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Was ist Wärme? 🌡️
Die Empfindungen „heiß“ und „kalt“ kennen wir Menschen seit Anbeginn der Geschichte: Die Evolution hat nahezu alle Organismen mit einem eingebauten Grundempfinden des Temperaturzustandes ausgestattet. Wie alle noch vor der Entwicklung von Intelligenz entstandenen Empfindungen ist auch diese auf die ursprüngliche natürliche Umgebung und deren Angebote und Gefahren ausgerichtet. Daraus unmittelbar intuitiv erkennen zu wollen, welcher Natur die mit 'Wärme' zusammenhängenden Vorgänge sind, kann wie bei allen unseren Sinnen Täuschungen hervorrufen. Um die Zusammenhänge besser zu organisieren, haben die frühen Hochkulturen jeweils eigene abstrahierte Vorstellungen von „Wärme“ entwickelt. Während dies mancherorts zweckdienliche Techniken ermöglichte, so beruhten diese doch überwiegend auf mythischen Erklärungen, die oft noch ziemlich weit in die Irre führten (ein Beispiel ist die "Phlogiston"-Theorie der Wärme, die bis ins 18. Jhd. sehr beliebt war).
Im Laufe des 19. Jhds. kristallisierte sich allmählich ein klares Bild von „der Wärme“ heraus, wobei James Prescott Joule die Schlüsselerkenntnis beisteuerte: Er erkannte nämlich, dass „Wärme“ nichts anderes ist als eine Energieform und aus anderen Energieformen kann - wie auch umgekehrt in diese verwandelt werden kann. Von dieser Grunderkenntnis war es nicht mehr weit zu einem tiefergehenden Verständnis des Charakters dieser Energieform „Wärme“, der letztlich von James Clerk Maxwell in einer noch heute allgemein akzeptierten brillanten Form formuliert wurde.
Für die weitere Erklärung gehen wir hier einen ungewöhnlichen Weg: Weil die Maxwell'schen Ausführungen in dieser Sache so unübertreffbar klar, präzis und doch für jeden verständlich sind, geben wir sie hier in ihrem übersetzten Wortlaut (mit einigen modernen Nachbesserungen) wieder und halten uns dabei an die hervorragende Übersetzung von F. [Auerbach 1877](reproduziert und digitalisiert von http:\\books.google.com).
Geschweifte Klammern {…} kennzeichnen Original-Übersetzung, die wir so nicht übernehmen, „…“ zeigt Auslassungen an, in Spitzen Klammern sind Einlassungen des Bearbeiters auf Passipedia gehalten; Hervorhebungen (fett und kursiv) ebenso. <es sind nur wenige>. Alle hier dargestellten Illustrationen (am rechten Rand) sind vom Passipedia-Bearbeiter inkl. der zugehörigen Texte (Kleinschrift) zugefügt.
Aus: Maxwell, Theorie der Wärme.
I Kapitel: 1 Einleitung
Die Empfindung warmer und kalten Körpern beim Berühren ist allen vertraut. Heiß, warm, kühl, kalt sind Ausdrücke für Empfindungen, von denen wir annehmen, dass ihnen eine Reihe objektiver Zustände entspricht. Demgemäß brauchen wir diese Worte auch für diese Zustände, d. h. für die verschiedenen Temperaturen, die wir einem Körper zuordnen. „Heiß“ bezeichnet eine hohe, „kalt“ eine niedrige Temperatur, die übrigen dazwischenliegende Temperaturen.
Da ein Körper kontinuierlich aus dem heißen in den kalten Zustand übergehen kann, müssen wir eine unbestimmte Zahl solcher Zwischenzustände annehmen. Die Temperatur eines Körpers ist also eine bestimmte Größe, welche angibt, wie heiß oder kalt der Körper ist.
Aber wenn wir sagen: dieser Körper hat eine höhere Temperatur als jener, so setzen wir schon voraus, dass wir die Temperatur beider Körper auf eine bestimmte Temperatur–Skala beziehen; es muss also möglich sein, nicht nur zu fühlen, sondern zu messen, wie heiß ein Körper ist, und das Resultat dieser Messung nennen wir im wissenschaftlichen Sinne die Temperatur.
… <Wir müssen uns wegen der subjektiven Einflüsse auf unsere Empfindungen> also darum bemühen, um den Wärmezustand eines Körpers zu messen, künstliche Apparate zu verwenden, welche nach einfacheren Prinzipien funktionieren, als unsere Hautempfindung.
Die Eigenschaften der meisten Körper ändern sich, wenn ihre Temperatur sich ändert. Einige dieser Veränderungen treten plötzlich ein; sie dienen2) zur Markierung bestimmter fester Punkte auf einer Temperatur-Skala; andere gehen stetig vor sich und können zur Messung beliebiger Temperaturen durch Vergleich mit jenen festen Punkten verwendet werden.
So ist z. B. die Temperatur, bei welcher Eis schmilzt, unter gleichen Umständen, insbesondere unter gleichem Druck stets die gleiche; ebenso zeigt die Erfahrung, dass der Dampf, welcher aus kochendem Wasser aufsteigt, bei gleichem Druck stets dieselbe Temperatur hat3). Diese beiden Vorgänge, das Schmelzen des Eises und das Kochen des Wassers, machen also zwei ganz bestimmte Temperaturen dem Auge sichtbar; und wenn wir diese als Fixpunkte wählen, so haben wir uns unserem Wärmegefühl unabhängig gemacht; denn jene beiden Punkte hängen nur noch von den Eigenschaften des Wassers ab4) .
Andere Zustandsänderungen, welche auch bei mehr oder weniger konstanten Temperaturen eintreten, z. B. das Schmelzen von Wachs oder Blei, und das Kochen von Flüssigkeiten von bestimmter Zusammensetzung, werden gelegentlich angewendet, um anzuzeigen, dass die betreffende Temperatur erreicht ist; die wichtigsten Vorgänge für die Bestimmung solcher Fixpunkte bleiben aber immer das Schmelzen des Eises und das Kochen des Wassers unter Normaldruck.
Allein diese Zustandsänderungen können nur dazu dienen, eine Anzahl Fixpunkte zu bestimmen. Um die Temperaturen ganz allgemein messen zu können, müssen wir von einer andern Eigenschaft der Körper Gebrauch machen, welche sich stetig mit der Temperatur ändert. Das Volumen der meisten Substanzen wächst ständig, wenn die Temperatur, bei gleich bleibendem Druck, steigt. Es gibt zwar Ausnahmen von dieser Regel, auch wächst das Volumen nicht bei allen Substanzen in demselben Maße; immerhin wird jede Substanz, bei der ein noch so kleiner Temperaturzuwachs eine Vergrößerung des Volumens hervorruft, geeignet sein, die Änderungen der Temperatur anzuzeigen. Quecksilber und Glas z. B. dehnen sich, wenn man sie erhitzt, aus, aber ersteres mehr als letzteres; wenn man also ein kaltes Glasgefäß mit kaltem Quecksilber füllt und dann das ganze gleichmäßig erhitzt, so wird sich das Quecksilber stärker ausdehnen, als das Glas, so dass das Gefäß das Quecksilber nicht mehr vollständig fassen wird, und wenn man das Gefäß in eine fein graduierte enge Röhre auslaufen lässt, so wird das Quecksilber in ihr in die Höhe steigen und durch seinen Stand die Temperatur mit hoher Genauigkeit angeben<Abbildung rechts>.
Dies ist das Prinzip des gewöhnlichen Quecksilberthermometers, dessen Einrichtung später genauer beschrieben werden wird. Vorläufig betrachten wir es einfach als ein Instrument, dessen Angaben sich ändern, wenn die Temperatur sich ändert, und überall die gleichen sind, so lange die Temperatur dieselbe ist. Die Ausdehnung anderer Flüssigkeiten, sowie auch die der festen Körper und der Gase, kann ebenfalls zu thermometrischen Zwecken benutzt werden, ferner auch die thermoelektrischen Eigenschaften der Metalle und die Änderung ihres elektrischen Widerstandes mit der Temperatur5) . Wir müssen jedoch zunächst die Theorie der Temperatur selbst betrachten, ehe wir die thermischen Eigenschaften der verschiedenen Substanzen prüfen, und hierzu wollen wir uns zunächst des Quecksilberthermometers bedienen.
2 Das Quecksilber-Thermometer. „Temperatur“ und „Wärme“
Dieses Thermometer besteht aus einer in eine Kugel auslaufenden Glasröhre; die Kugel und ein Teil der Röhre sind mit Quecksilber gefüllt, der Rest ist leer. Wir wollen annehmen, dass die Röhre in irgend einer Weise mit einer Skala versehen ist, so dass man den Stand des Quecksilbers ablesen kann; aber wir wollen vorläufig keine Annahme dazu machen, ob die Teile dieser Skala gleiche Größe haben, und ob ihre Abstände an allen Stellen dieselbe ist, so dass die Skala dieses primitiven Thermometers als vollständig willkürlich angesehen werden muss6) ). Wir können daher auch mit Hilfe unseres Thermometers nur angeben, ob eine Temperatur höher oder niedriger als eine andere oder ihr gleich sei, nicht aber, ob die Differenz zweier Temperaturen grösser oder kleiner ist, als diejenige zwischen zwei andern.
Wir wollen voraussetzen, dass bei einer Beobachtung die Temperatur von Glas und Quecksilber am ganzen Thermometer die gleiche ist 7) . Die Angabe der Skala wird dann von der Temperatur des Thermometers abhängen; diese Angabe also wollen wir, so lange wir noch keine bessere Skala festgesetzt haben, als die „Temperatur nach unserer willkürlichen Skala“ bezeichnen.
Die Angabe eines Thermometers bezieht sich zunächst nur auf seine eigene Temperatur; aber wenn wir das Thermometer in unmittelbare Berührung mit einer andern Substanz bringen, wenn wir es z. B. eine genügende Zeit lang in eine Flüssigkeit tauchen, so finden wir, dass seine Angabe höher oder tiefer wird, je nach dem die Flüssigkeit wärmer oder kälter ist als das Thermometer, und schließlich, wenn wir nur das Thermometer mit der Substanz lange genug in Berührung lassen, einen konstanten8) Wert annimmt. | < Das ist eine Anleitung zu „wie wir Temperaturen richtig messen“. Messfühler müssen in dauerhaft gutem thermischem Kontakt zur Substanz stehen. Hier z.B. zur Messung der Temperatur in einem Referenzblock eines kalibrierten Messgerätes: jeder Referenzsensor ist dauerhaft mit Wärmeleitpaste in diesen Aluminiumblock kontaktiert. > |
Wir nehmen nun ein Gefäß mit Wasser, welches die Temperatur der umgebenden Luft haben möge, so dass es, sich selbst überlassen, seine Temperatur nicht ändert. Ein anderes, kleineres Gefäß von dünnem Kupfer- oder Zinnblech füllen wir mit Wasser, Öl oder einer andern Flüssigkeit, und tauchen es eine bestimmte Zeit lang in jenes größere Gefäß. Wenn wir nun mit Hilfe unseres Thermometers die Temperatur der Flüssigkeiten in den beiden Gefäßen vor und nach dem Eintauchen des kleineren in das größere bestimmen, so finden wir, dass, wenn sie von vorn herein dieselbe Temperatur besaßen, sie dieselbe Temperatur behalten; hatte dagegen die eine höhere Temperatur als die andere, so wird erstere kälter, letztere wärmer, so dass sie schließlich, wenn sie nur lange genug in Kontakt bleiben, dieselbe, sich nun nicht mehr ändernde Temperatur annehmen.
Im allgemeinen wird die Temperatur des warmen Körpers nicht um genau den Betrag sinken, als diejenige des kalten steigt; aber jedenfalls ist klar, dass beide Erscheinungen der gleichen Ursache zuzuschreiben sind, und um diese Ursache durch Worte zu bezeichnen, wollen wir sagen: es ist „Wärme“ aus dem warmen in den kalten Körper übergegangen. Wir haben uns hier zum ersten Male des Begriffs „Wärme“ bedient; wir haben also zu untersuchen, was man sich darunter vorzustellen hat. | < Temperatur: Zustand der thermischen Erregung eines Stoffes. Gemessen mit einem Thermometer. Bleibt geich, auch wenn ich nur Teile des Stoffes betrachte. Wärme: Thermischer Gehalt10), den der Stoff enthält. Gemessen mit einem Kalorimeter (z.B. Wärmemengenzähler). Verdoppelt sich z.B. bei doppelter Stoffmenge. > |
Abkühlung eines warmen und Erwärmung eines kalten Körpers treten, wie wir sahen, als gleichzeitige Teile eines Prozesses auf, den wir als den Übergang der Wärme von dem warmen auf den kalten Körper bezeichnen. Wärme ist also eine ‚Sache‘, welche aus einem Körper in einen andern in der Weise übergehen kann, dass der Betrag in dem ersten um ebenso viel abnimmt, als er in dem letzteren zunimmt. Führt man einem Körper Wärme zu, so nimmt im Allgemeinen seine Temperatur zu, aber manchmal werden auch andere Wirkungen hervorgebracht, z. B. Änderung des Aggregatzustandes11) ; und ebenso tritt, wenn man einem Körper Wärme nimmt, entweder ein Sinken der Temperatur oder Änderung des Aggregatzustandes ein; schließlich, wenn weder Wärme dem Körper zugeführt oder entzogen wird, noch auch sein Aggregatzustand sich ändert oder mechanische Wirkungen auf ihn ausgeübt werden, so bleibt seine Temperatur konstant12) .
Wärme kann also in derselben Weise von einem Körper auf einen andern übergehen, wie man Wasser aus einem Gefäß in ein anderes gießen kann; und gerade wie man Wasser in einem Gefäß aufbewahren kann, so kann auch die Wärme in einem Körper eine Zeit lang verharren. Wir haben mithin das Recht, von der Wärme als von einer messbaren Größe zu reden, und sie mathematisch genauso wie andere messbare Größen zu behandeln, so lange sie als Wärme vorhanden ist; dagegen wird sich zeigen, dass wir nicht das Recht haben, sie wie eine Substanz zu behandeln; denn sie lässt sich, unter anderem, in mechanische Arbeit umsetzen; und mechanische Arbeit ist gewiss keine Substanz. Wir müssen also festhalten, dass wir die Wärme zwar für eine messbare Größe, nicht aber für eine Substanz gelten lassen; vielmehr müssen wir auf eine vollständige Definition so lange verzichten, bis wir uns einen tieferen Einblick in das Wesen der Wärme verschafft haben.
'Wärme' ist eine Energieform
Diesen Einblick haben wir nun in der Tat durch Experimente über Reibung gewonnen, bei denen mechanische Arbeit nicht von einem Teile der Maschine auf einen andern übertragen wurde, sondern sichtlich verloren ging, während gleichzeitig an derselben Stelle Wärme erzeugt wurde, und zwar eine Wärmemenge, welche in einem ganz bestimmten Verhältnisse zu dem Betrage der verlorenen Arbeit stand13) . Wir haben also Grund anzunehmen, dass die Wärme von derselben Natur wie mechanische Arbeit, d. h. dass sie eine der Formen ist, in welchen die Energie auftritt.
<Illustration rechts: Rennwagen bauen eine hohe (klassisch mechanische) Bewegungsenergie auf. Beim Bremsen wird die Energie (die gesamte Energiedifferenz!) in die Energieform „Wärme“ umgewandelt14) .Dieses Bild von Nic Redhead zeigt die glühende Bremsscheibe eines Rennwagens. J.P. Joule hatte die Umwandlung mechanischer Energie in Wärme erstmals klar beschrieben und experimentell das „Wärmeäquivalent“ bestimmt - darauf greift Maxwell hier zurück. Heute ist das Phänomen „Allgemeinwissen“, wenngleich im vollen Umfang seiner Konsequenz nicht wirklich verantwortlich angewendet: Das gewaltige Down-Cycling wertvoller kinetischer Energie in letztlich an die Umwelt abgeführte wertlose Wärme sollten wir besser stark reduzieren; was z.B. durch Generatorbremsung mit einem Elektrofahrzeug dann gelingt, wenn nicht allzu „sportlich“ gebremst werden muss15). Verwendet unter CC BY-SA 2.0; Ausschnitt des Originalbildes.>
<Einschub Maxwell: Wärme kann KEINE Substanz sein>16) Als im Laufe des achtzehnten Jahrhunderts eine Menge neuer Erscheinungen entdeckt wurden, welche sich auf die Wirkungen der Wärme auf die Körper bezogen, während gleichzeitig die Kenntnis von den chemischen Wirkungen der Substanzen sich erweiterte, führte man das Wort „Caloricum“ ein, um die Wärme als messbare Größe zu bezeichnen. So lange man nur diese Bedeutung mit dem Worte verbindet, kann man es mit Nutzen anwenden; allein die Form des Wortes verführt leicht, es mit den Bestrebungen der damaligen Chemiker, neue „ imponderable Stoffe “ zu finden, in Verbindung zu bringen; und so kam es, dass das Wort Caloricum nicht mehr Wärme als solche, sondern Wärme als ein unzerstörbares, unwägbares Fluidum bezeichnete, welches in die Poren der Körper eindringt, sie ausdehnt, schmilzt und schließlich in Dampf verwandelt, indem es sich mit den Substanzen in bestimmten Mengen verbindet, auf diese Weise latent wird, und erst wieder zu Tage tritt, wenn sich der Zustand des Körpers wieder ändert. In der Tat, als das Wort Caloricum einmal eingeführt war, so begann man sehr bald, damit die Idee an etwas Stoffliches zu verbinden, das allerdings vermutlich viel feinerer Natur sein möchte, als die damals gerade entdeckten Gase. Diesen Gasen glich das Caloricum in seiner Unsichtbarkeit und in seiner Eigenschaft, in den festen Körpern festgehalten zu werden. Aber es unterschied sich von ihnen dadurch, dass sein Gewicht auch durch die feinsten Wagen nicht nachgewiesen werden konnte. Trotzdem gab es eine Menge hervorragender Köpfe, welche nicht daran zweifelten, dass das Caloricum ein alle Körper durchdringendes Fluidum sei, in dem man wahrscheinlich die Ursache jeder Abstoßung, und vermutlich auch diejenige der Ausdehnung der Körper im Raume zu suchen habe.
Da Ideen dieser Art allenthalben mit dem Wort „Caloricum“ verknüpft wurden, Ideen, zu deren Verkörperung und Verbreitung das Wort selbst nicht am wenigsten beigetragen hat, und da wir nunmehr wissen, dass diese Ideen falsch sind, so werden wir im Folgenden das Wort „Caloricum“ zu vermeiden suchen; nur wenn wir uns auf jene irrige Theorie zu beziehen haben, werden wir sie als die „kalorische Theorie der Wärme“ bezeichnen.
<Ende Einschub>
Nach dieser Abschweifung kehren wir zu dem Begriffe der „Wärme“ zurück, den wir bereits dadurch präzisiert haben, dass wir sie stets als messbare Größe aufgefasst wissen wollten. Mit der Wärme, als einem abstrakten Begriff, der die Eigenschaft warmer Gegenstände ausdrückt, hat dies hier nichts zu tun; handelt es sich also z. B. um ein gewisses Wärmegefühl, etwa die „Wärme frischer Milch“, wie man sich umgangssprachlich wohl ausdrückt, so werden wir dafür stets die wissenschaftliche Bezeichnung „Temperatur“ anwenden und von der Temperatur der frischen Milch sprechen. Ebenso wenig werden wir das Wort „Wärme“ anwenden, um die „Empfindung der Wärme“, das „Wärmegefühl“, zu bezeichnen17) .
Wollen wir ausdrücken, dass eine Erscheinung oder ein Zustand sich auf die Wärme bezieht, so werden wir von einer „thermischen“ oder „Wärmeerscheinung“ respektive von einem „thermischen “ oder „Wärmezustand“ sprechen; auf diese Weise werden wir z. B. das „Wärmeleitungsvermögen der Körper“ von dem „elektrischen“, oder die „Wärmestrahlung“ von der „Lichtstrahlung“18) unterscheiden. Die Lehre von der Wärme als einer Form der Energie nennt man 'Dynamik der Wärme' oder Thermodynamik , und teilt sie ein in die Lehre vom Gleichgewicht der Wärme oder Thermostatik <„stationäre Wärmelehre“> und die Lehre von der Änderung der Wärme oder <instationäre Thermodynamik>.
Ein Instrument, mit dem man die Temperatur der Stoffe misst, heißt Thermometer , und die Methode seiner Anfertigung und Benutzung heißt Thermometrie.
Das Instrument zum Messen von Wärmemengen heißt Kalorimeter , wahrscheinlich weil es zu einer Zeit erfunden wurde, da man die Wärme noch Caloricum nannte; es ist aber üblich geblieben, zumal es von Zweideutigkeiten frei ist. Die Methode, mit ihm die Wärme zu messen, nennt man Kalorimetrie.
Eine bestimmte Wärmemenge, mit der die in allen andern Körper verglichen werden, nennt man eine Wärmeeinheit . Es ist dies die Wärmemenge, welche erforderlich ist, um eine bestimmte Wirkung hervorzubringen, z. B. um eine Masseneinheit Eis zu schmelzen, oder um eine Masseneinheit Wasser von einer bestimmten Temperatur auf eine andere zu bringen. Eine spezielle Wärmeeinheit dieser Art hat man eine Kalorie genannt. < Weil wir heute die Wesensgleichheit von Wärme und Energie fest verinnerlicht haben, verwenden wir seit einiger Zeit konsequent auch für das Messen von Wärmemengen die Einheit der Energie, im SI-System also das Joule J. (Anmerkung: für eine traditionelle „Kalorie“ gilt 1 cal = 4,186 J) >
Wir haben uns hiermit zwei der Grundvorstellungen der Wärmelehre verschafft, die Vorstellung der Temperatur, oder der Eigenschaft eines Körpers, hinsichtlich seines Vermögens, andere Körper zu erwärmen; und die Idee der Wärme als einer messbaren <mengenproportionalen> Größe, welche von wärmeren auf kältere Körper übergehen kann. Die weitere Entwicklung dieser Vorstellungen werden wir in den Kapiteln über Thermometrie und über Kalorimetrie durchführen; zunächst aber müssen wir unsere Aufmerksamkeit auf den Prozess lenken, durch den Wärme aus einem Körper auf einen anderen übergeht.
Diesen Prozess nennt man ganz allgemein Transport der Wärme; vermöge derselben geht die Wärme stets aus einem heißeren in einen kälteren Körper über19), so dass der heiße abgekühlt, der kalte erhitzt wird. Das würde so weiter gehen, bis alle Körper dieselbe Temperatur haben, wenn nicht andere Vorgänge dazwischen träten, welche, unabhängig von einem Austausch der Wärme, die Temperatur der Körper ändern, wie die Verbrennung und andere chemische Prozesse, oder irgend eine Änderung in der Form, der Struktur oder anderer physikalischer Zustände der Körper. Diese Temperaturänderungen werden wir später zu betrachten haben, wenn wir zur Beschreibung der verschiedenen physikalischen Zustände der Körper gelangen werden. Vorläufig beschäftigen wir uns nur mit dem Übergange der Wärme von einem Körper zu einem andern, d. h. mit der Übertragung der Wärme von wärmeren Stellen nach kälteren.
Hier kann man nun drei verschiedene Arten der Übertragung unterscheiden: Leitung, Mitführung und Strahlung.
- Leitung ist der stofflose Übergang der Wärme von wärmeren Stellen eines und desselben ungleichmäßig erwärmten Körpers zu kälteren.
- Mitführung ist die bei der Bewegung eines Körpers erfolgende Mitbewegung der in ihm enthaltenen Wärme. Wird bei dieser Bewegung der Körper in die Nähe kälterer Körper gebracht, so wird er sie schneller erwärmen, als wenn jene Näherung nicht stattgefunden hätte <Im speziellen Fall, dass es sich beim bewegten Stoff um ein Fluid handelt, sprechen wir hier von „Konvektion“>.
- Strahlung ist der Übergang der Wärme von einem wärmeren auf einen kälteren Körper durch {Vermittlung eines zwischen beiden gelegenen Mediums, welches selbst dabei nicht wärmer wird.} <elektromagnetische Wellen>20) .
Bei allen drei Arten der Übertragung von Wärme sucht sich die Temperatur ungleich warmer Orte auszugleichen. Die Mitführung der Wärme werden wir zunächst nicht detaillierter betrachten, weil sie kein rein thermischer Vorgang ist, sondern von der Bewegung eines warmen Körpers abhängt, mag diese Bewegung nun durch menschliche Anstrengung erfolgen, wie z. B. wenn ein heißes Gefäß vom Herde genommen und in einen Kühltrog gestellt wird, oder durch irgend eine natürliche Eigenschaft der erhitzten Substanz, wie z.B. in einem auf dem Feuer stehenden Kessel das durch die Berührung mit dem Boden erhitzte Wasser in Folge seiner Ausdehnung an Dichte verliert und einen aufsteigenden Wasserstrom bildet, während dafür das kältere, also auch dichtere Wasser zu Boden fällt und seinen Platz einnimmt21) . In allen diesen Fällen der Mitführung der Wärme ist der letztendliche und unmittelbare Modus des Überganges doch die Wärmeleitung; und die Wirkung der Mitführung ist nur die, dass die ungleich erhitzten Teile einander näher gebracht werden, sodass der Austausch der Wärme leichter stattfinden kann.
<Ende des Zitats aus „Maxwell: Theorie der Wärme“>
Kinetische Theorie der Wärme
Dank Maxwell wissen wir genauer „wo“ die Energie bei der Umwandlung in thermische Energie bleibt: Vor allem durch Reibung wird kinetische Energie unregelmäßig auf einzelne Moleküle der betroffenen Materie übertragen. Diese nehmen kinetische, aber auch Schwingungsenergie an und geben sie an benachbarte Moleküle weiter. Das geschieht auf Dauer in einer ungeordneten ('dissipativen') Form, bei der sich die Energie „gleichmäßig“ (dazu später mehr) auf alle energieaufnahmefähigen Komponenten verteilt. Diese Beschreibung nennt sich „kinetische Theorie der Wärme“. Thermische Energie ist damit nichts anderes als die ungeordnete Bewegungs-/Schwingungs/Rotations-Energie der Materie. Qualitativ können wir das mit dem Modellgas-Teilchen-Versuch illustrieren (rechts; klick auf die Illustration zeigt die Animation). Schon ein paar hundert Stahlkügelchen genügen, um ein gleichmäßig ungeordnetes Bewegungsgewirr erscheinen zu lassen. In dem sichtbaren Volumen befinden sich etwa 2⋅1021 Luftmoleküle (2 Trilliarden)!
Dieses Modell der Wärme als ungeordnete Bewegung der Moleküle erklärt alle oben von Maxwell herausgearbeiteten Eigenschaften und Verhaltensformen von Wärme und Temperatur zwanglos: Verstehen wir die Temperatur als die Intensität der Wärmebewegung (genauer: das Mittel der Bewegungsenergie eines jeden Moleküls) und Wärme als die Summe aller Energien der Moleküle in dem betrachteten System, so ist sofort intuitiv klar:
- Wärme (die Bewegungsenergie) wird bei Kontakt zweier Systeme übertragen; und zwar gleich viel davon aus dem einen System heraus wie ins andere System hinein (wegen des Energiesatzes der Mechanik; denn: Woanders kann die Energie ja nicht hin).
- Wärme geht im Netto-Austausch von Systemen der höheren Temperatur (= heftigeren Bewegung) in das mit der niedrigeren Temperatur über.
- Der Netto-Übertrag ist Null, wenn die Temperaturen gleich sind.
- Die Energiemengen sind bei gleichbleibenden Stoffgemisch-Anteilen proportional zur Zahl der Moleküle (also zur Masse).
- Wärme kann durch Leitung (Anstoß zur Bewegung von Molekül zu Molekül),
- …Mitnahme (Transportieren der heftiger bewegten Moleküle an einen anderen Ort) und
- Strahlung (von den elektrisch geladenen herumtanzenden Molekülen abgestrahlte elektromagnetische Wellen) übertragen werden; und der Netto-Transport geht immer in Richtung zum System mit der niedrigeren Temperatur (weniger heftigen Bewegung).
Die Nützlichkeit dieses Modells geht aber viel weiter als nur diese qualitativen Aussagen. Mit etwas klassischer Physik und ein ein paar Rechenumformungen können aus dem Modellbild z.B. die Vorgänge in Gasen22) mit hoher Genauigkeit quantitativ vorhergesagt werden. Zunächst mysteriös erscheinende Effekt werden sofort einsichtig23) . Wir behandeln das auf dieser Folgeseite, wieder Maxwell folgend, genauer - für alle die, welche die Mysterien der Thermodynamik schon immer einmal gelüftet sehen wollten.
Literatur
[Auerbach 1877] THEORIE DER WÄRME VON J. C. MAXWELL, PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT IN CAMBRIDGE, NACH DER VIERTEN AUFLAGE DES ORIGINALS IN'S DEUTSCHE ÜBERTRAGEN VON DR. F. AUERBACH, ASSISTENT AM PHYSIKALISCHEN KABINET DER UNIVERSITÄT IN BRESLAU. Dokument öffentlich zugänglich z.B. unter Theorie der Wärme und nicht nur aus historischen Gründen interessant.