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Neubau? Darum ist der Passivhaus-Standard die beste Entscheidung
Lieber erstmal ein Video dazu anschauen? Jeffrey Colley bringt es auf den Punkt.
In Deutschland haben wir eine Tradition: Wir bauen solide – für viele Jahrzehnte. So wird Materialverschwendung und Wertvernichtung durch Abriss vermieden. Und das ist gut so. Eine Konsequenz: Alle, die in Gebäude investieren, sollten die lange Nutzungszeit des Gebäudes im Blick haben. Denn alles, was wir heute bauen, wird noch lange in die Zukunft hinein bestehen, in der Nachhaltigkeit eine immer größere Rolle spielen wird. Vorzeitig erforderliche „Nachbesserungen“ sind immer deutlich teurer, als es gleich von Anfang an richtig zu machen. Es richtig zu machen bedeutet nach den Passivhaus-Prinzipien zu bauen1).
Aber nicht nur aus diesem Grund ist der Passivhaus-Standard heute das günstigste Grundkonzept für jeden Neubau:
- Ein Passivhaus ist in Deutschland selbst in der Investition nicht entscheidend teurer als ein Gebäude nach gesetzlich festgelegtem Mindeststandard. Das gilt auch für den geförderten Wohnungsbau. Das gelingt, wenn sich schon die Planung an den Passivhaus-Kennwerten und Methoden orientiert. So können bedeutenden Kosteneinsparungen bei der Heiztechnik durch die geringere Heizlast realisiert werden. Die in den letzten Jahren dokumentierten Passivhaus-Neubauten kamen mit 42) bis 8%3) baulichen Zusatzinvestitionen aus - und die lohnen sich oft allein durch staatliche Zuschüsse und in jedem Fall durch die eingesparten Energiekosten [AkkP 55].
- Eine Heizung mit Wärmepumpen wird beim Neubau die Regel - als Alternative kommt nur die Fernwärme in Betracht. Wärmepumpensysteme brauchen im Passivhaus nur sehr geringe Leistungen. Das macht sie dort sehr kostengünstig. Zum Beispiel müssen nur Teile des Estrichs mit Heizschlangen belegt werden – und es sind sogar sehr günstige Alternativen, wie die Aktivierung einer (einzigen) Decke möglich. Auch die Erschließung der Wärmequelle für die Wärmepumpe wird einfacher; Außenluft als Wärmequelle führt zwar zu einer etwas geringeren Arbeitszahl als beispielsweise ein Erdregister - weil der Verbrauch aber ohnehin sehr gering ist, spielt das in diesem Fall kaum eine Rolle. Und die Erschließung der Wärmequelle Luft ist unschlagbar kostengünstig. Aber auch ein Erdregister kann im Passivhaus-Neubau z.B. direkt unter der Bodenplatte (d.h. auf ohnehin planiertem Gelände) verlegt werden; bei „früher üblichen“ hohen Heizlasten geht das wegen der Frostgefahr nicht. Insgesamt sind die Spielräume bei den möglichen Lösungen im Passivhaus viel höher.
- Eine Wohnungslüftung gehört zum Passivhaus. In der Pandemie wurde klar, warum das wichtig ist - Passivhausplaner haben umfassende Erfahrung mit der Wohnungslüftung und wissen, wie diese hygienisch einwandfrei, wirkungsvoll, sowie energie- und kostensparend umgesetzt werden kann. Neue, einfache und kostengünstige Lösungen stehen dafür bereit4). Mit der im Passivhaus üblichen Lüftung mit hoher Wärmerückgewinnung kann der Luftwechsel bei Bedarf auch stark erhöht werden5) ohne dass dadurch die Beheizbarkeit leidet oder hohe Energiekosten entstehen.
- Der bessere Wärmeschutz ist heute in allen Bauweisen leicht zu erreichen - eine kompetente Planung vorausgesetzt. Er hat über die Energiekosteneinsparung hinaus weitere Vorteile: Wegen der reduzierten Belastungen durch Wetterereignisse, besonders durch den verbesserten Feuchteschutz, halten die Bauteile länger6). Die Dämmung wärmebrückenfrei zu planen, ist ohnehin generell empfehlenswert: Richtig durchdacht kostet das nämlich in der Ausführung nicht mehr, spart aber zusätzlich Energie (und vor allem Ärger). Die inneren Oberflächen aller Bauteile sind im Winter wärmer - und bleiben im Sommer kühler. Die Wärmeverluste sind so geringer, dadurch sinken die erforderliche Heizleistung und der technische Aufwand bei den Heizsystemen. So kann beispielsweise ein einziges Raumklimagerät eine komplette Passivhaus-Wohnung beheizen. Das reduziert auch den Klimagasausstoß durch die Heizung, auch in der Bilanz mit evtl. vorgeschalteten Klimabelastungen durch die Herstellung.
- Passivhaus-Fenster sind ohnehin die günstigste Wahl für jeden Neubau. Sie verlieren im Winter deutlich weniger Wärme, haben die höheren Temperaturen auf der Innenoberfläche - und lassen dafür im Sommer weniger Solarlast herein.
- Luftdicht bauen - das ist der wichtigste Beitrag zu einem langlebigen Gebäude. Passivhausplaner wissen, wie das geht. Ohne dass die Kosten steigen - es ist einfach eine Frage des Know-how. Eine luftdichte Gebäudehülle spart Kosten der Bauerhaltung, wie wir inzwischen aus langjährig begleiteten Projekten wissen [Feist 2020].
- In nicht allzu ferner Zukunft werden alle Gebäude vollständig aus erneuerbarer Energie versorgt. Für Häuser mit hohem Energiebedarf und veralteter Heiztechnik kann die Umrüstung teuer und sogar schwierig werden. Im Passivhaus mit Wärmepumpe ist das heute schon gelöst - denn der dafür noch benötigte Strom kommt in Deutschland schon heute fast zur Hälfte aus Erneuerbaren7).
Diese Punkte sind vernünftigerweise heute ohnehin bei jedem Neubau zu beachten; sie sind grundsätzlich Teil jedes Passivhaus-Planungsprozesses. Passivhaus-Planer und -Berater sind speziell dafür kompetent ausgebildet; sie verstehen, worum es geht und sie kennen die Planungstools dafür (z.B. das Planungspaket PHPP). Das erlaubt es, nicht nur die Energie-, sondern auch die Baukosten zu optimieren - denn das PHPP ist nicht nur ein Nachweistool. Es ist vor allem ein Optimierungswerkzeug, das zuverlässige Aussagen über das Betriebsverhalten erlaubt8)9).
Wichtiger noch: alle diese Punkte sind keine neuen Ideen, sondern sie haben sich zehntausendfach bei Planungs- und Bauerfahrungen bewährt. Das ist immer wieder in begleiteten Projekten kritisch geprüft und dokumentiert worden. Dementsprechend gibt es eine enorme Vielzahl von ausführlich beschriebenen Projekten - darunter möglicherweise auch solche, die dem speziell vorgesehenen Bauprojekt schon nahe kommen.
Zuletzt ist eines noch wichtig: Passivhaus-Standard, das kann heute jede:r Bauträger:in und jedes Architekturbüro bauen, wenn diese sich nur das zugehörige Know-how aneignen. Und das ist erlernbar; es beruht auf den allgemeingültigen Gesetzen der Bauphysik und Gebäudetechnik.
Why Passive House? A Video
Dieses Video von Jeffrey Colley ist in englisch - es fasst die entscheidenden Hintergründe sehr gut zusammen. Passivhaus spart eben nicht nur Energie - es stellt auch den Komfort sicher, und garantiert sogar eine gewisse Sicherheit im Krisenfall. Zudem ist es weit wenige anfällig bei Veränderungen des Klimas - und reduziert die Heizkosten auf ein erträgliches Maß, auch wenn Machthaber, Konzerne und andere Profiteure an der Energiepreisschraube drehen. Der Film zeigt viele Erfahrungen aus der Praxis und illustriert auch die Vielfalt heute verfügbarer Lösungen. Teuer muss das heute nicht mehr sein.
Literatur
[AKkP 55] Arbeitskreis kostengünstige Passivhäuser: Sozialer Geschosswohnbau: Kostengünstig und energieeffizient (k)ein Widerspruch? Protokollband Nr. 55, Darmstadt 2021 (kostenloser download ist verlinkt)
[Feist 2020] Wolfgang Feist; Rainer Pfluger; Wolfgang Hasper: „Durability of building fabric components and ventilation systems in passive houses“ Energy Efficiency 13(3) Dec. 2020
DOI: 10.1007/s12053-019-09781-3; (direct link to full-text-publication: Durability Passive House)
[Johnston 2020] Johnston et al: „Are the energy savings of the passive house standard reliable? A review of the as-built thermal and space heating performance of passive house dwellings from 1990 to 2018“ in Energy Efficiency (2020) 13:1605–1631; (direct link to full-text-publication: Passive House reliable?)