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Forschungen zum Philips-Experimentierhaus

Passive gegenüber aktiven Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz in Europa und Amerika

Autor: Dr. Bernd Steinmüller
Kleinenberger Weg 8, D-33100 Paderborn, Germany
info@bsmc.de

Abbildung 1: Das Philips Experimentierhaus: Versuchsanordnung mit Passivhaus-Merkmalen & Ausgangspunkt für weltweite Parameterstudien. Aus „Early Lessons - The Philips Experimental House“
Abbildung 2: Parameterstudien für die USA und Europa zeigen ein globales Einsparpotential. © Bernd Steinmüller
Abbildung 3: Passiv-Solare Ansätze und die Bedeutung der Fensterqualität. © Bernd Steinmüller
Abbildung 4: Folgen für die Dimensionierung von Heiz- und Kühlsystemen in den USA: Kleine „Passivhaus-Systeme“ sind für Gebäude nach dem Muster des Philips Experimentierhauses ausreichend. © Bernd Steinmüller

Beachte.: Der folgende Artikel basiert im Wesentlichen auf [Steinmüller 2008, p.37-40, “Early Lessons - The Philips Experimental House]

Ausgelöst durch die erste Ölkrise im Jahr 1973, begann man bei Philips potentielle Geschäftsfelder die im Zusammenhang zum Kerngeschäft standen auf Komponenten zur Energieerzeugung (etwa Solarkollektoren, Wärmepumpen, Wärmerückgewinnungs-Anlagen), also aktive Systheme, zu untersuchen.
Für eine objektive Beurteilung schien es jedoch notwendig, ein tiefes Verständnis für das Gesamtsystem, einschließlich des „passiven“ Verhaltens des Gebäudes unter verschiedenen Klima- und Nutzungsbedingungen zu gewinnen.
Im Jahr 1974 entwickelte sich daraus das Projekt „Rationelle Energieverwendung und Nutzung der Sonnenenergie in Gebäuden“, und das so genannte „Philips-Experimentierhaus Projekt“ begann.
Das Philips Experimentierhaus sollte in erster Linie ein experimenteller Prüfstand für die Herleitung und den Abgleich von computerbasierten Modellen sein. Diese sollten dann eine einheitliche und durch Versuche validierte Analyse der relevanten Systemparameter unter vielfältigen Randbedingungen in der westlichen Welt ermöglichen.
Das Projekt und die anschließenden Forschungen wurden zum einen von Erkenntnissen aus dem skandinavischen Raum im Bereich Niedrigenergiehäuser beeinflusst, zudem gab es in Amerika laufende Untersuchungen im Bereich von passiv-solaren Gebäuden und erneuerbaren Energien. (vergl. z.B.. Korsgaard 1976, Balcomb et al. 1977, Lovins 1977. Interessanterweise waren es Effizienzstrategien für ein rein elektrisch versorgtes Gebäude die als weitere Anregung dienen sollten (vergl. Stoy 1973 und Hörster 2007).
Die wesentlichen Messungen wurden im Zeitraum von 1975-1978 durchgeführt. Die Auswertung und Ableitung von Modellen erfolgte in den Jahren 1977-1982. Das Projekt endete 1983/84.

Das Experimentierhaus (vergl. Hörster et al. 1980, Abb. 1) war ein durch zusätzliche Wärmeschutzmaßnahmen verbessertes Standard-Fertighaus in Holzrahmenbauweise, welches von einem Computer bewohnt wurde. Es wurde mit hervorragender Dämmung, den besten Fenstern, die zu dieser Zeit erhältlich waren, einer kontrollierten Lüftung mit 90% Wärmerückgewinnung und zwei Erdwärmetauschern ausgestattet (der eine in Form einer porösen Wand für die Vorkonditionierung der Frischluft, der andere als Kollektor für die Wärmepumpe).
Der auf dem Dachboden aufgestellte Computer steuerte die Experimente, sammelte Daten im Minutentakt und simulierte das Leben einer vierköpfigen Familie im Erdgeschoß.
Der resultierende Heizwärmebedarf lag zwischen 20 und 30 kWh/m²a – d.h. mehr als einen Faktor 15 unter dem Bedarf eines normalen Hauses aus dieser Zeit und nahe an den Werten, die ein Passivhaus (heute) erreicht.
Abgesehen von den Fenstern, welche zu dieser Zeit noch nicht erhältlich waren, aber zunehmend erforscht und entwickelt wurden, bestand das Haus tatsächlich schon damals aus allen wesentlichen Komponenten eines modernen Passivhauses.
Da der geringe restliche Energiebedarf größtenteils mit erneuerbaren Energien (z.B. solarer Energie, durch eigene Versuchs-Vakuumkollektoren und Wärmepumpen im Keller erzeugt) gedeckt wurde, konnten zudem grundlegende Techniken gezeigt werden, die ein bilanzielles Nullenergiehaus ermöglichen.

Basierend auf den gewonnenen Daten, konnten im Folgenden weitreichende computerbasierte Modelle abgeleitet werden, welche eine System- und Komponenten-Analyse in feiner und grober Auflösung erlaubten. Darüber hinaus wurden Simulations-/Messwertvergleiche und Vergleiche verschiedener Modelle möglich, genauso wie Simulationen von Systemen und Komponenten mit einer großen Bandbreite von Randbedingungen.
Dabei lag der Fokus auf den ganzjährigen Ergebnissen unter realistischen Klima- und Nutzungsrandbedingungen, da diese den Gesamt-Energieverbrauch und die Käufererwartungen prägen.
Es stellte sich heraus, dass mit stündlich wechselnden Randbedingungen und der Abbildung der Gebäudedynamik auf eine einzige Wärmekapazität die ausreichend schnellen und hinreichend genauen Modelle erzielt werden konnten, diese wurden benötigt um die ganzjährigen Computerexperimente durchführen zu können.
Auf dieser Basis wurden ausführliche Studien durchgeführt, die die USA und Europa umfassten (vergl. z.B. Bruno & Steinmüller 1977, Bruno & Hörster 1978, Steinmüller & Bruno 1979, Steinmüller 1979 – 1982).

Die Abbildung 2 zeigt beispielsweise die Ergebnisse aus einer der Studien (Steinmüller 1979), die den jährlichen Heizenergiebedarf von drei einfachen Häusern des Typs „Experimental“ (genauso gut gedämmt wie das Philips Experimentierhaus), „Swedish“ (Dämmung entsprechend der schwedischen Bauordnung) und „normal“ (schlecht gedämmtes <aber neu gebautes!> deutsches Gebäude aus jener Zeit) als Leichtbau (E, S, N) und Massivbau (EH, SH, NH) ausgeführt in vier verschiedenen europäischen und nordamerikanischen Klimaten zeigt.
Folglich war es im Bezug auf „normale“ Gebäude möglich, den Heizenergiebedarf in allen Klimaten um einen Faktor von 10 bis 20 einfach durch die Verbesserung der passiven Merkmale eines solchen Hauses zu reduzieren.

Tatsächlich zeigte sich, dass in den meisten Klimaten diese Effizienzmaßnahmen wesentlich effektiver sind, als Maßnahmen auf der Versorgungsseite (vgl. Bruno & Hörster 1978).

Es ergab sich das für eine Firma, die das Ziel hatte das Marktpotential der Versorgungsseite zu erschließen das paradoxe Ergebnis, dass Bedarf verringernde Maßnahmen höchste Priorität erhalten sollten.

Bitte beachten sie, dass diese Schlussfolgerungen auch alte Gebäude berücksichtigen, bei denen beachtliche Einsparpotentiale erkannt und Einsparmaßnahmen vorgeschlagen wurden (Hörster et al. 1980:188 ff). Analysen der Öko-Effizienz in Bezug auf das „Kosten-Nutzen Verhältnis“ der Energie (vgl. Abschnitt 2.2.2 und Hörster et al. 1980: 153 ff) zeigten, dass für zentraleuropäische Klimabedingungen (Hamburg), je nach verwendetem Heizungssystem, Einsparungen mit dem Faktor 5 – 20 ökonomisch möglich ist. Im Großen und Ganzen hat sich das bis heute (2012) nicht geändert. Lediglich die Energiepreise liegen wesentlich höher, was einen noch größeren ökonomischen Vorteil für die passiven Komponenten bringt.

Tatsächlich wurde klar, dass Gebäude ohne konventionelle Heizungssysteme betrieben werden können. Entsprechend wurde begonnen an kleinen, unterstützenden Heizgeräten zu forschen.

Da Fenster als die schwächsten Komponenten erkannt waren und passive Solarwärmenutzung intensiv diskutiert wurde, rückten Fenstersysteme in den Fokus. Es wurde gezeigt, dass hocheffiziente transluzente Wände (Bruno et al. 1979), die thermische Parameter vergleichbar zu modernen Passivhausfenstern erreichten, eine mögliche Lösung darstellen. Simulationen zeigten die Wirkung verschiedener Kenngrößen der Fenster unter verschiedenen klimatischen Bedingungen (siehe Abb. 3, Steinmüller 1979 und 1982). Es stellte sich heraus, dass in Mittel- und Nordeuropa Fensterflächen über 30 – 50% der Südfassade hinaus keinerlei Verbesserung bei bereits gut gedämmten Häusern bringen. Dies wird durch spätere Empfehlungen für die optimale Dimensionierung von Fenstern in Passivhäusern bestätigt (Feist et al. 1994). Andererseits wurde erkannt, dass in Klimaten wie dem von Albuquerque eine große Bandbreite an passiv-solaren Lösungsansätzen mit relativ simplen Fenstersystemen möglich ist (vgl. diese Ergebnisse mit Feist/Schnieders et. al. 2012).
Einer Studie über den Wärmepumpenmarkt in den Vereinigten Staaten zu folge (Bruno & Steinmüller 1979) wurden Isolinien für die Vereinigten Staaten berechnet, die Orte gleichen Heizungs-, beziehungsweise Kühlungsbedarfs und die zugehörigen Auslegungslasten zeigten. Diese Studie zeigte für Einfamilienhäuser mit ca. 160m² Wohnfläche, dass erhöhte Dämmstandards den Heiz- und Kühlbedarf in einer Größenordnung von 10 W/m² senken können. Dies entspricht exakt den Werten eines Passivhauses, die leicht mit einer einzigen Kleinwärmepumpe – also einem sehr stark vereinfachten Heizsystem - abgedeckt werden können. Dies wiederum ist genau das Kernprinzip eines Passivhauses, welches sich heute in zehntausenden von realisierten Projekten bewährt hat.

Zusammenfassend ist zu sagen: Es wurden die Grundlagen bezüglich technischer und ökonomischer Abwägungen der Versorgungsseite und der Nachfrageseite ermittelt, sowie die Machbarkeit hocheffizienter, nachhaltiger Wohnbauten in verschiedenen Klimata der westlichen Welt nachgewiesen. Insbesondere wurden grundlegende Erkenntnisse hinsichtlich der weltweiten Relevanz von passiven Lösungsstrategien gewonnen. Für diese Errungenschaften wurde das Philips-Team mit Dr. Günther Bergmann, Dr. Richard Bruno, Dr. Wilhelm Hermann, Dr. Horst Hörster, Dr. Reinhard Kersten, Ing. Klaus Klinkenberg und Dr. Bernd Steinmüller im Jahr 2012 mit dem „Passive House Pioneer Award“ ausgezeichnet. Bernd Steinmüller hat sich seit 1997 wieder intensiv mit der Forschung zum effizienten Bauen beschäftigt und ist weiterhin ein Vorreiter und weltweiter Verbreiter der ursprünglichen Ideen.

Quellen

Die angegebenen Quellen sind nur eine Auswal aus [Steinmüller 2008, p.123ff] ergänzt mit aktuellen Verweisen.

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