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Ablauf Minimalmonitoring

Zurück zur Kernfrage eines Minimalmonitorings, der Erfolgskontrolle bezüglich des Energieverbrauchs. Werden Daten von einem Gebäude erfasst, wie in dem Beispiel in Abbildung 9 der gesamte Jahresverbrauch von Erdgas und Technikstrom, stellt sich die Frage, ob das Gebäude wie geplant funktioniert. Bei der entsprechenden Energiebezugsfläche des Gebäudes ergibt sich im Beispiel ein spezifischer, jährlicher Gesamtgasverbrauch um 60 kWh/(m²a) und ein Aufwand für den Technikstrom von knapp 7 bzw. knapp 8 kWh/(m²a).

Bei der Erwartung von üblicherweise 15 kWh/(m²a) Heizwärme und z. B. 22 kWh/(m²a) für das Warmwasser, also zusammen 37 kWh/(m²a), können die 60 kWh/(m²a) zunächst nicht eingeordnet werden. Wie im Abschnitt Einflussfaktoren auf den Endenergieverbrauch gezeigt, kann dies viele Ursachen haben.

Abbildung 9: Auszug aus einem Datenerfassungsbogen zu den Zählerständen
in einem Passivhaus im Rahmen einer Evaluierung [Evaluation HH 2010].


Um der Frage „Funktioniert das Passivhaus wie geplant?“ näher zu kommen, wird das Vorgehen für ein Minimalmonitoring beschrieben. Exemplarisch soll hier das Vorgehen bei Gas- oder Fernwärmeversorgung aufgezeigt werden. Bei anderen Versorgungsarten kann analog vorgegangen werden.

Schritt 1 (Bestimmung Ausgangswert Endenergie):

Von dem Gebäude müssen mindestens monatliche Zählerablesungen der Endenergiezähler (z. B. Gas, Fernwärme, Strom) vorliegen bzw. bei Versorgung mit Pellets, Stückholz oder Erdöl entsprechende Volumeneinheiten. Der Messzeitraum muss mindestens 12 Monate umfassen.

Wird die Endenergie nicht direkt in Energieeinheiten (kWh) gemessen, sondern z. B. als Gasvolumen (m³), muss zunächst eine Umrechnung erfolgen. Bei Erdgas kann dafür der Heizwert des Gases verwendet werden, welcher der Versorgerabrechnung entnommen werden kann. Der Heizwert des Gases variiert je nach Mischungsverhältnis und Gastyp (Erdgas H oder L). Vereinfacht kann auch mit der Umrechnung „1 m³ Erdgas entspricht grob 10 kWh“ gerechnet werden.

Schritt 2 (Position Wärmeerzeugung):

Befinden sich die technischen Einrichtungen zur Versorgung bzw. zur Umwandlung der Energie (Fernwärmeübergabestation, Gaskessel, Wärmespeicher) außerhalb der thermischen Gebäudehülle, müssen hier die Umwandlungs- und Speicherverluste pauschal berücksichtigt werden.


Abbildung 10:
Ablaufschema Minimalmonitoring Teil 1
(Bereich Gas/Fernwärmeversorgung weiter ausgeführt).


Der Wärmeverlust eines Warmwasser- oder Pufferspeichers ist in erster Linie abhängig von der Größe des Speichers und von der Qualität der Wärmedämmung. Die Verluste können z. B. mithilfe der folgenden Grafik abgeschätzt werden.


Abbildung 11:
Wärmeverlust eines Warmwasser- bzw.- Heizungswasserspeichers
in Abhängigkeit der Speichergröße und der Dicke der Wärmedämmung.
Die Daten sind dem PHPP-Handbuch entnommen [PHPP].


Als recht grober, aber gangbarer, Ansatz können pauschal 12% des gesamten Endenergiebezugs für Umwandlung- und Speicherverluste abgezogen werden. Diese werden nicht innerhalb der thermischen Hülle des Gebäudes freigesetzt und können damit auch nicht zur Beheizung genutzt werden. Diese Größenordnung ergibt sich als Durchschnittswert aus zahlreiche durchgeführte Messprojekte mit heute typischer Wärmetechnik1). Als Zwischenergebnis liegt damit die Wärmemenge vor, die innerhalb der thermischen Gebäudehülle genutzt wurde.

Schritt 3 (Thermische Solaranlage):

Gibt es in dem Gebäude eine thermische Solaranlage, so muss dieser Energieertrag, der dem Gebäude zusätzlich zugeführt wird, gesondert gemessen werden (Zusatzzähler Wärmemenge ggf. geeignet zur Messung eines Wasser-Frostschutz-Gemisches). Eine pauschale Abschätzung, nach z. B. Solarstrahlungssummen des Standortes, führt aus unterschiedlichen Gründen erfahrungsgemäß nicht zu brauchbaren Ergebnissen.

Schritt 4 (Abzug Warmwasser):

Als nächste Verbrauchsgröße muss die Warmwasserbereitung identifiziert werden. Dazu bietet sich als einfacher Weg die Aufteilung der Jahresenergiemenge für Heizung und Warmwasserbereitung durch die Ermittlung des sog. Warmwassersockels an. Damit ist ein ganzjähriger Sockelverbrauch gemeint, zu dem der winterliche Heizwärmeverbrauch hinzu kommt. Grafisch ist dies gut abzuleiten (Abbildung 12). Rechnerisch wird der sommerliche Wärmeverbrauch (z. B. Juni bis August) auf das Gesamtjahr hochgerechnet. Für diese Abschätzung sind mindestens monatliche Verbrauchsdaten notwendig.


Abbildung 12:
Bestimmung der Größenordnung des sog. Warmwassersockels
im Jahresverbrauch durch die Auswertung der bereinigten, monatlichen
Endenergieverbräuche.


Bei dieser Art der Bestimmung des Energieaufwandes für die Warmwasserbereitung muss insbesondere bei kleineren Einheiten (Einzel- und Doppelhäuser) versucht werden sommerliche Minimalverbräuche („Sommerlöcher“), verursacht z. B. durch Urlaubszeiten etc., zu berücksichtigen. Dabei zeigt sich dann, dass häufigere Ableseintervalle von Vorteil sind (Abbildung 13).

Abbildung 13:
Gasverbrauchswerte aus unregelmäßigen Ableseintervallen
(monatlich bis wöchentlich) eines Reihenhauses
mit typischen „Sommerlöchern“.


Bei dieser Art der Auswertung des Energieeinsatzes für die Warmwasserversorgung kann die normalerweise vorhandene Sommer-Winter-Verbrauchsschwankung nicht berücksichtigt werden. Betrachtet man beispielhafte Messdaten eines umfangreichen Monitoringprojektes aus einem Mehrfamilienhaus mit zwei mal 12 Wohnungen (Abbildung 14), ist trotz einiger Ausreißer der geringere Sommerverbrauch zu erkennen. Es handelt sich um die – für diese Betrachtung relevanten – Energiemengen zur Speicherbeladung.

Abbildung 14:
Energieaufwand zur Beladung von zwei zentralen Warmwasserspeichern
für zwei gleichgroße Mehrfamilienhäuser mit jeweils 12 Wohnungen


Daten aus dem Projekt: [Peper/Feist 208]


Testweise wird jeweils (pro Haus und Jahr) aus den drei Sommermonaten (Juni bis August) der Energieverbrauch für das Gesamtjahr hochgerechnet und die Summe mit dem tatsächlichem Gesamtjahresverbrauch verglichen. Es stellt sich durch diese Methode eine Unterschätzung des Jahreswertes um 5 bis 16 % ein; im Mittel um 9 %.

Der Unterschied vom Sommer- zum Winterverbrauch auf der Seite der Warmwasserentnahme aus dem Speicher ist noch ausgeprägter. Da bei der Messung der Wärmebeladung des Speichers die Zirkulations- und Speicherverluste enthalten sind, vergleichmäßigen sich die jahreszeitlichen Unterschiede jedoch.

Für ein Minimalmonitoring sollte diese Sommer-Winter-Schwankung entweder nicht berücksichtigt werden oder maximal ein Aufschlag von 10 % auf den aus den drei Sommermonaten ermittelten Werten berücksichtigt werden (die verwendete Methode ist dann im Bericht zu nennen!). Dabei muss die Bewohnerstruktur (Alter, Kinder, Nutzerverhalten) und Gebäudegröße (Anzahl der Wohnungen) berücksichtigt werden. Es sollte immer im Einzelfall entschieden werden, ob eine Berücksichtigung der Schwankung sinnvoll ist.

Schritt 5 (Ergebnis Heizwärmeverbrauch / Abzug Verteilung):

Für ein Einzelhaus stellt die Energiemenge, welche um den Verbrauchswert zur Warmwasserbereitung reduziert wurde, den abgeschätzten Heizwärmeverbrauchswert dar. Weitere Korrekturen sind ohne genaue Kenntnis von Randbedingungen etc. nicht seriös möglich.

Im Mehrfamilienhaus mit einer zentralen Wärmeverteilung außerhalb der thermischen Hülle können nochmals Abzüge für die nicht nutzbare Energiemenge der Wärmeverteilung erfolgen. Auch hier gibt es wieder Schwankungen durch eine Vielzahl von Einflussgrößen (Leitungslängen außerhalb der thermischen Hülle, Qualität der Dämmung, etc.). Nach den vom PHI messtechnisch begleiteten Geschosswohnungsbauten wird hier bei typischer heutiger Wärmetechnik (2010) ein pauschaler Abzug von 17 % der ermittelten Energiemenge vorgeschlagen.

Abbildung 15:
Ablaufschema Minimalmonitoring Teil 2.


Schritt 6 (Optional: Temperaturkorrektur):

Bei Kenntnis der winterlichen Gebäudeinnentemperatur kann optional noch eine Korrektur des Heizwärmeverbrauchs erfolgen, wenn eine von der Berechnung abweichende Innentemperatur vorliegt. Wichtig ist dabei,

  • dass es sich um eine repräsentative Temperatur für das Gesamtgebäude handelt und nicht um die eines einzelnen Raumes mit gesonderter Nutzung (Küche, Wohn- oder Schlafzimmer),
  • dass die Temperaturmessung nicht Einflüssen wie direkter Sonneneinstrahlung oder Kaltluft von geöffneten Türen oder Fenstern ausgesetzt ist und
  • dass es sich um eine Temperaturmessung mit einer vertretbaren Genauigkeit (≤ ± 0,5 K) handelt.

Der sicherste Weg ist das Einsetzten der gemessenen Temperatur in die aktuelle PHPP-Berechnung um die Differenz im Heizwärmebedarf zu ermitteln. Dieser Wert kann dann auch beim Verbrauch zum Ansatz gebracht werden.

Ist das PHPP nicht digital verfügbar, kann zunächst die Differenz der gemessenen winterlichen Temperatur zur Bilanztemperatur (Standard 20°C) berechnet werden. Pauschal wird dann ein moderater Abzug von 2 kWh/(m²a) je Kelvin Temperaturdifferenz angesetzt.

Auch ohne Messung der Innentemperatur kann testweise für z. B. 19, 21 und 22 °C eine Korrektur durchgeführt werden, um die Größenordnung der möglichen Verbrauchsänderung einschätzen zu können.

Ergebnis Heizwärme

Als Ergebnis erhält man eine Abschätzung des Heizwärmeverbrauchs des Gebäudes ohne weitere detaillierte Korrekturen, wie z. B. der Klimadaten. Der Einfluss allein durch diesen Parameter ist im Abschnitt Einflussfaktoren auf den Endenergieverbrauch ausgeführt worden. Diese Abschätzung kann mit dem Heizwärmebedarf aus der PHPP-Berechnung direkt verglichen werden. Der berechnete Wert kann als erste Einschätzung dienen, um zu prüfen, ob weitere, genauere und aufwendige Untersuchungen an dem Gebäude sinnvoll oder notwendig sind. Eine Beurteilung der Ursachen für ggf. erhöhte Verbrauchswerte (technische Störung etc.) kann damit jedoch NICHT erfolgen. Da es sich um ein grobes, pauschales Vorgehen handelt, sind die Ergebnisse mit entsprechender Vorsicht zu behandeln. Dennoch kann so eine wertvolle Einschätzung des Heizwärmeverbrauchs des Gebäudes erzielt werden. Bei gleichem Vorgehen können gut Vergleiche unterschiedlicher Gebäude durchgeführt werden (Benchmarking).

Schritt 7: Primärenergiebewertung (inkl. Gesamtstromverbrauch)

Ein energetisches Gesamtbild für ein Gebäude ergibt sich bei der Bewertung der bezogenen Endenergie mit Berücksichtigung des Strombezugs für Haushalts- und Technikstrom.

Zuerst wird der gesamte Endenergiebezug für die Wärmeerzeugung (Heizung/ Warmwasser) inkl. aller Verluste etc. (also ohne jegliche Abzüge) mit dem entsprechenden Primärenergiefaktor (PE-Faktor) bewertet. Diese Faktoren zur Bewertung auch der vorgelagerten Prozesskette zur Erzeugung der Energie können z. B. dem PHPP Handbuch entnommen werden.

Im Fall einer Gasversorgung wird der gesamte Erdgasbezug mit dem PE-Faktor von 1,1 multipliziert, bei Fernwärmeversorgung würden 0,8 bis 1,5 verwendet werden (je nach KWK-Anteil).

Als Zweites wird mit dem gesamten bezogenen Strom im gleichen Bilanzjahr ebenso verfahren. Dieser wird mit dem PE-Faktor von 2,6 kWh/kWh bewertet (Zeitperiode 2010 - 2013). Beide primärenergetisch bewerteten Ergebnisse werden addiert. Der Grenzwert für diese Primärenergiesumme beträgt bei der Zertifizierung von Passivhäusern rechnerisch 120 kWh/(m²a). Um diesen Wert zu unterschreiten, bedarf es neben der optimierten Gebäudehülle sowie effizienter und verlustarmer Haustechnik insbesondere Bemühungen zur Reduktion des Haushaltsstromverbrauchs. Typische Verbrauchswerte können der Queranalyse im Beitrag [Peper 2008] im Protokollband 38 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser entnommen werden.

Die Berechnung des Primärenergiebezugs ist durch die Verwendung der gesamten, unkorrigierten Endenergiebezüge belastbar und kann gut zur Prüfung der Einhaltung des PE-Grenzwertes verwendet werden.

Beispielrechnung Minimalmonitoring

Um das schrittweise Vorgehen beim Minimalmonitoring zu erläutern, wird hier ein Beispiel für ein erdgasversorgtes Passivhaus mit einer beheizten Fläche von 150 m² dargestellt:

Tabelle 2:
Rechenbeispiel Minimalmonitoring für ein Passivhaus mit 150 m² EBF.


Der abgeschätzte Heizwärmeverbrauch des Gebäudes liegt (unter Berücksichtigung der Unsicherheiten eines Minimalmonitorings) im Bereich eines typischen Passivhauses. Der Primärenergiekennwert überschreitet den Grenzwert um gut 10 kWh oder ca. 8%. Der festgestellte Strombezug von knapp 29 kWh/m²a ist zwar niedriger als der deutsche Durchschnittswert von über 30 kWh/(m²a), es sind aber auf jeden Fall deutliche Einsparpotentiale vorhanden. In der Passivhaus-Siedlung Hannover Kronsberg wurden in 18 Haushalten (mit Stromsparberatung) Stromverbrauchswerte (alle Haushaltsanwendungen, inkl. Technik und Lüftungsanlage) von 20,2 kWh/(m²a) gemessen [Peper/Feist/Kah 2001]. Die Passivhäuser in Darmstadt Kranichstein erreichen sogar spezifische Stromverbrauchswerte von nur 11,7 kWh/(m²a) [Feist 1997]. Aus solchen Daten ist das realisierbare Stromsparpotential ablesbar.

Siehe auch

Vorhergehender Abschnitte

1)
Hier liegt selbstverständlich ein weiteres Potential zur Verbesserung der Effizienz – siehe die Empfehlungen des PHI zur Dämmung von Leitungen und Armaturen sowie Warmwasserspeichern.
betrieb/nutzung_erfahrungen/messergebnisse/minimalmonitoring/ablauf_minimalmonitoring.txt · Zuletzt geändert: 2018/10/16 09:34 von cblagojevic