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Der Einfluss von Hohlräumen und Lücken in der Wärmedämmung

(aktualisiert aus Erstveröffentlichung in [AkkP 18]; Autor Dr. Wolfgang Feist, 1999)

Die Wärmedämmung von energiesparenden Gebäuden soll „lückenlos“ sein. Wie streng ist diese Lückenlosigkeit zu verstehen? Die Anforderungen müssen in dieser Beziehung präzisiert werden. Zunächst brauchen wir begriffliche Klarheit zur Frage der ‚Art der Lücke‘; wir unterscheiden drei Kategorien von ‚Löchern‘ in der Wärmedämmung (Abb. 2):

I Hohlräume in Dämmungen (geschlossen); Definition: Hohlräume sind luftdicht und winddicht, allein der Dämmstoff fehlt im Hohlraum.

II Dämmlücken (einseitig offen, aber auf einer Seite luftdicht); Definition: Dämmlücken sind immer noch einseitig luftdicht - aber auf der anderen Seite der jeweiligen Luftströmung ausgesetzt, also nicht winddicht.

III Fugen (beidseitig offen, nicht luftdicht); Fugen sind noch nicht einmal luftdicht; die Auswirkungen betreffen dann auch das Gesamtgebäude (vgl. die Kapitel zu https: „Luftdichtheit“. Solche Undichtheiten bergen die Gefahr von Bauschäden und sie sind daher unbedingt zu vermeiden.).

Abb. 1: Illustration: (Foto: W. Feist beim Bauprozess des Passivhaus Darmstadt Kranichstein)
Hohlraum Dämmlücke Fuge
Abb. 2: Was wird aus der Fehlstelle gemäß Abb. 1 in der Wärmedämmung? Ein allseitig geschlossener Hohlraum? Eine nach außen offene Dämmlücke? Oder eine Fuge, die das Haus undicht macht? Je nach dem ergeben sich stark unterschiedliche Auswirkungen.

I Geschlossene Hohlräume in Wärmedämmungen

Abb. 3 zeigt den Einfluss, den ein geschlossener Hohlraum in einer Wärmedämmung der Dicke 300 mm haben kann, wenn der Hohlraum von der Innenseite bis zur Außenseite der Dämmung reicht, aber innen luftdicht abgeschlossen und außen gegen den Windangriff geschützt ist (winddicht).

Abb. 3: Verschlechterung des Wärmedurchgangskoeffizienten einer mit 300 mm Wärmedämmung versehenen Wand (1 m²) durch einen geschlossenen rechteckigen Hohlraum (1 m lang, 300mm tief, mit einer Breite b); berechnet nach verschiedenen Berechnungsmethoden. Nach den vorliegenden Ergebnissen empfehlen wir eine Abschätzung nach der Methode „Zweidim-äquivalent-λ / PHI“ (große Kreise). Die roten Dreiecke zeigen die Ergebnisse einer first-principles (computational fluid dynamics CFD) Simulation (genaueres vgl. Text).

Beim Zusammenstellen dieser Daten war das PHI überrascht, wie groß die Abweichungen bei der Einschätzung der Auswirkung des Hohlraumes bei verschiedenen Autoren und nach verschiedenen Methoden sind. Für den Praktiker ist das zunächst aus Abb. 3 erkennbare Ergebnis unbefriedigend: Je nach Abschätzmethode beträgt der zusätzliche Wärmeverlust eines rechteckigen 10 mm Hohlraums innerhalb 1 m² Wandfläche:

  • nur 9-11% nach flächenanteiliger Berechnung
  • 25% nach [CEN] unter Berücksichtigung der verursachten Wärmebrückeneffekte
  • 56% (!!) mit dem „RadCon“-Zusatzmodul zum Wärmestromprogramm „BISCO“ von Physibel, mit welchem die langwellige Strahlung exakt gerechnet und die Konvektion explizit kalkuliert wird.

Um den Dingen auf den Grund zu gehen, hat das PHI eine Berechnung der Wärmetransportvorgänge in einem solchen Hohlraum mit „first principles“, also nach den grundlegenden physikalischen Vorgängen in einer solchen Situation beim „Ingenieurbüro für Thermische Berechnungen GbR; Heidemann, Mandel & Rebholz (ITB)“ beauftragt. Bei der vorgelegten Untersuchung wurde:

  • die langwellige Strahlung einmal analytisch exakt und dann numerisch nach dem „Discrete Ordinates Modell“ gelöst; dies führt auf jeweils im Rahmen der erwarteten Genauigkeit übereinstimmende Ergebnisse,
  • die Konvektion im Hohlraum mit einem „Computational Fluid Dynamics“-Programm („CFD“) berechnet.

Abb. 4 zeigt zur Illustration einige Ergebnisse, die dem Gutachten von ITB entnommen wurden. Die Ergebnisse der für den Arbeitskreis kostengünstige Passivhäuser durchgeführten Untersuchung sind glücklicherweise beruhigend:

  • Zwar ist auch schon bei kleinen Breiten b (=1 mm bzw. 5 mm) eine freie Konvektion im Hohlraum erkennbar. Bei Luftgeschwindigkeiten von maximal 0,05 m/s ist die Auswirkung auf den Wärmeverlust jedoch vernachlässigbar gering. In diesen Fällen wird die Wärme zu 74% durch Wärmeleitung und zu 26% durch Wärmestrahlung übertragen.
  • Erst bei größeren Breiten des Hohlraums schlägt der Einfluss der Konvektion spürbar durch. Dieser vergrößert sich dann jedoch schnell und führt zu zusätzlichen messbaren Wärmebrückeneffekten im umgebenden Dämmstoff. Für einen 10 mm breiten Spalt beträgt der Ψ-Wert bereits 0,017 W/(mK), die Verschlechterung des Wärmedurchgangskoeffizienten etwa 13%.

Damit wird der zusätzliche Wärmeverlust bei den „engen Hohlräumen“ bis 5 mm ziemlich gut durch die einfachen (optimistischen) Abschätzungen wiedergegeben, während die CEN-Methode hier sehr viel höhere Verluste angibt. Nach Einsetzen einer nicht vernachlässigbaren Konvektion (b größer 10 mm) stellen sich jedoch die höheren Verluste gemäß CEN inclusive der Wärmebrückeneffekte ein. Die Zusatzverluste der hier vorliegenden Situation werden jedoch durch die angeblich „exaktere Kalkulation“ mit Hilfe des Moduls RadCon dennoch extrem überbewertet. Diese Überbewertung hat folgende Ursachen:

a) Thermographischer Schnitt horizontal
in der Mittelebene der Dämmung
b) 3-D-Darstellung des Hohlraumes
mit vertikalem thermographischem
Schnitt im Hohlraum sowie
dem oben schon gezeigten
Horizontalschnitt. Die durch
die Konvektion bedingte
Temperaturschichtung im Hohlraum
ist gut erkennbar
c) Luftgeschwindigkeitsprofile in halber
Höhe (1,375 m) der Vertikalgeschwindigkeit
in der Mittelebene des Hohlraumes.
Man erkennt, dass es auch
bei den kleinen Spaltbreiten
schon eine (sehr langsame) Luftströmung
gibt. Erst oberhalb
von 5 mm Spaltbreite macht
sich die Konvektion aber beim
Wärmeverlust bemerkbar.
Abb. 4: Ergebnisse der CFD-Untersuchung zum Wärmebrückenverlust eines quaderförmigen Hohlraums in einer 30 cm Dämmung. [Heidemann/Mandel/Rebholz 1999]
  • RadCon verwendet als maßgebliche strömungsdynamische Ausdehnung die Tiefe des rechteckigen Hohlraums in Richtung des Wärmestroms. Wenn diese ≥ 10 mm ist (was bei 300 mm hier immer der Fall ist), wird davon ausgegangen, dass thermisch wirksame Konvektion eingesetzt hat. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass auch ein enger Kanal orthogonal zur Wärmestromrichtung die Konvektion durch Reibung bremst. Es müsste also das Minimum der quaderförmigen Hohlraumausdehnungen als maßgebliche Spaltabmessung verwendet werden.
  • RadCon verwendet einen einzigen Temperaturknoten für einen quaderförmigen Hohlraum, wie er hier beschrieben wurde. Die Temperaturen in diesem Hohlraum werden dabei isotherm angenommen. Da das Füllgas (Luft) aber eine Temperaturschichtung zeigt, werden bei Hohlräumen mit kleinen Ausdehnungen (Ø 10 mm) auch hierdurch die Verluste stark überschätzt.

Als Konsequenz bleibt hier festzuhalten, dass bei quaderförmigen Hohlräumen mit einer kleinen Ausdehnung orthogonal zum Wärmestrom die Näherung mit RadCon stark überhöhte Ergebnisse und die Näherung nach CEN immer noch zu hohe Wärmeverluste liefert. Das PHI schlägt daher eine Näherungsmethode vor, bei welcher ein äquivalenter λ-Wert analog zu der Methode nach CEN, jedoch bei Hohlräumen mit einer Ausdehnung kleiner als 10 mm nur mit der langwelligen Strahlung und mit Wärmeleitung im Füllgas abgeschätzt wird. Die Ergebnisse sind in Abb. 3 bereits mit dargestellt: Die Stützpunkte der mit den „First Principles“-Methoden gewonnenen Ergebnisse sind als große rote Dreieck-Symbole eingezeichnet. Die dick durchgezogene Linie mit den großen Kreissymbolen gibt die vom PHI empfohlene Näherungsrechnung mit einem effektivem λ-Wert analog zu CEN, jedoch ohne Konvektion unterhalb von b=10 mm wieder. Diese liegt immer noch eher auf der sicheren Seite (den Wärmeverlust ein wenig überschätzend). Welche Konsequenzen ergeben sich aus diesen Ergebnissen für die bauliche Praxis von wärmegedämmten Konstruktionen? Wir fassen den Rat für die Praxis wie folgt zusammen:

  • Die Auswirkungen geschlossener Hohlräume in Wärmedämmungen (bei Dämmdicken bis zu 300 mm) von Breiten ≤ 5 mm dürfen bei bauüblichen Temperaturdifferenzen vernachlässigt werden; deren Ψ-Werte betragen auch unter Berücksichtigung des Wärmebrückeneffektes weniger als 0,005 W/(mK). Voraussetzung dafür ist aber, dass der Hohlraum allseitig geschlossen ist (also: nach außen winddicht, nach innen luftdicht) sowie keine „kommunizierenden Hohlräume“ vorliegen (Abb. 5).
Abb. 5: Kommunizierende Hohlräume in einer Dämmschicht. Hier ist die Konvektion bedeutend erhöht und die Aussagen, die für einen einfachen quaderförmigen Hohlraum gemacht wurden, gelten hier nicht mehr. Vorsicht: solche kommunizierenden Hohlräume können eine Dämmschicht nahezu unwirksam machen. Kommunizierende Hohlräume müssen daher unbedingt vermieden werden.
  • Hohlräume, deren kleinste Abmessungen mehr als 5 mm betragen, sollten mit Dämmstoff gefüllt werden, um die Konvektion zu verhindern. Ausfüllen z.B. mit Mörtel verbessert die Situation nicht, kann sie evtl. sogar spürbar verschlechtern. Die Dämmstofffüllung kann z.B. durch Ausschäumen (mit FCKW- und HFCKW-freien Dämmstoffschäumen) oder durch Ausstopfen (mit Hilfe eines Spachtels mit Mineralwolle oder Hanffasern) oder durch Ausblasen (mit flockenförmigen Dämmstoffen) erfolgen. Abb. 6 zeigt ein Beispiel.

II Einseitig offene Dämmlücken in Wärmedämmungen

Die Auswirkung von Fehlstellen in der Wärmedämmung, die nicht nach außen winddicht sind, können um ein Vielfaches bedeutender als die in I behandelten geschlossenen Hohlräume sein. Da die offene Lücke langwellig direkt den Himmel und die Umgebung sieht, ist schon allein der Strahlungstransport erhöht. Jedoch kann auch die tangentiale Komponente der äußeren Luftströmung in eine solche Lücke eingreifen. Allein die freie Konvektion erlaubt hier bereits hohe Strömungsgeschwindigkeiten, weil das System nach außen offen ist. Es kann also von unten kalte Luft nachströmen, während oben Warmluft entweicht. Abb. 7 zeigt Berechnungen, die den Wärmeverlust außen offener Lücken, die jedoch noch immer nach innen luftdicht sind, abschätzen.

a) Lösung 1 (links): Ausstopfen mit Faserdämmstoff
(Werkzeug: Spachtel). Bem. 2022: Inzwischen hat
sich hier die Verwendung von Faserdämmstoff
aus Hanf gut bewährt; dafür
ist als Werkzeug ein Kunststoffspachtel geeignet.
b) Lösung 2 (rechts): Ausschäumen mit
FCKW/HFKW-freiem Polyurethanschaum
1)
Abb. 6: Hohlräume im WDVS Passivhaus Kranichstein; Spalte > 5 mm müssen mit Dämmstoff ausgefüllt werden, dazu gibt es bewährte Methoden.
Abb. 7: Wärmeverluste einer nach außen offenen Dämmlücke, die im Gegensatz zum geschlossenen Hohlraum dem Windangriff ausgesetzt ist. Die hier resultierenden Verluste sind so groß, dass offene Dämmlücken in jedem Fall vermieden werden müssen: Wärmedämmlagen müssen nach innen luftdicht und nach außen winddicht sein (d.h. einen ausreichenden Strömungswiderstand aufweisen).

Die zusätzlichen Wärmeverluste solcher nach außen offener Dämmlücken sind gewaltig. Schon bei einem 10 mm Spalt, der auf 1 m Länge innerhalb eines Quadratmeters vorkommt, beträgt der zusätzliche Wärmebrückenverlustkoeffizient etwa Ψ=0,32 W/(mK). Die Dämmwirkung der eigentlich 300 mm starken Wärmedämmung ist so stark verringert, als ob nur 90 mm Dämmstoff angebracht worden wären. Die Konsequenz dieser Erkenntnis ist für die Praxis eindeutig:

  • Wärmedämmungen müssen nach innen luftdicht und nach außen winddicht sein.
  • Das bedeutet z.B. dass lose verlegte steife Dämmplatten (die Verlegung weist unvermeidbar Spalte auf) ohne eine winddichte Abdeckung nahezu unwirksam sind. Außenseitig einer Dämmung muss somit immer ein Windschutz angebracht werden (ausreichend sind: eine Unterspannbahn; eine Holzschalung (Spalte unter 2 mm); eine Holzfaserplatte; eine Spachtelung; ein zugelassener Außenputz, der jedoch diffusionsoffen sein muss – letzteres stellt kein Problem dar, diese Anforderung erfüllen heute nahezu alle Außenputze).
Abb. 8: Isothermen-Berechnung für einen jeweils 10 mm breiten Spalt, der in einer 300 mm Wärmedämmung liegt (berechnet mit zweidimensionaler numerischer Simulation der Wärmeleitung). Auf der linken Seite ist der Spalt allseits geschlossen (Hohlraum) und der Wärmebrückeneffekt zwar nicht vernachlässigbar, aber noch tolerierbar (Ψ = 0,017 W/(mK)). Auf der rechten Seite ist der Spalt von außen nicht winddicht abgeschlossen (Außenputz fehlt). Die Wärmedämmwirkung ist jetzt extrem stark verringert (Ψ=0,32 W/(mK)). Die Wirkung der 300 mm Dämmung ist nur noch so, als ob gerade 90 mm Dämmstoff angebracht wären (Im Fall einer durchgehenden Fuge ist es natürlich noch schlimmer; die muss unbedingt vermieden werden).

Wir fassen die Qualitätsanforderungen wie folgt zusammen: Prinzipien guter Wärmedämmung:

  • dick genug ( außen ≥ 220 mm; innen ≥ 60 mm2) )
  • wärmebrückenfrei (Ψ ≤ 0,01 W/(mK))
  • luftdicht (innenseitig)
  • winddicht (außenseitig)
  • lückenlos (kein Hohlraum > 5 mm)

Literatur

[AkkP 18] Wolfgang Feist (Hrsg.): „Qualitätssicherung beim Bau von Passivhäusern“; Protokollband Nr. 18 zum Arbeitskreis Kostengünstige Passivhäuser; Passivhaus Institut; Darmstadt, Dezember 1999.

[CEN] DIN, EN ISO 10077-2; „Berechnung des Wärmedurchgangskoeffizienten“; Teil 2: Numerisches Verfahren für Rahmen; Februar 1999.

[Heideman/Mandel/Rebholz 1999] Heidemann, Mandel & Rebholz: „Bestimmung der Verlustwärmeströme infolge von Hohlräumen in Wärmedämmung mittels CFD-Berechnung“; Eine Studie im Auftrag vom Passivhaus Institut Darmstadt; Ingenieurgesellschaft für thermische Berechnungen, Stuttgart; September 1999 im Protokollband

1)
Zunächst erscheint diese Lösung „bequemer“, da das Ausschäumen recht schnell von der Hand geht; es erfordert aber einen zweiten Arbeitsgang, weil überstehender Schaum abgeschnitten werden muss und der dazu auch vollständig ausgehärtet sein muss.
2)
die Dickenangaben beziehen sich auf einen Dämmstoff mit Wärmeleitfähigkeit um 0.04 W/(mK)
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