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Allgemeines zur Nachhaltigkeit

Immer nur Energie? Sind nicht auch andere Nachhaltigkeitsthemen wichtig?

Diese Frage war in den letzten Jahren der wichtigste Punkt in den meisten öffentlichen Diskussionen nach Vorträgen von Passivhaus Experten. Und tatsächlich haben auch fast alle Nachhaltigkeits-Bewertungssysteme ihre Schwerpunkte an ganz anderer Stelle – Energie spielt da nur eine kleine Rolle neben Wasser, Baustoffen, sozialer Nachhaltigkeit, Kosten und Ästhetik.

Es geht hier nicht darum, zu provozieren – die Erkenntnis muss aber ausgesprochen werden: Ja, die Energiefrage ist die wichtigste und alles entscheidende Frage für die Entwicklung unserer Zivilisation in Richtung Nachhaltigkeit. Und: Nein, wenn Bestnoten in der Bewertung der Nachhaltigkeit vergeben werden für Gebäude, die bestenfalls mittelmäßige Qualität in Bezug auf den restlichen nicht nachhaltigen Energieverbrauch haben – dann ist das eine Irreführung der Öffentlichkeit.

Das ist leicht zu beweisen:

  • Erinnern wir uns an die substantiellen Ereignisse der vergangenen Jahre (außerhalb des Parteiengezänks und der virtuellen Machenschaften von gewieften Betrügern): Extremwetter-Ereignisse wie alles zerstörende Orkane, Todesfälle durch das Abschalten von Erdgas-Pipelines, explodierende Energiepreise, Ölpest in der Karibik, nuklearer Kernschmelzunfall,…
  • Diese Ereignisse betreffen schon lange nicht mehr „nur“ die belebte Umwelt. Sie bestimmen unser tägliches Leben mit. Insbesondere für die weniger reichen Bürger dieser Welt fressen die steigenden Energiekosten immer größere Anteile des Einkommens. Und die Schäden der konventionellen Energieversorgung müssen von allen Steuerzahlern finanziert werden, sie sind nicht beim Energiepreis eingepreist – ganz abgesehen davon, dass viele Staaten auch heute noch viele Energieversorgungspfade subventionieren und so die Märkte verzerren.
  • Bei der bestehenden Abhängigkeit bedeutet die Verfügung über Energie Macht und Reichtum. Dies ist ganz leicht zu erkennen – und Macht und Reichtum werden in der Folge auch noch dazu verwendet, um die demokratischen Organe zu beeinflussen.
  • Dass die Energiefrage die über unsere Zukunftsoptionen entscheidende Frage ist, haben die maßgeblichen Kräfte in der Wirtschaft schon lange erkannt. Nur fordern sie (oft aus Kurzsichtigkeit, manchmal auch, weil sie es einfach nicht besser wissen) überwiegend die genau falschen Richtungsentscheidungen. Es geht nicht darum, z.B. durch militärischen Druck mehr Einfluss auf die Ölquellen im Nahen Osten zu bekommen (diese Strategie ist ganz offensichtlich nicht aufgegangen), sondern darum, unsere Abhängigkeit von den machtdurchdrungenen Strukturen der Energiegiganten zu reduzieren. Das geht vor allem dadurch, die durch Energie gewonnenen Dienstleistungen möglichst durch eigene, regionale Wertschöpfung zu erbringen – und genau das können Energieeffizienz und Erneuerbare Energieträger leisten.
  • Von keinem anderen Wirtschaftsbereich ist unsere Zivilisation in so substantiellem und existentiellem Maß abhängig wie von der Energieversorgung. Hier haben die warnenden Lobbyisten durchaus Recht und es wäre ein großer Fehler, dies nicht zu beachten.
  • Auch „weise Denker“, die von ganz anderen Ansätzen kommen, haben diese Zusammenhänge erkannt und durchschaut: Bill Gates z.B. in seinem Monolog „Bill Gates on Energy: Innovating to Zero!“. Die Analyse ist (bis auf die etwas überspannte Betonung der „Null“ – denn noch 15% oder 20% sind in dem hier vorliegenden Fall als „nahe Null“ anzusehen – case closed, Problem erledigt) weitgehend richtig, die angepriesene „Lösung“ allerdings zielt in die völlig falsche Richtung – da werden neue Abhängigkeiten geschaffen, anstatt die Menschen und die Wirtschaft aus den Abhängigkeiten zu befreien.

Soll das nun heißen, dass alles andere weniger wichtig oder gar unwichtig wäre? Keinesfalls, andere Themen haben in der Realität unserer Gesellschaft einen hohen Stellenwert: Der behindertengerechte Zugang, die Mülltrennung, das Wohnumfeld, eine sozial gerechte Kostenaufteilung, der Schutz unserer Baudenkmäler. Tatsache ist, dass wir für die meisten dieser Themen bereits sehr weitgehende Anforderungen – oft sogar gesetzlich – fixiert haben. Und diese stehen keinesfalls in Konkurrenz zu den Maßnahmen für eine erheblich effizientere Nutzung von Energie. Letzteres aber wurde in den Jahrzehnten nach 1950 geradezu sträflich vernachlässigt – der Energieverbrauch hat sich seither verfünffacht! Das heutige Pro-Kopf-Niveau an nicht erneuerbarem Energiekonsum ist in den Industrieländern ungefähr um einen Faktor Vier zu hoch für eine weltweit nachhaltige Entwicklung. Hier muss somit wirklich etwas geschehen, und zwar in einem grundsätzlichen Ausmaß.

Die gute Botschaft ist: Das geht sogar. Die Möglichkeiten, die Energieeffizienz um mehr als einen Faktor Fünf zu erhöhen, stehen uns zur Verfügung – und der Energiebedarf, der dann noch verbleibt, kann weltweit nachhaltig durch regional verfügbare Energiequellen gedeckt werden. Demonstrationsprojekte in besonders engagierten Regionen beweisen dies beispielhaft schon heute – auch, dass dies geht, ohne alle anderen wichtigen Zielsetzungen völlig zu vernachlässigen.

Gerade dies ist eine der herausragenden Eigenschaften der Energieeffizienz-Lösungen – dass sie einen vergleichsweise geringen Eingriff darstellen – sachlich wie ökonomisch. Passivhaus-Sanierungen sind bereits unter Einbeziehung der Belange der Denkmalpflege durchgeführt worden – und sie vereiteln auch das behindertengerechte Bauen nicht.

Etwas beschäftigen müssen sich die Architekten, Planer und Handwerker mit dem Thema allerdings schon. Deshalb gibt es die entsprechenden Weiterbildungsangebote. Und letztlich sind es genau diese Berufsgruppen, die von der Entwicklung sogar profitieren – ihre Kompetenz ist nämlich gefragt.

Siehe auch

grundlagen/allgemeines_zur_nachhaltigkeit.1538983859.txt.gz · Zuletzt geändert: 2018/10/08 09:30 von cblagojevic