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Der Gesamtenergiedurchlassgrad 🌡️

Ein schnelles Experiment dazu, das viele verblüfft: Selbst z.B. ein einfacher Karton kann als Spiegel benutzt werden. Dann nämlich, wenn er ganz flach anvisiert wird. Gleich mal ausprobieren! Sehr flach auftreffendes Licht wird reflektiert und damit eben nicht mehr absorbiert oder transmittiert - das erklärt, warum der Energiedurchlassgrad bei flacher Einstrahlung in die Knie geht.

Der Gesamtenergiedurchlassgrad g eines Bauteils gibt das Verhältnis zwischen der dem Innenraum insgesamt zugeführten Energie zu der auf die äußere Oberfläche eingestrahlten Energie an (meist handelt es sich dabei um solare Einstrahlung). Das Verhältnis ist vom Einfallswinkel der Strahlung abhängig: Bei den meisten Aufbauten nimmt der Gesamtenergiedurchlassgrad ab, je flacher die Einstrahlung auftrifft, bei nur streifendem oder nahezu streifendem Einfall ist der (winkelabhängige) Gesamtenergiedurchlassgrad Null.

Zur Kennzeichnung des Gesamtenergiedurchlassgrades von Verglasungen hat sich der Wert für „senkrechten Einfall“ etabliert: $g_\perp$. Achtung: Der Durchlass für weniger steil auftreffende Strahlung ist i.a. geringer1).

Der Gesamtenergiedurchlassgrad setzt sich additiv aus zwei Teilen zusammen:

  • Dem direkten Strahlungsdurchgang: Das ist der Anteil an der Energie, die als Strahlung unverändert durch das Bauteil hindurchtritt und dadurch dem Raum direkt energetisch zur Verfügung steht - dies ist der mit Mitteln der Optik bestimmbare Strahlungstransmissionsgrad für das gesamte Spektrum, auch der „Energietransmissionsgrad“ genannt $\tau_{E}$. Er muss unterscheiden werden vom Transmissionsgrad allein für das visuelle Spektrum $\tau_{vis}$; der wiederum ist entscheidend für das durch die Verglasung im Raum verfügbare Tageslicht2).
  • Der indirekten Wärmezufuhr: In diesem Fall wird die Strahlung bereits irgendwo innerhalb des betreffenden Bauteils absorbiert - die Strahlung selbst gelangt dabei nicht in den Raum. Das Bauteil wird jedoch an der betreffenden Stelle erwärmt und dadurch reduziert sich der Wärmeverluststrom durch das Bauteil, bei hoher Einstrahlung kann der Nettoverlust sogar Null und es kann sogar zu einem Netto-Wärmestrom nach innen kommen.



Beispiele: g-Werte typischer Verglasungsarten

Die folgende Tabelle gibt ein paar typische $g_\perp$ -Werte von verschiedenen Verglasungsarten wieder: Dabei gab es in den vergangenen Jahrzehnten eine ständige Weiterentwicklung der verwendeten Beschichtungen. Das illustrieren wir an den beiden Verglasungsarten „2-WSA+“ und „3-WSA+“. Durch hochentwickelte Beschichtungen sind diese auf möglichst hohe g-Werte optimiert, wobei gleichzeitig immer noch sehr niedrige U-Werte erreicht werden. So ist es zwar prinzipiell richtig, dass Gläser mit geringeren U-Werten in der Tendenz auch gewisse Einbußen beim g-Wert aufweisen. Eine moderne Dreischeiben-Wärmeschutzverglasung „3-WSA+“ erreicht aber mit einem g-Wert von 0,62 fast den einer Zweischeiben-WS-Verglasung früher üblicher Bauart, sie hat aber nur etwa den halben U-Wert und damit halbierten Wärmeverlust. Wie sich das auf die Gesamtbilanzen auswirkt, behandeln wir später; hier sei aber bereits zusammengefasst: Der Übergang zu Verglasungen mit niedrigeren U-Werten lohnt sich in Mitteleuropa immer, unabhängig von der Himmelsrichtung. Mögliche Einbußen beim winterlichen passiv solaren Eintrag werden auch im günstigsten Besonnungsfall immer durch die niedrigeren Verluste mehr als ausgeglichen3). Nur für einen Übergang von Dreischeiben- zu Vierscheibenverglasung gilt dies nicht in jedem Fall, allerdings empfiehlt dies heute auch niemand. Der nächste Verbesserungs-Schritt wird in Vakuum-Verglasungen (letzte Zeile) liegen, die nochmals niedrigere U-Werte aber erheblich verbesserte g-Werte aufweisen können. Erste Produkte dieser Art sind bereits am Markt - diese erlauben dann sogar nahezu „Null-Energie“-Bilanz selbst bei einer Verglasung auf der Nordseite4).

Verglasungsart typischer U-Wert
in W/(m²K)
typischer $g_\perp$ -Wert
1-fach
unbeschichtete Einscheiben-
Verglasung
5,75 0,84
2-fach
unbeschichtete Doppel-
Verglasung
18 mm Luft
2,77 0,75
3-fach
unbeschichtete Dreischeiben-
Verglasung
2 mal 18 mm Luft
1,82 0,67
2-WSA
low-e beschichtete Zweischeiben-
Wärmeschutz-Verglasung 16 mm Argon
1,3 0,66
2-WSA+
verbesserte low-e Zweischeiben-
Wärmeschutz-Verglasung 16 mm Argon
1,1 0,75
3-WSA
low-e beschichtete Dreischeiben-
Wärmeschutz-Verglasung 2 mal 16 mm Argon
0,75 0,49
3-WSA+
verbesserte low-e Dreischeiben-
Wärmeschutz-Verglasung 2 mal 16 mm Argon
0,69 0,62
4-WSK
low-e beschichtete Vierscheiben-
Wärmeschutz-Verglasung 3 mal 10 mm Krypton
0,45 0,41
2-VAC
verbesserte 2-Scheiben low-e
Vakuum-Verglasung 0,5 mm Vakuum
0,53 0,75



Die folgende Abbildung zeigt die Abhängigkeit der Transmission5) vom Einfallswinkel. Bis zu etwa 40° Abweichung von einem ideal senkrechten Einfall fallen die Werte gegenüber $\tau_\perp$ nur geringfügig ab, gehen dann aber spürbar zurück.


Verlauf der Einfallswinkel-Abhängigkeit der Energietransmission $\tau_\perp$ von Verglasungen [eigene Berechnungen].

Das nächste Diagramm zeigt nun die Einfallswinkel-Abhängigkeit des Gesamtenergie-Durchlassgrades $g_\perp$. Dieser ist um den indirekten Strahlungseintrag erhöht: Insbesondere bei den Mehrscheibenverglasungen ist der Unterschied zur alleinigen Berücksichtigung der direkten Transmission bedeutend. Auch hier sind die Abweichungen bis zu etwa 40° nur gering gegenüber idealen Einfall. Für eine Südfassade kommt uns das im Sommerfall sogar entgegen: Die Sonne steht dann höher, die solare Transmission gerade von südorientierten Verglasungen ist dadurch geringer6).



Verlauf der Einfallswinkel-Abhängigkeit des Gesamtenergie-Durchlassgrades $g_\perp$ von Verglasungen. Dieser ist gegenüber dem oben dargestellten $\tau_\perp$-Wert um den indirekten Eintrag der in der Verglasung absorbierten Strahlung erhöht [eigene Berechnungen].


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1)
Das muss bei Bilanzen berücksichtigt werden, sonst werden die solaren Gewinne signifikant überschätzt; das ist übrigens eine der eigentlichen Ursachen für den vielfach achtlos verwendeten Begriff „Performance-Gap“. Es ist natürlich klar, dass ich höhere praktische Verbrauchswerte erhalte, wenn mein Rechengang den passiv solaren Energieeintrag systematisch überschätzt. In dem von uns empfohlenen Algorithmus nach PHPP wird eine Abminderung von $g_\perp$ auf einen durchschnittlichen Wert $g_\phi$ vorgenommen, die diesbezüglich auf der sicheren Seite gewählt ist. Wir empfehlen solche Ansätze, weil es auch noch eine ganze Reihe weiterer in der Praxis auftretende Effekte gibt, welche den passive solaren Eintrag eher reduzieren (z.B. Verschmutzung, aber auch zusätzliche Verschattung).
2)
Die beiden Werte können sich sehr stark unterscheiden, große Unterschiede gibt es bei einem sogenannten 'Sonnenschutzglas'; bei einem solchen versucht der Hersteller nämlich, insbesondere die Transmission für den nicht-sichtbaren Anteil der Sonnenstrahlung zu verringern. Etwa die Hälfte der eingestrahlten Energie liegt im nicht sichtbaren langwelligen Infrarot zwischen 780 und rund 2000 nm. Moderne Beschichtungen können diesen Strahlungsanteil weitgehend unterdrücken: das reduziert dann den Energieeintrag ($\tau_{E}$) grob um einen Faktor zwei, während das durchgelassene Tageslicht fast unverändert bleibt.
3)
Auch ökonomisch bzgl. der Kosten für den Netto-Energieverlust trifft dies zu.
4)
derzeit sind Vakuum-Verglasungen allerdings noch relativ teuer
5)
direkter Strahlungsdurchlast $\tau_E$
6)
ganz anders in Ost- oder Westorientierung, die gerade im Sommer lange Zeiträume weitaus idealere Einfallswinkel aufweisen. Ein weiterer Grund, weshalb keine allzu großen West- oder Ostverglasungen empfohlen werden können; und diese Empfehlung gilt sogar weltweit, insbesondere in Regionen mit Kühlbedarf im Sommer
grundlagen/sonne/gesamtenergiedurchlassgrad.txt · Zuletzt geändert: 2023/10/08 13:54 von wfeist