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grundlagen:sonne:indirekte_waermezufuhr

Indirekter Wärmegewinn 🌡️

Gibt es passiv gewonnene Sonnenenergie, die durch ein undurchsichtiges Bauteil verfügbar gemacht wird?

Die spontane Antwort „wie soll denn das gehen?“ kann mit nur kurzem Nachdenken korrigiert werden: Nehmen wir z.B. ein außenseitig dunkel beschichtetes Metallblech, das einen Raum zur Außenluft abgrenzt. Wenn die Außenoberfläche besonnt ist, wird die solare Einstrahlung dort zumindest zum Teil absorbiert: Es ist unmittelbar klar, dass diese Energiezufuhr an der Außenoberfläche zu einer Erwärmung dieser Fläche führt. Die zugeführte Wärme, wir nennen sie $q_0$, den Brutto-Solar-Eintrag, fließt natürlich von der Oberfläche wieder ab - einerseits wieder direkt nach außen, andererseits aber auch nach innen in das Blech. Wäre der Wärmeübergangswiderstand nach außen „Null“, so würde sich die äußere Oberflächentemperatur trotz der Einstrahlung immer noch auf die Umgebungstemperatur einstellen und die eingestrahlte Wärme über diesen thermischen Kurzschluss vollständig nach außen verschwinden. Der äußere Wärmedurchlasswiderstand $R_A$ ist aber nicht Null - daher braucht es eine gewisse Temperaturdifferenz, um den Wärmestrom nach außen durch $R_A$ hindurchzutreiben: Die Temperatur $\vartheta$ an der Stelle des Brutto-Solar-Eintrages ist daher gegenüber der ohne den Eintrag erhöht. Das aber bedeutet, dass auch der Wärmestrom von innen her verringert wird. Diese Verringerung des Wärmestroms ist die Netto-Wirkung des außen auftreffenden Brutto-Solar-Eintrages: In der Tat, das ist nutzbar gemachte passiv solare Energie! Im folgenden Abschnitt werden wir diesen Effekt quantifizieren - das geht überraschend einfach, wobei wir die Situation gleich etwas verallgemeinern, weil es ähnliche Vorgänge mit einer Wärmezufuhr innerhalb von Bauteilen auch unter anderen Umständen gibt1).

Wie in der Abbildung geben wir eine ebene Konstruktion mit einer flächigen Wärmequelle mit homogener Wärmstromdichte $q_0$ vor. Auf der einen Seite herrscht die konstante („Außen-“)Temperatur $\vartheta_A$, auf der anderen eine konstant gehaltene Innentemperatur $\vartheta_B$; das kann z.B. ein geheizter Raum oder auch ein Kühlraum sein. Wie verteilt sich jetzt die zusätzlich zugeführte Leistung auf die beiden Seiten?
Zur Lösung betrachten wir das „Ersatzschaltbild“: Im Knoten der Wärmezufuhr nennen wir die Temperatur $\vartheta$, den gesamten Wärmestrom vom $\vartheta$-Knoten nach A nennen wir $q_A$, den von innen zum $\vartheta$-Knoten $q_B$. Aus der Knotengleichung für $\vartheta$ („Wärmestrombilanz“) und den „Ohm‘schen Gesetzen“ für $R_A$ und $R_B$ ergeben sich die folgenden drei Gleichungen:

$q_B + q_0 = q_A \hspace{11em}$ (1-ind)

$q_A =\frac{\vartheta-\vartheta_A}{R_A} \hspace{12em}$ (2-ind)

$q_B =\frac{\vartheta_B-\vartheta}{R_B} \hspace{12em}$ (3-ind)

Wir lösen Gleichung (2-ind) nach $\vartheta$ auf und ersetzen darin dann $q_A$ gemäß Gleichung (1-ind):

$\vartheta = \vartheta_A - R_A \cdot q_A = \vartheta_A - R_A \cdot (q_B + q_0)$

Wenn wir diesen Wert für $\vartheta$ in Gleichung (3-ind) einsetzen, dann erhalten wir eine Gleichung mit nur noch einer Unbekannten, nämlich $q_B$, die wir nach $q_B$ auflösen können. So erhalten wir

$q_B = \frac {\vartheta_B - \vartheta_A}{R_A + R_B} - \frac {R_A}{R_A+R_B} \cdot q_0 \hspace{6em}$ (4-ind)

Der erste Summand ist identisch mit dem Wärmestrom ohne die zusätzliche Quelle2). Der zweite Term gibt somit an, welcher Teil des Zusatzquellstroms auf die Seite B „geliefert“ wird. Der Quellstrom teilt sich daher im Verhältnis des gegenüberliegenden Durchlasswiderstandes zum Gesamtwiderstand auf.

Eine Bemerkung schon an dieser Stelle im Vorgriff auf später genauer behandelte Details: Die hier dargestellte Überlegung gilt zunächst für den vorausgesetzten (quasi-)stationären Fall: Dass sich nämlich weder $\vartheta_A$, noch $\vartheta_B$ noch $q_0$ im Zeitverlauf ändern. Diese Voraussetzung ist allerdings gerade bei Vorgängen mit eingestrahlter Solarenergie kaum zutreffend; es kann noch nicht einmal behauptet werden, dass dies für die hier jeweils relevanten Zeiträume 'annähernd' zutreffend sei. Was allerdings zutrifft: Wenn wir eben nicht die Momentanwerte der Temperatur und der Einstrahlung betrachten, sondern ihre Mittelwerte über z.B. 5 mal 24 h, dann gelten die hier dargestellten Gleichungen für diese zeitlichen Mittelwerte bereits in guter Näherung. Die Näherung ist umso besser, je weniger sich die Temperaturverteilung im Bauteil nach diesen 5 mal 24 h von der davor unterscheidet. Diese letzte Bedingung allerdings kann in ziemlich guter Näherung in allen etwa monatlichen Zeitperioden eines Jahres (sei es Juli oder Dezember) erfüllt werden. So kann auch an dieser Stelle schon eingesehen werden, warum diese Gleichungen in guter Näherung für die Energiebilanzen des Bauteils über einen monatlichen Mittelwert gelten. Wir werden später sogar quantitativ für bauübliche Konstruktionen sogar beweisen, dass im Mittel über mehrere Jahre die angegebenen Beziehungen sogar bis auf einen quantifizierbaren und in der Regel vernachlässigbaren Summanden exakt sind3).


Anwendung: Außenbauteile

Kommen wir zurück auf die konkrete Anwendung: Das Bauteil habe außen eine transparente Schicht (das kann auch einfach nur die oberflächennahe Schicht der Außenluft sein), so dass Solarstrahlung bis zur Ebene mit der Temperatur $\vartheta$ vordringen kann. Auf dieser Ebene werde der Anteil $\alpha$ (Absorptionsgrad) der Solarstrahlung absorbiert – der Rest werde reflektiert. $q_0$ in Gleichung (4-ind) ist dann das Produkt aus solarer Strahlungsdichte $q_{sol}$ und $\alpha$.

$q_B = \frac {\vartheta_B - \vartheta_A}{R_A + R_B} - \frac {R_A}{R_A+R_B} \cdot \alpha \cdot q_{sol} \hspace{6em}$ (5-ind)

Der Faktor $ \frac {R_A}{R_A+R_B} \cdot \alpha \,$ ist gerade der Anteil der eingestrahlten Sonnenenergie, der auf indirektem Weg vom Bauteil auf die Innenseite übertragen wird. Wir nennen diesen den „indirekten (Solar-) Energie-Durchlassgrad“ (English: (indirect) Solar Heat Gain Coefficient SHGC). Er wird üblicherweise mit dem Buchstaben $g$ abgekürzt, kurz auch g-Wert genannt.

$ g_{opak} \:= \frac {R_A}{R_A+R_B} \cdot \alpha \,$

Auch hier ist natürlich $ U=\frac {1}{R_A+R_B}\,$. Daraus ist sofort erkennbar, dass der indirekte Strahlungsdurchlass ebenfalls proportional zum U-Wert des Bauteils ist; Bauteile mit kleineren U-Werten haben um das U-Wert-Verhältnis kleinere Wärmeverluste im Temperaturgefälle - und sie haben ebenfalls um das U-Wert-Verhältnis verkleinerte passiv solare Gewinne.

Das klärt übrigens eine der oft emotional geführten Debatten um die Wirkung von zusätzlicher Wärmedämmung an Außenbauteilen: Da wird manchmal behauptet, ein solcher Wärmeschutz sei wirkungslos oder gar kontraproduktiv, weil er die indirekt passiv solare Nutzung herabsetzt. Was ist das dran?

  1. Zunächst einmal stimmt es, wie wir hier gerade gesehen haben, dass es diese indirekte passive Solarenergienutzung durch opake Bauteile tatsächlich gibt.
  2. Und ebenso richtig ist es, dass diese im Verhältnis der U-Werte reduziert wird. Es stimmt daher, dass die indirekte Solarenergienutzung nach einer zusätzlichen Wärmedämmung geringer wird; zumindest dann, wenn die Oberflächenabsorption an der Außenoberfläche dabei unverändert bleibt.
  3. Weiter richtig bleibt, dass die Wärmeverluste im Temperaturgefälle $\vartheta_B - \vartheta_A$ ebenfalls im Verhältnis der U-Werte abnehmen. Um den resultierenden Gesamteffekt zu bestimmen, müssen wir die jeweiligen Größenordnungen der Energieströme tatsächlich quantitativ vergleichen.
  4. Das machen wir jetzt einmal für das durchschnittliche Klima im Dezember an einem typischen deutschen Standort: Da haben wir $\vartheta_B - \vartheta_A$, daher ist der Wärmeverluststrom gleich dem U-Wert multipliziert mit diesem Wert von ungefähr 20 K. Die durchschnittliche Einstrahlung auf eine unverschattete exakt südorientierte Fläche im Dezember beträgt etwa 34 Watt/m². Bei üblichen Außenoberflächen werden davon rund $\alpha$=40% absorbiert. Der äußere Wärmeübergangskoeffizient vertikal orientierter Außenbauteile liegt bei rund $R_A=$ 0,04 m²K/W. Damit wird der g-Wert des Bauteils

    $g=\alpha \cdot R_A \cdot U = $ 40% $\cdot$ 0,04 m²K/W $\cdot U =$ 0,016 m²K/W $ \cdot U $.

    Mit diesem g-Wert und 34 Watt/m² durchschnittlicher Einstrahlung wird der indirekte Solargewinn im Dezember durch 0,544 K$\cdot U $ bestimmt, das ist grob genähert etwa ein Faktor ½ auf den U-Wert.
  5. Fazit: Im Dezember ist die Reduktion des gewöhnlichen Wärmeverlustes (20-K-Faches des U-Wertes) etwa 40 mal so bedeutend wie die Reduktion eines unter günstigsten Umständen evtl. möglichen passiv solaren Gewinns auf dem beschriebenen indirekten Weg durch das opake Bauteil: Der passiv-solar-reduzierende Effekt ist im Dezember somit niedriger als 3%; einen großen Fehler würden wir hier noch nicht einmal machen, wenn wir den Effekt im Winter vernachlässigen würden. In der PHPP-Berechnung machen wir das allerdings bewusst nicht - dieser Einfluss wird einbezogen, und der nächste Abschnitt zeigt dann auch, warum das gar nicht unwichtig ist.
  6. Im August nämlich ist der Wärmeverlust durch ein solches Bauteil nahezu vernachlässigbar, mit rund 21°C Außenlufttemperatur und einer gewünschten Innentemperatur von 24°C ist der „Kühleffekt“ durch ein Bauteil mit U-Wert $U$ gerade das etwa 3-Kelvin-Fache des U-Wertes. Die mittlere Einstrahlung auf Flächen (von Ost- über Süd- bis Westorientierung) beträgt jetzt aber rund 120 Watt/m². Der indirekte Solareintrag, in diesem Fall eine solare Last für den Innenraum, ergibt sich dann zum rund 2-K-Fachem des U-Wertes: In unseren Breiten frisst die indirekte Solarlast im Sommer den „Kühleffekt“ durch Wärmeverluste von Außenbauteilen somit zu etwa zwei Dritteln weg. Diesen Effekt dürfen wir nicht vernachlässigen, das ist tatsächlich einer der Gründe, warum es in vielen Wohnungen im Sommer zu heiß wird, mit steigender Tendenz durch den Klimawandel. In südlicher gelegenen Lagen, z.B. schon in Italien oder Spanien, gibt es durch diese Absorption der Solarenergie an nicht extrem hellen Flächen regelmäßig einen Netto-Zusatz-Aufheizeffekt im Sommer. Auch bei uns gilt dies schon für nach Süden geneigte Dächer, die das zwei- bis dreifache der Strahlung erhalten, wie eine vertikal orientierte Wand. Hier wird auch verständlich, warum der bessere Wärmeschutz (Reduzierung von U) hier im Sommer zu einer zusätzlichen Kühlwirkung führt.
  7. Der Vollständigkeit halber merken wir hier noch an, dass es aus den oben dargestellten Gründen empfehlenswert ist, die Oberflächen von opaken Außenbauteilen hell (d.h. strahlungsreflektierend) zu gestalten oder zu verschatten4): Der dadurch 'verlorene' indirekte passiv solare Gewinn im Winter ist praktisch unbedeutend; aber die Entlastung von solaren Lasten im Sommer verbessert die sommerliche Behaglichkeit in den Gebäuden erheblich. Die typische Mittelmeer-Insel-Architektur mit den strahlend weiß getünchten Gebäuden illustriert anschaulich, dass die Menschen sich dieser Tatsache schon bald bewusst wurden. Mit zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels wird die „weiße Außenoberfläche“5) auch bei uns in Mitteleuropa eine ratsame Maßnahme. Dies hat sogar noch einen weiteren Vorteil: Weil weniger Strahlung absorbiert wird, reduziert sich auch der sog. „Wärmeinsel-Effekt“ in den Städten, d.h., auch im Außenbereich unserer Siedlungen wird es dadurch weniger heiß. Das kann eine bedeutende Verbesserung der Lebensqualität bedeuten.
  8. Das sozusagen „andere Extrem“ ist die bewusste Erhöhung der Nutzbarkeit der im Bauteil absorbierten Solarstrahlung, um einen erhöhten passiv solaren Gewinn zu erreichen. Das kann auf zwei Wegen erfolgen, für die ebenfalls die oben hergeleitete Gleichung (5-ind) die entscheidenden Hinweise gibt: (a) Der Absorptionsgrad an der strahlungsabsorbierenden Oberfläche kann bewusst erhöht werden (höheres $\alpha$, anschaulich „schwärzere Oberfläche“); damit steigt das passive Angebot proportional. (b) Die Erhöhung des äußeren Wärmedurchlasswiderstanden $R_A$, welcher dafür sorgt, dass absorbierte Energie in geringerem Umfang nach außen und in höherem Umfang nach innen abgeführt wird. Näherungsweise ist auch diese Auswirkung zunächst etwa proportional zur Erhöhung in $R_A$, allerdings im „komplett durchoptimierten“ Grenzfall kann $g_{opak}$ natürlich nicht größer werden als 1; letzteres wäre der Fall, wenn der gesamte Wärmedurchlasswiderstand außen vor der Absorberoberfläche liegt - das allerdings wäre dann eine Absorption im Raum entspr. einer 100%igen Transmission der Strahlung nach innen; das kann dann natürlich kein opakes Bauteil mehr sein, es wäre vielmehr ein ideales Fenster6). Praktisch kann eine Erhöhung von $R_A$ z.B. durch eine außen vor die Absorberfläche vorgestellte Glasscheibe erfolgen, oder einer anderen transparenten Fläche, im optimierten Fall eine Verglasung mit geringem U-Wert aber hohem g-Wert. Diese Art Konstruktionen werden generell als sog. „transluzente Wärmedämmung“ bezeichnet. Es gab einen regelrechten Hype in der Diskussion solcher Lösungen - und es gibt sogar zertifizierte Passivhaus-Konstruktionen, die nach einem solchen Prinzip arbeiten7). Zur korrekten Behandlung müssen diese passive Solarangebote dann ähnlich behandelt werden wie diese Strahlungsangebote durch die Fenster. Ziemlich genau geht dies durch eine umfangreiche dynamische Simulation eines solchen Bauteils im Gesamtkontext des Gebäudes - so werden die effektiven Kennzahlen solcher Systeme bei der Zertifizierung durch das PHI behandelt. Aber auch mit dem PHPP ist eine ausreichend genaue Abschätzung möglich - dies erfolgt dann mit Hilfe einer an (5-ind) angelehnten Gleichung und der Einspeisung des so bestimmten passiv solaren Wärmeangebotes in die Gesamtsumme der verfügbaren freien Wärme, für welche dann ein effektiver „solarer Nutzbarkeitsgrad“ des Gebäudes bestimmt wird. Diese Methodik hat sich ebenfalls bewährt.
    Zur Gesamtbewertung des Ansatzes einer „transluzenten Wärmedämmung“: Tatsächlich ist z.B. mit der teil-transluzenten Kartonwaben-Dämmung für eine wenig verschattete südausgerichtete opake Fassade eine höhere Heizwärmeeinsparung erreichbar: Der Netto-Wärmeverlust im Winter kann so auf nahe Null reduziert werden, in gut geeigneten Fällen kann es sogar Netto-Wärmegewinne geben8). Allerdings steigt die Übertemperaturhäufigkeit im Sommer in den Räumen angrenzend an die transluzent gedämmte Fassade signifikant an9). In sommerheißen Lagen wird sich unter diesen Umständen eine Notwendigkeit zur aktiven Kühlung kaum vermeiden lassen - das wiederum wird wohl in der Zukunft auf Grund des Klimawandels ohnehin weitgehend auch für konventionelle Gebäude, unabhängig von deren Wärmeschutz, der Fall sein: Mit aktiver Kühlung erhöht sich der Kühlkältebedarf durch eine optimierte transluzente Wärmedämmung dann um rund 4 bis 10 kWh/(m²a) - dementsprechend werden dafür rund 1 bis 3 kWhel/(m²a) an elektrischer Energie im Sommer mehr verbraucht. Diese sind künftig jedoch leicht aus erneuerbarer Energie beisteuerbar; die erforderliche Vergrößerung der PV-Flächen dafür ist nicht bedeutend. Die Einsparung beim Heizwärmebedarf gegenüber einem opak wärmegedämmten Standardfall liegt bei rund 6 bis 10 kWh/(m²a) Heizwärme. Der COP der Wärmeerzeugung durch Wärmepumpen im Winter ist ist allerdings geringer, so dass die dabei im Winter eingesparte elektrische Energie rund 2 bis 4 kWhel/(m²a) beträgt. Für die Bereitstellung von Strom zu Raumheizzwecken, insbesondere durch Wärmepumpen, ist eine etwa 1,75fach erhöhte ganzjährige Stromerzeugung aus erneuerbarer Energie erforderlich (PEr-Faktor Heizung). Der zuvor erwähnte leicht zu deckende sommerliche Mehrbedarf (1 bis 3 kWhPEr/(m²a) erneuerbare Primärenergie) wird also durch die Reduktion im Winter (3,5 bis 7 kWhPEr/(m²a) mehr als ausgeglichen. Setzen wir eine Möglichkeit zur effektiven aktiven Kühlung voraus, so bieten optimierte transluzente Dämmsysteme tatsächlich ein weiteres Potential zur Erleichterung der Energiewende. Zu bedenken ist freilich, dass entsprechende Flächen auch stattdessen mit PV-Paneelen belegt werden können. Diese können dort rund 70 kWh/(m²a) an elektrischer Energie liefern - das ist weit mehr, als die Differenzen, die wir eben dargestellt haben. Fazit: Alle drei dargestellten Wege führen für das betreffende Objekt zu einer nachhaltigen Lösung bzgl. des Energiebedarfs für Kühlen und Heizen: Die opake Dämmung (-90% des Verbrauchs), eine optimierte transluzente Dämmung in Verbindung mit einer aktiven sommerlichen Kühlung (rund -110% des Verbrauchs) und die Belegung der Gedämmten Fassade mit PV-Paneelen (rund 130% Energiegewinn bei weiterhin 90% Einsparung der Verluste). Eine ungedämmte Altbauwand allerdings führt auf derart hohe Wärmeverluste (rund 90 kWh/(m²a) und entsprechend hohen winterlichen Wärmepumpenstrombedarf), dass sich die Energiewende damit kaum realistisch umsetzen lässt.



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Aus der Praxis: Messungen an einer Außenwand, die die Ergebnisse dieses Abschnitts illustrieren

1)
Z.B. eine in ein Bauteil eingebettete Heizfolie oder eine „Fußbodenheizfläche“ (in dem Fall in guter Näherung, weil die Wärmezufuhr dabei nicht ideal flächig erfolgt; selbstverständlich können vergleichbare Berechnungen auch im mehrdimensionalen Fall durchgeführt werden und sie führen auch da zu einem analogen Ergebnis; wir behandeln hier bewusst den einfachen Fall mit einem Absorber als ebene Fläche, weil das leicht verständlich ist und das Prinzip gut erkennen lässt.).
2)
beachte, dass $\frac {1}{R_A + R_B}$ gerade der U-Wert des Gesamtbauteils ist.
3)
Im Gegensatz zur einleitenden Bemerkung treffen diese Gleichungen daher sogar sehr viel besser zu, als zunächst vermutet. Allerdings ist es nicht zulässig, sie nach Messungen von Momentanwerten zu verwenden: Wegen temporären Ein- und Ausspeichereffekten sind die momentanen Abweichungen sogar oft sehr hoch: Allein, über Zeiträume von N mal 24 h (N ganz und größer etwa 5 Tage) mitteln sich diese Abweichungen, die tagsüber kurzzeitig „weit“ nach oben gehen und nachts über etwas längere Zeit deutlich nach unten im Mittel vollständig heraus. Dass das so sein muss, wird übrigens klar, wenn wir bedenken, dass alle betrachteten Vorgänge linear von den Randbedingungen abhängen und über den N mal 24 h Zeitraum der Energiesatz ebenfalls erfüllt werden muss: Es kann dann maximal in der Energiebilanz die im Bauteil einmalig einspeicherbare Wärme 'anders' wirken als die mit den Mittelwerten bestimmten Wärmeströme nach außen und nach innen. Die „einmalig einspeicherbare Wärme“ ist die Wärmekapazität des Bauteils multipliziert mit der mittleren Temperaturdifferenz im Bauteil von zuvor und danach - die z.B. nach einem vollständigen Jahr praktisch Null ist und innerhalb etwa monatlicher Zeiträume kaum wenige Kelvin übersteigt.
4)
Das kann z.B. auch durch Laubbäume erfolgen
5)
übrigens auf das gesamte Solarspektrum zu beziehen, also inklusive des nahen Infrarot, das Stichwort sind dann die sog. „cool colors“
6)
Die exakte Abhängigkeit von $R_A$ kann durch eine einfache Umstellung von (5-ind) erkannt werden: Wir können den Leitwertefaktor wie folgt umschreiben (Kürzen mit $R_A$:

$\frac {R_A}{R_A+R_B}=\frac {1}{1+R_B/R_A} $

So wird erkennbar, dass dieser Nutzbarkeitsanteil zunächst, solange $R_A$ klein ist, proportional zu $R_A$ ansteigt. Wird $R_A$ aber „groß gegenüber $R_B$“, so geht die Nutzbarkeit asymptotisch gegen 1.
7)
Das ist eine sog. Kartonwaben-Wärmedämmung: Wabenkartons, wie aus der Verpackungsbranche bekannt, werden hier als Dämmstoff außenseitig der z.B. gemauerten Fassade verwendet. Den äußeren Schutz bietet z.B. eine Glasscheibe. Die 'Löcher' werden dabei im Optimalfall in Richtung der zur Nutzung der gewünschten Strahlungsquelle ausgerichtet; das kann z.B. der Januarstand der Sonne sein. Die Strahlung dringt dann durch die Löcher in der betreffenden Zeit besonders tief in die Dämmlage ein (dadurch: hoher $R_A$-Wert). Zu anderen Zeiten, z.B. wenn im Sommer die Sonne hoch steht, dringen die Strahlen nur bis Nahe unter der äußeren Oberfläche ein: $R_A$ ist dann geringer, zugleich aber auch $R_B$ höher, so dass trotz der erhöhten Absorption die Netto-Solarlast im Sommer begrenzt wird. Das sind praktikable Lösungen, die sich auch in der Praxis bewährt haben. Eine gewisse Komplikation bei der Einschätzung des Netto-Nutzens solcher Lösungen besteht darin, dass die erzielten passive solaren Gewinne durch diese opaken Bauteile unter genau den gleichen Randbedingungen auftreten, unter denen auch die „konventionellen solaren Gewinne“ durch Fenster maximal sind((Eben z.B. an einem klaren Januartag
8)
Reduktion der Verluste dann gegenüber eine ungedämmten Fassade bei 95 bis 110%; eine konventionelle Dämmung „schafft“ hier rund 90%
9)
rund 5 bis 12% häufigere Übertemperaturen
grundlagen/sonne/indirekte_waermezufuhr.txt · Zuletzt geändert: 2023/12/29 20:59 von wfeist