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2. Hauptsatz

Nicht Umkehrbarkeit als Alltagserfahrung

Es ist dauernde Alltagserfahrung, dass viele von uns erlebte Abläufe an eine bestimmte Zeitabfolge gebunden sind. Eine zeitliche Umkehr solcher Vorgänge erscheint absurd.

So kennen wir das Gibt es nur in Scheinwelten

Das Video stammt von http://www.physik.uni-mainz.de/Lehramt/ViMPS/Videos/Wasserspringen.html aus der Datenbank ViMPS der Universität Mainz. Bearbeitet und „umgekehrt“ durch W. Feist (Quelle: Dr. Friedrich Kayser StR Lars-Patrick May)

Beispiel: Ein Dachziegel, der vom Dach auf die Straße fällt und dort zerspringt. Kein Mensch würde im Ernst behaupten, dass die Zeitumkehr dieses Vorgangs irgendwie möglich wäre. Vor Gericht würde ein Zeuge, der solche Vorgänge behauptet, schlicht als unglaubwürdig gelten.

Dabei würde der Umkehrvorgang zu jedem Zeitpunkt den Gesetzen der mikroskopischen Mechanik gehorchen. Auch der Energieerhaltungssatz oder „1. Hauptsatz“ ist zu jedem Zeitpunkt für den Umkehrvorgang erfüllt. Der Vorgang ist nicht unmöglich – ist er nur so außerordentlich unwahrscheinlich, dass er „praktisch“ doch nicht vorkommt.

Die Erfahrung der Nicht-Umkehrbarkeit (im Fachbegriff „irreversibel“ genannt) bestimmter Abläufe ist so evident, dass sie als eine Grundaussage (ein Axiom) in das Theoriegebäude der Wärmelehre aufgenommen wird: Dies Grundaussage bildet den 2. Hauptsatz der Thermodynamik. Der beinhaltet tatsächlich nichts anderes, als dass er Vorgänge wie den im „falschen Film“ rechts oben ausschließt.

Der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik ist eines der Fundamente der Thermodynamik und er wird im Rahmen dieser Theorie nicht bewiesen, vielmehr ergibt sich seine Evidenz aus den oben aufgeführten Alltagserfahrungen und aus einer Vielzahl von experimentellen Beobachtungen. Trotz vielfältiger Bemühungen ist es bis heute niemandem gelungen, makroskopische Vorgänge wiederholbar zu beobachten, welche dem zweiten Hauptsatz widersprechen. Alle Erfahrungen stützen vielmehr den zweiten Hauptsatz – und das ist der Grund, weshalb er überhaupt formuliert wurde. Auch hier könnte eine lange Diskussion über Wahrheit, Beweis und Beweisbarkeit anschließen - vgl. die frühere Bemerkung zum Wesen naturwissenschaftlicher Erkenntnis.


In diesem Becher liegen 22 Murmeln,
die alle gleich gefertigt sind,
nur die Farben sind verschieden.
Sie schütteln das nun kräftig durch.
Wie sieht das Ergebnis aus?
genau so? oder eher 'ähnlich wie' so?

Ein etwas tieferes Verständnis ist aber im Rahmen der statistischen Mechanik möglich: Dort zeigt sich, dass der zweite Hauptsatz dem Streben eines Systems aus einer Vielzahl von kleinen, vermischten Einzelteilen zu einer „Gleichverteilung“ entspricht – maximales „Chaos“ ist sozusagen die natürliche Verteilung, solange keine ernsthaften Ursachen dem gezielt entgegenwirken. Dies kann als wahrscheinlichkeitstheoretische Begründung des zweiten Hauptsatzes angesehen werden – die Axiomatik verschiebt sich dann auf noch elementarere Axiome der Wahrscheinlichkeitstheorie.

Formulierungen des 2. Hauptsatzes

Die folgende Formulierungen des zweiten Hauptsatzes sind zueinander gleichwertig (äquivalent).

Ein Hinweis für alle mit physikalischen Größen und Gleichungen weniger Vertrauten: Die Grundzüge des zweiten Hauptsatzes sind in jeder einzelnen der folgenden Formulierungen enthalten. Sie müssen sich also mit dem Verständnis der für Sie nicht viel aussagenden anderen Formulierungen vorerst nicht herumschlagen. Die Vielfalt der auf den ersten Blick sehr unterschiedlichen Formulierungen ist aber ein Hinweis auf die fundamentale Bedeutung dieses Satzes1).

(A) Wärme fließt in der Gesamtbilanz nie von selbst vom kälteren zum wärmeren Medium. Klar, oder … ?
(B) Es gibt kein „perpetuum mobile“ der zweiten Art. Das ist eine Maschine, die nichts anderes tut, als ständig Wärme aus einem einzelnen thermischen Reservoir zu entnehmen und vollständig in Arbeit umzuwandeln.
(C) Ein „Kraftwerk“ kann aus Wärme Q, die einem Reservoir mit hoher Temperatur $T_h$ entnommen wird, nur dann nutzbare Arbeit gewinnen, wenn es zugleich auch einen Teil der Wärme an ein zweites Reservoir mit niedrigerer Temperatur („cool“) $T_c$ (häufig wird die „Umgebung“ verwendet) abgeben kann. Die maximal gewinnbare Arbeit $W$ aus der dem oberen Reservoir entnommenen Wärme beträgt $\eta_{Carnot}\cdot Q$. Dabei ist $\eta_{Carnot}$ der sogenannte Carnot-Wirkungsgrad:

${\displaystyle \eta_{Carnot}=1-\frac{T_c}{T_h}}$
* Ein Kraftwerk ist eine Maschine, deren Zweck darin besteht, Wärme in Arbeit umzuwandeln und die sich dazu einer Wärmequelle bedient.
* Ein Reservoir ist ein thermodynamisches Gleichgewichtssystem, das seinen Zustand konstanter Temperatur auch bei Entnahme und Zufuhr von Wärme beibehält.2)
(D) Die Exergie $\mathbb{E}$ in einem abgeschlossenen System kann im Zeitverlauf nicht zunehmen. Die Exergie $\mathbb{E}$ ist die durch ideale Prozessführung maximal aus einem System gewinnbare mechanische Arbeit, wenn als zweites System ein Reservoir der Temperatur $T_c$ zur Verfügung steht.
(E) Die Entropie $S$ kann in einem abgeschlossenen System im Zeitverlauf nicht abnehmen. Die Entropie $S$ ist ein Maß für die in einem System enthaltene nur als Wärme übertragbare Energie. Sie kann auch als Maß für die Ausmaß der nicht über das System verfügbaren Information angesehen werden.

Bemerkung: Verbindung zum Passivhaus

Das Passivhaus arbeitet nicht gegen die Gesetze der Physik - das wäre auch sinnlos, wie sollte es dann zuverlässig funktionieren? Das Passivhaus nutzt vielmehr die Kenntnisse der Physik und setzt sie klug ein. Physik in innovativer Form für die Praxis nutzbar zu machen, das setzt nicht immer Hochenergiebeschleuniger im GeV-Bereich voraus. Auch die klassische Thermodynamik birgt noch viele innovative und nutzbringende Anwendungen.

Das Passivhaus widerspricht dem zweiten Hauptsatz nicht - es nutzt aber alle heute bekannten „Tricks“, um mit einem Gebäude möglichst nahe an die Reversibilität zu kommen. Das sind in etwa die gleichen Tricks, die ein guter Experimentalphysiker anwenden muss, wenn er „ohne Dreckeffekte“ klassisch mechanische Versuche oder Demonstrationen zur klassischen Energieerhaltung vorführen will.

Und fast genau die gleichen Methoden, die ein Physiklabor benutzt, wenn es eine thermodynamische Maschine mit akzeptablem Wirkungsgrad laufen lassen will: Für diesen Zweck muss der Experimentator danach trachten, alle Arten von Energie-Verlusten gering zu halten: Reibungsverluste, Strömungsverluste und Wärmeverluste. Das gelingt natürlich nie zu 100% - aber mit der Zeit wird die Technik immer besser und es gelingt, die Wirkungsgrade immer näher an das physikalische Optimum heran zu bringen. Wo dieses nun genau liegt - das ist eine der Aussagen, die äquivalent sind im zweiten Hauptsatz der Thermodynamik. Und was es mit dem auf sich hat, das wird auf den folgenden Seiten erklärt.

Zum Beweis der Äquivalenz der Formulierungen

Ziel der Ausführungen zum 2. Hauptsatz ist es, die Gleichwertigkeit der oben aufgeführten Aussagen zu beweisen. Das ist tatsächlich einfacher, als es viele zunächst für möglich halten. Dass die Aussagen zunächst einmal 'fremd' erscheinen, liegt vor allem daran, dass die zugehörigen Begrifflichkeiten nicht geläufig sind. Wir werden diese daher Schritt für Schritt einführen, erklären und an Beispielen erläutern.
Für den Beweis zentral ist eine umkehrbar arbeitenden thermischen Maschine: Eine Maschine, die zwischen zwei Systemen mit jeweils konstantem Temperaturniveau Wärme in einer besonderen Art verschiebt; nämlich so raffiniert, dass es möglich ist, jeden einzelnen Schritt auch in umgekehrte Richtung zu durchlaufen - eben AUCH bei diesen thermischen Prozessen. „Normalerweise“ ist es hier ja gerade nicht so (siehe unser Beispiel mit dem auf das Dach zurückspringenden Ziegel). Und gerade der Wärmetransport von einem System mit hoher Temperatur $T_h$ in eines mit niedriger Temperatur $T_c$ ist normalerweise eine exzellentes Beispiel für einen nicht umkehrbaren Prozess - das genau ist die Aussage der ersten Formulierung des zweiten Hauptsatzes: Wärme vom System mit der niedrigeren Temperatur fließt eben nicht zum heißeren System zurück3).

Mit dem im Kapitel „Die Stirling-Maschine“ beschriebenen Trick gelingt es jedoch, tatsächlich mit einer Maschine die Wärme vom kalten zum heißen System zurückzuschaufeln - allerdings muss dazu Arbeit eingesetzt werden4). Die zugehörige Arbeit muss natürlich erst mal verfügbar sein - die Brillanz dieser Maschine ist gerade, dass genau diese Arbeit während des Transports der Wärme vom heißen zum kalten System gewonnen werden kann (und dann z.B. in einem Schwungrad gespeichert). Verblüffender Weise kann das beides ein und dieselbe Maschine, es kommt nur darauf an, ob man sie „rechtsherum“ oder „linksherum“ laufen lässt. Mit Maschinen dieser Art kann also die Irreversibilität aus der Thermodynamik überlistet werden. Das Schönste an dieser Konzeption ist, dass diese Maschine in guter Näherung sogar in der Praxis gebaut werden kann - ja, Sie können sich ein einfaches Demonstrationsmodell tatsächlich bestellen5).

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1)
der nicht umsonst 2. Hauptsatz heißt
2)
Carnot ist ein berühmter französischer Physiker. Er war einer der Ersten, welcher die hier beschriebenen Zusammenhänge aufgeklärt hat.
3)
nicht von selbst und dauerhaft und ohne bedeutende Auswirkungen anderer Art!
4)
In der Technik nennt sich eine solche Maschine eine Wärmepumpe
5)
Mehrere unterschiedliche lauffähige Modelle sind erhältlich: „Stirlingmotor Modell“ suchen.
grundlagen/bauphysikalische_grundlagen/2._hauptsatz.txt · Zuletzt geändert: 2023/11/28 13:25 von wfeist