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Messergebnisse zum Passivhaus-Standard

Abb. 1: Übersicht von Verbrauchsmessungen. In diesem Diagramm sind Heizwärme-Verbrauchsmessungen aus vier Siedlungen zusammengestellt - einer Niedrigenergie-Siedlung (links) und drei Passivhaus-Siedlungen.


Der Heizwärmebedarf eines Gebäudes wird rechnerisch ermittelt - der tatsächliche Verbrauch hängt von vielen zusätzlichen Einflüssen, wie z.B. dem Nutzerverhalten und dem Wetter ab. Für Passivhäuser liegen langjährige Erfahrungen und statistisch gesicherte Messergebnisse von tatsächlichen Verbrauchswerten vor. Mit diesen Ergebnissen kann die Zuverlässigkeit des Passivhaus-Konzeptes beurteilt werden.

Auch bei baugleichen Häusern gibt es bei allen Baustandards deutliche Verbrauchsunterschiede durch das Nutzerverhalten. Daher muss der Verbrauch immer für eine ausreichende Anzahl von baugleichen Häusern gemessen werden, damit sich die nutzungsbedingten Einflüsse herausmitteln und ein Vergleich der Gebäudequalität möglich wird. Abb.1 zeigt eine Übersicht von Messwerten aus 41 Niedrigenergie- und insgesamt 106 Passivhäusern in Deutschland. Aus diesen Messergebnissen lässt sich eine Reihe von Erkenntnissen gewinnen.


Niedrigenergie-Siedlung

Abb. 2: Verbrauchsstatistik bei einer Niedrigenergie-Siedlung. Die Siedlung mit 41 Niedrigenergiehäusern in Niedernhausen wurde 1992 bezogen. Der mittlere Verbrauch von 65,6 kWh/(m²a) stimmt mit dem berechneten Bedarf von 68 kWh/(m²a) [PHPP] im Rahmen der erreichbaren Genauigkeit überein. Die eingefügte Kurve ist die zugehörige Normalverteilung. Die Verbrauchsmessungen wurden von T. Loga und M. Großklos durchgeführt. [Loga 1997] .

neh_niedernhausen.jpg Zum Vergleich wird die Niedrigenergie-Siedlung in Niedernhausen mit 41 Reihenhäusern herangezogen. Die Einzelwerte der Wärmezählerablesungen für das Jahr 1994 sind in Abb. 2 dargestellt (Messung: [Loga 1997]). Deren Mittelwert beträgt 65,6 kWh/(m²a). Bezugswert für den Verbrauch ist hier und im Folgenden immer die Wohnfläche, wie in der Heizkostenabrechnung üblich.

Dieser Mittelwert ist deutlich geringer als der durchschnittliche Heizwärmeverbrauch im Wohnungsbestand in Deutschland. Verwenden wir als derzeitigen (2013) Vergleichswert für Deutschland einen Wert von 112 kWh/(m²a) für Heizwärme, der dem durchschnittlichen Wärmeverbrauch bei verbrauchsabgerechneten Mehrfamilienhäusern [techem 2014] entspricht, so liegt der Verbrauch in der Niedrigenergie-Siedlung von 1997 um mindestens 41,5% unter dem heutigen Durchschnittsverbrauch. Übrigens: Der Baustandard dieser Siedlung, obwohl schon 1991 gebaut, ist immer noch etwas besser als das Anforderungsniveau der heute gültigen Energieeinsparverordnung (EnEV).

Abb. 2 zeigt auch, dass die Einzelwerte nutzungsbedingt um den Mittelwert herum streuen. Der Einfluss der Nutzer auf den Verbrauch ist sogar ziemlich hoch. Das ist aber nicht nur bei energiesparenden Häusern so, sondern auch bei schlecht gedämmten Gebäuden. Die Standardabweichung (ein Maß für die mittlere Abweichung der Einzelwerte zum Mittelwert) beträgt für diese Siedlung 13,6 kWh/(m²a) bzw. 21% des mittleren Verbrauchswertes.

Bildet man den Mittelwert, so mitteln sich die Abweichungen durch die unterschiedlichen Nutzer weitgehend heraus - umso besser, je größer die Zahl der baugleichen Einheiten ist. Der mittlere Verbrauchswert ist bei dieser Siedlung statistisch auf ±2 kWh/(m²a) genau bestimmt. Es ist daher statistisch gesichert, dass der Niedrigenergiestandard zu einer bedeutenden Energieeinsparung (41,5% ± 1,8%) gegenüber dem derzeitigen Bestand führt.


Passivhaus-Siedlung Wiesbaden-Dotzheim

Abb.3: Verbrauchsstatistik für die Passivhaus-Siedlung Wiesbaden. Die Siedlung mit 22 Passivhäusern wurde 1997 gebaut. Der mittlere Verbrauch von 13,4 kWh/(m²a) stimmt mit dem vorab berechneten Bedarf von 13 kWh/(m²a) [PHPP] sehr gut überein. (Messung Wiesbaden-Dotzheim: [Ebel 2003] ; [Feist/Loga/Großklos 2000] ).

passivhaus_siedlung_wi.jpgEs handelt sich um die erste deutsche Passivhaus-Siedlung (Baujahr 1997, Bauträger Rasch&Partner) mit 22 Häusern. In Abb. 3 sind die Wärmezählermesswerte der Heizperiode 1998/99 dokumentiert. Der Mittelwert ergibt 13,4 kWh/(m²a). Damit liegt der Verbrauch in der Passivhaus-Siedlung um 80% unter dem der Niedrigenergie-Siedlung Niedernhausen.

Die Standardabweichung der Einzelwerte beträgt bei der Siedlung in Wiesbaden 5,3 kWh/(m²a). Sie ist absolut geringer als in der Niedrigenergie-Siedlung, jedoch ist das Nutzerverhalten relativ zum sehr viel geringeren mittleren Verbrauchswert auffälliger. Der Mittelwert ist statistisch auf ±1,1 kWh/(m²a) genau bestimmt. Die Energieeinsparung durch den Passivhaus-Standard ist daher statistisch gesichert: Sie beträgt

(80% ±2%) Einsparung gegenüber Niedrigenergiestandard, und mindestens
(88% ±1%) Einsparung gegenüber Durchschnittsverbrauch (2013) in Deutschland.


Passivhaus-Siedlung Hannover-Kronsberg

Abb. 4: Verbrauchsstatistik für die Passivhaus-Siedlung Hannover-Kronsberg. Die Siedlung mit 32 Passivhäusern wurde 1999 bezogen. Der mittlere Verbrauch im dritten Betriebsjahr (2001/2002) lag bei 12,8 kWh/(m²a). Der berechnete Bedarf nach [PHPP] beträgt 13,5 kWh/(m²a).

suedansicht_passivhaus_kronsberg.jpgDie Passivhaus-Siedlung Hannover-Kronsberg besteht aus 32 im Wesentlichen baugleichen Passiv-Reihenhäusern in Mischbauweise. Die Siedlung wurde 1998/99 errichtet; alle Einzelhäuser wurden einzeln projektiert. Es handelt sich um ein Teilprojekt des gesamteuropäischen CEPHEUS-Projektes. In Abb. 4 sind die Wärmezählermesswerte der Heizperiode 2001/2002 dokumentiert. Der Mittelwert ergibt sich zu 12,8 kWh/(m²a). Damit liegt der Verbrauch in dieser Passivhaus-Siedlung um 81% unter dem der Niedrigenergie-Siedlung ([Peper/Feist 2002] ).

Die mit Wärmezählern gemessenen Verbrauchsmittelwerte aller bewohnten Passivhäuser der Siedlung betrugen in allen untersuchten Zeiträumen:

1. Heizperiode 1999/2000: 14,9 kWh/(m²a)
2. Heizperiode 2000/2001: 13,3 kWh/(m²a)
3. Heizperiode 2001/2002: 12,8 kWh/(m²a)

Auch für die Passivhaus-Siedlung Hannover-Kronsberg ist der extrem niedrige Heizwärmeverbrauch damit statistisch gesichert. Die Standardabweichung der Einzelwerte beträgt 6,6 kWh/(m²a), der Mittelwert ist auf ±1,2 kWh/(m²a) genau bestimmt.


Passivhaus-Siedlung Stuttgart-Feuerbach

Abb. 5: Verbrauchsstatistik für die Passivhaus-Siedlung Stuttgart-Feuerbach: Die Siedlung mit 52 Passivhäusern wurde im Jahr 2000 fertiggestellt (Architekturbüro Rudolf). Der mittlere Verbrauch lag bei 12,8 kWh/(m²a). Der berechnete Bedarf nach [PHPP] beträgt 13,5 kWh/(m²a).

passivhaus_feuerbach_3erzeile.jpgDie Passivhaus-Siedlung Stuttgart-Feuerbach („Schelmenäcker Weg“) mit insgesamt 52 Reihen- und Doppelhäusern wurde im Jahr 2000 vom Architekturbüro Rudolf fertiggestellt. In Abb. 5 sind die Verbrauchswerte der Heizperiode 2001/2002 dokumentiert. Der Mittelwert beträgt 12,8 kWh/(m²a) [Reiß/Erhorn 2003] . Bei dieser Siedlung gibt es wenige Ausreißer, die klar als solche zu erkennen sind.

Auch in der Passivhaus-Siedlung Stuttgart-Feuerbach ist der extrem niedrige Heizwärmeverbrauch in der Vollerhebung statistisch gesichert. Die Standardabweichung der Einzelwerte beträgt 5,5 kWh/(m²a), der Mittelwert ist auf ±0,8 kWh/(m²a) genau bestimmt.


Fazit Passivhaus-Siedlungen

Abb. 6: Diese Grafik zeigt zusammenfassend den Vergleich der Verbrauchsmessungen in der Referenzsiedlung (links, 65,6 kWh/(m²a)) und in den drei Passivhaus-Siedlungen (jeweils etwa 13 kWh/(m²a)). Der Verbrauch in den Passivhäusern ist nach diesen Messwerten um 80% geringer als in bereits guten Niedrigenergiehäusern. Alle Durchschnittswerte stimmen mit den vorab berechneten Werten nach dem Passivhaus-Projektierungspaket (PHPP) ziemlich gut überein.

Unabhängige Bestätigung in weiteren Projekten

Weitere empirische Untersuchungen haben die hier dokumentierten Ergebnisse an anderen Standorten unabhängig bestätigt:

Passivhaus Frankfurt a.M. Grempstraße

Abb. 7: Jahresheizwärmeverbräuche zuzüglich der nutzbaren Rohrleitungswärme je Quadratmeter Energiebezugsfläche in allen 19 Wohnungen im Zeitraum von Juni 2003 bis Mai 2004 (aufsteigend sortiert) [Peper/Feist/Pfluger 2004]. Der Unterschied zwischen den nord- und den südorientierten Wohnungen ist nur gering. Der vorher berechnete PHPP Bedarfswert als Mittelwert beider Häuser (12,2 kWh/(m²a)) entspricht bei diesem Projekt dem Mittelwert der Verbrauchs-messung.

In Frankfurter a.M. entstand 2002 das Mehrfamilien-Passivhaus „Wohnen bei St. Jakob“ der gleichnamigen Eigentümergemeinschaft. Bauträger war die Frankfurter Aufbau AG, den Entwurf erstellt das Architekturbüro „faktor 10“. Die Besonderheit der insgesamt 19 Wohnungen auf 1.842 m² liegt in der untypischen Nordorientierung von acht Wohnungen. Bei diesen ist die Wohnfassade mit den großen Fenstern nach Norden ausgerichtet, da hier eine freie Aussicht in den Taunus vorhanden ist. Die Heizperiode 2003/2004 zeigt einen Mittelwert des Heizwärmeverbrauchs von 12,2 kWh/(m²a) [Peper/Feist/Pfluger 2004]. Der nordorientierte Teil verbraucht nur marginale 4 kWh/(m²a) mehr als der andere. Damit wird deutlich, dass auch diese Herausforderung der Ausrichtung unproblematisch gelöst werden kann. Das Messergebnis stimmt in diesem Projekt ebenfalls mit dem zuvor berechneten Bedarfswert (PHPP) überein.


Passivhaus-Wohnanlage in Wien


Abb. 8: Ergebnisse der Auswertungen von über 450 Neubauwohneinheiten in Wien, davon Passivhaus-Standard in sechs Mehrfamilienhäusern. Die Passivhaus-Projekte sparen über 72% der Heizwärme im Vergleich zur Vergleichsgruppe der geförderten Niedrigenergiehäuser. Quelle: [Treberspurg 2010]; Flächenbezug ist hier Bruttogeschossfläche.

Eine Studie von Treberspurg et al. im Tagungsband der 14. Internationalen Passivhaustagung analysiert den gemessenen Energieverbrauch von sechs Passivhaus-Wohnanlagen in Wien; der durchschnittliche Heizwärmeverbrauch lag hier unter 10 kWh/(m²a).


Passivhaus-Siedlung „Lodenareal“ Innsbruck

Abb. 9: Gemessene Endenergieverbräuche der Passivhaus-Wohnanlage Innsbruck Lo-denareal: Der Heizwärmeverbrauch im ersten Messjahr lag bei 17,6 kWh/m²a bzw. 16,3 kWh/m²a im zweiten Messjahr. Temperatur- und klimabereinigt ergibt sich daraus 13,6 kWh/m²a im ersten bzw. 14,6 kWh/m²a im zweiten Messjahr. Der berechnete Bedarf nach [PHPP] beträgt 15,0 kWh/(m²a).

Die Wohnhausanlage Lodenareal besteht aus vier L-förmigen Bauteilen mit insgesamt 354 Mietwohnungen und einer Wohnnutzfläche von 26.000 m². Die Wohnanlage wurde 2007/2010 vom Bauträger „Neue Heimat Tirol“ (Planer din a4 ZT GmbH und teamk2 [architects] ZT GmbH) errichtet (Gesamtbaukosten 46 Mio. € exkl. Ust). Im Rahmen des Messprojektes mit Unterstützung des Landes Tirol und der IKB (Forschungspartner Energie Tirol, Universität Innsbruck, AEE-INTEC, IFZ) wurde sowohl der Energieverbrauch als auch die Nutzerzufriedenheit und die Raumluftqualität des Passivhauses im Vergleich mit einer ähnlichen Wohnanlage gleichen Baualters im Niedrigenergiestandard ohne Komfortlüftung in Kufstein untersucht. (Passivhäuser Lodenareal (pdf))

Der Mittelwert des Heizwärmeverbrauchs aller Wohnungen betrug 17,6 kWh/m²a (im ersten Messjahr) sowie 16,3 kWh/m²a im zweiten Messjahr. Temperatur- und klimabereinigt ergibt sich daraus 13,6 kWh/m²a im ersten bzw. 14,6 kWh/m²a im zweiten Messjahr.


Großbritannien

Abb. 10: Die Ergebnisse der Performance-Tests, die an insgesamt 25 Neubauten mit „hoher Energieeffizienz“ in England durchgeführt wurden [Johnston 2014]. Die drei Passivhaus-Projekte schneiden mit Abstand und in jeder Beziehung am besten ab: Sie wiesen so gut wie keine Differenz zwischen dem vorhergesagten und dem gemessenen spezifischen Wärmeverlust auf, sie haben einen mehr als einen Faktor zwei geringeren Verlustbeiwert als die nächstbesten Projekte und sie sparen im Vergleich zum Durchschnitt fast 75% der Heizwärmeverluste ein.

Messungen von Johnston et al an 25 Niedrigenergiehaus-Projekten in Großbritannien. [Johnston 2014], vgl. auch UK results on energy performance.

In einer Publikation des gleichen Autors von 2020 werden weitere Objekte aus Großbritannien sowie zusätzlich Siedlungen in Europa mit einbezogen [Johnston 2020].


Weltweit größte Passivhaus-Siedlung in Heidelberg

Abb. 11: Jährliche Heizwärmeverbrauchswerte in der Bahnstadt für wohngenutzte Gebäude in Passivhaus-Qualität nach Baufeldern getrennt. Die dargestellten Baufelder umfassen insgesamt 1260 Wohnungen mit über 75.000 m² Wohnfläche [Peper 2015].
© Stadt Heidelberg; Foto: Kay Sommer

Monitoring von Wohngebäuden in der Heidelberger „Bahnstadt“, der weltweit größten Passivhaus-Siedlung. Mit einem vereinfachten Messverfahren für die Heizwärmeverbrauchswerte („Minimalmonitoring“) wurden die Wohngebäude in der Siedlung untersucht. Der mittlere Verbrauch von 1.260 Wohnungen mit insgesamt über 75.000 m² Wohnfläche im Jahr 2014 ergab sich zu 14,9 kWh/(m²a). Die Einsparung gegenüber der Referenzsiedlung beträgt 77%. Diese statistisch hohe Zahl von Wohngebäuden unterschiedlicher Bauträger und Architekten zeigt überzeugend, dass auch die Breitenumsetzung erfolgreich möglich ist [Peper 2015]. (Anmerkung: es handelt sich dabei um Messungen im ersten Betriebsjahr, bei dem erfahrungsgemäß oft noch Betriebsablaufsstörungen (Umzug, Einregulierung) vorliegen. Dennoch funktionieren die Passivhäuser bereits einwandfrei). Zum Monitoring-Bericht


Passivhaus-Doppelhäuser Nürnberg-Wetzendorf

Abb. 12: Mittelwerte der jährlichen Heizwärmeverbrauchswerte der vier Doppelhaus-hälften in Nürnberg-Wetzendorf von 2002 bis 2015 [Krellner 2015]. Als gesamter Mittelwert ergeben sich über die 13 Heizperioden nur 11,4 kWh/(m²a). Damit wird die vor Baubeginn durchgeführte PHPP Berechnung sogar regelmäßig unterschritten.

Bereits im Jahre 2000 wurden vier Doppelhaushälften in Nürnberg-Wetzendorf bezogen. Als Architekt zeichnet Burkhard Schulze Darup. Die Auswertung der Wohngebäude über die letzten 13 Heizperioden [Krellner 2015] ergibt dauerhaft niedrige Heizwärmeverbrauchswerte mit einem Mittelwert von nur 11,4 kWh/(m²a). Nach dem Projektbericht [Schulze Darup 2002] betragen die Kennwerte für den Heizwärmebedarf nach PHPP zwischen 13,8 und 14,9 kWh/(m²a). Im Bericht wurde außerdem nachgewiesen, dass die monatliche Belastung der Baufamilien schon im Jahre 2000 geringer war als bei einem Standardhaus. Der Bericht zeigt auch, dass die Schadstoffkonzentration in der Raumluft in einem Passivhaus mit zentraler Lüftungsanlage deutlich geringer ist als in einem Vergleichsgebäude ohne Lüftungsanlage.(Foto: M. Krellner)


Passivhaus-Wohngebäude „BuildTog“ in Bremen-Findorff

Abb. 13: Jahresheizwärmeverbräuche (Nutzwärme) zuzüglich der nutzbaren Rohrleitungswärme und der nutzbaren Wärme vom Frostschutz der Lüftung. Dargestellt je Quadratmeter Energiebezugsfläche für allen 16 Wohnungen im Zeitraum von Juni 2018 bis Mai 2019 (aufsteigend sortiert) [Peper 2021].
Gebäudeansicht der Süd-West-Fassade mit im Sommer zahlreich genutzten Schiebeläden, Quelle: PHI

Das 2017 fertiggestellte und bewohnte Passivhaus „BuildTog“ in Bremen-Findorff der GEWOBA Bremen verfügt über 16 Mietwohnungen mit einer beheizten Wohnfläche von 1.478 m². Das Gebäude in Massivbauweise wurde vom Architekturbüro “Planungsgruppe DREI” aus Mühltal bei Darmstadt geplant. Die Haustechnikplanung erfolgte durch „Ingenieurbüro Lachnit“ aus Roßdorf bei Darmstadt. Das Gebäude wird über Fernwärme (Heizung und Warmwasser) versorgt. Alle Wohnungen sind an die zentrale Lüftungsanlage im Keller angeschlossen.

Die Auswertung der Energieverbrauchswerte in den Wohnungen inkl. der nutzbaren Anteile der Wärmeverteilung und dem minimalen Anteil des Frostschutzes der zentralen Lüftung ergibt sich zu 12,3 kWh/(m²a) im Jahr 2018/2019. Für die Beheizung des Gesamtgebäudes werden insgesamt 17,4 kWh/(m²a) aufgewendet (inkl. der Umwandlungs- und Verteilverluste). Typischerweise ist der Energieeinsatz zur zentralen Warmwasserbereitung mit 24,1 kWh/(m²a) höher als der für die Beheizung des Gebäudes. Die Ergebnisse der folgenden Untersuchungsjahre liegen in der gleichen Größenordnung. Damit kann die Stabilität der Verbräuche über die Zeit belegt werden.

Die Ergebnisse der Bewohner*innen-Befragung ergibt insgesamt eine sehr hohe Gesamtzufriedenheit mit dem Gebäude allgemein und der Passivhaustechnik im Besonderen (88% „eher zufrieden“, 12% „sehr zufrieden“ mit dem Passivhaus). Vereinzelte kritische Anmerkungen können durch Änderungen des Verhaltens bzw. Einstellungen einfach behoben werden. Zum Endbericht 2021


Zusammenfassung

Die hier dargestellten Messwerte von über 1.800 Wohnungen im Passivhaus-Neubau und ca. 170 Wohnungen in Sanierungen mit Passivhaus-Komponenten belegen: Das Passivhaus-Konzept führt in der Praxis nachweislich und reproduzierbar zu einer sehr hohen Heizenergieeinsparung, die gegenüber des alten Gebäudebestands etwa 90 % und gegenüber der gesetzlichen Anforderungen an Neubauten immer noch durchschnittlich etwa 80 % beträgt. Diese Einsparungen sind durch statistisch signifikante empirische Untersuchungen erwiesen und in einer großen Zahl von Projekten bestätigt. Auch die höchsten nutzungsbedingten Einzelverbrauchswerte in Passivhäusern liegen noch deutlich niedriger als die geringsten in gewöhnlichen Neubauten.

Verschiedene Nutzer haben, auch wenn sie in baugleichen Häusern wohnen, häufig deutlich unterschiedliche Verbrauchswerte: Abweichungen von ±50% vom Mittelwert sind keine Ausnahme, sondern stellen die zu erwartende Normalverteilung dar. Das gilt für alle Energiestandards (Altbau, Niedrigenergiehaus, Passivhaus,…). Die bedeutendste Ursache für diese Verteilung besteht bei zeitgleichen Messungen in unterschiedlichen Soll-Temperatureinstellungen in der Heizperiode. Zur empirischen Beurteilung eines energetischen Baustandards ist aus diesen Gründen immer der Mittelwert einer ausreichend großen Auswahl von baugleichen Gebäuden notwendig.
Die Messergebnisse stimmen in den Passivhaus-Projekten regelmäßig sehr gut mit den zuvor berechneten Bedarfswerten (PHPP) überein. Das Bilanztool eignet sich dafür, verlässlich den mittleren Heizwärmebedarf schon in der Planungsphase zu prognostizieren. Dies gilt für Neubauten wie auch für Sanierungen. Eine Differenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit (sog. „Performance Gap“) ist beim Passivhaus-Standard nicht festzustellen. Wenn die Randbedingungen gut bekannt sind, lassen sich auch die Ergebnisse einzelner Gebäude mit ausreichender Genauigkeit bestimmen (Art der Nutzung, Höhe der inneren Wärmequellen, eingestellte mittlere Solltemperaturen, Frequenz evtl. erfolgender Fensteröffnungen).

Auch bei Sanierungen können erfolgreich energetisch hochwertige Passivhaus-Komponenten eingesetzt werden. Die Auswertung der Heizwärmeverbrauchswerte zeigt, dass mit Sanierungen nach dem EnerPHit-Standard verlässlich hohe Einsparungen realisiert werden. Die Heizwärmeverbrauchswerte liegen im Bereich vom Passivhaus-Neubau bis rund 26 kWh/(m²a), womit Einsparungen bis tatsächlich 95 % realisiert werden.

Eine weitere Schlussfolgerung kann gezogen werden, durch die Messungen in den Passivhaus-Projekten belegt:

  • Die einzelnen Maßnahmen, nämlich Wärmedämmung, Dreischeiben-Wärmeschutz-Verglasung, Luftdichtheit und Wärmerückgewinnung sind wirksam. Abweichungen von mehr als etwa 1 kWh/(m²a) wären in den Mittelwerten bereits erkennbar, sie treten aber nicht auf.
  • Das Berechnungsverfahren nach PHPP und die verwendeten Randbedingungen bewähren sich für statistisch mittlere Werte in der Praxis. Die Abweichungen zwischen der rechnerischen Bilanz und den Messwerten sind gering. Der oft beklagte ‚Performance Gap‘, also eine Differenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit, ist beim Passivhaus-Standard bedeutungslos.
  • Zusätzliche Wärmeverluste, wie Wärmeübergabeverluste oder hohe Fenster-Lüftungsverluste, können im statistischen Mittel nach den vorliegenden Verbrauchsstatistiken keinen entscheidenden Einfluss haben; sie müssen innerhalb der mit ±1 kWh/(m²a) bestimmten Grenzen des Durchschnittsverbrauchs liegen und sind daher weitgehend vernachlässigbar.


Bericht zum Download:Die Energieeffizienz des Passivhaus-Standards: Messungen bestätigen die Erwartungen in der Praxis – Bericht 2015

2020 erschien in „Energy Efficiency“ der Beitrag: „Are the energy savings of the passive house standard reliable? A review of the as-built thermal and space heating performance of passive house dwellings from 1990 to 2018“ der Autoren: David Johnston, Mark Siddall, Oliver Ottinger, Soeren Peper und Wolfgang Feist (8/2020; English). Der Beitrag enthält über die hier dokumentierten Ergebnisse hinaus weitere Messergebnisse anderer Autoren aus dem internationalen Raum.


Anmerkungen

Anmerkung zur Einheit

1 kWh (Kilowattstunde) ist eine Energieeinheit. Ein Liter Heizöl EL oder 1 m³ Erdgas haben ziemlich genau einen Heizwert von 10 kWh.

Hier wird durchgängig der Heizwärmekennwert $q_H$ für den Vergleich herangezogen: $q_H = \frac {Q_H} {A_{EBF}}$.

$Q_H$ ist der gemessene Heiz(nutz)wärmeverbrauch. Gemessen wurde bei allen Messprojekten an der Wärmeübergabestelle der Heizwärmeverteilung (in der Regel mit Wärmezählern; genaueres dazu ist in den jeweils zitierten wissenschaftlichen Berichten beschrieben).

mess_wmz.jpgBeispiel: Wärmezähler mit m-Bus Ausgang, die in allen 32 Reihenhäusern der Passivhaussiedlung Hannover Kronsberg verwendet wurden. Die gesamte Messtechnik wird in [Peper/Feist 2001] beschrieben. Zusätzlich gibt es zur Kontrolle einen Gesamtwärmezähler der Zentralversorgung für jede Hausreihe.

Diese Messung erfasst Verteilverluste und mögliche Wärmeübergabeverluste. Die Messung enthält jedoch keine Verluste des Wärmeerzeugers.

AEBF ist die Energiebezugsfläche. Bei allen hier aufgeführten Ergebnissen ist dies die beheizte Wohnfläche; es wurde somit der Flächenbezug gewählt, der auch der Heizkostenabrechnung und allen veröffentlichten Statistiken zu Grunde liegt. Zu beachten ist, dass die Fläche AN nach dem Rechengang der EnEV ca. 20 bis 30% größer ist als die Wohnfläche. Auf AN bezogene Energiekennwerte sehen daher deutlich niedriger aus als sie es in Wahrheit sind. Deshalb wird in diesem Artikel konsequent die wirkliche Wohnfläche als Bezug verwendet.


Anmerkung für mit der Mathematik Vertraute

In die Diagramme haben wir auch die zugehörigen Gauß- oder Normalverteilungen (Wikipedia Seite) eingezeichnet:

$$ {\dfrac{1}{\sigma \sqrt{2 \pi}} \int e ^{- \dfrac{1}{2} \dfrac{(x - \mu)^{2}}{\sigma^{2}}}} $$


genau genommen deren Inverse, also die Funktion, die in Tabellenkalkulationsprogrammen mit „Norminv“ verfügbar ist. Dabei bezeichnen :

  • μ den Mittelwert
  • und σ die Standardabweichung.


Zusätzlich haben wir die Anzahl n der jeweiligen Gebäude in der Stichprobe angegeben. Schon ein Blick auf die Diagramme zeigt, dass die Heizwärmeverbrauchswerte baugleicher Objekte sehr gut durch eine Normalverteilung approximiert werden. Genaueres findet sich dazu im CEPHEUS-Endbericht [Schnieders/Feist 2001] (Chi-Quadrat-Test; Kolmogoroff-Smirnov-Test). Dort wird auch diskutiert, welche Auswirkung es hat, dass die Verteilung de facto bei Null abgeschnitten wird.

Literatur

[Ebel 2003] Ebel, W.; Großklos, M.; Knissel, J.; Loga, T. und Müller, K.: Wohnen in Passiv- und Niedrigenergiehäusern – Eine vergleichende Analyse der Nutzungsfaktoren am Beispiel der „Gartenhofsiedlung Lummerlund“ in Wiesbaden-Dotzheim, Endbericht / Energie; Institut Wohnen und Umwelt; Darmstadt 2003.

[Feist/Loga/Großklos 2000] Feist, W.; Loga, T. und Großklos, M.: Durch Messungen bestätigt – Jahresheizenergieverbrauch bei 22 Passivhäusern in Wiesbaden unter 15 kWh/m² Wohnfläche, in BundesBauBlatt, 3/2000, S. 23-27.

[Johnston 2014] D. Johnston, D. Farmer, M. Brooke-Peat & D. Miles-Shenton (2014): “Bridging the domestic building fabric performance gap”, Building Research & Information, DOI: 10.1080/09613218.2014.979093; Research Paper

[Johnston 2020] David Johnston, Mark Siddall, Oliver Ottinger, Soeren Peper und Wolfgang Feist: Are the energy savings of the passive house standard reliable? A review of the as-built thermal and space heating performance of passive house dwellings from 1990 to 2018; Energy Efficiency (2020) 13:1605–1631; https://doi.org/10.1007/s12053-020-09855-7

[Loga 1997] Loga, Tobias; Müller, Kornelia; Menje, Horst: Die Niedrigenergiesiedlung Distelweg in Niedernhausen, Ergebnisse des Messprogramms, 1. Auflage, Institut Wohnen und Umwelt, 1997.

[Peper/Feist 2001] Peper, Sören; Feist, Wolfgang: Messtechnische Untersuchung und Auswertung - Klimaneutrale Passivhaussiedlung Hannover-Kronsberg; 1. Auflage, Proklima, Hannover 2001; dieser Bericht kann kostenlos beim Passivhaus Institut bezogen werden.

[Peper/Feist 2002] Peper, Sören; Feist, Wolfgang: Klimaneutrale Passivhaussiedlung Hannover-Kronsberg Analyse im dritten Betriebsjahr; 1. Auflage, Proklima, Hannover 2002; dieser Bericht kann kostenlos beim Passivhaus Institut bezogen werden.

[Peper 2015] Peper, Sören: Bahnstadt Heidelberg, Minimalmonitoring für ausgewählte Gebäudekomplexe. Zwischenbericht 2014. Im Auftrag der Stadt Heidelberg. Passivhaus Institut Juli 2015; dieser Bericht kann kostenlos beim Passivhaus Institut bezogen werden.

[Peper 2021] Peper, S.: Passivhaus BuildTog Bremen-Findorff, Energetische Untersuchung, Endbericht. Passivhaus Institut 2021, Darmstadt

[PHPP] Passivhaus-Projektierungspaket. Passivhaus Institut, 1998 - 2015

[Reiß/Erhorn 2003] Reiß, Johann und Erhorn, Hans: Messtechnische Validierung des Energiekonzeptes einer großtechnisch umgesetzten Passivhausentwicklung in Stuttgart-Feuerbach, IBP-Bericht WB 117/2003, Fraunhofer-Institut für Bauphysik, Stuttgart 2003.

[Schnieders/Feist 2001] Schnieders, Jürgen; Feist, Wolfgang; Pfluger, Rainer; Kah, Oliver: CEPHEUS - wissenschaftliche Begeleitung und Auswertung, Endbericht, Projektinformation Nr. 22, 1. Auflage, Passivhaus Institut, 2001

[techem 2014] Techem Energy Services: Energiekennwerte 2014. Hilfen für den Wohnungswert. Eschborn, 2014

[Treberspurg 2010] Univ. Prof. Arch. DI Dr. Martin Treberspurg; DI Roman Smutny; Ass. Prof. Dr. Alexander Keul; Grünner, Roman: „Energy monitoring in existing Passive House housing estates in Austria“, in: proceedings of the 14th international passive house conference (English edition), Passive House Institute, Dresden and Darmstadt 2010 ISBN 978-3-00-031154



Siehe auch

betrieb/nutzung_erfahrungen/messergebnisse/messergebnisse_zum_energieverbrauch.txt · Zuletzt geändert: 2024/05/26 20:41 von wfeist