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Wärmespeicher Anwendung
Der Anschaulichkeit wegen wollen wir die folgenden Überlegungen anhand eines konkreten Beispiels durchführen1) eingesetzt werden. Wenn die Werte für die Wärmekapazität und für den Wärmeleitwert zur Umgebung korrekt eingesetzt werden, dann ergeben sich die qualitativ gleichen Ergebnisse2).
Unser Beispiel ist eine handelsübliche Thermoskanne, die mit heißem Wasser gefüllt wird3). Am Anfang beträgt die Temperatur in der Kanne $\vartheta_0$, gemessen haben wir dafür 97 °C. Die Kanne steht in einer Umgebung („environment“, dafür verwenden wir wie üblich den Buchstaben e als Index) mit einer Temperatur $\vartheta_e$; für die ersten Betrachtungen gehen wir davon aus, dass diese Temperatur konstant ist. Wir haben z.B. über 8 h lang dort konstant 23,5°C gemessen.
Auch wenn die Wärmedämmung einer Thermoskanne sehr gut ist, so hat sie dennoch eine gewissen Wärmeverlust: Der setzt sich aus Verlusten über den Mantel des Gefäßes, den Deckel, die Verschraubung usw. zusammen. Der Wärmeverlust ist proportional zur Temperaturdifferenz von innen nach außen, den Proportionalitätsfaktor $H$ kennen wir aus den Betrachtungen zu den Wärmeverlustströmen (als Summe aller U-Werte mal zugehöriger Flächen plus aller Wärmebrückenterme); wir haben $H$ im konkreten Fall zu 0,027 W/K bestimmt: Das bedeutet, dass der Wärmeverluststrom der Kanne am Anfang
$ P_0=H \cdot (\vartheta_0-\vartheta_e)$
beträgt; für den konkreten Fall sind das 0,027 W/K × (97°C-23,5°C) = 2,017 W. Dieser Wärmeverlust ist damit tatsächlich sehr klein - aber er ist natürlich nicht Null.
Überlassen wir die Kanne sich selbst in der Umgebung, so wird dieser Wärmeverlust aus dem Wärmeinhalt der Kanne gespeist - der Wärmeinhalt nimmt dadurch etwas ab, und das bedeutet, dass wegen der Proportionalität der Änderung die Wärmeinhalts mit der Temperaturdifferenz die Temperatur in der Kanne abfällt. Wir können das sogar jetzt quantitativ auswerten: Lassen wir die kurze Zeitspanne $\Delta t$ (z.B. 1 Minute =1/60 h) vergehen, so nimmt der Wärmeinhalt um
$ P_0 \cdot \Delta t = H \cdot \Delta t \cdot (\vartheta_0-\vartheta_e)$
ab (Im Beispiel sind das 1/60 h × 2,07 W = 0,0336 Wh). Diese Energie stammt aus dem Wärmeinhalt der Kanne, der mit der Wärmekapazität $C$ als $ \Delta Q = C \cdot \Delta \vartheta $ geschrieben werden kann. $\Delta \vartheta $ ist dabei die Veränderung der Temperatur in der Kanne innerhalb der Zeit $\Delta t$. Im Beispiel sind das 0,063 Grad - nach einer Minute ist von der Auskühlung noch nicht viel zu merken. Die Zeit läuft weiter: Jetzt ist der Wärmeverlust um $H$ mal der Temperaturveränderung geringer, im nächsten Zeitintervall $\Delta t$ nimmt der Wärmeinhalt der Kanne daher ein bisschen weniger ab… und das wiederholt sich so lange, wie die Temperatur in der Kanne noch höher ist wie die in der Umgebung. Das ist genau das erwartete Ergebnis: Läuft das Experiment lang genug, dann nimmt die Temperatur in der Kanne immer weiter ab, allerdings auch immer langsamer ab, sie nähert sich mit der Zeit der Temperatur der Umgebung an: Dann ist der Wärmeinhalt der Kanne 'verbraucht', bei $\vartheta=\vartheta_e$ ist keine Wärme mehr aus der Kanne in die Umgebung herauszuholen.
Wir können das aber auch quantitativ noch weiter präzisieren: Wir gehen jetzt von einem beliebigen Zeitpunkt $t$ nach Start des Experimentes aus. Da beträgt die Tempertur in der Kanne $\vartheta(t)=\vartheta$. Die Veränderung der Temperatur pro (sehr kleinem) Zeitintervall $\Delta t$ ist die Zeitableitung der Temperatur; und die Veränderung des Wärmeinhalts der Kanne pro Zeitintervall $\Delta t$ ist die Zeitableitung dieses Wärmeinhalts, mithin vom Betrag gerade wieder der Wärmeverlust:
$\displaystyle {C \cdot \frac {\Delta \vartheta}{\Delta t} = \frac {\Delta Q}{\Delta t} = -H \cdot \frac {\Delta t}{\Delta t} \cdot (\vartheta-\vartheta_e)} $
Da die Ableitung der konstanten Umgebungstemperatur nach der Zeit Null ist, führt das für $\Delta t \rightarrow 0$ auf
$\displaystyle {C \cdot \frac {\mathrm{d} (\vartheta-\vartheta_e)}{\mathrm{d} t} = -H \cdot (\vartheta-\vartheta_e) }\; . \;\;\;\;\;\;\;\;\; $ [SpDGL]
Wir haben hier die Differentialgleichung „DGL“ für die natürliche Entladung eines Speichers „Sp“ gefunden.
Die Lösung dieser Gleichung ist wohlbekannt: Es ist eine abklingende Exponentialfunktion, wie im Diagramm gezeigt.
$\displaystyle { (\vartheta-\vartheta_e) = (\vartheta_0-\vartheta_e)\; \mathrm{e}^{-\frac{H}{C}t} } $.
Der Ausdruck $\; {C}/{H} \;$ in diesen Gleichungen hat die Dimension einer Zeit; wir nennen ihn die Zeitkonstante $\tau$ des Systems4). Wenn wir bedenken, dass $H\;$ der Kehrwert des Wärmewiderstandes $R\;$ ist, wird $\; \tau = R \cdot C \;$, so wie das auch in der Elektrotechnik für die Zeitkonstante eines RC-Gliedes der Fall ist. Innerhalb einer Zeitkonstante fällt die Temperaturdifferenz zur Umgebung auf
$\displaystyle { \mathrm{e}^{-\frac {\tau}{\tau} }=\frac {1}{\mathrm{e}} }$ ≈ 36,79%
ab. Dann ist der Kaffee bereits nicht mehr wirklich schön heiß5).
Die blauen Kreis-Symbole stehen für die gemessenen Werte in der Thermoskanne, aufgenommen mit einem Datenlogger. Die gestrichelte Linie ist der Verlauf, der sich theoretisch aus der eben hergeleiteten Abklingkurve ergibt. Nur wer sehr genau hinschaut kann die geringfügigen Messabweichungen dabei erkennen. Dieser einfache Versuch illustriert, wie gut die thermodynamische Theorie, inklusive der Wärmeverlustberechnung und der Wärmespeicherung mit der Realität übereinstimmt.
Wir können unser Beispiel durch weitere gebrauchsüblichen Behälter für heißes Wasser ergänzen: Ein gewöhnlicher großer Becher, dieser mit Deckel und Omas „Kaffeemütze“ sowie die schon behandelte Thermoskanne, die jeweils mit der gleichen Menge $m$ an Wasser gefüllt sind (vgl. die folgende Tabelle). Der jeweilige Temperatur verlauf ist im Diagramm jeweils schon mit dargestellt. Der ungedämmte Becher hat erheblich höhere Wärmeverluste und ist daher schon nach weniger als 1,5 Stunden auf eher „lauwarm“ abgekühlt. Das entspricht auch der alltäglichen Erfahrung: Wenn der Kaffee länger heiß belieben soll, dann ist es ratsam, ihn in eine Thermoskanne zu füllen; die andere Alternative wäre, den dann erheblich höheren Wärmeverlust ständig durch eine Nachheizung mit dann rund 39 W z.B. mit einer elektrischen Heizplatte oder einem Teelicht zuzuführen.
Größe | Einheit | Formel | gewöhnliche Tasse | Tasse mit Kaffeemütze | Thermoskanne |
---|---|---|---|---|---|
Masse Wasserfüllung | Gramm g | $m$ | 459 | 459 | 459 |
spezifische Wärmekapazität | Wh/(kg K) | $c_p$ | 1,16 | 1,16 | 1,16 |
Wärmekapazität | Wh/K | $C=c_p \cdot m$ | 0,532 | 0,532 | 0,532 |
Oberfläche | m² | $A = 2 \pi r² + 2 \pi r h $ | 0,0793 | 0,0793 | 0,0793 |
U-Wert | W/(m²K) | $U = \frac {1}{ R_{si} + \frac{d}{\lambda} } $ | 6,71 | 2,506 | 0,36 |
Leitwert | W/K | $H = A \cdot U $ | 0,532 | 0,199 | 0,028 |
Wärmedurchlass- Widerstand | K/W | $R = \frac {1}{H}$ | 1,88 | 5,03 | 36,4 |
zugehörige Zeitkonstante | h | $\tau = R \cdot C$ | 1,0 | 2,68 | 19,4 |
Dabei ist $r$ der Radius des zylindrischen Gefäßes und $h$ seine Höhe, $d$ die Dämmdicke der Kaffeemütze. Die spezifische Wärmekapazität des Wassers kennen wir aus den Beispielen im Grundlagenkapitel Wärmespeicherung zu 1,16 Wh/(kgK) bestimmt (dritte Zeile), damit ergibt sich die Wärmekapazität $C$ in allen drei Fällen zu $\; C=c_p \cdot m$ = 0,532 Wh/K. Die Gefäße sind aus leichtem dünnen Stahlblech auf der Wasserseite und wir vernachlässigen deren Wärmekapazität. Die Oberfläche zur Umgebung hin sind ebenfalls gleich groß, jeweils 0,0793 m². Der einzige Unterscheid in den Beispiel ist der Wärmeschutz des Gefäßes: Während dieser für den ungedämmten Becher einfach nur im wesentlichen der Wärmeübergangskoeffizient in Luft ist (rund 6,71 W/(m²K), eine bedeutende Wärmeabgabe), wird durch die Dämmwirkung der Kaffeemütze dieser schon auf 2,506 W/(m²K) verringert und die Thermoskanne bringt es gar auf $\; U_{thermos}=$ 0,36 W/(m²K).
Wärmespeicher stehen in einer Umgebung und sie haben eine Tendenz zur Selbstentladung. Diese folgt einer abklingenden Exponentialkurve mit der Zeitkonstante $\tau = R \cdot C\;$, wo $R$ der Wärmewiderstand der Dämmung des Speichers ist. Schlecht gedämmte Speicher verlieren über ihre Oberfläche viel Wärme, sie haben eine nur kurze Zeitkonstante. Die Dämmwirkung $R$ und die Kapazität $C$ gehen in die Zeitkonstante gleichermaßen, nämlich als Produkt, ein.
Wie bereits erwähnt, können die hier gefundenen Ergebnisse auf Wärmespeicher aller Größe und Art übertragen werden. Kleine Speicher, wie unsere Thermoskanne, haben dabei per se ein schlechtes Verhältnis von Volumen zu Oberfläche, d.h. schon einmal höhere Verluste je Volumeneinheit und damit kurze Zeitkonstanten.
In der Praxis haben Speicherverluste oft einen dominanten Anteil am „Energiebedarf“ eines Systems, weil auf sorgfältige und korrekt ausgeführte Dämmung der Speicher in der Vergangenheit häufig wenig Wert gelegt wurde. Wie so eine Situation zu verbessern ist, dazu geben unsere Anleitungen zur Energieeffizienz bei der Gebäudetechnik Hinweise.