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Leistbares Wohnen

Im sozialen Wohnbau kann die erforderliche Verbesserung der Energieeffizienz mit geringen Mehrinvestitionen erreicht werden. Das zeigen zahlreiche realisierte Bauprojekte, von denen einige in weiteren Beiträgen des Protokollbandes 55 im Detail vorgestellt werden [AKkP 55]. Bei einigen dieser Projekte konnten die Mehrinvestitionen sogar auf nahe Null reduziert werden. Das wird mit zunehmender Verfügbarkeit geeigneter Komponenten am Markt künftig immer leichter umsetzbar.  

Passivhaus-Beispiele für den kostengünstigen Wohnbau

Relevante Bestandteile des dafür zielführenden Passivhausstandards sind:

  • Die Wärmedämmung opaker Hüllflächen: Für den Geschosswohnbau relevant ist vor allem die Wärmedämmung der Außenwände, da die Flächenverhältnisse von Dachfläche und Grundfläche zu Wohnfläche mit zunehmender Wohnungsanzahl (Geschosszahl und Wohnungen je Geschoss) stark abnehmen. Passivhaus übliche Dämmstärken liegen selbst bei teureren Dämmsystemen mit Mineralwolle im kostenoptimalen Bereich.
  • Passivhaus geeignete Fenster: Bei Fenstern mit Passivhausqualität gab es in den vergangenen Jahren bedeutende Fortschritte in jeder Beziehung: Die Rahmen wurden schmaler und die Differenzkosten zu „gewöhnlichen Fenstern“ reduzierten sich. Für den hier zur Diskussion stehenden sozialen Wohnbau werden generell kostengünstige Fenster (in der Regel Kunststofffenster) verwendet.
  • Gute Luftdichtheit der Gebäudehülle (n50 ≤ 0,6 h-1): Eine ausreichende Luftdichtheit der Gebäudehülle ist die Grundvoraussetzung für eine dauerhaft schadensfreie Konstruktion. Ausreichend luftdicht ist in diesem Sinn bei einer hüllflächen-bezogenen spezifischen Leckagerate von q50 unter 0,5 m³/(m²h) gegeben. Diese Qualität reicht bei einem Mehrgeschosswohnbau immer aus, um einen Luftdichtheitskennwert von n50 < 0,6 h-1 zu erreichen; das ist genau der Anforderungswert für den Passivhausstandard. Allein aus Gründen des Bautenschutzes ist diese Qualität ohnehin erforderlich, sie zu erreichen ist vor allem eine Aufgabe guter Planung, die Kosten dafür sind gering - und die Mehrkosten für die Passivhausqualität in Wahrheit nicht vorhanden (ohnehin erforderlich!). Wir setzen die Kosten für den Luftdichtheitstest hier trotzdem an; einfach, weil dieser zwar sachlich notwendig ist - aber eben derzeit leider meist nicht durchgeführt wird.
  • Wärmebrückenfreie Konstruktionen: Wärmebrückenfreie Konstruktionen sind am praktisch ausgeführten Gebäude nicht teurer als eine Bauweise ohne sorgfältige Planung in dieser Beziehung; eine Ausnahme sind dabei nur die thermisch getrennten Balkonauskragungen – auch diese sind allerdings heute weitgehend aus bauphysikalischen Gründen zur Selbstverständlichkeit geworden.
  • Kontrollierte Lüftung mit Wärmerückgewinnung: Es wird inzwischen in der Bauwirtschaft kaum noch bestritten, dass ein gesicherter Luftaustausch bei neuen und sanierten Wohnbauten unverzichtbar ist. Eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung leistet zudem einen hohen Beitrag zur Energieeinsparung in Ge-schosswohnbauten (von ca. 20 kWh/(m²a)). Die Investitionskosten für solche An-lagen sind in den letzten Jahren stark gesunken - und deren Wirtschaftlichkeit im Lebenszyklus inzwischen unbestreitbar.

Bei Beachtung der grundlegenden Regeln und sorgfältiger Planung kann der Passivhausstandard heute mit Investitionen von unter 100 Euro/(m² Wohnfläche) erzielt werden (vgl. Abbildung 8). Realisierte Beispiele liegen oft noch weit darunter; es gibt hier leider ein gewisses methodisches Problem weil plus-minus ca. 150 €/m² deutlich unter der statistischen Schwankungsbreite aktueller Baukosten identischer Bauvorhaben bei einfach nur unterschiedlichen Ausschreibungsergebnissen liegen. Das allein weist schon darauf hin, dass die hier diskutieren Mehrinvestitionen im Vergleich zu anderen Kosten am Bau nicht bedeutend sind.

Die Verbesserung der Energieeffizienz beim Passivhaus ermöglicht es nachweislich, bezahlbaren Wohnraum bei nur wenig höheren Investitionskosten anzubieten.

Abbildung: Anhaltswerte zu Mehrinvestitionskosten eines Geschosswohnbaus im Passivhausstandard gegenüber den gesetzlichen Mindestanforderungen (GEG/EnEV) (aus Bottom-up Detailanalyse)

Auswirkung auf die Miete

Werden die einzelnen Maßnahmen in Abbildung 8 aufsummiert, so ergeben sich zusätzliche Investitionskosten von 83 €/m². Dies entspricht einer Mehrinvestition von etwa 5%. Wird der zusätzliche Kapitaldienst in eine monatliche Kaltmiete umgerechnet, sind das 0,22 €/m²/Monat.

Entscheidend: Mit dem Passivhausstandard sind eben auch Energieeinparungen und somit Energiekosteneinsparungen verbunden. Gegenüber einem Geschosswohnbau gemäß den gesetzlichen Mindestanforderungen (GEG/EnEV) beträgt diese Einsparung etwa 45 kWh/(m²a) und die resultierende Energiekosteneinsparung daraus 4,50 Euro/m² im Jahr bzw. 37,5 Cent/m² im Monat.

Effektiv reduziert sich somit die Warmmiete um ca. 15 Cent/m². Für Gebäude mit einem Heizwärmebedarf von weniger als 15 kWh/(m²a) – Passivhausgebäude – sind gemäß Heizkosten-Verordnung Warmmieten-Modelle (d.h. Entfall der Verpflichtung zur verbrauchsabhängigen Abrechnung) möglich. Wird auf eine Heizkostenabrechung verzichtet, spart dies nochmals monatlich mehr als 5 Cent/m².

Wie das Beispiel im Geschosswohnbau zeigt, spricht auch die Ökonomie für die hohe Energieeffizienz beim Passivhaus und das bereits ohne Berücksichtigung der attraktiven aktuellen Förderprogramme. Hier ist Klimaschutz zum Nulltarif möglich1).

Schlusswort

Wie aktuelle Untersuchungen belegen, sind Passivhäuser eine langlebige Lösung [Feist et al 2016]. Das erste gebaute Passivhaus in Kranichstein ist auch nach 30 Jahren immer noch ohne einen Sanierungsbedarf an irgendeiner der entscheiden-den Komponenten.

Zusammengefasst bietet das Passivhaus gleich mehrere Vorteile:

  • optimale Behaglichkeit
  • gesunde Raumbedingungen (immer ausreichende Lüftung)
  • reduzierte Gesamtkosten
  • Lösung für den Klimaschutz
  • Perspektive für eine nachhaltige Wirtschaft (Wertschöpfung vor allem bei kleinen und mittleren Betrieben)
  • Förderung von Teilhabe und Verständnis (alles ist leicht zu verstehen und zu Vielem können die weitaus meisten Nutzer sogar eigene Beiträge zusteuern. Vor allem aber ein Bildungsschub für das Handwerk und andere baubezogene Gewerke.)

Ist die Klimaschutz–Aufgabe noch lösbar? Schon: Wenn wir bald konkret entscheiden, dies zu tun. UND: Wenn wir dann gemäß dieser Entscheidung handeln.

Die Beiträge des Protokollbandes 55:

2021 55 Sozialer Geschosswohnbau: Kostengünstig und energieeffizient - (k)ein Widerspruch?Prof. Dr. Wolfgang Feist Mögliche Beiträge des Wohnbaus zum Erreichen der Klimaschutzziele
2021 55 Sozialer Geschosswohnbau: Kostengünstig und energieeffizient - (k)ein Widerspruch?Esther GollwitzerKosten für energieeffizienten Wohnungsbau - eine Frage guter Planung?
2021 55 Sozialer Geschosswohnbau: Kostengünstig und energieeffizient - (k)ein Widerspruch?Oliver KahGesamtkostenbetrachtung mit dem vollständigen Finanzplan und Lebenszykluskosten im Vergleich
2021 55 Sozialer Geschosswohnbau: Kostengünstig und energieeffizient - (k)ein Widerspruch?Marc GroßklosAnsätze zur Reduktion der Nebenkosten im PassivhausSozialPlus
2021 55 Sozialer Geschosswohnbau: Kostengünstig und energieeffizient - (k)ein Widerspruch?Christian KuhlmannFördermöglichkeiten für den energieeffizienten Wohnungsbau
2021 55 Sozialer Geschosswohnbau: Kostengünstig und energieeffizient - (k)ein Widerspruch?Martin PloßModellvorhaben zum kostengünstigen Wohnbau
2021 55 Sozialer Geschosswohnbau: Kostengünstig und energieeffizient - (k)ein Widerspruch?Harald Konrad Malzer5-Euro-Wohnen in den Passivhäusern der NHT
2021 55 Sozialer Geschosswohnbau: Kostengünstig und energieeffizient - (k)ein Widerspruch?Folkmer RaschWarmmietenmodell und PassivhausSozialPlus1 in Darmstadt
2021 55 Sozialer Geschosswohnbau: Kostengünstig und energieeffizient - (k)ein Widerspruch?Ralf WernerProjektbeispiele aus Gießen: Neubau und energetische Modernisierung
2021 55 Sozialer Geschosswohnbau: Kostengünstig und energieeffizient - (k)ein Widerspruch?Robert PerschErfahrungen und Bewohnerbefragung im PH-Stadtteil HD-Bahnstadt
2021 55 Sozialer Geschosswohnbau: Kostengünstig und energieeffizient - (k)ein Widerspruch?Tanja SchulzLösungen für die Gebäudehülle
2021 55 Sozialer Geschosswohnbau: Kostengünstig und energieeffizient - (k)ein Widerspruch?Kristin BräunlichLösungen für den kostensgünstigen Wohnbau Wohnungslüftung mit WRG
2021 55 Sozialer Geschosswohnbau: Kostengünstig und energieeffizient - (k)ein Widerspruch?Oliver KahGebäudetechnik: Zu-/Abluftanlage mit WRG vs. Abluftanlage
2021 55 Sozialer Geschosswohnbau: Kostengünstig und energieeffizient - (k)ein Widerspruch?Dr. Witta Ebel, Oliver KahZusammenfassung und Schlussfolgerungen



Literatur

[AKkP 55] Arbeitskreis kostengünstige Passivhäuser: Sozialer Geschosswohnbau: Kostengünstig und energieeffizient (k)ein Widerspruch? Protokollband Nr. 55, Darmstadt 2021 (kostenloser download ist verlinkt)

[Alberti 2012] R. Alberti: Beitrag der Wärmeverluste von Heizungsanlagen zum Heizenergiebedarf - Effizienz und Effektivität? Vortrag anlässlich FIW Wärmeschutztag 2012 in München. http://www.waermeschutztag.de/media/pdf/wtag2012/Vortrag-02-TG.pdf (Zugriff 30.01.2013).

[Andersen et al. 2007] E. Andersen; J. Fan; S. Furbo: Heat losses from pipes connected to hot water storage tanks. Paper X als Teil der Dissertation von E. Andersen „Solar Combi Systems“. Department of Civil Engineering, Technical University Denmark; Lyngby 2007.

[BMU 2019] Klimaschutz in Zahlen, Fakten, Trends und Impulse deutscher Klimapolitik, BMU 2019.

[EDGAR 2018] EDGAR (2018): Fossil CO2 emissions of all world countries. http://edgar.jrc.ec.europa.eu/

[Feist et al 2016] W. Feist, R. Pfluger, M. Kirchmair, W. Ebel, S.Peper: 25 Jahre Passivhaus Darmstadt Kranichstein. Enbericht. Passivhaus Institut 2016.

[IPCC 2018] IPCC: Global Warming of 1.5°C, an IPCC Special report, Genova 2018

[Miller et al 2014] Miller et al 2014: CMIP5 historical simulations (1850–2012) with GISS ModelE2;J. Adv.Model.EarthSyst.6, 441–478

[Sagan 1990] Carl Sagan: „The pale blue dot“; full text documented from the „Planetary Society“, 1990 (aufgerufen am 20.09.2021) https://www.planetary.org/worlds/pale-blue-dot

[Susskind et al 2019] Susskind et al 2019: Recent global warming as confirmed by AIRS; Environ. Res. Lett. 14(2019)

1)
Bemerkung vom Januar 2023: Wir haben in diesem Beitrag mit mittleren heizwärmekosten von 10 Cent/kWh gerechnet, das war vor der Gaskrise. Inzwischen sind rund 15 Cent/kWh für die Zukunft realistisch(marginale Kosten einer kWh Heizwärme inkl. Hilfsenergie und leistungsabhängigen Wartungs- und Kapitalkosten). Damit kostet die Dienstleitung 'behagliches Heizen', bereitgestellt durch Energieeffizienz, beim Endverbraucher hier nur weniger als die Hälfte als der Pfad über konventionelle Energiebeschaffung.
beispiele/wohngebaeude/sozialwohnbau.txt · Zuletzt geändert: 2023/01/10 22:23 von wfeist