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Risikoanalyse: Robuste Planung für hohen Sommerkomfort

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Bei Gebäuden ohne aktive Kühlung gibt die Übertemperaturhäufigkeit Auffschluss über den erreichten Sommerkomfort. Dabei ist es wichtig, schon während der Planung eines Gebäudes mit Hilfe von Berechnungen sicher zu stellen, dass die Temperaturen im Gebäude auch im Sommer in einem komfortablen und gesunden Bereich liegen.

Die Annahmen, die zur Berechnungen des Sommerkomfort während der Entwurfsphase für eine typische Nutzung getroffen werden, können allerdings in der tatsächlichen Gebäudenutzung anders ausfallen. Zum Beispiel wird das Verhalten von Bewohnern bzw. Nutzern die Temperaturen im Gebäude stark beeinflussen, insbesondere die Nutzung von Verschattung (tagsüber) und Lüftung (nachts, wenn es draußen Kühler ist als im Gebäude). Auch ist das Sommerwetter jedes Jahr etwas unterschiedlich mit Temperaturen die mal über und mal unter den durchschnittlichen typischen Klimabedingungen liegen, die als Randbedingung für die Gebäudeplanung verwendet werden. Dazu kommt, dass durch den Klimawandel die Temperaturen generell wärmer werden und zukünftig insgesamt wärmere Sommer und vermehrte Hitzeperioden zu erwarten sind.

Eine Risikoanalyse mittels Stresstest ist für eine robuste Strategie für den sommerlichen Komfort absolut essentiell. Ein solcher Stresstest des Gebäudeentwurfs liefert wertvolles Feedback sowie ein besseres Verständnis der Risikofaktoren für Überhitzung und kann somit zu robusteren und widerstandsfähigeren Entwürfen führen. In das Planungstool PHPP ist ab Version 10 ein solcher Stresstest integriert: Er zeigt schon während des Planungsprozesses die berechnete Übertempertaturhäufigkeit für verschiedene mögliche (Nutzungs-)Szenarien auf.

Sommerkomfort Stresstest im PHPP

Die Übertemperaturhäufigkeit wird im PHPP auf Basis der eingegebenen Informationen berechnet. Das Ergebnis entspricht also den erwarteten durchschnittlichen Temperaturen im gesamten Gebäude unter den jeweiligen Randbedingungen und Annahmen, die im PHPP eingegeben wurden. Um das Risiko der möglichen Übertemperaturhäufigkeit unter einer Reihe von wahrscheinlich auftretenden, weniger günstigen Randbedingungen besser zu verstehen, enthält das PHPP einen voreingestellten „Stresstest“ für den sommerlichen Komfort. Durch die parallele Berechnung des sommerlichen Komforts für 5 zusätzliche Varianten mit jeweils unterschiedlichen Annahmen zum Sommerwetter und zur Nutzerinteraktion liefert der Stresstest wertvolle Rückmeldungen zum möglichen Risiko einer Überhitzung, über das Hauptergebnis des PHPPs hinaus. Er trägt auch dazu bei, die Ursachen einer möglichen Überhitzung besser zu verstehen und so zu robusteren und widerstandsfähigeren Planungsentscheidungen bezüglich des Sommerkomforts zu gelangen (siehe Abbildung 1).

Bei erkennbar hohen Übertemperaturhäufigkeiten für die Stresstestergebnisse müssen Gegenmaßnahmen ergriffen werden, z.B. kleinere Verglasungsflächen, angepasste Fensterausrichtung, mehr Verschattung und/oder Verbesserung des Nachtlüftungskonzepts. Idealerweise sollte das Gebäude so geplant sein, dass alle Varianten des Stresstests eine Übertemperaturhäufigkeit unterhalb der Passivhaus-Zertifizierungsgrenze von 10% aufweisen (Empfehlung <5%). Das wird jedoch nicht immer möglich und auch nicht immer notwendig sein. Die Bewertung des Überhitzungsrisikos muss im Zusammenhang mit dem jeweiligen Projekt analysiert werden. Bei gefährdeten Bewohnern (z. B. in einem Seniorenheim) oder bei unbekannten und sehr durchmischten Nutzern (z.B. Mieter in einem Mehrfamilienhaus) ist es deutlichwichtiger den Sommerkomfort verlässlich gewährleisten zu können als z.B. bei einem privaten Einfamilienhaus mit Gartenzugang. Steht der Sommerkomfort auf wackligen Füßen, dann sollte aktive Kühlung eingeplant werden.

Die relevanten Einfluss-Parameter werden beim voreingestellten PHPP Stresstest sowohl einzeln als auch in Kombination betrachtet, wie in Tabelle 1 zusammengefasst.

Tabelle 1: Parametervariationen für den voreingestellten Sommerkomfort-Stresstest im PHPP.
Bei Einträgen mit einem Sternchen werden die projektspezifischen Annahmen verwendet, die im PHPP eingetragen wurden.
Ergänzende Erklärungen zu den Annahmen der Stresstest-Varianten sind im [PHPP Handbuch] dokumentiert.
Kombinierter
Stresstest
Fenster-
lüftung
Temporäre
Verschattung
Interne
Wärmequellen
Wetter /
Klima
Nutzungseinfluss
Grundlegende
Sommerlüftung über Fenster
= Winter
Luftwechsel
= Winter
Luftwechsel
* * *
Zusätzliche Fensterlüftung
nachts 1)
≤ 0,1 h-1 0 h-1
(keine)
* * *
Reduktionsfaktor für den
Einsatz von temporärer
Verschattung
automatisch: 80%
manuell: 70%
* 0 %
(keine)
* *
Interne Wärmequellen 125 % * * 200 % *
Klimaeinfluss
Temperaturanstieg im
Sommer
+ 1,5 K * * * + 2,0 K
1) Luftwechselrate bei 1K Differenz zwischen Innen- und Außentemperatur, gemäß PHPP-Konventionen.
Abbildung 1: Beispiel-Ergebnisse aus dem PHPP Sommerkomfort Stresstest. Der erte Balken (dunkelblau) zeigt jeweils die berechnete Übertemperaturhäufigkeit auf Basis der PHPP Eingaben. Alle weiteren Balken (hellblau) entsprechen den Risikovarianten aus Tabelle 1.
Links: Entwurf mit hohem Überhitzungsrisiko in einem warmen Sommer und/oder falls Verschattung oder Nachtlüftung nicht wie geplant genutzt werden.
Rechts: Deutlich verbesserter und robusterer Gebäudeentwurf hinsichtlich Sommerkomfort, bei dem auch bei ungünstigeren Randbedingungen die Übertemperaturhäufigkeit unter 10% liegt.


Abbildung 2: Erhöhung der Sommertemperaturen im PHPP.

Klimawandel und städtische Wärmeinsel

Zusätzlich zum oben beschriebenen Sommerkomfort-Stresstest, kann im PHPP eine pauschale Temperaturerhöhung für die Sommermonate angerechnet werden (siehe Abbildung 2). Dies ermöglicht eine vereinfachte Abschätzung wärmerer Klimakonditionen auf den Sommerkomfort des Gebäudes ohne dass die genauen Klimabedingungen bekannt sind. Die Berücksichtigung einer solchen sommerlichen Temperaturerhöhung ist insbesondere dann empfehlenswert und sinnvoll, wenn das Gebäude sich an einem Ort mit einem generell wärmeren Mikroklima befindet als der ausgewählte Klimadatensatz (z.B. in innerstädtischer Lage mit städtischer Wärmeinsel), oder am gegebenen Standort eine starke Ausprägung von Klimaerwärmung zu erwarten ist.

Tool: Sommertemperatur-Modifikationstool für PHPP-Klimadaten
(bis PHPP Version 9, ab Version 10 ist die Anpassung direkt im PHPP möglich)


Informationen für Bewohner*innen

Nicht immer sind Nutzern die Zusammenhänge ihres Verhaltens und der Einfluss auf den erreichten Komfort im Gebäude bekannt oder bewusst. Durch robuste Planung, die weniger auf Eingreifen der Nutzer angewiesen ist, wird von vornherein das Risiko einer Überhitzung reduziert. Dazu gehören z.B. bewusst gewählte Fenstergrößen und -orientierungen mit feststehender Verschattung (z.B. Überhang) anstatt großzügiger Verglasung mit Jalousien die manuell vom Nutzer zur Verschattung geschlossen werden müssen. Um Missverständnissen vorzubeugen wird zusätzlich empfohlen die geplante Sommerstrategie eines konkreten Gebäudes zu dokumentieren und den Nutzern zu erläutern. Als Hilfestellung hierfür wurde im Rahmen des EU Projects outPHit eine Vorlage für ein Nutzerhandbuch erstellt. Es erklärt grundlegende Zusammenhänge und kann mit Empfehlungen für das konkrete Gebäude ergänzt werden.



Literatur

[PHPP Handbuch] Feist, W. et al.: Handbuch PHPP Version 10. Passivhaus Institut, Darmstadt, 2021
Verfügbarkeit: Online Flipbook als Teil eines PHPP Kaufs oder separat als gedrucktes Buch erhältlich.



Siehe auch

Übersicht der Passipedia-Artikel zum Sommerverhalten von Passivhäusern

Fachinformation: Robuste Planung für hohen Sommerkomfort

Fachinformation: Einfluss der Erderwärmung auf Gebäude



Dieser Artikel wurde im Rahmen des EU geförderten Projekts outPHit geschrieben.

Dieses Projekt wird über das EU-Rahmenprogramm Horizo 2020 Forschungs-
und Innovations-Programm unter der Finanzhilfevereinbarung Nr. 957175 gefördert.

grundlagen/sommerfall/risikoanalyse_sommerkomfort.txt · Zuletzt geändert: 2024/09/04 12:16 von jgrovesmith