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Wärmedurchgangskoeffizient oder U-Wert
Wie wir schon wissen, strömt Wärme (ein heftiger Bewegungszustand der Moleküle) von selbst von einem System mit höherer zu einem System mit niedrigerer Temperatur. Wir wollen diesen Wärmestrom nun genauer betrachten und gehen daher von einem einfachen Fall aus: Zwei Systeme, die jeweils räumlich und zeitlich als konstant angenommen Temperaturen haben1) und die durch eine ebene Bauteilfläche getrennt sind. Auch diese Fläche nehmen wir zunächst als homogen und isotrop an 2). Dieses Bauteil grenzt dann mit einer linken Oberfläche an das Temperaturreservoir mit der höheren Temperatur $T_h$ ('hot') und mit der rechten Oberfläche auf das mit der niedrigeren Temperatur $T_c$ ('cool'); die beiden Oberflächen sind gleich groß, wir beziffern das mit der Fläche $A$. Außerdem messen wir die Dicke dieses Bauteils und geben sie mit $d$ an. Was sich genau zwischen den beiden Oberflächen befindet, spielt für unsere folgenden Betrachtungen keine Rolle, außer, dass es sich um eine form- und zeitstabile Konstruktion handeln soll3). Wir machen mit verschiedenen „Füllungen“ des Bauteils nun Experimente, wobei wir den Wärmestrom $\dot{Q}$ zwischen der linken und der rechten Seite messen; das ist eine Leistung und sie wird daher in der Maßeinheit „Watt“ W angegeben4); die Temperaturen, die wir dabei konstant halten, haben wir ohnehin gemessen.
Der Wärmestrom ist zur Fläche des thermischen Kontaktes proportional
Als erstes können wir sehr schnell feststellen, dass in allen Experimenten der gemessene Wärmestrom proportional zur Fläche des thermischen Kontaktbauteils zunimmt5). Den Wärmestrom je Flächeneinheit $\dot{q}$ nennen wir die Wärmestromdichte. Die ist nach unseren Voraussetzungen im Experiment überall gleich groß. Somit:
$\hspace{2cm} \dot{Q}=A \cdot \dot{q} \hspace{6cm} \llap{[U1]}$
Einfache anschauliche Konsequenz: Wenn ich bei einem Gebäudeentwurf die Außenoberfläche vergrößere (z.B. durch Zerklüftung der Fassade mit vielen Vor- und Rücksprüngen), dann nimmt der Wärmeverlust im Verhältnis der vergrößerten Fläche zu6).
Der Wärmestrom ist (meist recht gut) zur Differenz der Temperaturen proportional
Für die meisten Aufbauten unseres Trennbauteils stellt sich heraus, dass der Wärmestrom, und damit auch die Wärmestromdichte, zur Differenz der Temperaturen zwischen dem heißen und dem kalten System proportional ist. Der verbleibende Proportionalitätsfaktor hängt, das zeigen die Experimente, meist auch nur sehr wenig von weiteren Einflüssen ab, wie z.B. der Feuchtigkeit oder dem Temperaturniveau. Das gilt allerdings nur innerhalb 'vernünftiger' Grenzen, für sehr viele Konstruktionen mit unterschiedlichsten Materialien gerade im Baubereich meist doch recht gut. Den 'weitgehend konstanten' Proportionalitätsfaktor nennen wir (normgerecht) den Wärmedurchgangskoeffizienten des Bauteils oder $U$-Wert. Das ist ein Maß für die Wärmedurchlässigkeit eines Bauteils je Flächen- und Temperatureinheit, hat also die Maßeinheit W/(m²K).
$\hspace{2cm} \dot{q}= U \cdot ( T_h - T_c ) \hspace{6.7cm} \llap{[U2]}$
oder, mit [U1]
$\hspace{2cm} \dot{Q}=A \cdot U \cdot ( T_h - T_c ) \hspace{6cm} \llap{[U3]}$
Einfache anschauliche Konsequenz: wenn es im Außenbereich kälter wird, dann nimmt der Wärmeverlust bei gleicher Innentemperatur im Verhältnis zum Temperaturunterschied zu. Klar, deswegen müssen wir ja im Winter heizen. Mehr, wenn es kälter wird, und mehr, wenn die Fläche $A$ größer wird. Mit [U3] haben wir hier auch schon eine der entscheidenden Formeln für die Berechnung des Wärmeverlustes eines Gebäudes. Für konkrete Fälle können Sie das mit dem interaktiven Online-Kalkulations-Programm ENBIL selbst ausprobieren. Klar ist auch, dass, wenn es verschiedene solcher Bauteile gibt, die Wärmeströme dann nach diesem Verfahren jeweils einzeln ausgerechnet werden können und dann einfach zusammengezählt werden. Da haben wir schon den ersten7) Teil der Heizwärmebilanz. Es muss uns jetzt noch jemand 'zuverlässig' diese U-Werte der Bauteile bestimmen und verfügbar machen. Und tatsächlich: Da gibt es ganz viele vorbestimmte Werte, gemessene und berechnete. Z.B. finden wir die in den Bescheinigungen der Passivhaus-zertifizierten Produkte: Komponenten. Und hier folgt der Anschaulichkeit wegen schon einmal eine Tabelle mit „typischen“ U-Werten.
Bauteil | typischer U-Wert in [W/(m²K)] | Kommentar |
---|---|---|
Uralte Einfachverglasung (4 mm Glas) | 5,7 | Da kann es an kalten Tagen Eisblumen an der Innenoberfläche geben! Ungemütlich kalt ist das und es treibt die Heizkosten in die Höhe. |
Dünne Betonwand (8 cm Normalbeton) | 4,8 | Das war genau genommen nie zulässig, aber es kommt trotzdem mancherorts vor. Das führt natürlich zu extrem kalten Innenoberflächen, Tauwasser und unbezahlbaren Heizkosten! |
'Dicke' Betonwand (24 cm Normalbeton) | 3,5 | Den Beton dicker zu machen, bringt hier nicht sehr viel. Auch so ein Aufbau war nie zulässig8). |
Alte Außenwand (24 cm Hochlochziegel der 60er Jahre) | 1,4 | So haben wir lange Zeit überwiegend gebaut! |
Außenwand der 80er (30 cm Leicht-Hochlochziegel LHLZ) | 0,8 | Das ist ein ziemlich mäßiger Wärmeschutz. Und, da lohnt sich eine Nachbesserung in aller Regel. |
Außenwände ab etwa 2002 („EnEV“ 36 cm Leichtmauerwerk oder auch gedämmte Holzkonstruktion) | 0,45 | Das ist kein wirklich guter Wärmeschutz. Aber, diese Objekte stehen erstmal noch nicht zur Modernisierung an - und werden mit ihrer mittelmäßigen Dämmung die Nutzer noch ein paar Jahrzehnte zur Kasse bitten9). |
Heute noch typische Neubau-Außenwände | 0,3 | Das ist auch noch kein ausreichend guter Wärmeschutz. Wir empfehlen, das wesentlich besser zu machen! |
Typische Außenwand nach EnerPHit-Sanierung10) (Jahr 2020) | 0,15 | Das ist der von uns empfohlene Höchstwert eines U-Wertes für ein Gebäude in Mitteleuropa. Das ist zugleich auch heute der Wert für eine ökonomisch optimale Dämmung. Jeder höhere Wert hilft nur, die Energieprofiteure vor allem in Erdöl- und Erdgasländern zu finanzieren. |
Ausgeflockte 24 cm Holzbau-Außenwand mit WdVS (Resolschaum 12 cm) | 0,09 | Die ist insgesamt kaum 38 cm dick und durchaus zu vernünftigen Kosten erstellbar - wird aber in dieser Qualität meist gar nicht gebraucht. So könnten wir Neubauten heute leicht als Nahezu-Null-Energiehäuser bauen. |
Gedämmte 17 cm Holzbautafel mit 6 cm Vakuumdämmung (vorgefertigt) | 0,076 | Die ist mit insgesamt 23 cm dünner als die älteren „Dünnwände“. Das lohnt sich eventuell sogar, wenn die Grundfläche sehr teuer ist11). |
Schon diese Tabelle zeigt: Gegenüber den Werten vor 1970 sind wir inzwischen um gut einen Faktor 10 besser geworden bei der Verringerung von Wärmeverlusten. Natürlich ist die Verbesserung des Gebäudebestandes in Richtung der heute wirtschaftlichen und empfehlenswerten Lösungen noch lange nicht durch. Aber: Da kann viel gewonnen werden und es lohnt sich, bei jeder Gelegenheit an das „Wenn schon, denn schon“ zu denken.
Für sehr viele Bauteile kann der U-Wert als Eigenschaft der Konstruktion selbst ganz einfach aus den Bauteilaufbauten und Materialkennwerten ausgerechnet werden. Das werden wir im Folgenden genauer erklären, wenn wir die Wärmeleitfähigkeit als Stoffeigenschaft kennengelernt haben.
Erkenntnisse wirklich verwenden, dazu bedarf es vor allem ein wenig Übung im Umgang. Daher haben wir hier Übungen zum Wärmestrom eingefügt.
Wenn Sie gern mit das hier bisher Dargestellte in der Praxis ein wenig austesten wollen, dann geht das ganz einfach für Ihr Gebäude mit unserem Online-Tool ENBIL: Wärmebilanz von Gebäuden. In diesem Tool sind einige der in der deutschen Bausubstanz üblichen Bauteil-U-Werte im Hintergrund schon vorbesetzt. Wenn Sie mit einem einzelnen Bauteil, z.B. einer Außenwand, ein wenig spielen möchten: Das geht am schnellsten mit dem Maßnahmen-Rechner, her z.B. für die Außendämmung von Außenwänden.
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