Diese Frage war in den letzten Jahren der wichtigste Punkt in den meisten öffentlichen Diskussionen nach Vorträgen von Passivhaus Experten. Und tatsächlich haben auch fast alle Nachhaltigkeits-Bewertungssysteme ihre Schwerpunkte an ganz anderer Stelle – Energie spielt da oft nur eine kleine Rolle neben Wasser, Baustoffen, sozialer Nachhaltigkeit, Kosten und Ästhetik.
Eine Erkenntnis muss ausgesprochen werden: Ja, die Energiefrage ist die wichtigste und alles entscheidende Frage für die Entwicklung unserer Zivilisation in Richtung Nachhaltigkeit. Und: Nein, wenn Bestnoten in der Bewertung der Nachhaltigkeit vergeben werden für Gebäude, die bestenfalls mittelmäßige Qualität in Bezug auf den restlichen nicht nachhaltigen Energieverbrauch haben – dann ist das eine Irreführung der Öffentlichkeit. Hier gibt es eine Analyse zum Energieverbrauch in Deutschland.
Das ist leicht zu erkennen:
Soll das nun heißen, dass alles andere weniger wichtig oder gar unwichtig wäre? Keinesfalls, andere Themen haben in der Realität unserer Gesellschaft einen hohen Stellenwert: Der behindertengerechte Zugang, die Mülltrennung, das Wohnumfeld, eine sozial gerechte Kostenaufteilung, der Schutz unserer Baudenkmäler. Tatsache ist, dass wir für die meisten dieser Themen bereits sehr weitgehende Anforderungen – oft sogar gesetzlich – fixiert haben. Und diese stehen keinesfalls in Konkurrenz zu den Maßnahmen für eine erheblich effizientere Nutzung von Energie. Letzteres aber wurde in den Jahrzehnten nach 1950 geradezu sträflich vernachlässigt7) – der Energieverbrauch hat sich seither verfünffacht! Das heutige Pro-Kopf-Niveau an nicht erneuerbarem Energiekonsum ist in den Industrieländern immer noch ungefähr um einen Faktor Vier zu hoch für eine weltweit nachhaltige Entwicklung. Hier muss somit wirklich etwas geschehen, und zwar in signifikantem Ausmaß.
Die gute Botschaft ist: Das geht sogar. Die Möglichkeiten, die Energieeffizienz um mehr als einen Faktor Fünf zu erhöhen, stehen uns zur Verfügung – und der Energiebedarf, der dann noch verbleibt, kann weltweit nachhaltig durch regional verfügbare Energiequellen gedeckt werden. Umgesetzte Projekte in besonders engagierten Regionen beweisen dies beispielhaft schon heute – auch, dass dies geht, ohne alle anderen wichtigen Zielsetzungen zu vernachlässigen oder gar die Funktion der Infrastruktur zu gefährden8).
Gerade dies ist eine der herausragenden Eigenschaften der Energieeffizienz-Lösungen – dass sie einen vergleichsweise geringen Eingriff darstellen – sachlich wie ökonomisch. Passivhaus-Sanierungen (genannt: EnerPHit) sind z.B. auch schon unter Einbeziehung der Belange der Denkmalpflege durchgeführt worden – und sie vereiteln z.B. auch das behindertengerechte Bauen nicht.
Etwas beschäftigen müssen sich die Architekten, Planer und Handwerker mit dem Thema allerdings schon. Deshalb gibt es die entsprechenden Weiterbildungsangebote. Und letztlich sind es genau diese Berufsgruppen, die von der Entwicklung profitieren – ihre Kompetenz ist nämlich gefragt. Diese Kompetenz kann weitgestreut zur Verfügung stehen - Kenntnisse, die von vielen Menschen für viele weitere Menschen bereitgestellt werden. Das erlaubt ein weitverzweigtes Markt-Geschehen: Denn die erforderlichen Komponenten können überall auf der Welt produziert und angewendet werden; Abhängigkeiten von Oligopolen werden dadurch verringert. Die entstehenden Lösungen sind dauerhaft und fortwährend über den Einsatz von Arbeit und regional dauerhaft verfügbarer Ressourcen aufrecht zu erhalten, ohne dass dabei begrenzte Ressourcen das Planeten „endverbraucht“ werden. Das genau ist übrigens die korrekte Definition für Nachhaltigkeit.
Ein Thema, das immer wieder für Diskussionen geführt hat, sind der Energieaufwand und die Emissionen, die vorab bei der Herstellung von Materialien und Komponenten, auch und gerade am Bau, entstehen. In zwei Arbeitskreis-Sitzungen hat das Passivhaus-Institut 2022 diese Fragestellung erneut eingehend behandelt:
Übersicht der Passipedia-Artikel zur Nachhaltigen Energieversorgung mit Passivhäusern
Übersicht der Passipedia-Artikel zur Energiewirtschaft und Ökologie
Energieeffizienz - die wichtigste Energiequelle
Energieeffizienz - das große Ganze
Effizienz und Wirkungsgrad sind nicht identisch
Warum die Effizienz so stark verbessern?
Nearly Zero Energy Building? Das Passivhaus gibt eine Antwort.
Möglichkeiten zur weiteren Optimierung von Strombedarf, Hülle und Haustechnik
Erneuerbare Primärenergie (PER)
Zur künftigen Bewertung des Energiebedarfs von Passivhäusern
Nachhaltige Energieversorgung mit Passivhäusern - Zusammenfassung und Ausblick