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Inbetriebnahme und Betriebsoptimierung als Erfolgsfaktoren für energieeffiziente Gebäude


Bedarf versus Verbrauch

Die sachgerechte Inbetriebnahme eines Gebäudes, insbesondere der Gebäudetechnik ist ein entscheidender Beitrag zur sachgerechten Funktion. Die Gebäudetechnik kann nur dann die geplante Funktion erbringen, wenn sie wie geplant realisiert und korrekt eingerichtet wird. Was allerdings immer wieder angetroffen wird, sind haustechnische Systeme, welche nur „montiert und angeschaltet“ wurden und bei denen z.B. nicht die Sollwerte entsprechend der Planung eingestellt wurden.

Besonders nachteilig wirkt sich dies aus, wenn zahlreiche Einzelkomponenten oder Geräte einer größeren Anlage komplex miteinander zusammenwirken. Dies bedarf der fachgerechten Vernetzung der Einzelkomponenten und einer Inbetriebnahme der gesamten Anlage als Funktionsgesamtheit. Häufig fehlt es allerdings schon an geeigneten Regelungsbeschreibungen, welche ein harmonisches Miteinander in der notwendigen Genauigkeit überhaupt ermöglichen. Verständlich wird hier, warum wir stets den Rat „Keep it Simple“ (Technik so einfach wie möglich halten) wiederholen, da sich dann das Ausmaß der Fehlfunktionsmöglichkeiten reduziert. Die gesamte Anlage einfach zu halten, kann bei einem Passivhaus gut funktionieren, weil der Bedarf deutlich reduziert wird und dadurch kleinere Systeme bzw. bereits industriell vorgefertigte integrierte Systeme (wie z.B. Kompaktgeräte) eingesetzt werden können.

Gehen moderne Gebäude in Betrieb, ergeben sich heute sehr oft Unterschiede zwischen den berechneten Bedarfswerten und den später gemessen Verbrauchswerten. Zur Beurteilung dieser Abweichungen zwischen Bedarf und gemessenem Verbrauch sollte sich der Betrachter eine Übersicht zu den wichtigsten Einflussgrößen erstellen. Dazu zählen insbesondere Wetterbedingungen, tatsächliche Raumlufttemperaturen, Luftwechsel, sonstiger Stromverbrauch sowie ggf. Bedingungen einer Teilbeheizung. Durch Berücksichtigung dieser Faktoren kann eine Abweichung sinnvoll gedeutet und dann ggf. eine Verbesserung erzielt werden. Je nach angestrebter Analysetiefe müssen entsprechende Daten aufgezeichnet und verfügbar gemacht werden. Dabei kann es sich minimal um Jahresenergieverbräuche und Informationen zur Innentemperatur handeln oder am anderen Ende um ein umfassendes Messnetzwerk mit raumweiser und zeitlich hoch aufgelöster Protokollierung von Regel- und Messwerten.

Für einen Vergleich ist außerdem eine Bedarfsberechnungsmethode notwendig, welche an die tatsächlichen Randbedingungen des Untersuchungszeitraumes angepasst werden kann. Sonst wäre nur ein witterungsbereinigter Heizwärmebedarf ansetzbar, der aber denn starken Einfluss der ebenfalls jährlich schwankenden Globalstrahlung inkorrekt widerspiegelt. Wie sich in mehreren Hundert Validierungsprojekten gezeigt hat, ist das Passivhaus Projektierungs-Paket [PHPP] ein für den Soll/Ist-Vergleich gut geeignetes und dennoch einfach zu bedienendes Werkzeug.

Allein unterschiedliches individuelles Nutzerverhalten bewirkt eine Streuung mit Standard-abweichungen von um 20 %, wobei einzelne individuelle Verbrauchswerte bis zu -75 unter und +100 % über dem Mittelwert liegen können. Die Mittelwerte von ausreichend vielen baugleichen Einheiten (Wohnungen oder Reihenhäusern) zeigen dagegen sehr gute Übereinstimmungen mit den Bedarfsberechnungen (vgl. [Peper/Feist 2015]). Für die untersuchten Passivhäuser konnte dabei keine systematische Abweichung festgestellt werden. Die viel diskutierten Phänomene „Rebound Effekt“ und „Performance Gap“ können hier nicht nachgewiesen werden. Dieses Ergebnis setzt natürlich eine sachgerechte Inbetriebnahme voraus. Am sichersten wird dies mit einfacher und angepasster Technik erreicht.

Unter anderem die Auswertung der tatsächlichen Verbrauchswerte diverser Gebäude im Rahmen des hessischen Förderprogramms [HMWEVL 2016zeigt, dass selbst Sanierungen unterschiedlichster Art und Größe mit Passivhauskomponenten zuverlässig die Ziellinie erreichen.

Randbedingungen und Hilfsmittel zur Inbetriebnahme

Damit energieeffiziente Gebäude im Betrieb wie geplant funktionieren, muss die Gebäudetechnik fachgerecht in Betrieb genommen und schließlich regelmäßig überprüft und ggfs. nachreguliert werden. Die Praxis zeigt, dass dies oftmals gar nicht oder mit wenig Sorgfalt durchgeführt wird. Dazu gibt es mehrere Empfehlungen:

  • Inbetriebnahme braucht einen höheren Stellenwert im Bauprozess
  • Die erforderlichen Planungsunterlagen müssen vorliegen
  • Die Inbetriebnahme muss bei der Planung mitgedacht werden
  • Die Informationen müssen den Nutzern/Betreibern zugänglich gemacht werden

Ein wesentlicher Hebel zur erfolgreichen Planung und Ausführung von Passivhäusern ist ein effizientes Lüftungskonzept. Dies umfasst neben der Wahl des Lüftungsgerätes mit hoch-effizienter Wärmerückgewinnung auch eine an das Gebäude und die spätere Nutzung angepasste Projektierung der Luftmengen und Betriebszeiten der Anlage. Bereits in der Energiebilanzierung mit dem PHPP sind diese Größen zu ermitteln und anzusetzen – dafür ist dieses Tool u.a. entwickelt worden. Sie sind Grundlage der weiteren Lüftungsplanung und müssen dokumentiert werden sowie bei der Inbetriebnahme zur Verfügung stehen. Was hier trivial klingt, fehlt dem Installateur und später dem Nutzer bei nicht mit PHPP geplanten Projekten leider immer wieder.

Zur Betriebsoptimierung der Lüftungsanlage ist bei größeren Systemen ratsam, ein Nutzer-handbuches / Technisches Handbuches verfügbar zu machen, welches die Dokumentation der Lüftungsanlage und deren Bedienung festhält, das Einregulierungsprotokoll enthält und regelmäßige Abfrage/Anpassung des Bedarfes dokumentiert (zu kurze Laufzeiten werden meist erkannt, zu lange dagegen kaum). Vorgenommene Anpassungen der Luftmengen im Rahmen der Nutzung/Betriebsoptimierung sollten einfach auffindbar enthalten sein.

Checklisten

Die im Rahmen Arbeitskreis 52 vorgestellten Checklisten halten wesentliche Parameter aus der Planung fest. Sie dienen als Vorlage und sind dazu gedacht, bei der Inbetriebnahme verwendet, die aufgeführten Einstellungen vorgenommen und dann auf der Liste bestätigt zu werden. Weiterhin enthalten die Checklisten die empfohlenen Prüfungen, die durch den Installateur zu protokollieren bzw. zu bestätigen sind. In einem dritten Schritt werden die Daten an den Nutzer oder Betreiber übergeben.

Bei der Inbetriebnahme, Kontrolle und Optimierung der Gebäude ist es zweckmäßig, nach Art und Größe („Gebäudekategorie“) vorzugehen. Dies zeigen die umfangreichen Erfahrungen der Stadt Frankfurt mit einer großen Anzahl betreuter Bauten (vgl. Beitrag Nitze AK 52). Dort wird auch treffend festgestellt: „Nur die integrale Betrachtung ‚Planen Bauen Betreiben‘ mit den festgelegten Maßnahmen sichert das Ziel energieeffizienten Betriebs mit hoher Nutzerzufriedenheit“. Die Planung steht im Zentrum bei der Gewährleistung einer einwandfreien Funktion – problematische Planungsvorgaben können auch mit großem Wartungsaufwand kaum noch zufriedenstellend korrigiert werden.

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Werkzeug zur Betriebsüberwachung

Aufgrund des baustellenüblichen Zeitverzugs (!) im Bauablauf muss die Einregulierung des Gebäudes häufig in der frühen Nutzungsphase und/oder parallel zum Einzug der Nutzer vorgenommen werden. Gleichzeitig bestehen hohe Erwartungen an das neue Gebäude und dessen Nutzungskomfort. Die Betriebsüberwachung wird damit in der ersten Zeit naturgemäß auf den Nutzungskomfort fokussieren. Da anfangs noch keine Verbrauchsvergleichsdaten vorliegen, kann die Auswertung der Energieverbrauchsdaten erst zu einem späteren Zeitpunkt beginnen. Gerade deshalb ist die korrekte Funktion der Daten-erfassung, die Vollständigkeit und Konsistenz der gesammelten Daten möglichst früh zu prüfen und von Beginn an sicherzustellen (… auch das PHI hat hier in einigen Projekten mühsam Erfahrungen sammeln müssen. An dieser Stelle bleibt der/dem Projektbetreuer/in keine Wahl: Sie/Er muss auf der Funktionstüchtigkeit der Messsysteme bestehen, denn fehlende Daten lassen sich im Nachhinein nicht herzaubern). Zur richtigen Interpretation der gewonnenen Daten sind Informationen z.B. zur Position von Sensoren hilfreich, nicht zuletzt eine qualifizierte Regelungsbeschreibung der Gebäudetechnik.

Aufbauend auf dem Planungs-PHPP lässt ein mit den tatsächlich gemessenen Randbedingungen aufgesetztes Rechenmodell Aussagen zu den erwarteten Energieströmen zu. Ein Abgleich dieser Kennwerte mit tatsächlichen Verbrauchsdaten gibt anschließend (innerhalb der Rechen- und Messgenauigkeit) entscheidende Hinweise zu Güte der Überein-stimmung von rechnerischer Erwartung und gemessener Realität. Nur mit einem solcherart qualifizierten Vergleichsmaßstab ist eine zielgerichtete Betriebsüberwachung transparent möglich. Zum Zweck einer laufenden Betriebsüberwachung sind Jahresbilanzen nur bedingt geeignet. Eine monatliche Bilanzierung, wie sie im PHPP als Standard verwendet, lässt hingegen eine Aktualisierung in praxisgerechten Abständen zu.

Allerdings müssen dafür die Messwerte aufbereitet werden, um die erforderlichen Eingabedaten für das PHPP zu erhalten. Es werden mindestens die folgenden Angaben benötigt: mittlere Gebäude-Innentemperatur, Wetterdatensatz mit monatsmittlerer Außentemperatur und Globalstrahlung und ggf. Anpassung der Betriebszeiten im Gebäude (sofern abweichend von der Planung). Zur weiteren Verfeinerung können die tatsächlichen interner Wärmegewinne aus der Anwesenheit von Personen und dem Verbrauch an Elektrizität unter Berücksichtigung von Verdunstungs- und Ablaufverlusten mit einfließen.

Um diese Nebenrechnungen zu vereinfachen und gleichzeitig zu systematisieren wurde vom PHI ein auf dem PHPP aufbauendes EXCEL-basiertes Rechenhilfsmittel entwickelt. Mit diesem Tool können Messdaten zu diesem Zweck systematisch zusammengestellt und, etwa durch Bildung flächengewichteter Mittelwerte der Raumtemperaturen, für den Vergleich mit dem Planungs-PHPP vorbereitet werden. Zusätzlich erfolgen automatische Plausibilitäts-prüfungen der eingegebenen Daten, Hinweise zu auffälligen Abweichungen und mögliche Fehlerhinweise. Das Ergebnis ist eine validierte monatliche Energiebilanzrechnung. Somit kann der Gebäudebetrieb monatsaktuell nachverfolgt werden. Das Tool steht auf der Homepage des Institutes (www.passiv.de) zur Verfügung.

Mit diesem Werkzeug lässt sich ein recht klares und umfassendes Bild des erwarteten Verbrauchs gewinnen. Der fortlaufende Vergleich mit den tatsächlichen Ablesewerten ermöglicht die angestrebte Betriebsüberwachung, welche monatsweise durchgeführt werden kann. Der Übergang von der Fehlersuche im Rahmen der systematischen Inbetriebnahme und einer fortlaufenden Betriebsoptimierung ist so fließend möglich. Es ist dann auch nicht notwendig, ein ganzes Messjahr abzuwarten; eine Bewertung kann bereits frühzeitig schon nach wenigen Monaten durchgeführt werden.

Quellen

[Feist 2001] Feist, W.: Stellungnahme zur Vornorm DIN V 4108 Teil 6:2001 aus Sicht der Passivhausentwicklung, CEPHEUS-Projektinformation Nr. 39, Fachinformation PHI-2001/10. Passivhaus Institut, Darmstadt, 2001
[HMWEVL 2016] Merkblatt zur Förderung der energetisch optimierten Moderni-sierung von Gebäuden zum Passivhaus im Bestand, veröffentlicht im Staatsanzeiger für das Land Hessen vom 04.04.2016, S. 387
[Peper/Feist 2015] Peper, S.; Feist, W.: Die Energieeffizienz des Passivhaus-Standards: Messungen bestätigen die Erwartungen in der Praxis. Passivhaus Institut, Darmstadt, 2015. Download auf www.passiv.de
[PHPP] Passivhaus Projektierungs-Paket. Berechnung von Energiebilanzen und Planungstool für energieeffiziente Gebäude. Passivhaus Institut, Darmstadt 1998–2016. Aktuelle Version: PHPP 9.6 (2016).
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