In Deutschland weit verbreitet ist folgende Befürchtung: „Erzeugt aktive Kühlung nicht ein Riesenproblem für das Stromnetz?“.
Wir können dazu klare Angaben aus den Erfahrungen des konkreten Betriebes einer Split-Klimaanlage machen, diese Erfahrungen sind übertragbar auf Wohngebäude in Mitteleuropa mit einigermaßen vernünftigem sommerlichen Wärmeschutz.
Seit 2016 betreiben wir im Passivhaus Darmstadt Kranichstein eine Luft/Luft-Split-Wärmepumpe als alleiniges Heizsystem für die ganze Wohnung. Das wird, speziell für den Winterfall, in diesem diesem Blog beschrieben.
Moderne Geräte dieser Bauart können auch „andersherum betrieben“ werden, im Fachjargon oft „reversibel“ genannt. D.h., die Seite, auf der das Geräte kühlt (im Winter kühlt es die Außenluft!) kann mit der anderen vertauscht werden. Dann erwärmt das Gerät die Außenluft mit Energie, die es auf der Innenseite der Raumluft entnimmt: Die Innenluft wird so gekühlt, und so kann an Heißen Sommertagen die Innentemperatur gesenkt werden. Die meisten Geräte dieser Art werden übrigens genau zu diesem Zweck installiert.
Die Wärmepumpe im Splitgeräte benötigt dafür natürlich elektrische Energie. Diese Tatsache führt z.B. in Italien an besonders heißen Tagen oftmals zu Überlastungen im Stromnetz – weshalb die folgende Frage nicht selten gestellt wird: Handeln wir uns mit einer solchen aktiven Kühlung nicht elektrische Lastprobleme auch im deutschen Stromnetz ein? Hier zusammenfassend die Antwort vorweg, die ist nämlich vollständige Entwarnung: Nein, auch wenn künftig nahezu alle Haushalte in Deutschland in Hitzeperioden diese Wärmepumpen rückwärts laufen lassen, um einen besseren Sommerkomfort zu erreichen, würde das KEINE Probleme erzeugen: Vorausgesetzt, die Geräte werden sachgerecht eingesetzt und die Gebäude einigermaßen sommertauglich gemacht – eben mit einem Sonnenschutz und mindestens auf einem EnerPHit-Energieeffizienz-Niveau. Hier die Erfahrungen:
Wieviel Strom für die Kühlung einer gut gedämmten Wohnung auch in Hitzeperioden tatsächlich gebraucht wird, das gibt die Publikation "Heizen mit dem Klima-Splitgerät" [Feist 2022] aus den Erfahrungen vergangener Jahre wieder.
In konkreten Zahlen: Hier ist die Bilanz zum Betriebsstromverbrauch des Klima-Split-Gerätes im Passivhaus Darmstadt Kranichstein für den Juli 2023: Es wurden insgesamt für die gesamte Wohnung 5,5 kWh elektrische Energie für die aktive Kühlung verbraucht (wohlgemerkt: Das ist NICHT der Wert „pro m²“, sondern der gesamte am Zwischenzähler abgelesen Wert für die gesamten 156 m² Wohnfläche, inklusive des „Standby-Verbrauchs“ des Gerätes). Wir stellen das in der folgenden Tabelle in Relation zu den anderen gemessenen Energieströmen im vergangenen Monat Juli:
Betriebsstrom Splitgerät für Kühlung | Übriger Verbrauch an Strom im Haushalt | Erneuerbare Stromerzeugung der PV-Anlage |
|
---|---|---|---|
Strom in kWhel im Monat Juli | 5,5 | 201,8 | 380 |
Anteil an der PV- Stromerzeugung | 1,4% | 53,1% | 100% |
Nur ein unbedeutender Anteil von 1,4% der PV-Stromerzeugung wurde für die Kühlung eingesetzt; insgesamt war auch in diesem vom Solarangebot her eher untypisch bescheidenen Juli die PV-Stromerzeugung nahezu doppelt so hoch, wie der Eigenverbrauch: Es konnten netto 173 kWh für andere Kunden am Stromnetz bereitgestellt werden.
Dieses Ergebnis ist dem seit 13. Juli durchgehend eher kühlen Sommerwetter am Standdort zu verdanken. Solche Wetterperioden sind im Sommer in Mitteleuropa eigentlich auch immer typisch vorgekommen; sie waren im vergangenen Jahrzehnt seltener und kürzer. Unter diesen Bedingungen muss in einem Passivhaus nicht aktiv gekühlt werden, dieses lässt sich dann ganz einfach durch gelegentliches Öffnen von Fenstern bequem auf Wohlfühltemperatur einstellen.
In den inzwischen sieben Jahren Betrieb des Gerätes lag das Maximum eines monatlichen Stromverbrauchs für die Kühlung im August 2018 bei rund 45 kWhel. Auch das ist jedoch immer noch ein vernachlässigbar geringer Verbrauch, weniger als 1% des gesamten Jahresverbrauchs an allen Energieträgern.
Könnte das im Zuge des Klimawandels durch künftig höhere Außentemperaturen noch mehr werden? Das ist sogar ziemlich sicher so. Das Planungsinstrument „PHPP“erlaubt es sogar, den zukünftig maximalen Wert dafür zu berechnen: es ergeben sich damit unter den ungünstigsten Umständen rund 90 kWhel. Immer noch wäre die vorhandene PV-Anlage alleine mit einem rund 5 kWh Akku-Speicher problemlos in der Lage, diesen Bedarf und alles andere Im Gebäude zu decken.
Wir wiederholen die schon zuvor gezogene Bewertung: Heute und in den kommenden Jahrzehnten, sogar inkl. Klimawandel, ist der Strombedarf auch für eine möglicherweise gesteigerte aktive Kühlung in einem Passivhaus in Mitteleuropa vernachlässigbar gering und dieser kann jederzeit problemlos aus schon heute verfügbarem solaren Überschussstrom gedeckt werden.
Die Lösung 'Passivhaus' mit einer kleinen Wärmepumpe ist also nicht nur geeignet die Gebäude-CO22-Bilanz unter jeden kritischen Wert für das globale Klima zu senken, sondern auch gleichzeitig mögliche Komfortprobleme künftiger heißerer Sommer zu kompensieren, sollte der Klimawandel durch weiter fortgesetzte Unvernunft doch Ausmaße annehmen, die wir uns alle nicht wünschen7) . Die Lösung Passivhaus ist damit für den Anwendungsfall „Wohnen“ nicht nur eine Lösung zur Vermeidung eines unakzeptabel gesteigerten Klimawandels, sondern zugleich auch eine Anpassungslösung für das individuelle Wohnen, sollte der Klimawandel doch bedeutender ausfallen, als bei einer vernünftigen Klimaschutz-Politik.
[Feist 2022] Feist, W.: Heizen mit dem Klima-Splitgerät? Passivhaus Darmstadt Kranichstein – Experiment zum Heizen und Kühlen aus einer räumlich konzentrierten Quelle, innsbruck university press, 2022, ISBN 978-3-99106-078-9, Internet-Aufruf: Heizen mit dem Klima-Splitgerät