Energieeinsparung mit zunehmend verbesserten Standards in jedem Schritt aufwendiger1).

  • So ist es vergleichsweise einfach, ausgehend von einem gewöhnlichen Neubau (70 kWh/(m²a)) den Passivhaus Standard mit 15 kWh/(m²a) zu erreichen.
  • Von das aus weitere, evtl. sogar die letzten 15 kWh/(m²a) bis zur Null, einzusparen, erfordern nun jedoch einiges an Aufwand, der in mitteleuropäischem Klima wirtschaftlich derzeit nicht zu vertreten ist: Weitere Investitionen bei den technischen Systemen lassen sich nämlich nicht mehr einsparen, weil schon beim Passivhaus die weitestgehend mögliche Vereinfachung beim Heizsystem ohne weiteres erreichbar ist.


Im Passivhaus Darmstadt-Kranichstein wurde dennoch erstmals demonstriert, dass auch das Nullheizenergiehaus mit noch praktisch realisierbarem Mehraufwand allein durch weitere passive Maßnahmen technisch erreichbar ist. 1994 wurden in einer der vier Wohneinheiten des Hauses zusätzlich Dämmschiebeläden eingebaut, die im Winter nachts geschlossen werden und den Fenster-U-Wert in dieser Zeit auf unter 0,3 W/(m²K) reduzieren. Fensterläden sind keine exotische Technik - sie wirklich luftdicht und wärmedämmend zu bauen war bei diesem Forschungsprojekt gelungen.

Auch das Notheizsystem konnte nach dieser zusätzlichen Reduzierung der Wärmeverluste vollständig abgeschaltet werden: Das Haus „heizte“ sich nun allein durch die passive Solarenergienutzung und die ohnehin vorhandenen (sparsamen, gemessen bei 1,2 W/m²) inneren Wärmequellen [FEIST 1995] . Bei weiterer Reduzierung der internen Wärmequellen, z.B. durch effizientere Beleuchtung mit LED-Lampen der neuesten Generation, würde diese Option jedoch wieder in Frage gestellt (… und es steht außer Zweifel, dass es sinnvoll ist, hocheffiziente elektrische Systeme zu verwenden - denn diese werden ganzjährig betrieben, auch zu Zeiten, in denen die innere Wärmeabgabe unerwünscht ist).

Was sich hier aber auch zeigt: In diesem Bereich von Heizwärmebedarfswerten unter 15 kWh/(m²a) beginnt es schwieriger zu werden, „Heizwärme“ gegenüber anderen Energieflüssen im Gebäude methodisch sauber abzugrenzen: Wird z.B. ein 'gewöhnlicher', mittelmäßiger Kühlschrank eingesetzt, so liefert dieser im Innern freigesetzte Wärme - die höher ist, als es für diese Energiedienstleistung heute wirklich erforderlich ist. Diese zusätzlich interne 'freie' Wärme verringert aber im Winter den Bedarf an Heizwärme. Mit ineffizienten sonstigen Stromanwendungen ließe sich dann das Ziel „wirklich Null-Heizenergie“ sozusagen leichter erreichen.

Mit fortschreitender Weiterentwicklung der Passivhauskomponenten wird es in Zukunft rein technisch immer leichter fallen, Nullheizenergiehäuser zu bauen. Diese Entwicklung könnte sich zwanglos an den Passivhausstandard anschließen. Freilich muss es erlaubt sein zu fragen, ob eine weitere Reduzierung von praktisch bedeutungslosen 15 kWh/(m²a) auf „exakt“ Null eine ökonomische oder ökologische Bedeutung hat. Den Stromanschluss braucht das Haus in jedem Fall weiterhin, denn auf Kühlschrank, Wasch- und Spülmaschine, Licht und das Internet will niemand verzichten. Aber auch ein vollständig „energieautarkes Haus“ ist heute technisch durch den Einsatz von (sehr viel) Photovoltaik, höchster Effizienz aller Systeme und hauseigenen saisonalen Speichern möglich. Der dazu gehörige Aufwand ist allerdings dann extrem hoch, insbesondere, die saisonale Speicherung betreffend. Eine Frage, die sich dann unmittelbar stellt: Solche vollständig autarke Lösungen am individuellen Gebäude haben notwendigerweise über große Zeiträume einen hohen Überschuss an Erneuerbarer Energie; z.B. in einer sonnenreichen Sommerwoche, unvermeidbar mehr, als im Gebäude sinnvoll verwendet werden kann2). Denken wir kurz an die ursprüngliche Aufgabenstellung zurück, nämlich die Umsetzung eines nachhaltigen Energiesystems, so wird sich hier, allein für die Verfügbarmachung dieser Überschüsse, ein Anschluss z.B. an das Stromnetz geradezu aufdrängen. Spätestens an dieser Stelle wird überdeutlich, warum die Zielsetzung „Autarkie“ für ein einzelnes Gebäude eher fragwürdig ist: Denn, wenn „Bob“ seine Überschüsse ans Netz liefert - ist es genauso sinnvoll, dass Bob dann Strom aus dem Netz entnimmt, wenn das für ihn eine weitaus einfachere Lösung ist, solange nämlich „Alice“ und andere Überschüsse einspeisen3) .

Auch ökologisch gesehen ist es nicht erforderlich, den Energiebedarf weiter zu verringern als für eine nachhaltige Versorgung mit umweltverträglich verfügbaren Energiequellen erforderlich. Dazu muss, im Vergleich zu den heutigen extrem hohen Bedarfswerten, der künftige Energiebedarf „nahezu Null“ sein - diese Aussage ist richtig, aber nur, weil die heutigen Verbrauchswerte so übermäßig hoch sind. „Nahezu Null“4) erfordert aber eben gerade nicht „exakt gleich Null“; das ist ein Fehlschluss, der zu einem anderen Extrem führt. „Nahezu Null im Vergleich zum heutigen Verbrauch“ bedeutet nichts anderes als „gerade so gering, dass eine nachhaltige Versorgung möglich ist“. Und genau das wird mit dem Passivhaus Standard (in Bezug auf die Heizung im Neubau)5) erreicht; und es wird auch in Bezug auf die anderen Energieanwendungen der bisher systematisch untersuchten Bauaufgaben erreicht - das Passivhaus ist bereits nachhaltig. Auch das schließt nicht aus, dass es sinnvoll sein mag, dennoch weiter zu gehen als der bereits praktisch erprobte Passivhaus-Standard, so, wie es in dem oben beschriebenen Experiment zum Nullheizenergiehaus demonstriert wurde. Allerdings sollten solche Bemühungen nicht zu einem überproportionalen Aufwand führen - vor allem nicht zu einem ökologischen Aufwand, der das Erreichte wieder konterkariert. Letzteres ist dann der Fall, wenn eine praktische Ausführbarkeit in der Breite nicht gegeben ist. Denn: Die Einführung nachhaltiger Bauweisen wird in den kommenden Jahrzehnten eine Selbstverständlichkeit werden müssen.

Energieautarke Häuser - vollständige Null-Energie-Häuser

Noch schärfer stellt sich die ökonomische Frage für den strengsten aller hier behandelten Standards, für das „Energieautarke Haus“.

Auch Restenergie aus regenerativen Quellen

Ein Energieautarkes Haus bedarf keinerlei Endenergielieferungen von außerhalb des Grundstücks - bis auf die ohnehin einfallenden natürlicher Energieströme (Sonnenstrahlung, Wind, gegebenenfalls Grundwasser).


Die Energieautarkie bezieht sich hier nicht nur auf die Heizwärme, sondern auf alle Energieanwendungen im Gebäude: Auch die Warmwasserversorgung, die Ventilation und der Haushaltsstromverbrauch müssen daher autark sichergestellt werden. Es gibt keine Netzanschlüsse und keine Brennstofflieferungen.

Dass ein solches Gebäude technisch heute realisierbar ist, wurde mit dem Energieautarken Solarhaus des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme in Freiburg bewiesen [STAHL, VOSS 1992] . Dieses Haus gewinnt die thermische Restenergie für die Warmwasserbereitung aus Sonnenkollektoren, den Strom aus einer Photovoltaikanlage sowie im Winter über Brennstoffzellen, die im Sommer elektrolytisch erzeugten und auf dem Grundstück gespeicherten Wasserstoff verbrennen.

Energieautarkes Solarhaus des ISE in Freiburg


Stimmt die Kosten-Nutzen-Rechnung?

Auch wenn - wie das Beispiel zeigt - Energieautarke Häuser heute technisch realisierbar sind, so muss doch bezweifelt werden, ob sie in absehbarer Zeit für die Praxis relevant werden können: Wie auch immer die vollständig regenerative Versorgung vom eigenen Grundstück gestaltet werden soll - sie setzt eine Überdimensionierung der Energiegewinnung und eine saisonale Speicherung (Speicherung vom Sommer in den Winter) voraus. Beides ist nicht nur im ökonomischen Sinn unwirtschaftlich, sondern auch ökologisch zweifelhaft, da für alle Zusatzsysteme zunächst eine ziemlich hohe energetische Investition erforderlich ist.

Dies gilt so lange, wie es für ein Gebäude die Möglichkeit gibt, sich mit vertretbarem Aufwand an ein Energienetz (z.B. Strom) anzuschließen. Das Netz kann nämlich zahlreiche Aufgaben problemlos und kostengünstig übernehmen, die autark auf dem Grundstück nur mit unvertretbarem Aufwand zu leisten sind:

  • das Netz gleicht Schwankungen der Energienachfrage durch statistische Verteilung der Verbraucher aus;
  • das Netz kann Überangebote aufnehmen und an andere Verbraucher oder Speicher mit häufigeren Zyklen weiterleiten;
  • am Netz können regenerative Stromerzeuger in ökonomisch sinnvollen Einheiten (z.B. Windkraftanlagen mit einigen MW Nennleistung, Biomasse-Blockheizkraftwerke) betrieben werden;
  • die jahreszeitliche Speicherung ist, wenn überhaupt, in großen Speichereinheiten wirtschaftlicher als in kleinen für Einzelhäuser.


Es scheint daher auch in fernerer Zukunft sinnvoller, Häuser nicht autark zu betreiben, sondern netzgekoppelt und gegebenenfalls so, dass überschüssig erzeugte regenerative Energie in das öffentliche Netz eingespeist wird.

Dieser Trend wird sich künftig noch verstärken. Es wurden daher auch bisher kaum energieautarke Häuser gebaut, aber durchaus „Plusenergiehäuser“, die auf dem Grundstück Energie erzeugen (z.B. durch Photovoltaik) und diese in das Netz einspeisen - sowie ab und zu Energie aus dem Netz entnehmen, im Jahresverlauf aber insgesamt mehr einspeisen als entnehmen. Vergleiche auch diesen Fachbeitrag zum kumulierten Primärenergieaufwand.

Die „Plusenergieoption“ ist überhaupt nur mit energieeffizienten Gebäuden zu realisieren. Selbst dann ist die am jeweiligen Bauplatz physikalisch verfügbare erneuerbare Energie begrenzt - und reicht an vielen Orten nicht ohne weiteres aus, um den Energiebedarf für alle Energieanwendungen auszugleichen (selbst im Jahresmittel nicht). Das gilt insbesondere für den Kern unserer Städte, in dem hohe Bebauungsdichten vorliegen. Schnell gibt es dann Nutzungskonflikte für die zugängliche Solarenergie - insbesondere, wenn es um mehrgeschossige Gebäude geht. Die Situation in den Kernstädten, gerade bei hoher Effizienz (die dort ohne weiteres erreichbar ist), ist jedoch in sozialer, städtebaulicher, ökonomischer und auch ökologischer Hinsicht gewachsen und objektiv vorteilhaft. Die überwiegende Zahl der Bevölkerung lebt dort - und das aus gutem Grund. Gerade aus ökologischen Gründen ist es sogar wünschenswert, die Kernstädte für das Leben der Menschen noch attraktiver zu machen: Und genau diese Attraktivität steht im Vordergrund der Bemühungen. In Verbindung mit der Verbesserung der Effizienz ist das möglich. Und wenn es für die Kernstädte nicht zu einer vollständigen „Plusenergiebilanz“ kommt - dann wäre das kein Problem, solange der Energiebedarf sich mit den aus der Gesamtregion nachhaltig darstellbaren Ressourcen decken lässt. Schon immer waren die Städte z.B. aus Nahrungsmittel aus dem Umland abhängig - das hat kein Problem erzeugt, im Gegenteil, es führt zu einem Austauschverhältnis zwischen Stadt und ländlichem Raum. Auch Energie kann aus dem Umland in vertretbarem Umfang in die Stadt geliefert werden - heute ist genau dies der Fall, allerdings derzeit noch in einem extrem hohen Umfang, überwiegend aus fossiler Energie und überwiegend aus weit entfernten Regionen mit kritischen politischen Verhältnissen und einem zunehmend globalen Einkäuferwettbewerb. Wird die Versorgung aus der Region möglich, so stärkt dies das soziale Gefüge. Eine Erweiterung der Bilanzgrenzen für die „Plusenergiebilanz“ über das Einzelhaus hinaus in die Region (und möglicherweise sogar darüber hinaus in Richtung Europa) richtet ökologisch keinen Schaden an, erleichtert aber die Gesamtaufgabe - und bringt darüber hinaus sogar weitere Vorteile für die soziale Entwicklung.

Koppelung ist sinnvoll

Es kann festgestellt werden, dass mit dem Passivhaus Standard so extrem geringe Gesamtverbrauchswerte erreicht werden, dass eine regenerative Energieversorgung (zumindest innerhalb der Region) technisch möglich und ist und dank der Einspeisevergütungen für regenerativ erzeugten Strom sogar ökonomisch sinnvoll sein kann.

Das ist inzwischen vielfach demonstriert worden: Die klimaneutrale Passivhaussiedlung in Hannover auf dem Kronsberg hat sich Anteile an einer Windstromanlage für umgerechnet je Haus 2500 € zugekauft. Damit wird der gesamte Energieverbrauch der Häuser im Jahresmittel durch erneuerbare Energieerzeugung kompensiert, die nur knapp einen Kilometer vom Standort realisiert ist. Die Messbegleitung hat für diese Siedlung verifiziert, dass sie auf diesem Weg tatsächlich klimaneutral mit Energie versorgt wird.

Regionale Standorte für Windkraftanlagen sind natürlich in ihrem Umfang begrenzt - nicht zuletzt erkennbar durch die anhaltenden Diskussionen um jede weitere Installation, aber auch rein physikalisch durch den Mindestabstand solcher Anlagen. Die Windenergie-Anlagendichte, die für eine Versorgung von energieeffizienten Passivhäusern erforderlich wäre, bleibt jedoch definitiv im Umfang der ökologischen und städtebaulichen Verträglichkeit. Anlagen dieses Typs stellen erneuerbare Energie relativ kostengünstig her - sie treiben die Stromkosten nicht ins Extreme, solange die Bedarfswerte in einem vernünftigen Bereich liegen. Ohne die leistbare Verbesserung der Effizienz würde das Ausmaß der zu installierenden Anlagen ganz schnell die Verträglichkeitsgrenzen überschreiten - und es würden auch die Kosten stark ansteigen. Dieser letzte Aspekt wird heute meist noch ignoriert, lässt sich aber leicht erkennen: In einer Winterflaute ist die Energieerzeugung aus Windkraft sehr gering - die aus Photovoltaik ohnehin; gerade für einen Heizstrombedarf6) muss aber in solchen Zeiten gesichert elektrische Energie verfügbar bleiben; solche Flauten halten bis zu 2 Wochen an und über einen so langen Zeitraum ist eine Zwischenspeicherung von Wärme in gewöhnlichen Gebäuden nicht praktikabel. Die entsprechende elektrische Leistung muss dem Netz daher aus anderen Erzeugern zur Verfügung stehen: Das bedeutet additive Investitionen in Stromerzeuger, die nur für diesen Zweck und diesen Zeitraum (maximal ein paar Wochen im Jahr, entspr. 6% des Jahres Dauerleistungsbetrieb) errichtet und betriebsbereit gehalten werden müssen. Dass das hohe zusätzliche Kosten bedeutet, ist bei den ansonsten üblichen Vollastzeiten leicht verständlich. In einem begrenzten Ausmaß ist diese Überlegung natürlich für alle Stromanwendungen im Grundsatz zutreffend - allerdings bleibt die schiere Quantität dieser im Backup erforderlichen Leistung beherrschbar7). Der Heizwärmebedarf ist hier allerdings aus zwei Gründen ein Problem mit einer anderen Dimension: Heizwärme wird nämlich weit schwerpunktmäßig im Winter gebraucht und in den Kälteperioden8) sogar in besonders hohem Ausmaß. Noch schwerwiegender ist aber: Der Heizwärmebedarf, in diesem Fall die abgefragte maximale Heizleistung, ist auch noch quantitativ ganz besonders hoch: Für den gegenwärtigen Standard des Bestandes bei den Gebäuden müssten Wärmepumpen im Heizlastfall in Deutschland rund 80 GW an elektrischer Leistung gesichert verfügbar haben. Diese Leistung tritt zusätzlich zu allen anderen elektrischen Leistungen in einem solchen Zeitraum auf - und diese Leistung entspricht andererseits etwa der gesamten heute im deutschen Stromnetz maximal auftretenden Leistung9). Spätestens an dieser Stelle dürfte transparent werden, warum die Reduzierung der Dezember-Durchschnitts-Heizlast ein zentrales Ziel der Energiewende sein muss. Mit der energetischen Gebäude-Modernisierung wird genau dieses Ziel erreicht - allerdings sogar auf einem ökonomisch tragfähigen Weg, weil die Modernisierung den Verbrauch nicht nur zu diesen Spitzenlastzeiten verringert, sondern über den gesamten Winter. Allein diese Einsparung beim Wärmebedarf finanziert solche Maßnahmen - und erspart zugleich mit jedem kW reduzierter elektrischer Spitzenlast ein kW sonst zusätzlich erforderlich Backup-Leistung.

Die Voraussetzung für die Versorgung mit regenerativ erzeugter Energie ist somit eine wirklich hohe Energieeffizienz. Weil diese auch beim Passivhaus und bei EnerPHit-Gebäuden in Bezug auf den Stromverbrauch immer noch weiter verbesserbar ist, steigen die Chancen für erneuerbare Energien künftig immer mehr.

Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Passivhäuser werden vermutlich bereits in wenigen Jahren der allgemein eingeführte Mindeststandard bei Neubauten in Deutschland sein. Für ihre breite Einführung kommt es heute vor allem auf Weiterbildungsangebote für alle Baubeteiligten an. Das Passivhaus ist ein extremes Niedrigenergiehaus, bei welchem durch guten Wärmeschutz gerade die Schwelle unterschritten wird, bei der kein separates Heizwärmeverteilsystem mehr benötigt wird (15 kWh/(m²a)). Passivhäuser werden schon in den nächsten Jahren einen zunehmenden Anteil an den Neubauten haben.

Nullheizenergiehäuser führen gegenüber dem Passivhaus zu spürbar höherem baulichen Aufwand, ohne die Umwelt bedeutend mehr zu entlasten. In Zukunft könnte sich der Aufwand jedoch durch Fortschritte vor allem bei den Fenstern reduzieren. Energieautarke Häuser werden jedoch auch in absehbarer Zukunft keinen erkennbaren Umweltvorteil gegenüber Konzepten aufweisen, die einen geringen Restverbrauch noch aus dem bestehenden Netz beziehen und etwa erzeugte regenerative Energie in das Netz einspeisen. Die Chancen für regenerative Energieträger steigen im Übrigen, je besser die Energieeffizienz der Nutzungssysteme und Gebäude ist.

Literatur

[ELMROTH, LEVIN 1983] Elmroth, A.; Levin, P.: Air Infiltration Control in Housing - A Guide to International Practice; Swedish Council for Building Research, Stockholm D2:1983

[FEIST 1988] Feist, Wolfgang: Forschungs- und Demonstrationsgebäude Niedrigenergiehaus Schrecksbach; Institut Wohnen und Umwelt, 1988

[FEIST 1994] Feist, Wolfgang: Forschungsprojekt Passive Häuser; Institut Wohnen und Umwelt,1. Auflage 1989, 2. Auflage 1994

[FEIST 1994] Feist, Wolfgang; WERNER, Johannes: Gesamtenergiekennwert < 32 kWh/(m2a); Baubl, Februar 1994, S.106-11O

[FEIST 1995] Feist, Wolfgang: Erfahrungen mit Häusern ohne aktives Heizsystem; in: IBK, Jubiläumstagung 200, „Stahlbeton“ ohne Stahl? Wärmedämmung „statt“ Heizung?; Darmstadt 1995

[FEIST 1996A] Feist, Wolfgang: Grundlagen der Gestaltung von Passivhäusern; Verlag Das Beispiel, Darmstadt,1996a

[FEIST 1996B] Feist, Wolfgang (Hg.): Das Niedrigenergiehaus; Karlsruhe, 4. Auflage 1996b

[FEIST 1997] Feist, Wolfgang: Messergebnisse zur Nutzerstreuung des Energieverbrauchs bei ausgewählten Bauprojekten; in: Protokollband Nr. 9 des Arbeitskreis kostengünstige Passivhäuser, Darmstadt, PHI, 1. Auflage, November 1997

[FINGERLING 1995] Fingerling, Anne: Eine neue Fenstergeneration; glas+rahmen 18/1995, S. 970-972

[HESSISCHES MINISTERIUM FÜR UMWELT 1991], [HESSISCHES MINISTERIUM FÜR UMWELT 1993] Energie und Bundesangelegenheiten; Institut Wohnen und Umwelt: Passivhaus Darmstadt Kranichstein; Dokumentation, Wiesbaden, 1. Auflage 2/91; 3. Auflage 10/93

[HÖRSTER 1980] Hörster, H. (Hg.): Wege zum energiesparenden Wohnhaus, Hamburg 1980

[KORSGAARD 1976] KORSGAARD, V.; BYBERG, M.R.; ESBENSEN, T.V.; BILDE, K.; HARBOE, K.P.; HELWEG-LARSEN, K.; NYGAARD, I.; KJERULF-JENSEN, P.: DTH-Nul-Energihus; Danmarks Tekniske HOjskole 1976

[LOGA 1996] Loga, Tobias: BHKW für Niedrigenergiehäuser - das Beispiel Niedernhausen; Institut Wohnen und Umwelt, 1996

[RASCH & PARTNER 1995]: Ökologischer „Weitblick“ am Rheinhöhenweg; Rasch & Partner, Steubenplatz 12, Darmstadt, 1995

[ROHRMANN 1994] Rohrmann, Bernd: Sozialwissenschaftliche Evaluation des Passivhauses in Darmstadt; Institut Wohnen und Umwelt, Darmstadt 1994

[RUDOLF, RUDOLF 1994] Rudolf, H.; Rudolf, R.: Haus ohne Heizung. Deutsche Bauzeitung (db) 128 (1994) Nr.12, S. 122-126

[SHURCLIFF 1981] Shurcliff, William A.: Super Insulated Houses and Double Envelope Houses; Andover, Massachusetts,1981

[STAHL 1992] Stahl, Wilhelm; VOSS, Karlo: Das Energieautarke Solarhaus; Institut für Solare Energiesysteme, Freiburg 1992


Siehe auch

1)
Das stimmt auch mit der theoretischen Erwartung überein.
2)
Die Speicherbeladung eingeschlossen
3)
Das hier Ausgeführte illustriert im Grunde nur noch einmal, warum z.B. ein Stromnetz eine hervorragende Idee darstellt - und das bekommt für eine weitgehend mit erneuerbarer Energie betriebene Wirtschaft ein noch weitaus höhere Bedeutung
4)
im Vergleich zu heute
5)
und mit EnerPHit in Bezug auf Heizung in bestehenden Gebäuden
6)
z.B. für Wärmepumpen
7)
Sie wird auch dort natürlich zu höheren Kosten führen
8)
Die auch mit den Flauten zusammenfallen können
9)
noch ohne die Wärmepumpen
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