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Messkonzept

Das zu erarbeitende Messkonzept besteht aus ganz unterschiedlichen inhaltlichen und technischen Bereichen, die einzeln behandelt werden müssen. Dabei sind alle Entscheidungen im Normalfall auch immer beeinflusst von den entstehenden Kosten bzw. dem vorhandenen oder geplanten Budget. Eine Übersicht über die bei einem Gebäudemonitoring entscheidenden Bestandteile eines Messkonzeptes ist in Abbildung 2 dargestellt. Die einzelnen Punkte werden im folgenden Text einzeln behandelt.

Abbildung 2:
Zu klärende Bestandteile eines Messkonzeptes für ein Gebäudemonitoring.


Detailtiefe

Zunächst muss die Detailtiefe der geplanten Messung festgelegt werden. Wie angesprochen reicht hier der Bogen von der reinen „Erfolgskontrolle“ bis zu detaillierten Fragestellungen zu Einzelkomponenten. Für die einzelnen Messgrößen bzw. die zu untersuchenden Bereiche muss dann ebenfalls jeweils geklärt werden, in welcher Tiefe die Informationen benötigt werden. Als einfaches Beispiel dazu kann z. B. die Messung einer Wärmemenge dienen: Ist es ausreichend nur die kumulierte Wärmemenge zu messen, oder sind weitere Parameter wie Vor- und Rücklauftemperaturen, Durchflussmenge und Momentanleistung notwendig bzw. von Interesse?

Zu diesen Überlegungen gehört auch die Klärung welche Einflussfaktoren gemessen werden sollen, welche nur abgeschätzt werden und bei welchen eine einfache Annahme ausreicht. Will man z. B. Aussagen zur thermischen Behaglichkeit in einem Raum machen, sind Größen wie Luft- und Strahlungstemperatur, Luftfeuchte, Luftgeschwindigkeit und Turbolenzgrad der Luft gut messtechnisch zu erfassen. Die exakte Erfassung der Anzahl der anwesenden Personen, ihres Aktivitätsgrads und der Art der Bekleidung dagegen ist messtechnisch schon deutlich aufwendiger. Auch die exakte Messung der passiven Solargewinne nur für diesen Raum oder der genauen Größe der internen Wärmequellen (Stromverbrauch, Abwärme Rohrleitungen, Verdunstung Zimmerpflanzen etc.) wäre z.T. sehr aufwendig. Hier muss vorab festgelegt werden, bei welchen Einflussfaktoren eine Schätzung oder Annahme ausreichend ist.

Nur die rechtzeitige Planung der tatsächlich notwendigen Sensoren schützt vor teurer, späterer Nachrüstung bzw. umgekehrt, bei unnötig vielen Messstellen vor einer unnötigen Datenflut. Auch die später bei der Auswertung nicht genutzten Messdaten müssen über die gesamte Messdauer geprüft und weiterbearbeitet werden. Hier summiert sich schnell eine große Datenmenge, die – trotz der heute kostengünstigen Speichermöglichkeit – vermeidbar ist. Es sollten vor dem Beginn der Messung immer die notwendigen Messgrößen identifiziert werden.

Anmerkung zum Speicherplatz: Als Grundsatz zwingend erforderlich ist in jedem Fall das Abspeichern der unveränderten Originaldaten. Nur mit diesen kann später z. B. Fragen auf den Grund gegangen werden und ausgeschlossen werden, dass sich nicht doch in der Datenumwandlung ein Fehler eingeschlichen hat.

Zeitliche Auflösung

Als nächstes ist es sinnvoll, die notwendige zeitliche Auflösung der Messungen zu ermitteln und festzulegen. So kann es z. B. ausreichen, nur Monatsdaten einer Wassermenge zu erfassen; für die Beurteilung des Taktverhaltens einer Wärmepumpe kann es dagegen zwingend sein, zumindest Minutenwerte oder sogar noch kürze Zeitintervalle vorzusehen. Die erforderliche zeitliche Auflösung hat direkten Einfluss auf die Art der Datenerfassung: Monatswerte können ggf. „per Hand“ ausgelesen werden, für automatisierte Ablesungen muss das Messsystem entsprechend der notwendigen Geschwindigkeit geeignet sein. Die Entscheidung über die zeitliche Auflösung der Messung wird maßgeblich von den zu beantwortenden Fragestellungen geprägt. Gibt es nur die Möglichkeit, ein gemeinsames Messintervall für alle Messstellen zu realisieren, wird sich dieses nach der höchsten zeitlichen Auflösung richten müssen. Ein gemeinsames Messintervall für alle Messstellen kann die spätere Auswertung, z. B. die Berechnung abgeleiteter Größen und die grafische Darstellung erheblich erleichtern.

Für die Auswahl der zeitlichen Auflösung gilt dann insbesondere das oben genannte zum Speicherplatz: Unnötige Datenmengen (sog. „Datenfriedhöfe“) sollten vermieden werden.

Art der Messung

Nach Klärung dieser Punkte kann die Art der Messung festgelegt werden. Dazu zählen die eigentlichen Sensoren, die zur Erfassung der notwendigen Größen ausgewählt werden. Häufig gibt es ganz unterschiedliche physikalische Möglichkeiten, eine Größe messtechnisch zu erfassen. Als Beispiel soll hier die Messgröße „relative Luftfeuchte“ genannt werden: Die verbreitetste Methode sind kapazitive Sensoren, welche die Änderung der Dielektrizitätskonstante und damit die Änderung der Kapazität eines Dünnschichtkondensators messen. Es gibt aber auch andere Verfahren wie die psychrometrische Messung (Vergleich eines befeuchteten und eines unbefeuchteten Temperatursensors), die Messung der Längenänderung von Materialien (z. B. Haaren) oder auch den Taupunktspiegel (Abkühlung eines Spiegels, bis sich Luftfeuchtigkeit niederschlägt; Messung mit Lichtquelle und Photosensor). Diese Verfahren haben alle sowohl Vor- als auch Nachteile in Bezug auf Genauigkeit, Kosten, Einsatzgebiet und Wartung. Hier gilt es für jeden Einzelfall abzuwägen und nach den konkreten Anforderungen eine Entscheidung zu fällen. Betroffen davon sind alle auszulegenden Sensoren und auch die Messeinrichtungen (z. B. Strom-, Wasser- und Wärmezähler).

Zur „Art der Messung“ zählt auch der weitere Verarbeitungsweg der gemessenen Daten: die Art der Datenübertragung und Datenaufzeichnung. Auch hier gibt es keine Patentlösung für alle Fälle. Je nach Anforderung und Messkonzept können die Daten per Hand aufgeschrieben werden, am Messort auf Ein- oder Mehrkanal-Datenloggern aufgezeichnet werden oder alle zentral von einer Datenerfassung abgefragt und abgespeichert werden. Dazu kann jeder einzelne Sensor bzw. jede Messeinrichtung direkt mit der zentralen Datenerfassung verbunden werden oder es wird ein Bussystem aufgebaut.

Als nächstes ist es notwendig, vorab zu klären, wie die Datenübertragung technisch organisiert werden soll. Entweder werden die Daten von der Datenerfassung bei Besuchen vor Ort ausgelesen oder es wird technisch ein Fernzugriff über Telefonleitung bzw. Internet eingerichtet. Letzteres bietet den nicht zu unterschätzenden Vorteil, dass eine regelmäßige Prüfung der eingehenden Daten leichter möglich ist (s.u.).

Die weitere Datenverarbeitung muss für eine Routine ebenfalls geplant werden. Welche Datenformate werden übergeben, wie werden die Daten eingelesen bzw. umgewandelt und mit welchen Programmen ist dann eine Auswertung möglich? Hier gibt es wieder ein breites Feld der Möglichkeiten vom manuellen Eingeben oder Einlesen in eine Tabellenkalkulation (z. B. MS-Excel) bis hin zur halbautomatischen Umwandlung und Aufbereitung der Daten mit Ausgabe von Überschreitungswerten und auffälligen Abweichungen in speziell angepasster Software zur Datenauswertung. Nach oben ist der Automatisierung fast keine Grenze gesetzt, technisch ist viel möglich. Es muss immer der Aufwand bei einer meist temporär begrenzten Messung berücksichtigt werden. Werden Daten von extern betriebenen GLT-Anlagen verwendet, ist neben der Datenübergabe auf jeden Fall – möglichst früh – das Datenformat und die zeitliche Auflösung eindeutig zu klären.

Eine zeitlich feinmaschige Datenkontrolle ist ganz besonders wichtig um sicherzustellen, dass keine längeren Datenausfälle entstehen. Defekte einzelner Sensoren bis hin zum Ausfall der gesamten Datenerfassung können auftreten und sollten dann möglichst schnell erkannt und behoben werden. Diese Kontrollen können sehr unterschiedlich durchgeführt werden: Die Möglichkeiten reichen von einer manuellen Kontrolle, durch z. B. Prüfung von Dateigrößen oder Kurvenplots, bis hin zur automatisierten Kontrolle, welche bei Überschreitung von Grenzwerten bzw. bei Ausfällen eine E-Mail generiert oder eine Meldung auf ein Handy absetzt. Auch dafür müssen die Vor- und Nachteile, insbesondere auch wieder die Kostenseite, in jedem Projekt abgewogen werden.

Messabweichung

Die Messabweichung der einzelnen Sensoren sowie der gesamten Messkette (Sensor, Kabel, Umwandlung) müssen beim Erstellen des Messkonzeptes von Beginn an berücksichtigt werden. Die Entscheidung für eine entsprechende Qualität der Messgenauigkeit muss ebenfalls von der Aufgabenstellung abgeleitet werden. Beispiel: Reicht eine ungenauere Temperaturmessung mit grober Auflösung zur Einschätzung der Klimabedingungen oder sollen technische Funktionen beurteilt werden, bei denen kleinste absolute Abweichungen bereits eine Rolle spielen? Nach den entsprechenden Anforderungen können dann Sensoren und Messkette projektiert werden.

An dieser Stelle soll auf den wichtigen Unterschied von „Genauigkeit“ (umgangssprachlich auch „Fehler“) und „Auflösung“ eingegangen werden: Bei einer Messung ist es grundsätzlich nicht möglich, „exakt richtig“ zu messen. Es sind diverse Ursachen vorhanden, die verhindern, dass die Messgröße vollständig korrekt erfasst werden kann. Die Abweichungen des Messwertes vom „wahren Wert“ (siehe [DIN V ENV 13005]) der zu messenden Größe wird nach [DIN 1319-1] als „Messabweichung“ oder „Abweichung“ bezeichnet (früher auch „Messfehler“). Dagegen handelt es sich bei der „Auflösung“ um einen Kennwert eines Messgerätes bzw. der Messkette, welcher angibt, wie detailliert ein Messwert abgelesen werden kann. Es wird also die Größe des kleinsten, eindeutig wahrnehmbaren Unterschieds ausgewiesen. Im Normalfall ist die Auflösung höher als die Genauigkeit. Dies ist auch der Grund, warum es sinnvoll ist, in der endgültigen Publikation die digital angezeigten Kommastellen eines Messgerätes nur mit Hinblick auf die Genauigkeit anzugeben. Beispiel: Es ist nicht sinnvoll I = 4,5984 A auszuweisen, wenn mit einem Messgerät gemessen wurde, was nur über eine Genauigkeit von ΔI = +/- 0,1 A verfügt.

Abgrenzung

Es ist sinnvoll, sich bereits beim Erstellen des Messkonzeptes über die Grenzen der Aussagekraft der geplanten Messung Gedanken zu machen. Diese Grenzen stellen kein Manko der Messung dar, sondern werten die Aussagekraft auf. Damit wird klar, was gesichert ausgesagt werden kann und was nicht. Nicht alles kann gemessen werden, und was gemessen wird, unterliegt verschiedenen Einschränkungen. Es müssen plausible Annahmen getroffen werden für die im Projekt nicht erfassbaren Größen bzw. Einflussfaktoren.

Beispiel: Zur Feststellung der Behaglichkeit in einem Büroraum werden Raumluft- und Oberflächentemperatur, Luftströmungsgeschwindigkeit und Turbulenzgrad sowie die Strahlungsasymmetrie gemessen. Über die Bekleidung und Aktivität des Nutzers gibt es aber keine (zeitlich aufgelösten) Aussagen. Hier werden plausible Annahmen benötigt. Mit den festgestellten Werten (z. B. PMV und PPD nach [DIN EN ISO 7730]) können keine Aussagen zu ihren Ursachen gemacht werden. Die internen Wärmequellen, Personenanwesenheit, Anteil der Solarstrahlung, Fensteröffnungen, Stellung der Verschattung etc. wurden nicht messtechnisch erfasst. Hier können Annahmen und Abschätzungen weiterhelfen. Die Annahmen schränken die Aussagekraft der Messung ein. Es können aber z. B. bei der Festlegung verschiedener Bekleidungsarten entsprechende Werte aus der Messung abgeleitet werden. Weiterführende Informationen zu solchen Messungen finden sich z. B. in den Ausführungen im Protokollband Nr. 25 „Temperaturdifferenzierung in der Wohnung“ [AkkP-25].

Für die Aussagekraft der Messung ist eine solche Abgrenzung unumgänglich.

Siehe auch

Vorhergehender Abschnitt

Messkonzept, Störgrößen und adäquate Lösungen - Einleitung, Messaufgabe, Zusammenfassung und Literatur

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