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Äquivalenzen zweiter Hauptsatz

Ausgestattet mit dem Stirlingmotor (auch rückwärtslaufend als Wärmepumpe) und der Definition der Exergie können wir nun tatsächlich die Äquivalenzen der Formulierungen des 2. Hauptsatzes beweisen. Weil das nicht nur erkenntnistheoretisch sehr interessant ist, sondern auch zu einem tieferen Verständnis der Vorgänge rund um die „Wärme“ führt, stellen wir die Beweise hier sogar dar; zugleich zeigt das, dass das grundsätzliche Verständnis dieser Zusammenhänge gar nicht so schwierig ist.

Wir führen den Beweis „einmal im Kreis herum“, also (A) ⇒ (B) ⇒ (C) ⇒ (D) ⇒ (E) ⇒ (A).

Beginnen also, indem wir zunächst annehmen, dass (A) richtig ist, was ja bisher praktisch noch nie irgendwo anders beobachtet worden ist (vgl. den rückwärtslaufenden Film).

Schön wäre es, wenn wir aus verfügbarer Wärmeenergie, z.B. der gigantischen Energiemenge, die im Erdreich und im Gestein rings um uns herum als Wärme vorliegt, mit einer Maschine einfach dauerhaft Wärme entnehmen und in mechanische Energie verwandeln könnten6). Eine solche Maschine (die nichts anderes als dies macht: kontinuierlich Wärme aus einem System entnehmen und in Arbeit $w$ verwandeln7)) nennen wir ein Perpetuum Mobile 2. Art PM2. Gäbe es so ein PM2, dann können wir damit Folgendes machen: Wir treiben mit der Arbeit aus dem PM2 die schon als physikalisch realisierbar gezeigte Stirling-Wärmepumpe an: Die holt uns mit der Antriebsarbeit $w$ Wärme aus einem andern Reservoir (z.B. ein See) mit etwas niedrigerer Temperatur ab und bringt diese, zusammen mit der in Wärme verwandelten Arbeit, in das System zurück: Das ist in jedem Fall mehr Wärme, als uns PM2 dort entnommen hatte. Was jetzt mit der Kombi-Maschine (PM2&Stirlingwärmepumpe) vorliegt, ist genau ein Zaubertool, mit dem Wärme vom System der niedrigeren Temperatur in das System der höheren Temperatur gebracht wird - und sonst nichts passiert, die zwischendrin erzeugte Arbeit ist ja komplett dabei verwendet. Das genau ist es aber, was die Formulierung (A) ausschließt; (B) kann es somit nicht geben: „Es gibt kein Perpetuum Mobile der zweiten Art“.

(B)⇒(C) (Carnot-Wirkungsgrad ist der maximale Wirkungsgrad)

Jetzt gehen wir von der Gültigkeit von (B) aus. Nehmen aber an, jemand habe eine Maschine „Superkraftwerk“ SUP erfunden, die zwischen zwei Reservoiren mit Temperaturen $T_h$ und $T_c$ (mit $T_h>T_c$) läuft, aber einen größeren Wirkungsgrad $\eta_{SUP}$ aufweist. Die liefert also, bei gleicher Wärmeentnahme $Q_I$ aus dem hohen Reservoir, mehr mechanische Arbeit $w_{SUP}$ ab. Mit dem Teil davon, den wir für den Rücktransport von $Q_I$ mittels unserer Stirling-Wärmepumpe brauchen, treiben wir jetzt genau diese an. Das hohe Temperaturreservoir hat jetzt insgesamt gar keine Wärme abgegeben - aber es ist mechanische Arbeit entstanden, die allein aus der Entnahme von Wärme aus dem kühleren Reservoir stammt. Die Kombi-Maschine (SUP&Stirling-Wärmepumpe) ist dann genau ein PM2. Das es aber gemäß der Annahme (B) nicht geben kann.

Damit haben wir auch (C) bewiesen. Wir wollen hier auf die Bedeutung dieser Formulierung kurz eingehen: Sie sagt nämlich, dass die von uns konstruierte Stirling-Maschine den optimalen Wirkungsgrad hat, der nach den Gesetzen der Physik überhaupt möglich ist: Für die Gewinnung von mechanischer Arbeit aus Wärme vom Temperaturniveau $T_h$ gegenüber einer Umgebung mit $T_c$ kann keine Maschine jemals besser sein als diese. Das liegt, wenn der Beweis genau analysiert wird, an der Reversibilität der vorgestellten Stirling-Maschine. Und es heißt zugleich, dass jede vollständig reversibel arbeitende Maschine genau diesen Wirkungsgrad haben muss - und die nicht perfekten, zumindest teilweise irreversiblen, einen kleineren Wirkungsgrad. Weil der (theoretische) Stirling-Prozess reversibel ist, eignet er sich daher genauso gut für diese Betrachtungen wie die üblicherweise hier verwendete Carnotmaschine8).

(C)⇒(D) Insgesamt kann die Arbeitsfähigkeit (Exergie) nicht zunehmen

Nehmen wir also an, es gäbe ein abgeschlossenes System SYS$\mathbb{E}$, in welchem die Exergie $\mathbb{E}$ zwischen der Zeit t und der Zeit t+$\Delta t$ zunimmt. Dieses System ist zur Zeit $t$ in einem wohldefinierten Zustand und wir nehmen „klassisch“ an, dass diese Anfangsbedingung dafür determiniert9), dass sich das System nach Ablauf von $\Delta t$ in dem ebenso eindeutig definierten Zustand mit der höheren Exergie befindet. Wir bauen dieses System SYS$\mathbb{E}$ in eine Großmaschine 'GMasch' ein: Die verwendet reversible Kreisprozesse (z.B. Stirling-Maschinchen) um die Exergiezunahme $\mathbb{E(t+\Delta t})-\mathbb{E(t)}$ aus unserem SYS$\mathbb{E}$ zu extrahieren. Die Exergie in SYS$\mathbb{E}$ ist dann wieder auf dem Niveau zum Zeitpunkt $t$, wir haben allerdings dem SYS$\mathbb{E}$ dabei auch Energie entnommen. Das kann, weil die Exergie ja gleich ist, sich nur um Anergie (Innere Energie - Exergie) handeln. Diese Anergie können wir nun aus dem Umgebungs-Temperatur-Reservoir bei $T_c$ an jeder einzelnen Stelle wieder ergänzen. Dann befindet sich das SYS$\mathbb{E}$-System wieder in genau dem gleichen Zustand wie am Anfang zur Zeit $t$. Die einzigen verbliebenen Änderungen sind die Wärmeentnahme aus dem Umweltreservoir und die gelieferte Arbeit $w=\mathbb{E(t+\Delta t})-\mathbb{E(t)}$. Damit erzeugt aber GMasch aus dem Temperaturreservoir $T_c$ mehr mechanische Arbeit als es eine reversibel arbeitende Maschine könnte10); sie ist somit eine der Supermaschinen, die es nach (C) nicht geben darf - aus diesem Widerspruch folgt die Gültigkeit von (D).

Definition der Entropie

Für die nächste Äquivalenz müssen wir zunächst die physikalische Größe Entropie $S$ einführen. Wir betrachten dazu ein System mit gesamter Innerer Energie $E$ und Exergie $\mathbb{E}$. Die Exergie ist eine Zustandsgröße des Systems, ebenso ist es dann die Anergie genannte Größe $\mathbb{A}$ mit

$\mathbb{A}:=E-\mathbb{E}$

von der wir auf Grund von (D) bereits wissen, dass diese im Zeitverlauf nur zunehmen kann. Die Anergie eines Wärmestroms mit der Temperatur $T_h$ bezogen auf ein Umgebungsreservoir der Temperatur $T_c$ ist damit gerade

${\displaystyle \mathbb{A}=Q-\left( 1-\frac{T_c}{T_h}\right) Q=\frac{T_c}{T_h}Q.}$

Die Anergie ist eine Zustandsgröße, die als Maß für die mechanisch nicht verwertbare Innere Energie eines Systems verwendet werden kann. Anergie ist so wertlos wie gewöhnliche Umweltwärme - technisch kann damit nichts angefangen werden, trotzdem ist ein gewisser Anergiefluß immer notwendig, wenn wir irgendeine Maschine mit Wärme laufen lassen wollen.

Formal ein wenig störend ist, dass im Ausdruck für die Anergie noch ein Bezug auf das (etwas willkürlich gewählte) Umgebungsreservoir mit $T_c$ drinsteht, sie also von der Temperatur eines ganz anderen Systems „abhängt“. Diesen Schönheitsfehler können wir beseitigen, in dem wir die neue Zustandsgröße Entropie S einführen: Das ist einfach die Anergie, aber durch die (konstante!) Temperatur des Umgebungsreservoirs dividiert:

${\displaystyle S:=\frac{\mathbb{A}}{T_c}}$

Weil $T_c$ eine Konstante ist, bleibt auch $S$ eine Zustandsgröße. Für einen Wärmestrom $Q$ auf dem konstanten Temperaturniveau $T=T_h$ ergibt sich der damit verbundene Entropiestrom damit zu

${\displaystyle S=\frac{Q}{T}}$

was natürlich auch für kleine Wärmestromportionen d$Q$ gilt:

d${\displaystyle S=\frac{dQ}{T}}$

womit wir auch die in Textbüchern übliche Definition der Entropie11) erklärt haben12).

(D) ⇒ (E) Entropie kann in einem abgeschlossenen System nicht abnehmen

Weil die Energieerhaltung im abgeschlossenen System gilt, die Energie also nicht zunehmen kann, und nach (D) die Exergie $\mathbb{E}$ nur abnehmen kann, kann die Anergie

$\mathbb{A}:=E-\mathbb{E}$

in einem abgeschlossenen System nur zunehmen oder konstant bleiben. Das gilt dann auch für die durch $T_c$ geteilte Zustandsgröße Entropie $S$, womit wir

d$S \ge 0$ im abgeschlossenen System

erhalten haben. Das genau ist die Aussauge in (E): Die Entropie kann in einem abgeschlossenen System nicht abnehmen.

Wir werden später einige Analysen zu Interpretationen der Entropie $S$ folgen lassen. Die hier gegebene Bedeutung als 'Anergie'13) bleibt jedoch dabei immer korrekt - und damit auch die prinzipielle Rolle, die dieser im ökonomischen Sinn „wertlose“, aber unvermeidbare Anergiestrom in der Technik hat.

Um damit noch einmal unseren Wärmekraftwerks-Grundsatz zu formulieren:

Um kontinuierlich mechanische Arbeit aus einem Wärmestrom14) gewinnen zu können, müssen wir diesen gesamten Wärmestrom in unserem Kraftwerk verarbeiten - inklusive der darin enthaltenen Anergie, auch wenn wir mit letzterer letztendlich gar nichts 'Vernünftiges' anfangen können. Ganz im Gegenteil, dieser Anergiestrom ist ebenfalls ein Energiestrom15), der sogar noch in ein aufnahmefähiges Reservoir16) verfrachtet oder entsorgt werden muss. Mit je weniger Exergieaufwand das geht17), desto besser. Das ist noch einmal ein anderer Blick auf die Tatsache, dass Wärmekraftwerke eine Menge Kühlung brauchen, z.B. durch einen Fluss oder durch einen Kühlturm.

(E) ⇒ (A) Vom Entropiesatz zurück zur Wärmestromrichtung

Nehmen wir an, ein Wärmestrom d$Q$ würde „von selbst“ von einem Medium (System) mit niedrigerer Temperatur (Index c) zu einem System solchen mit höherer Temperatur (Index h) fließen. Der Energiestrom ist beim Austritt aus dem niedrigeren Temperaturmedium gleich hoch wie beim Eintritt in das Medium mit der höheren Temperatur (Energiesatz). Die zugehörigen Entropieänderungen sind dann

für das System mit Index „c“: d$S_c=\frac{-dE}{T_c}$

und für das System mit „h“:   d$S_h=\frac{dE}{T_h}$

Weil ${T_h}$ größer ist als ${T_c}$ ist die Summe

d${\displaystyle S = dS_c+dS_h=dE \cdot \left( - \frac{1}{T_c} + \frac{1}{T_h} \right) < 0 }$

was dem Ausgangsstatement, dass im abgeschlossenen System aus diesen beiden Teilsystemen die Entropie nicht abnehmen kann, widerspricht.

Damit sind wir in unserer Beweiskette wieder zurück am Anfang, bei der Formulierung (A). Daher haben wir jetzt tatsächlich vollständig bewiesen, dass alle fünf hier aufgeführten Formulierungen für den zweiten Hauptsatz gleichwertig sind: Denn jede Aussage lässt sich durch Rückverfolgung des geschlossenen Beweiszyklus auf jede der vier anderen zurückführen.

Würdigung

Wie schon die hier aufgeführten unterschiedlichen, aber gleichwertigen Formulierungen zeigen, ist der zweite Hauptsatz von zentraler Bedeutung für die Thermodynamik. Eine erste Einsicht dazu hatte Carnot in seinem grundlegenden Papier zu 'Dampfmaschine', in der er allerdings bereits erkannte, dass die Aussagen von der speziellen Maschine unabhängig sind; außerdem steuerte er natürlich mit der Carnot-Maschine ein zentrales Tool für die gesamte weitere Entwicklung bei. Clausius hat diese Erkenntnisse aufgegriffen und zu einer systematischen Formulierung des zweiten Hauptsatzes verwendet und dabei auch die Entropie als Zustandsgröße eingeführt.

In der Technikgeschichte seit etwa 186718) haben sich diese Grundsätze nur bewährt - es gibt bisher in diesem ganzen Zeitraum keinerlei Hinweis darauf, dass es irgendwo Vorgänge gäbe, die diesen Grundsätzen nicht genügen.

Die qualitative Aussage „Wärme fließt nicht spontan permanent vom Medium mit niedrigerer Temperatur zu einem mit höherer“ ist sehr leicht für jedermann verstehbar. Nach unserem Beweiszyklus ist diese Aussage bereits „der ganze 2. Hauptsatz“ und damit äquivalent zu der Nicht-Beobachtbarkeit des umgekehrten Vorgangs in unserem Einführungsfilmchen mit dem Kopfsprung. Aber auch gleichwertig zu der Notwendigkeit der Kühlung von Wärmekraftwerken und der physikalischen Begrenzung derer Wirkungsgrade. Aber auch gleichwertig mit der Möglichkeit, zum Heizen eine Wärmepumpe zu verwenden, die dann mit weit weniger Exergie, sprich wertvoller Energie, auskommt als einfach nur ein Feuer oder ein elektrischer Heizofen.

Die Kombination von reversiblen Wärmekraftmaschinen und reversiblen Wärmepumpen ist sogar in der Lage, die thermischen Prozesse im Prinzip reversibel durchzuführen. Hier wird von der „Carnotisierung“ als Konzept einer hocheffizienten Energiewirtschaft gesprochen. Bisher sind wir von der Umsetzung eines solchen Ansatzes noch weit entfernt, da auch die besten unserer Maschinen in der Praxis weit unter dem Carnot-Wirkungsgrad laufen. Und dennoch: sie sind bereits weit besser als das einfache Verbrennen von Brennstoff oder gar Verheizen von Strom in einem Widerstand.

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Literatur

6)
alle Energieprobleme wären schlagartig gelöst
7)
ohne weitere Auswirkungen
8)
Genau das ist übrigens einer der didaktischen Gründe, es hier „anders“ zu machen. Wichtiger ist, dass wir so ein wenig Vertrautheit mit der Thermodynamik gewinnen, bevor wir die Begrifflichkeit des „adiabaten Prozesses“ einführen und die zugehörigen Vorgänge berechnen
9)
Wir bleiben hier somit zunächst im Rahmen der klassischen Physik; quantenmechanisch ist die Beweisführung verändert
10)
die hat nämlich den Carnot-Wirkungsgrad bei $T_h=T_c$ und der ist Null
11)
über ihr Differential
12)
Nur, dass diese Definition die tiefere Bedeutung von $S$ und die Frage, warum das ausgerechnet durch $T$ dividiert wird, zunächst im Unklaren lässt. Die Division durch $T$ ergibt sich im Zugang über die Anergie aufgrund des Carnot-Wirkungsgrades; dass dann noch durch eine Konstante dividiert wird um vom Umweltreservoir unabhängig zu sein, ist unbedeutend
13)
bis auf einen Faktor
14)
aus einem System mit höherer Temperatur
15)
eben von gar-nicht-mehr-wertiger Wärme und im Regelfall nicht wenig davon
16)
dazu wählen wir i.a. die Umwelt
17)
d.h. bei je weniger gegenüber der Umwelt erhöhter Temperatur
18)
also seit gut 150 Jahren
grundlagen/bauphysikalische_grundlagen/aequivalenzen_zweiter_hauptsatz.txt · Zuletzt geändert: 2022/08/20 11:23 von wfeist