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grundlagen:energiewirtschaft_und_oekologie:zunahme_elektrische_last_durch_waermepumpen

Zunahme der elektrischen Last im Netz durch eine systematische Wärmepumpen-Strategie

Autor: Wolfgang Feist im Januar 2024

Hinweis: Diese Informationen sind auch in einer Video-Aufnahme verfügbar: "Last der Wärmepumpen im deutschen Stromnetz".

1. Einführung und Problemstellung

Für die Energiewende in Deutschland besteht unter Fachexperten weitgehende Einigkeit, dass die Wärmeversorgung für Raumwärme und Warmwasser auf Dauer nicht länger über fossile Brennstoffe gedeckt werden darf. Auf welche Wärmeerzeuger stattdessen zurückgegriffen werden soll wird jedoch noch immer heftig diskutiert. Die in der Diskussion stehenden Alternativen umfassen den Umstieg auf Nah- und Fernwärme, die Substitution von Erdöl und Erdgas auf der Primärenergieseite durch erneuerbar erzeugte Energieträger (z.B. Wasserstoff) und der vermehrte Einsatz von Biomasse. Bei etwas genauerer Betrachtung stellt sich allerdings heraus, dass keiner dieser bisher erwähnten Ansätze innerhalb von etwa 2 Jahrzehnten einen über seinen heutigen Anteil hinausgehenden zusätzlichen Beitrag von mehr als 10% des bisherigen Verbrauchs wird bereitstellen können – dies ist nicht Gegenstand dieses Artikels, aber leicht nachvollziehbar. Es bleibt der Übergang zu einer elektrischen Erzeugung von Heizwärme und Warmwasser1); das ist eine für individuelle Gebäude seit Jahrzehnten eingeführte Technologie, die in den letzten Jahren durch die Weiterentwicklung bei den Wärmepumpen große Fortschritte gemacht hat. Eine Überschlagsrechnung zeigt indes (auch auf der Basis der in diesem Beitrag dokumentierten Zahlen), dass eine direktelektrische Wärmeerzeugung hierfür nicht in Frage kommt (zu hohe Betriebskosten aber auch sehr viel zu hohe Gesamtlast im Stromnetz). Es werden daher vor allem Wärmepumpen sein müssen, die den Hauptteil der Wärmebereitstellung in Gebäuden werden leisten müssen; wir schätzen deren Anteil auf Dauer bei etwa 70% ein. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche zusätzliche elektrische Last im Netz durch den Betrieb dieser Anzahl von Wärmepumpen auftritt und wie diese sinnvoll möglichst durch erneuerbare Energie gedeckt werden kann. Beides wird in diesem Beitrag anhand publizierter Lastverläufe für Strom und Erdgas behandelt und quantifiziert.

2. Ermittlung der 7-Tages Wärmelast

Der höchste 7-Tages-Durchschnittswert des Gasbezugs der Haushalts- und Gewerbekunden betrug bisher 3085 GWh/Tag, aufgetreten in der 6.Woche des Jahres 2018 (Endenergie). Das ist kein Ausreißer, es gibt weitere Wochenmittelwerte in vergleichbarer Höhe in den vergangenen 6 Jahren (Abb. 1).


Abb. 1 Wöchentliche Verbrauchswerte an Erdgas der Haushalts-und Gewerbekunden (Grafik zitiert aus ‚Bundesnetzagentur aktuelle Gasversorgung' [BNetz 2024] am 14.01.2024 ausgewertet)

Der mittlere Endenergie-Leistungsbezug dieser Sektoren aus Erdgas lag demnach bei 128,54 GW. In den angegebenen Sektoren wird Erdgas nahezu ausschließlich für Heizung und Warmwasserbereitung verwendet. Gasherde, die von etwa 6% der Haushalte in Deutschland verwendet werden, verbrauchen mit rund 3,3 GWh/Tag nur rund 0,1% davon; der Gasverbrauch im Sektor Industriekunden enthält demgegenüber ebenfalls einen nennenswerten Anteil an Heizenergieanwendungen2), wie aus dem Jahresgang dieses Sektors erkennbar ist; dieser liegt in der Höchstlastwoche in einem Bereich von mindestens weiteren 500 GWh/Tag. Diese beiden Korrekturen (Herde und Industriesektor) nehmen wir in die hier folgende Betrachtung nicht auf, so dass durch unsere Berechnungen der Gasverbrauch für Heizung und Warmwasserbereitung insgesamt noch etwas unterschätzt wird.

Nach der Publikation ‚Energiedaten‘ [Energiedaten] teilte sich der Energiebedarf für Raumwärme und Warmwasserbereitung im Jahr 2018 wie in Tabelle 1 auf die Endenergieträger auf. Dabei stellt Erdgas einen Anteil von fGas = 48,9%. In den Jahren 2019 bis 2021 blieb diese Aufteilung nahezu unverändert. Es kann davon ausgegangen werden, dass zu Zeiten hoher Wärmelast diese Aufteilung auch für eine 7-tägige Zeitperiode hinreichend genau gültig bleibt 3).

Tabelle 1 Raumwärme und Warmwasser in DE im Jahr 2018; Aufteilung auf die Endenergieträger (Quelle: [Energiedaten], Systematik der AGEB)

Öl 20,8%
Gas 48,9%
Strom 4,9%
Fernwärme 7,9%
Kohle 1,1%
Erneuerbare 16.2%
Sonstige 0.1%

Erdgaskessel im Bestand in Deutschland weisen jahresmittlere Kesselwirkungsgrade für Heizung und WW-Bereitung im Winter von rund $\eta_K$ = 89,2% auf (eigene Berechnung auf Basis [Wolff 2004])4). Die in Form von warmem Heizwasser für Raumheizung und Warmwasserbereitung an die Gebäudewärmeverteilungen gelieferte Leistung beträgt damit mindestens

$\displaystyle {P_{H \& W} = \frac {P_{Gas}\cdot \eta_K } { f_{Gas} }\;\;\;\;\; }$

Setzen wir hier die Werte für den Gasbezug in Woche 6 des Jahres 2018, den Gasanteil dieser Versorgung und den angegebenen Kesselwirkungsgrad ein, so ergibt sich die5) höchste 7-Tages-Mittelleistung an Wärmeleistungsbedarf $P_{H \& W;7}$ für Heizung und Warmwasserbereitung in Deutschland zu mindestens

$P_{H \& W;7}$ = 128,54 GW $\cdot$ 0,892 / 0,489 = 234,4 GW.

3. Zugehörige elektrische Last im Netz

Es muss nicht diese gesamte Leistung künftig durch Wärmepumpen ersetzt werden: Auch für die Fernwärmeversorgung ist ein zunehmender Anteil6) vorgesehen und einige der bestehenden Biomasse-Kessel, aber auch Stromheizungen, aktive Solaranlagen und auch einige Öl- und Gaskessel werden weiterbetrieben. Gehen wir von einem Deckungsanteil der Wärmepumpen von 70%7) am künftigen Raumwärme- und Warmwasserbedarf aus, so ergibt sich eine Wärmeanforderung $P_{H \& W;HP;7}$ an die Wärmepumpen in der Lastwoche von insgesamt

$P_{H \& W;HP;7}$ = 234,4 GW $\cdot $ 70% = 164,1 GW.

Überwiegend wird es sich bei diesen Wärmepumpen um Außenluft-Wärmepumpen handeln8). In der winterlichen Lastperiode schätzen wir die mittlere Arbeitszahl für Heizung und Warmwasserbereitung der Wärmepumpen mit $COP_7$ = 3 ab. Das ist auch für zukünftige Systeme eine optimistische Abschätzung: Die mittlere Außentemperatur in diesen 7-Tages-Höchstwärmelast-Zeitperioden beträgt unter 0°C; unter diesen Bedingungen haben heute handelsübliche Wärmepumpensysteme COP-Werte deutlich unter 3; mit zu beachten ist hier, dass es um den Einsatz von Wärmepumpen im Gebäudebestand mit dem heutigen wärmetechnischen Zustand, also ohne maßgebliche Verbesserung des Wärmeschutzes, handelt. Ein Szenario inkl. wärmetechnischer Verbesserungen behandeln wir in Abschnitt 6. Somit ergibt sich die durch die im Ersatz zu Öl- und Gaskesseln zusätzlich installierten Wärmepumpen im Mittel in der 7-Tages-Lastperiode ein zusätzlicher elektrischer Leistungsbedarf $P_{el;HP}$ im deutschen Stromnetz von mindestens

$\displaystyle { P_{el;HP} = \frac {P_{H \& W;HP;7}}{COP_7} = \frac {164,1\; \text{GW}}{3} = 54,7 \text{ GW}_{el} }$.

Diese Leistung fällt durchschnittlich über die 7-Tages-Periode an – sie ist nicht mit der Höchstlast der Wärmepumpen zu verwechseln (die liegt höher, lässt sich aber innerhalb des 7-Tages-Zeitraums um einige Stunden verschieben). Da es sich um einen 7-Tages-Mittelwert handelt, lässt sich diese Leistung nicht in einen anderen Zeitraum verlagern, denn die Zeitkonstanten der nicht energetisch sanierten Gebäude reichen allenfalls für eine Speicherung über rund einen Tag – dann allerdings ist die entsprechende Energie am Folgetag zusätzlich wieder aufzubringen, so dass die Spitzenleistung an diesem Folgetag noch höher wird. Elektrische Energiespeicher 9) - die umfassen heute 0,04 TWh - dieser Größenordnung (jedenfalls größer 4 TWh) werden auch in 30 Jahren nicht zur Verfügung stehen. Die Leistung $P_{el;HP;7}$ kommt somit mindestens zusätzlich zu der in diesem Zeitraum im Netz nachgefragten 7-Tagesleistung $P_{el;7}$ hinzu und muss über den Zeitraum von verfügbaren Kraftwerken erzeugt werden.

4. Zugehöriger Ausbaubedarf bei der verfügbaren Winterleistung

Werten wir die Daten der Last im gesamten Stromnetz in Deutschland für das Jahr 2018 nach [E-Charts 2024] aus, so ergibt sich als höchste 7-Tages-Mittelleistung bisher

$P_{el;7}$ = 72,4 GW.

Dazu betrachte man Abb.2: Die bisherige 15-Min-Höchstlast selbst liegt mit 87,1 GW noch einmal rund 15 GW darüber. Leistungen dieser mittleren Größenordnung treten im Netz regelmäßig auf.


Abb. 2 Höchster 7-Tages Leistungsmittelwert der elektrischen Last in Deutschland; Quelle [E-Charts 2024]; Last-Kennzeichnung durch den Autor.

Die zusätzlich in den Hochlastperioden für die Wärmepumpen mindestens im 7-Tages-Mittel bereit zu stellende Leistung beträgt somit rund 76% der heutigen maximalen 7-Tages-Mittellast.

Wie wir oben bereits dargestellt haben, muss diese Leistung über die betreffenden Zeiträume tatsächlich zusätzlich dauerhaft zur Verfügung stehen.

Wie die Hochlastperiode vom 5. bis 20. Dezember 2022 zeigt (vhl. Abb. 3), kann die Raumwärme-Höchstlast auch mit einer winterlichen Flaute zusammenfallen.


Abb. 3: Die Heizlastperiode vom 5. bis 17.12.2022 fiel mit einer durchgehenden Flaute (Stromerzeugung aus Windkraft vernachlässigbar) zusammen. Quelle [E-Charts 2024]

Die betreffende elektrische Leistung muss daher auch vollständig aus Backup-Kraftwerken (sog. „Peaker“) zur Verfügung stehen. Diese Kraftwerke müssen daher um den Wert von $P_{el;WP}$ höher ausgelegt werden. Die zugehörige Primärenergie muss in einem vollständig nachhaltigen Energiesystem dann aus saisonal gespeicherten Energieträgern erzeugt werden, in einer Übergangsphase oder in Ausnahmesituationen ist aber auch eine Deckung durch Erdgas denkbar, da es sich nur um einen begrenzten Teil der Jahresarbeit handelt. Das ist technisch und von den Energiemengen her möglich, erhöht aber den Aufwand für die Versorgung der Wärmepumpen10) signifikant.

5. Zugehöriger Ausbaubedarf an erneuerbarer Energiegewinnung (insb. Windkraft)

Für die häufigeren Zeiträume mit Wärmepumpenlasten, die nicht in der Flaute liegen, soll der Strombedarf der Wärmepumpen möglichst direkt aus erneuerbarer Erzeugung kommen - dafür ist vor allem Windkraft geeignet, da in der Kernheizperiode (KHP: 23.Nov. bis 15. März) das Energie-Angebot aus PV so gering ist, dass es von anderen Anwendungen vollständig absorbiert wird. Es bedarf somit dafür der Installation zusätzlicher Windkraftanlagen. Es zeigt sich dabei, dass deren mittlere verfügbare Leistung im Winter um größenordnungsmäßig den Betrag $P_{el;HP;KHP}$ erhöht werden sollte. Das ist die mittlere elektrische Leistung, die in der Kernheizperiode von den Wärmepumpen gezogen wird. Diese ergibt sich aus dem in Abb. 1 als Mittelwert (grün) gekennzeichneten bisherigen mittleren Gasbedarf (ziemlich genau 2000 GWh/Tag oder 83,3 GWGas) für die Anwendung Heizung und Warmwasser, wieder dividiert durch den Gasanteil und die mittlere Arbeitszahl sowie multipliziert mit dem Wirkungsgrad der Gaskessel. Gibt es weniger als diese Leistung von rund 36 GWel, dann müssen die oben eingeführten Peaker-Kraftwerke einen immer höheren Beitrag auch an der regulären Jahresarbeit für die Wärmepumpenstromversorgung leisten; das wiederum führt zu einem höheren Bedarf an dem dafür verwendeten Brennstoff, dessen Produktion mit bedeutenden zusätzlichen Verlusten verbunden ist11). Eine genauere Optimierung der hierfür benötigten Leistung erlaubt das PEr-Verfahren, vgl. [PEr 2013]. Da die mittlere Winterverfügbarkeit der Windkraft in Deutschland etwa 36% beträgt12), ergibt sich ein Zusatzbedarf an Windkraftanlagen ausschließlich für die Wärmepumpen mit einer installierten Nennleistung $P_{Wind}$ von

$P_{Wind} = P_{el;HP;KHP}$ / 0,36 = 36 GW$_{el}$ / 0,36 = 100 GWInst.

Das ist das 1,45-fache der Ende 2023 insgesamt in Deutschland installierten Windkraftleistung13). Diese Leistung kommt durch die Umstellung auf Wärmepumpen zu der für alle übrigen Anwendungen erforderlichen Ausbauleistung dazu. Wird der Ausbau über 25 Jahre gestreckt, so müssen zusätzlich jeweils rund 4 GWInst Windkraftleistung in jedem Jahr installiert werden. Es besteht dann eine Überschussproduktion dieser Anlagen in Zeiten mit geringerem Wärmebedarf - diese würde nach dem PEr-Konzept für die Erzeugung von speicherfähiger Energie genutzt werden (z.B. in Form von Wasserstoff oder E-Methan). Der genaue Bedarf für diesen Zweig des künftigen Energiesystems kann durch die PEr-Methode ([Grove-Smith 2016], [PEr 2013]) ermittelt werden, daraus ergeben sich unter den hier gegebenen Randbedingungen noch etwas höhere Werte für den Installationsbedarf zusätzlicher erneuerbarer Stromerzeuger wie in der hier näherungswiese vorgestellten Betrachtung.

6.Variante: Reduzierter Raumwärmebedarf

Durch die konsequente Anwendung energieeffizienter Bauteilsanierung zu allen bestehenden Anlässen, z.B. einem ohnehin-Fensteraustausch, lässt sich der Heizwärmebedarf der Gebäude innerhalb des Umstellungszeitraumes von 25 Jahren im Mittel um gut 50% senken [Bastian 2022]14). Damit reduziert sich dann der Leistungsbedarf auch in den Heizungs-Höchstlastzeiten um gut 50%, d.h. auf nur noch rund 27,4 GW. Die Arbeitszahlen der Wärmepumpen für die Erzeugung dieser Wärme steigen durch das dabei ebenfalls abgesenkte Temperaturniveau der Heizwärmeübergabe um mindestens 15%, wodurch sich die elektrische Last nochmals auf rund 23,8 GW reduziert. Die Auskühl-Zeitkonstanten der Gebäude nehmen durch den geringeren Wärmeverlust ebenfalls zu, auch sinken die Temperaturen bei evtl. niedrigeren Heizleistungen weniger schnell und auf ein weniger tiefes Niveau ab: Diese zuletzt genannten Potentiale bringen wir aber hier quantitativ nicht zum Ansatz. Sowohl die erforderliche Backup-Leistung $P_{peak}$ als auch die zusätzlich für die Wärmepumpen zu installierende Windkraftleistung halten sich dann in einem realisierbaren Rahmen: $P_{peak}$ = 24 GWel; $P_{Wind}$ = 44 GWInst bzw. jährliche Zusatzinstallation von rund 1,75 GWInst/a. Auch dieser zusätzliche Installationsbedarf ist immer noch ein ehrgeiziges Ziel, er kommt zum bisher geplanten Ausbaubedarf hinzu; diese Werte erscheinen aber mit etwas Anstrengung erreichbar15).


Abb. 4 Lastverlauf im Stromnetz (2018 Gesamt); Quelle [E-Charts 2024].



7. Jahresenergiebedarf für Heizung und Warmwasser

An anderer Stelle hatten wir beriets den gesamten Endenergieaufwand für die Anwendungen Raumheizung und Warmwasserbereitung bestimmt (siehe Aufteilung des Endenergieverbrauchs in Deutschland). Im Jahr 2019 ergab sich dabei ein Endenergiebedarf für die Raumheizung von 26,6% und für Warmwasser von 5,3%, entsprechend

Jahreswerte TWh/a Anteil
Endenergie 2019 insgesamt 2492,6 100%
davon Endenergie für Raumwärme 662,7 26,6%
sowie Endenergie für Warmwasser 131,1 5,3%
Quelle dieser Daten: [Energiedaten]

Insgesamt rund 32% des Endenergieverbrauchs in Deutschland dient der Erzeugung von Raumwärme und Warmwasser, dieser Anteil ist höher als jeder andere in der Energiebilanz, gefolgt vom Verkehr16). Diese Aufteilung der Jahresverbrauchswerte ist konsistent mit der Aufteilung des Leistungsbedarfs, die wir in den Abschnitten 1 bis 5 ermittelt haben. Wir weisen darauf hier noch einmal gesondert hin, weil in einigen Statistiken, die nicht die Energieanwendung im Fokus haben, sondern die Bereitstellung von Energieträgern, ein abweichender Eindruck erweckt wird, welcher die Raumheizung als weit weniger bedeutend erscheinen lässt: Das hat seine Ursache darin, dass z.B. die CO2-Emissionen Kraftwerken und Heizwerken zugeordnet werden, ohne dass der Anwendungszweck des dort erzeugten Stroms oder der dort erzeugten Wärme betrachtet wird. Der Verursacher für den Betrieb eines Kraftwerks oder Heizwerks ist jedoch der Strom- und Wärmebedarf der Gebäude, die daraus jeweils versorgt werden. Dies richtig einzuordnen ist bedeutend, weil nur so der Umstellungsaufwand des Energiesystems korrekt eingeschätzt werden kann.

Für eine realistisch umsetzbare Wärmewende (= Umstellung von Heizung und Warmwasserbereitung auf erneuerbare Energie) ergeben sich aus der hier dargelegten Analyse folgende Voraussetzungen

  • Die weitgehende Umstellung auf elektrische Energie als Endenergiequelle für die Heizsysteme ist alternativlos. Die Basis dafür sind Wärmepumpen - direktelektrische Systeme haben einen weit zu hohen Leistungsbedarf.
  • Der sich dadurch einstellende zusätzliche mittlere Leistungsbedarf im Stromnetz im Winter ist allerdings bedeutend. Daraus ergeben sich zwei weitere unverzichtbare Bestandteile für ein Gelingen dieser Umstellung
    1. Insbesondere die Windenergieerzeugung muss in deutlich höherem Umfang als bisher geplant hochgefahren werden.
    2. Der Wärmeleistungsbedarf der bestehenden Gebäude muss spürbar reduziert werden (mindestens um rund 50% im Durchschnitt).

Die angegebene Voraussetzungen sind innerhalb eines Zeitraums von rund 20 bis 30 Jahren realistisch umsetzbar - am Ende dieses Zeitraums liegt der CO2-Ausstoß für die Raumheizung dann in der Größenordnung von Null. Die Umsetzung setzt allerdings voraus, dass alle sich jeweils bietenden Gelegenheiten der Umstellung auf Wärmepumpen (z.B. eine Ohnehin-Kesselerneuerung) und alle Anlässe zur Verbesserung des Wärmeschutzes (z.B. Neueindeckung des Daches, Auswechseln von Fenstern) genutzt werden, um die jeweils betroffenen Systeme und Komponenten mit Energieeffizienz nach dem Stand der Technik nachzurüsten.

Quellen

[Bastian 2022] Zeno Bastian, Jürgen Schnieders, William Conner, Berthold Kaufmann, Laszlo Lepp, Zack Norwood, Andrew Simmonds, Ingo Theoboldt: Retrofit with Passive House components; Energy Efficiency 1/2022

[BNetz 2024] Bundesnetzagentur: Wöchentlicher Gasverbrauch, webbasierte Datensätze unter https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Gasversorgung/aktuelle_gasversorgung/_svg/GasverbrauchSLP_woechentlich/Gasverbrauch_SLP_W_2023.html?nn=870134 am 14.01.2024 abgerufen

[Energiedaten] Hrsg. BMWi, http://www.bmwi.de/Navigation/DE/Themen/energiedaten.html

[E-Charts 2024] Web-basierte Daten zur Stromversorgung https://energy-charts.info/charts/energy/chart.htm?l=de&c=DE&interval=year&year=-1&source=total; abgerufen am 17.01.2024

[GIE/AGSI 2024] Gas Infrastructure Europe, AGSI, webverfügbare Daten unter https://agsi.gie.eu/, abgerufen am 17.01.2024

[Grove-Smith 2016] Grove-Smith, Jessica; Wolfgang Feist; Benjamin Krick: Balancing energy efficiency and renewable energies: An assessment concept for nearly zero-energy buildings. In: Bertoldi, P. JRC of European Commission (ed.): 9th International Conference Improving Energy Efficiency in Commercial Buildings and Smart Communities, 2016. p. 894-902. Link zum externen Artikel hier (In Englisch)

[ISE 2024] Öffentliche Nettostromerzeugung in Deutschland im Jahr 2023. Fraunhofer ISE. Abgerufen am 14. Januar 2024.

[PEr 2013] „Primärenergie Erneuerbar – PEr“. In: Passipedia (weitere Literaturquellen ebenda). Passivhaus Institut 2013-2023. https://passipedia.de/grundlagen/energiewirtschaft_und_oekologie/erneuerbare_primaerenergie_per

[Wolff 2004] Wolff, Dieter; Peter Teuber; Jörg Budde; Kati Jagnow: Felduntersuchung: Betriebsverhalten von Heizungsanlagen mit Gas-Brennwertkesseln, Fachhochschule Braunschweig Wolfenbüttel, April 2004

Anhang: Ergänzende Informationen



Abb. 5 Wöchentliche Mittelwerte des gesamten Gasverbrauchs (inkl. Industrie und Kraftwerkssektor) in Deutschland, 2018-2021 sowie 2022 und 2023. Hier ist ebenfalls ein ausgeprägter Jahresgang erkennbar; dies deutet darauf hin, dass auch in den anderen Sektoren nennenswerte Anteile an Raumwärmeanwendungen vorliegen; in diesem Papier sehen wir davon ab, diese zu quantifizieren und zu den bereits ausgewiesenen hinzuzufügen, weil eine Abgrenzung z.B. gegenüber anderen Anwendungen Detailinformationen zu den jeweiligen Einzelfällen erfordern.

1)
Strategie: „Just electrify everything“
2)
vgl. dazu die Werte in Abb.5 im Anhang
3)
Vor allem zu Zeiten geringer Wärmelast könnte sich die Aufteilung unterscheiden, vor allem wenn im Sommer nur noch Trinkwarmwasser erwärmt werden muss. Da die zugehörigen Energiemengen aber im Vergleich zu denen des Gesamtjahres gering sind, ändert dies am Anteilfaktor für die bedeutenderen Phasen mit hoher Wärmelast nur sehr wenig; wie gering der Gasbezug für die Warmwasserbereitung ist, ist auch in Abb. 1 an den Werten für die Wochen im Sommer ablesbar
4)
Achtung: Hier handelt es sich nicht um den Gesamtwirkungsgrad bei diesen Anwendungen, sondern allein um den Verlust durch die Wärmeerzeuger selbst (Standby, Abstrahl- und Abgasverluste). Nicht enthalten in diesem Wirkungsgrad sind die Verluste von Speicherung und Wärmeverteilung; diese sind nicht unerheblich, sie bleiben jedoch bei einer Umstellung auf Wärmepumpen in ähnlicher Höhe erhalten bzw. steigen geringfügig an, da in einigen Fällen zusätzliche Speicher erforderlich werden. In [Wolff 2004] wurde für Erdgaskessel im Bestand in Deutschland ein mittlerer Jahresnutzungsgrad bzgl. Brennwert von 86,6% im Heizfall gemessen. In diesem Bereich liegen auch Messungen des PHI. Neuere Kessel sind etwas besser, wir verwenden einen Wert von $\eta_K$ = 89,2%.
5)
konservativ abgeschätzte
6)
heute noch rund 10%
7)
untere Abschätzung
8)
aus Kostengründen
9)
z.B. Batterien oder Pumpspeicherkraftwerke
10)
und damit den Wärmepumpen-Strompreis
11)
Größenordnungsmäßig: Es fallen dabei der Umwandlungsverlust „Power to Gas“ PtG ($\eta_{PtG}$ unter 80%) und der Verlust bei der Rückverstromung (im Mittel $\eta_{peak}$ unter 50%) an.
12)
eigene Auswertung aus Daten in [E-Charts 2024]
13)
Onshore und Offshore; 69 GW gemäß [ISE 2024]
14)
Dazu müssen allerdings die Modernisierungen in den ausgeführten Fällen jeweils nahe am ökonomischen Optimum der energetischen Qualität liegen. Dadurch sind die Einsparungen in Fällen, in denen die Maßnahmen möglich sind und tatsächlich ausgeführt werden, im einzelnen Gebäude häufig deutlich höher als 50%: [Bastian 2022] zeigt, dass in den untersuchten Objekten mit optimierter Qualität die Einsparungen bei über 75% liegen. Das kompensiert für andere Objekte, die in der Zeitperiode noch nicht modernisiert werden und auch solche, deren Modernisierung durch besondere Bedingungen nicht alle technisch verfügbaren Potentiale erschließen lassen (z.B. wg. Auflagen der Denkmalpflege). Die genannten Einschränkungen bestehen real, höchstmögliche Qualität im Einzelfall ist daher wichtige Voraussetzung für eine hohe Wirksamkeit im Mittelwert über den gesamten Gebäudebestand.
15)
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass Ausbaugeschwindigkeiten alternativer Kraftwerkskonzepte zur Windkraft keinesfalls einfacher erreichbar erscheinen. Weitere Effizienzverbesserungen an den Gebäuden sind möglich und auch technisch umsetzbar, allerdings würde das eine klare Entscheidung zur Umsetzung und das Auflegen entsprechender Programme (z.B. bzgl. Ausbildung im Handwerk) verlangen.
16)
mit rund 30%
grundlagen/energiewirtschaft_und_oekologie/zunahme_elektrische_last_durch_waermepumpen.txt · Zuletzt geändert: 2024/04/13 17:15 von wfeist