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Passive Kühlung

Ein Temperaturanstieg in einem Gebäude wird durch Nettowärmegewinne verursacht. Das allererste Prinzip der passiven Kühlung besteht daher darin, alle potenziellen Wärmequellen zu reduzieren, z.B. solare Wärmeeinträge und interne Wärmequellen. Wenn die Temperatur über das Komfortniveau hinaus ansteigt, ist die einzig wirksame Möglichkeit die überschüssige Wärme passiv abzuführen, über Lüftung zu Zeiten in denen die Außentemperatur ausreichend niedrig ist.

Durch geschickten Gebäudeentwurf kann der Sommerkomfort deutlich beeinflusst und verbessert werden. Dieser Artikel gibt eine kurze Übersicht über die wichtigsten Aspekte der passiven Kühlung, die während der Planungsphase sorgfältig und realistisch berücksichtigt werden sollten. Vertiefende Infos sind im Leitfaden "Sommerkomfort im Passivhaus" verfügbar.

Kurz und bündig:
Der Gebäudeentwurf setzt entscheidende Grundlagen für hohen Sommerkomfort.
Für die Nutzung ist wichtig:
Tagsüber: Verschattung runter und Fenster zu! Grundlüftung über Lüftungsanalage.
Nachts: Fenster auf! Möglichst hoher und langer Luftwechsel (ganz öffnen, Querlüftung).

Wichtig: Nicht immer ist es möglich oder sinnvoll sich allein auf passive Maßnahmen zu verlassen um Sommerkomfort sicher zu stellen, denn die „Kühlleistung“ dieser passiven Maßnahmen ist begrenzt. Ein übergeordnetes Planungsziel zwingend auf aktive Kühlung zu verzichten ist nicht zielführend. Auch Gebäude mit aktiver Kühlung können klimaverträglich mit sehr geringem Energieeinsatz realisiert werden. Die in diesem Artikel beschriebenen passiven Maßnahmen helfen dabei den Nutzkältebedarf und Kühllasten niedrig zu halten.


Niedrige solare Wärmelasten

Die Orientierung des Gebäudes und Größe der verglasten Flächen sind absolut zentrale Entwurfsentscheidungen, die sowohl den Winter- als auch den Sommerkomfort beeinflussen. Die effektive Solarapertur erweist sich als neben der Lüftung wichtigste Einflussgröße auf die sommerliche Behaglichkeit. Für hohen Sommerkomfort ist es wichtig, dass das die Sonneneinstrahlung und der damit einhergehende Wärmeeintrag reduziert bzw. kontrolliert wird. Vertikale Südorientierungen sind im Sommer weit günstiger als z.B. Ost- oder Westrichtung. Die Verglasungsfläche (und -orientierung) sollte sorgfältig evaluiert werden, um das Optimum zwischen Ausnutzungsgrad des Tageslichts, günstigen solaren Gewinnen im Winter und der Vermeidung hoher Lasten im Sommer zu finden. Zusätzlich kann die Sonneneinstrahlung im Sommer über folgende Maßnahmen beeinflusst werden:

Mehr zum Thema auf Passipedia:
Sonnenschutz Gestalten: Vorkehrung gegen sommerliche Überhitzung
Parameterstudie: Einfluss von feststehender und temporärer Verschattung

Verschattungsbeispiele:
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Niedrige interne Wärmelasten

Wärmelasten innerhalb des Gebäudes sollten im Sommer so gering wie möglich gehalten werden. Hier spielt die Ausstatttung des Gebäudes eine große Rolle, die zum Teil erst durch den späteren Nutzer entschieden wird (von Wahl der Küchengeräte, über Home Office und Home Entertainment bis hin zu Aquairen). Schon bei der Gebäudeplanung kann Einfluss genommen werden, insbesondere durch:


Lüftungskonzept

In jedem Gebäude ist aus hygienischen Gründen ganzjährig eine Grundlüftungsrate erforderlich, die entweder über die mechanische Lüftungsanlage, über eine Abluftanlage, über Fensterlüftung oder über eine Kombination der drei Möglichkeiten erfolgen kann. Wichtige Aspekte für Sommerkomfort:

Überlegungen für effektive Sommerlüftung sollten schon beim Gebäudeentwurft einfließen z.B. Positionen und Öffnungsweiten von Fenstern und Grundrisse die Querlüftung ermöglichen. Wie im Fall der beweglichen Verschattung, kann auch für das Thema Sommerlüftung ein Nutzerhandbuch helfen um Nutzer*innen darüber zu informieren wann Fenster für besseren Sommerkomfort geöffnet werden oder lieber geschlossen bleiben sollten. In Nicht-Wohngebäuden ist eine automatische Steuerung von Öffnungselementen sinnvoll. In der Nutzung gibt es verschiedene praktische Gründe oder auch persönliche Vorlieben, die entscheidend dafür sind welcher Luftwechsel tatsächlich erreicht wird z.B. Vorhänge/Abdunklungselemente, Insektenschutzgitter, Sicherheit (insbesondere niedrige Geschosse), Umgebungslärm und Außenluftqualität. Es ist wichtig, auch diese Aspekte schon bei der Planung des Sommerkonzepts zu berücksichtigen. Denn wenn das Sommerkonzept auf Nachtlüftung ausgelegt und angewiesen ist, die Fenster aber aus verschiedenen praktischen Gründen gar nicht geöffnet werden können, kommt es unvermeidbar zu Problemen.

Die Wirksamkeit einer höheren Luftwechselrate und deren Auswirkung auf die Behaglichkeit, hängt vom lokalen (Mikro-)Klima ab, insbesondere von den Temperatur- und Feuchtigkeitsbedingungen. In innerstädtischer Lage ist es durch Stadtinseleffekt oft spürbar wärmer und die Möglichkeiten der Nachtkühlung über Lüftung daher deutlich reduziert. Im Zuge des Klimawandels steigt zudem auch die Häufigkeit der Tropennächte d.h. Nächte in denen die Temperatur nicht unter 20°C sinkt. Nachtlüftung bringt in solchen Perioden keine merkliche Abkühlung. Siehe auch: Sommerkomfort im Klimawandel

Mehr zum Thema auf Passipedia:
Nichtwohngebäude: Wärmeabfuhr durch Nachtlüftung
Parameterstudien: Einfluss von Fensterlüftung

Beispiele Fensteröffnung:


Weitere passive Maßnahmen zur Steigerung des Sommerkomforts

Es gibt zusätzliche Maßnahmen, die dazu beitragen, den thermischen Komfort der Bewohner*innen im Sommer zu erhöhen oder die Kühllasten im Falle einer aktiven Kühlung zu reduzieren. Einige Beispiele werden im folgenden Abschnitt beschrieben.

Wärmedämmung:

Im Allgemeinen verringert eine verbesserte Wärmedämmung den Wärmeaustausch mit der Umgebung. Sie schützt damit auch ein kühles Innenvolumen vor einer heißen Umgebung, wie es bei einer Kühlbox der Fall ist. Wenn die Außentemperaturen höher sind als die Innentemperaturen des Gebäudes, werden die Transmissionsbelastungen durch die Bauteile (z. B. Wand, Dach oder Fenster) reduziert, wenn Dämmstärken auf Passivhaus-Niveau verwendet werden. Eine verbesserte Dämmung bedeutet aber auch, dass die potenziell vorteilhaften Transmissionsverluste in den Sommermonaten, in denen es draußen kühler ist als drinnen (z.B. nachts), reduziert werden. In diesen Zeiten ist die Belüftung jedoch immer ein deutlich wirksameres Mittel zur Senkung der Innentemperatur. In Verbindung mit einem adäquaten Lüftungs- und Verschattungskonzept trägt die Wärmedämmung dazu bei, die Innenräume kühl zu halten. Sie kann auch als Resilienzmaßnahme gegen die Erwärmung des Klimas betrachtet werden, da eine verbesserte Dämmung den aktiven Kühlbedarf niedrig hält.

Siehe auch: Bessere Wärmedämmung: gut oder schlecht für den Sommer

Thermische Masse

Thermische Masse erhöht die Trägheit des Gebäudes, d.h. das Gebäude heizt sich langsamer auf und kühlt langsamer ab. Die Absorption solarer oder interner Lasten durch die thermische Masse des Gebäudes trägt dazu bei, dass Temperaturspitzen während sonniger Perioden oder Zeiten mit hoher Belegung gedämpft werden. Um ein angenehmes Raumklima aufrechtzuerhalten muss überschüssig absorbierte Wärme effektiv abgeführt werden. Das einzige passive Mittel zum „Nachladen“ der thermischen Speichermasse ist die Nachtlüftung über einen längeren Zeitraum (die ganze Nacht). Die thermische Masse sollte daher für das jeweilige Projekt unter Berücksichtigung des Lastprofils und des Nachtlüftungspotenzials optimiert werden.

Passivhaus-Sanierung:
Hotel in Südspanien mit Innenhof
Passivhaus Datenbank (ID 7174)

Oberflächenfarbe

Dunkle Oberflächen haben ein höheres Absorptionsvermögen als Oberflächen mit hellen Farben und heizen sich daher bei Sonneneinstrahlung deutlich stärker auf. Die Verwendung von Oberflächenbeschichtungen mit geringem Absorptionsvermögen ist eine einfache und wirksame Maßnahme zur passiven Kühlung. Ein günstiger Nebeneffekt der Verwendung heller Farben ist der positive Einfluss auf den städtischen Wärmeinseleffekt. Neben der sichtbaren Oberflächenfarbe tragen Beschichtungen mit so genannten „Cool Colours“ aufgrund des hohen Reflexionsvermögens im Infrarotspektrum dazu bei, dass Oberflächen kühl bleiben.

Pflanzen / Bäume / Begrünung

Bäume oder andere Pflanzen können ästhetisch in das Verschattungskonzept für den Sommerkomfort integriert werden. Darüber hinaus kann die Verdunstungswirkung von Pflanzen einen positiven Einfluss auf die Aufrechterhaltung eines kühlen Mikroklimas in der Umgebung von Gebäuden haben. Die Bepflanzung und Begrünung ist eine empfohlene Maßnahme zur Verringerung des städtischen Wärmeinseleffekts.

Klimagerechte Gebäudekonzepte

Entwurfsüberlegungen, die in warmen und heißen Klimaregionen gut etabliert sind und eine lange Tradition haben können kosteneffiziente und zuverlässige Methoden zur Kühlung eines Gebäudes bieten. Architekturbeispiele hierfür sind schattenspendende Balkone und Überhänge, beschattete Innenhöfe oder Gebäudekonzepte, die für den Kamineffekt (stack effect) und eine effektive Querlüftung optimiert sind.


Siehe auch

Übersicht der Passipedia-Artikel zum Sommerverhalten von Passivhäusern

PHPP – Das Passivhaus-Projektierungspaket 🌡️




Dieser Artikel wurde im Rahmen des EU geförderten Projekts outPHit geschrieben.

Dieses Projekt wird über das EU-Rahmenprogramm Horizo 2020 Forschungs-
und Innovations-Programm unter der Finanzhilfevereinbarung Nr. 957175 gefördert.