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Passivhaus-Altbau

Der größte Teil der Energie für Gebäude wird im Gebäudebestand verbraucht. Ein besonders großer Anteil wurde in den 50er bis 80er Jahren gebaut, diese Gebäude stehen zu einem großen Teil zur Modernisierung an. Solche Anlässe ermöglichen es, mit geeigneten Maßnahmen den Energieverbrauch der Gebäude merklich zu senken. Die Verfügbarkeit von Komponenten für das Passivhaus ermöglicht dabei eine erhebliche Senkung des Energieverbrauchs. vgl. [Ebel et al. 1990] , [Ebel et al. 2000] , [Feist 1997] , [Feist et al. 1998] ).

Die Einsatzmöglichkeiten von Passivhaus-Komponenten für die Modernisierung des Gebäudebestands wurde schon früh vom Arbeitskreis kostengünstige Passivhäuser geprüft [AKKP-24] , die besonderen Aspekte bei erhaltenswerten Gebäudefassaden mit dem Arbeitskreis Nr. 32 [AKKP-32] . Die speziellen Fragestellungen bei Sanierungen, die nicht in einem Zuge ausgeführt werden und dennoch einen optimalen Endzustand erreichen sollen, wurden zum Thema „Schrittweise Modernisierung mit Passivhaus-Komponenten“ (Arbeitskreis Nr. 39) erarbeitet. Die Ergebnisse sind inzwischen erfolgreich im Europäischen Demonstrationsprojekt http://EuroPHit.eu umgesetzt worden.

Die Altbaumodernisierung mit Passivhaus-Komponenten ist nach der großen Zahl von überzeugenden Pilotprojekten bereit für eine breite Umsetzung. Inzwischen liegen Ergebnisse dazu vor, wie sich die fertiggestellten Modernisierungsprojekte im laufenden Betrieb bewährt haben. In den Projekten Tevesstraße (Frankfurt a.M.) und Hoheloogstraße (Ludwigshafen) wurden nach Fertigstellung vom Passivhaus Institut umfangreiche messtechnische Untersuchungen durchgeführt deren Ergebnisse die folgende Grafik zeigt:

hwb_tevesundhoheloog.jpg Berechneter (PHPP) Heizwärmebedarf im Bestand sowie berechneter Heizwärmebedarf und gemessener Verbrauch (umgerechnet auf Innentemperatur 20°C und Standardklima) nach der Modernisierung für die Projekte Tevesstraße, Frankfurt a.M. (ABG Frankfurt Holding, Architektur: faktor 10 GmbH) und Hoheloogstraße, Ludwigshafen (GAG Ludwigshafen) (vgl. [Peper/Feist 2009] und [Peper/Grove-Smith/Feist 2009] )


Nun ist bereits ist eine große Zahl von Gebäuden nach dem EnerPHit-Ansatz saniert worden. Von einer repräsentativen Auswahl liegen gemessene Verbrauchswerte nach der Sanierung vor; in der Publikation [Bastian 2022] sind Ergebnisse wissenschaftlich ausgewertet und dokumentiert. Sie liegen tatsächlich im erwarteten Bereich von 70 bis 90% tatsächlich eingesparter Energie1).

Wenn schon, denn schon

In jedem Sanierungsschritt gilt es zu fragen: Welche Alternative „rechnet“ sich am besten? Das Ergebnis solcher Analysen der jeweiligen Belastung über die Nutzungszeit zeigt:

  • Die Alternative „alles beim Alten lassen“2) erzeugt nur Zusatzkosten - und damit ökonomische Verluste!
  • Die konventionelle Variante mit einem mäßigen Wärmeschutz erbringt schon einen Gewinn. Allerdings verbaut sich der Eigentümer damit oft künftige Möglichkeiten (sog. „Lock-In-Effekt“3) )
Wenn schon Wärmedämmen, dann richtig - auch bei einem alten Haus. Denn, ordentlich ausgeführt, wird die Fassade so schnell nicht nochmals modernisiert. Eine nachträgliche Dämmung auf Passivhausniveau ist unter den gegenwärtigen und künftigen Randbedingungen ökonomisch optimal. Weniger Wärmedämmung ist schon heute schlecht für den Geldbeutel - und künftig erst recht.


Hieraus folgt die von uns schon lange ausgegebene Devise: Wenn schon, denn schon! Bei einer mäßigen Dämmung stehen zu bleiben, hieße bares Geld verschenken. Bedacht werden muss auch, dass eine spätere „Nachbesserung“ mit vertretbarem Aufwand praktisch unmöglich ist: Während die bessere Maßnahme jetzt zu geringen Differenzkosten mit ausgeführt werden kann, würde eine spätere Anbringung wieder den gleichen Aufwand erfordern: Gerüst, Montage, Witterungsschutz, … (das wird unter keinen Umständen rentabel sein). Dieser Zusammenhang ist es, warum bei jeder Einzelmaßnahme am Anfang auf gute thermische und energietechnische Qualität geachtet werden muss: Wenn das betreffende Bauteil ohnehin „dran“ ist, dann steht das Gerüst, dann müssen alle übrigen Maßnahmenteile ohnehin ausgeführt werden – und dann ist der zusätzliche Aufwand für eine qualitativ bessere Ausführung ziemlich gering. Dieser Ansatz konsequent verfolgt führt zu einem sanierten Altbau im "EnerPHit"-Standard; das ist die Bezeichnung für „Energetische Sanierung mit Passivhaus Technologie im Bestand“.

daemmung_altbau.jpg Nachträgliche Wärmedämmung in Passivhaus-Niveau in der Praxis (Foto: Schulze-Darup).


Und es gibt noch weitere Gründe, weshalb die bessere Maßnahme vorzuziehen ist:

  • Durch die bessere Dämmung z.B. nimmt die Temperaturdifferenz an der inneren Oberfläche zum Raum hin ab. Dadurch verringert sich die Gefahr für feuchte Wände, auch in allen Anschlussbereichen. Außenseitig gut gedämmte Konstruktionen bleiben tauwasserfrei, auch hinter dem Schrank, auch in den Ecken. Das trägt entscheidend zu Bauwerkserhaltung bei – ein nicht unbeträchtlicher Zusatznutzen.
  • Durch die höhere Innenoberflächentemperatur im Winter steigt auch die thermische Behaglichkeit. Es entsteht ein ausgeglichenes Strahlungsklima – auch ohne großflächige Bauteilheizung. Auch das ist ein Zusatznutzen, am größten ist der beim Bauteil Fenster.
  • Durch die Dämmung der wärmespeichernden Wand nach außen wird auch die Behaglichkeit im Sommer verbessert: Ein einmal eingestelltes angenehm kühles Innenklima (z.B. durch Nachtlüftung) kann länger gehalten werden. Das gleiche gilt für das bessere Fenster.
  • Wird später einmal das Heizsystem erneuert, so reicht eine kleinere Leistung (kostengünstiger) und eine geringere Vorlauftemperatur (effizienter4) ). In diesem Moment spart die Maßnahme dann noch einmal Geld.
  • Im Krisenfall, wenn z.B. die Heizung ausfällt, bleibt ein Gebäude mit besserer Dämmung nicht nur länger warm, es stabilisiert sich sogar auf einem höheren Temperaturniveau. Zudem kann dann auch mit sehr wenig Energie ein erträgliches Niveau noch erhalten bleiben.

Der sehr gute Wärmeschutz in der Qualität von Passivhaus-Komponenten ist nicht nur wirtschaftlich, sondern ist unter allen Gesichtspunkten vorzuziehen. Die ökonomische Lage für den Eigentümer ist sogar noch besser: Die Zinsstützung der Deutschen Bundesregierung im KfW-Förderprogramm „Energieeffizient Sanieren“ führt auf einen deutlichen Fördergegenwert der Maßnahmen-Investition. Viele Länder oder Regionen in Europa haben ähnliche Programme, z.B. auch die meisten österreichischen Bundesländer.

Die Rendite für eine Investition in das eigene Haus (zum Zweck des Energiesparens!) beträgt dann schon nahezu 10 %/a – und das für eine absolut sichere Investition. Vielleicht gibt es ein Risiko, dass die Energiepreise künftig noch stärker steigen (dann lohnt sich die Maßnahme aber noch mehr). Die Rendite ist nicht nur sicher – sie ist auch steuerfrei, da sie allein durch eingesparte Heizkosten zustande kommt. Die ökonomisch attraktivste Maßnahme ist unter solchen Umständen klar die verbesserte Wärmedämmung mit Passivhaus-Qualitätsniveau; und alle übrigen Vorteile, die schon zuvor ausgeführt wurden, nehmen Gebäudeeigner und Bewohner ebenfalls mit.

Luftqualität in Innenräumen, auch in Altbauten

Vor allem aus Gründen der Lufthygiene sind folgende Anforderungen an die Wohnungslüftung zu stellen:

  1. Die Lufterneuerung muss dauerhaft gewährleistet sein. Nur kurzzeitig laufende Systeme können die verzögert freigesetzte Feuchtigkeit aus Handtüchern und von feuchten Oberflächen nicht gesichert entfernen. Die Pandemie hat zudem gezeigt, dass ein dauerhafter Grundluftwechsel sehr wichtig für das niedrighalten der Innenraum-Luftbelastungen (auch an Keimen) ist.
  1. Die wichtigste Aufgabe ist die Entfeuchtung. In allen Feuchträumen ist ein Abluftauslass vorzusehen. Auch kleine dauerhaft abgezogene Luftmengen bringen Verbesserungen (z.B. 15 m³/h). Gerade für den Altbau entscheidend ist, dass durch die Absaugung die übrige Wohnung wegen der gerichteten Durchströmung weniger mit feuchter Luft belastet wird. Auch für die Keimreduktion ist das zielführend.
  1. Die Luftmengen sollten insgesamt auch nicht zu hoch werden, da sonst Nutzer über „zu trockene Luft“ klagen können. Die Nutzer sollten die Luftmengen in solchen Fällen in eine verringerte Stufe stellen können (das Minimum sollte nicht unter 0,3 h-1 fallen).

Dass die eingesetzten Systeme leise, die Lüftung frei von Zugerscheinungen und von Belästigungen durch kalte Luft sowie hygienisch einwandfrei sein müssen, sollte sich von selbst verstehen. Auch hier sind die Passivhaus geeigneten Systeme in jeder Hinsicht empfehlenswert.

Vergleich: NEH und EnerPHit

Die folgende Grafik zeigt die Unterschiede im Einsparerfolg bei einem konkreten Objekt, wenn nur mittelmäßige Komponenten verwendet werden (NEH-Sanierung) oder wenn eine Sanierung mit Passivhaus-Komponenten erfolgt. Nur der letztere Fall kann zu einer nachhaltigen Lösung führen.

energiebedarf_alt_neh_ph.jpg Jährlicher Heizenergiebedarf für einen unsanierten Altbau, eine Sanierung auf Niedrigenergiehaus-Standard und die Sanierung mit Passivhaus-Komponenten.


Der Vergleich zeigt, wie wichtig es ist, bei jeder Einzelmaßnahme die höchste ökonomisch vertretbare Energieeffizienz zu erreichen. Nur so ist nämlich eine Senkung des Energieverbrauchs in eine nachhaltig vertretbare Größenordnung innerhalb der dafür zur Verfügung stehenden Zeit und mit vertretbaren Mitteln möglich. Dass die hier vorgestellten Maßnahmen in jeder Hinsicht erfolgreich sind, ist mehrfach durch viele unabhängige Untersuchungen an praktisch ausgeführten Objekten nachgewiesen worden. Einige Beispiele finden sich in den weiteren Vorträgen in diesem Protokollband. Wir wissen heute, dass

  • die Baukosten schon jetzt in einem vertretbaren Rahmen bleiben – obwohl eine ganze Reihe von Komponenten noch immer in Klein- und Kleinstserien hergestellt werden. Die Ökonomie ändert sich dann noch einmal radikal, wenn das Passivhaus zum Standard am Markt wird. Hierzu sind vor allem die Unternehmen des Handwerks, die Architekten und Ingenieure sowie die Hersteller aufgefordert.
  • das Leben im Passivhaus nicht nur kostengünstig, angenehm und komfortabel, sondern auch gesund ist.

Wenn das möglich und zulässig ist, ist bei Außenwänden die außenliegende Wärmedämmung vorzuziehen; sie ist einfacher in der Durchführung (keine Störung in den Wohnungen), bauphysikalisch optimal (regelmäßig keine Problem mit Feuchte ohne offensichtlichen Fehler), wirksamer (viele Wärmebrücken entfallen einfach und hohe Dämmstärken sind fast immer möglich). In einer Reihe von Fällen ist die Außendämmung aber nicht möglich oder sinnvoll - bei intakten Sichtfassaden z.B. oder in vielen Fällen des Denkmalschutzes. In solchen Fällen ist eine korrekt ausgeführte Innendämmung immer besser als gar keine Dämmung - hierbei sollte allerdings immer eine kompetente Fachkraft oder zumindest eine individuelle Beratung zugezogen werden.

Siehe auch

Literatur

AkkP 24 Einsatz von Passivhaustechnologien bei der Altbau-Modernisierung; Protokollband Nr. 24 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser Phase III; Passivhaus Institut, Darmstadt 2003. Hier können Sie den Protokollband bestellen
AkkP 32Faktor 4 auch bei sensiblen Altbauten: Passivhauskomponenten + Innendämmung; Protokollband Nr. 32 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser Phase III; Passivhaus Institut; Darmstadt 2005.Hier können Sie den Protokollband bestellen
Bastian 2022Bastian, Z. et al:Retrofit with Passive House Components; Energy Efficiency, 2022
Ebel et al. 1990Ebel, W.; Eicke-Hennig, W.; Feist, W.;Ebel, W.; Energiesparpotential im Gebäudebestand, IWU, Darmstadt, 1990
Ebel et al. 2000Ebel, W.; Eicke-Hennig, W.; Feist, W.; Groscurth, H-M.: Energieeinsparung bei Alt- und Neubauten, 1. Auflage, Heidelberg, 2000
Feist 1997Feist, W.: „Passivhaus Darmstadt Kranichstein - Planung, Bau, Ergebnisse“, Fachinformation PHI 1997/4, 1. Auflage, 16 Seiten - An english version is also available
Feist et al. 1998Feist, W.; Sariri, V.; Baffia, E.: Heizung im Niedrigenergiehaus - ein Systemvergleich, Fachinformation PHI-1998/2, Passivhaus Institut, Darmstadt, 1998
Kah et al. 2008Kah, O.; Feist, W.; Pfluger, R.; Schnieders, J.; Kaufmann, B.; Schulz T.; Bastian, Z.; Endbericht: Bewertung energetischer Anforderungen im Lichte steigender Energiepreise für die EnEV und die KfW-Förderung, Passivhaus Institut, Darmstadt, 2008 : hier zum Download
Peper, Feist 2009Peper Dipl.-Ing. Søren; Feist, Prof. Dr. Wolfgang: Gebäudesanierung „Passivhaus im Bestand“ in Ludwigshafen / Mundenheim, Messung und Beurteilung der energetischen Sanierungserfolge, Hg. von Passivhaus Institut Dr. Wolfgang Feist, Darmstadt, 2009.
Peper/Grove-Smith/Feist 2009Peper, S.; Grove-Smith, J.; Feist, W.; Sanierung mit Passivhauskomponenten, Messtechnische Untersuchung und Auswertung Tevesstraße Frankfurt a.M., Darmstadt, 2009 : hier zum Download
PHPPFeist, W.; Pfluger, R.; Kaufmann, B.; Schnieders, J.; Kah, O.: Passivhaus Projektierungs Paket, Passivhaus Institut Darmstadt (Link zur Beschreibung: PHPP-Inhalte (Passivhaus Institut)).
Vallentin 2008Vallentin, Rainer: Herleitung belastbarer Klimaschutzstandards im Wohnungsbau, 12. Internationale Passivhaus Tagung, Nürnberg, 2008
1)
Das heißt: nach der Sanierung wird drei- bis zehnmal weniger Energie verbraucht als davor.
2)
Und nur wieder die gleichen alten unzureichend wärmegedämmten Standards wieder herzustellen
3)
einmal ausgeführte immer noch unzureichend effiziente Maßnahmen blockieren die spätere Verbesserung, weil sich das abermalige „Anfassen“ des Bauteils nicht lohnt.
4)
Insbesondere Wärmepumpen laufen bei niedrigeren Vorlauftemperaturen deutlich effizienter
grundlagen/passivhaus-altbau.txt · Zuletzt geändert: 2022/04/08 14:00 von wfeist