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Am Beispiel "Verkehr"...
Wir müssen etwas tun (?)
Das hören wir von Seiten vieler Aktivisten jetzt ganz oft: „Wir müssen etwas tun“.
Die nüchterne Wahrheit ist: Wir tun doch seit Jahrzehnten ganz viel, das ist es doch gerade:
- immer mehr Personen fahren immer mehr Kilometer mit immer schwereren Autos und immer höheren Geschwindigkeiten
- immer mehr Personen bewohnen immer größere Wohnungen mit immer höherem Komfortanspruch
- immer mehr Menschen verzehren immer mehr (Rind-)Fleisch aus immer weiter entfernten Versorgungs-Ketten
- …
Der Ausstoß an CO2 ist letztlich ein Produkt dieser Einzelfaktoren „immer mehr“ bei jedem einzelnen Punkt. Und dann die Summe.
Hier am Beispiel „Auto“ ausgeführt - bei den anderen Punkten ist es ganz analog.
(immer mehr Autos) · (immer mehr Kilometer) · (immer mehr In-Effizienz) · (immer höhere Reibungsverluste)
NAuto · sFahr · esprit · ffast
Jeder der einzelnen Faktoren kann für sich allein die Emissionen um den betreffenden Faktor erhöhen - oder auch senken, wenn die anderen zunächst als gleichbleibend angesehen werden (solche „Annahmen“ zu treffen sind nicht 'imperativ', selbstredend können und werden sich auch die anderen Faktoren ändern. Gerade dieses Produkt erlaubt es, diesen 'komplexen' Einfluss insgesamt abzubilden. Nur: erst einmal zu verstehen, was der einzelne Faktor macht, ist beriets ein (kleiner) Schritt zum Verständnis der (dann am Ende doch gar nicht mehr so) komplexen Zusammenhänge1).
NAuto Je mehr von denen, desto höher der Verbrauch bei sonst gleichen übrigen Parametern. Hier „tun wir“ wirklich etwas: Nämlich immer mehr (Autos) bauen, mit der Folge, dass der Verbrauch steigt. |
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sFahr Je höhere die 'Fahrleistung' (eigentlich eine Fahrdienstleistung je Fahrzeug), desto höher der Verbrauch. Tatsächlich fährt in Deutschland heute jedes Fahrzeug sogar eher ein Bisschen weniger als noch vor 10 Jahren. Der Effekt ist aber bisher gering. Könnten wir das verbessern? Da ist vor allem die Frage, was wir unter „besser“ verstehen. 'Mehr tun' würde auch hier bedeuten „mehr fahren“ (im Sinne einer von Politik und Wirtschaft angestrebten 'erhöhten Mobilität'2). Das würde den Verbrauch dann steigern. Weniger tun wäre dabei im Grunde besser.3) |
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esprit Je höher der Spritkonsum je 100 km, desto höher der Verbrauch. Dieser Faktor hat eine enorme Variabilität: Alles von 10 kWh/(100km) bis über 120 kWh/(100km) ist heute am Vierrad-Fahrzeugmarkt zu bekommen. Sogar ganz große schwere Autos gibt es mit unter 20 kWh. Und „billige“ Gebraucht-Kleinwagen mit über 120 kWh. Das ist die Schraube, an der wir drehen können. Natürlich braucht das den Austausch einer ganzen Fahrzeuggeneration, bis es dann umfassend wirksam wird. Aber: Solange noch die 120er Fahrzeuge verkauft werden, „läuft da“ sowieso nicht viel. Übrigens: Das neue Fahrzeug ist da das „ohnehin-Tun“ (natürlich könnten wir davon auch sowieso weniger tun, s.o., die Wirkung wäre dann noch ein wenig bedeutender; aber ein Faktor 5 weniger durch ein effizientes Neufahrzeug ist schon einmal etwas, das sind -80%4) ). Hier ist es also interessanterweise so: Durch ein kleines Bisschen „mehr-Tun“ (eben: effizientes Fahrzeug statt Spritfresser anschaffen) können wir den Verbrauch sogar bedeutend reduzieren. Dafür genau waren die Vorgaben der EU-Kommission zur Sprit-Effizienz der Neufahrzeuge gedacht; gegen die sich Deutschland (erst die Regierung durch Intervention in Brüssel, dann die Autoindustrie durch Täuschungsmanöver) so erfolgreich gewehrt hat. Dadurch haben sich gut 10 Jahre lang die durchschnittlichen esprit-Werte kaum geändert. Das hat 10 Jahre Umstellzeit für diese 'bequeme' Lösung gekostet. In 4 Jahren lassen sich eben nicht alle Altfahrzeuge durch effizientere ersetzen5). In nur einem Jahr schon gar nicht.6) | Der spezifische Energiebedarf von Personen-Kraftfahrzeugen in Deutschland (1990 bis 2019). Das ist das Maß für die technische In-Effizienz der Fahrzeuge. Bis etwa 2008 wurde die Effizienz tatsächlich jährlich um etwa 1 Zehntel Liter je 100 km verbessert. Seither ist da praktisch nichts mehr passiert. Dabei wäre das ein relativ bequemer Weg, viele Probleme zugleich zu lösen. Übrigens: Mit der konsequenten Einführung elektrisch angetriebener Fahrzeuge erhöht sich die Effizienz tatsächlich mit jedem Elektro-KfZ, dass einen Verbrenner ersetzt. Auch heute schon, in der Größenordnung eines Faktors 2. Je zügiger zugleich die Umstellung auf erneuerbare Energieerzeugung umgesetzt wird, je schneller wird aus diesem Faktor sogar ein Faktor 4. Sogar CO2-frei wird die Mobilität damit letztendlich; bis zur völligen CO2-Reduktion auf „Null“ vergehen allerdings noch ein paar Jahrzehnte, denn dazu müssen dann auch die Fahrzeuge und die Windräder CO2-frei produziert werden - das geht, ist aber erst dann vollständig vollzogen, wenn die gesamte Energieversorgung vollständig aus erneuerbarer Energie kommt7). Nachtrag (Jan 2024): Der Europäische Rechnungshof kam in einem Bericht vom 22. Januar 2024 zu dem gleicher Ergebnis (Quelle: "Effizientere Motoren, aber schwerere Autos". Seit etwa 2010 wurde die Effizienz der PKW so gut wie nicht mehr verbessert, obwohl es natürlich weiteren technologischen Fortschritt gab. Der Fortschritt wurde vor allem durch erheblich schwerer werdende Fahrzeuge aufgefressen. Das hat eine einfache Ursache: Die deutsche Bundesregierung hatte in Brüssel durch massiven Druck durchgesetzt, dass die größeren und schwereren PKW auch mehr verbrauchen 'dürfen'. Mit einer solchen Vorgabe wird diese Entwicklung geradezu eingeladen. ). |
ffast Das ist sozusagen der 'Rennfahrerfaktor'. Einem Teil der Menschen macht das offenbar Spaß - und das wäre ja auch OK, es gibt auch Bungee-Springer und Extrem-Sportler. Zu einem gewissen Anteil würde dies noch nicht einmal Probleme bereiten. Die Probleme ergeben sich vielmehr dadurch, dass es zur allgemeinverbindlichen „Mutprobe“ erklärt wird, mit 200 über die Autobahn zu brettern und (wem auch immer) durch aggressives Lichthupen zu imponieren. Solange nicht wenige von uns das im Stillen eigentlich bewundern, solange das ein gültiger Maßstab für die 'Wertigkeit' einer Person ist, sollten wir uns über die eintretende Entwicklung nicht wundern.8) |
Ein Effekt, der viele bei der Betrachtung verwirrt, ist, dass die hier zunächst im Produkt eingesetzten vier Faktoren (Anzahl; Dienstleistungsfaktor; Effizienzfaktor; Steigerungs-Faktor) in vielen Fällen nicht unabhängig voneinander sind. Wir können das für das Beispiel Verkehr diskutieren: Wenn wir die Betrachtung zunächst auf eine räumlich begrenzte Gesamtheit mit bereits hohem Wohlstand begrenzen, können wir leicht eine Abhängigkeit zwischen den ersten beiden Faktoren einsehen. Begrenzen wir uns also auf den Raum „Deutschland“9): Einige der heute dazukommenden PKW sind Zweit- (oder Dritt- oder …)Wagen, die der gleichen Person gehören. Diese Person kann zwar leicht z.B. zwei Fernsehgeräte gleichzeitig laufen und Strom verbrauchen lassen, aber offensichtlich (bisher!) nicht zwei KfZ gleichzeitig steuern. Die gesamte Fahrleistung wird nicht mehr proportional zur Zahl der KfZ je Einzelperson zunehmen: Eine absolute Sättigung würde offensichtlich dann erreicht, wenn die betreffende Person ihre gesamte wache Zeit fahrend am Steuer verbringen müsste10). Die tatsächliche Abhängigkeit der Kilometerleistung von der PKW-Anzahl je Person bestimmt sich durch soziale und psychologische Prozesse; derzeit kann das nur empirisch erhoben werden. Die Statistiken in Deutschland weisen diesbezüglich darauf hin, dass der Sättigungseffekt bereits einen hohen Einfluss hat: Denn, die Fahrleistungen je PKW reduzieren sich und sogar die Gesamtfahrleistung nimmt (wenn auch nicht stark) ab. Letzterer Effekt könnte allerdings auch 'vorübergehend' und nur eine Folge der Pandemie sein [KBA 2021].
Literatur
[KBA 2021] Kraftfahrbundesamt: Entwicklungen der Fahrleistungen nach Fahrzeugarten seit 2016, Inernet-Link