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Solarstrahlung 🌡️

Die Sonne ist ein gigantischer Plasmaball mit einem Durchmesser von etwa 1,4 Mio km. Tief im Kern des Gestirns herrschen extreme Drücke und Temperaturen; diese reichen aus, um dort eine spontane Kernfusion zu ermöglichen. Die dabei erzeugte Fusionsenergie geht eine langwierigen Weg über hochenergetische Photonen, die aber schon nach kurzen Wegen wieder re-absorbiert werden und konvektiven Wärmetransport zu der von uns wahrgenommenen abstrahlenden Sonnenoberfläche: Dort beträgt die Abstrahlungsleistung etwa 63 MW/m². Weil sich die Strahlung in alle Raumrichtung ausbreitet und auf dem Weg zur Erde so gut wie keine Störung durch viel Materie eintritt, nimmt die Intensität mit dem Quadrat des Abstandes von der Sonne ab. Zur Erde sind es im Mittel 149,6 Mio. km, die Leistungsdichte hat daher in dieser Entfernung um etwa (149,6/0,7)² abgenommen: Außerhalb der irdischen Atmosphäre beträgt sie noch im Mittel 1348 W/m²; dieser Wert wird auch als „AM0“ (air mass 0) bezeichnet.

Die uns von der Sonne erreichende Strahlung ist im wesentlichen Wärmestrahlung der heißen Sonnenoberfläche (5772 K) - im Kapitel über die Temperaturstrahlung hatten wir das bereits als Beispiel aufgeführt. Bei derart hohen Temperaturen liegt das Maximum der ausgesendeten Strahlung im sichtbaren Bereich (etwa 0,5 µm); aber auch UV-Licht und eine ganze Menge Infrarot-Strahlung wird von der Sonne abgestrahlt, überwiegend aber im unmittelbar an das sichtbare Spektrum angrenzenden nahen Infrarot. In der Abbildung sind diese Strahlung, das im Weltall gemessene Sonnenspektrum und die noch auf der Erdoberfläche ankommende Strahlung dargestellt. Außerhalb der Erdatmosphäre1) gleicht das Sonnenspektrum relativ gut einem idealen Strahler. Das Strahlungsmaximum liegt bei ca. 500 nm, mitten im sichtbaren Spektrum.

Das Spektrum der elektromagnetischen Strahlung der Sonne hat das Maximum bei etwa 500 nm Wellenlänge (blau-grünes Licht), reicht aber von harter Röntgenstrahlung mit weniger als 0,1 nm bis zu langen Radiowellen. Das kontinuierliche Spektrum unterteilt sich in Ultraviolettes Licht (UV: 100–380 nm), sichtbares Licht (VIS (engl.: visible): 380–780 nm) und Infrarotes Licht (IR: 780 nm – 1 Mio nm = 1 mm). Jeweils etwa die Hälfte der Energie steckt im sichtbaren, eine weitere Hälfte im nahen Infrarot (NIR: 780 nm - 3000 nm).

Typischerweise durchquert die Sonnenstrahlung etwa 1,5 atmosphärische Massen bevor sie den Erdboden trifft: Dort ist die Strahlung bei klarem Wetter dann auf etwa 1000 W/m² abgeschwächt. Je nach geographischer Länge und standorttypischer Bewölkung liegt die insgesamt am Boden über ein Jahr eingestrahlte Sonnenenergie zwischen 800 kWh/m² und 2700 kWh/m²; typisch für Deutschland sind 1000 kWh/m².

Beispielhafte Messergebnisse zur Einstrahlung

Wir stellen in den folgenden drei Diagrammen Intensitäten2), wie sie im Zuge der messtechnischen Datenaufnahme am Standort Darmstadt Kranichstein gemessen wurden, dar. Zum Vergleich wird auch die auf eine horizontale Fläche auftretende Strahlung mit dargestellt3).

Der 23. Juni 2023 war ein überwiegend klarer Sommertag. Von Sonnenauf- bis Untergang stand die Sonne am Himmel, das waren fast 16 h. Weil die Sonne auch relativ hoch steht, kommt es auch nicht zu nennenswerter Verschattung - die maximale Intensität auf der Horizontale lag bei 923 W/m² (im Diagramm grün). Die Strahlung auf die Südfassade (gelb) ist erkennbar deutlich geringer, sie erreicht an diesem Tag nur 524 W, direkte Einstrahlung gibt es auf diese Fläche nur über 9 h. Auffällig ist dagegen die hohe Intensität auf West(blau)- und Ost(rot)-orientierte Flächen, hier liegen die Intensitäten bei bis zu 807 W/m². Schön erkennbar sind auch die beiden „Morgen-und Abend-Hügel“ von auf der Nordfassade auftreffender Solarstrahlung, die immerhin 240 W/m² erreichen. Flächen, die nicht direkt beschienen sind, bekommen immer noch diffuses Himmelslicht und indirekte Strahlung ab, die an diesem Tag etwa 128 W/m² erreicht. Insgesamt ein bedeutendes solares Angebot im Hochsommer, das sich ebenfalls gut zur aktiven Wärmeerzeugung oder zur Stromerzeugung eignet. Als passiv eingetragene Solarenergie im Gebäude können wir diese Strahlung allerdings in diesem Ausmaß nicht gebrauchen - im Gegenteil, träfe diese unverschattet durch die Fenster ein, so wäre dies eine erhebliche zusätzliche Wärmelast. Die bedeutendste Last ist dabei durch die direkte Strahlung, diese ist mehr als 7mal so hoch wie die Werte der Diffusstrahlung4).
Am 8. September 2023 war ebenfalls ein durchgehend klarer Tag, allerdings ist die Zeit der direkten Besonnung jetzt auf gut 11 h für die Südorientierung begrenzt. Die Südfassade und die Horizontale bekommen im Herbst etwa gleich viel Strahlung ab. Wegen der größeren Luftmasse, die durchquert werden muss, liegen die maximalen Leistungen nun bei rund 800 W/m². Das Strahlungsangebot ist allerdings im September bei einem einigermaßen angemessen gedämmten Gebäude immer noch völlig ausreichend um als passiv solare Energiequelle den Betrieb aktiver Heizungen nicht mehr zu benötigen - Im Passivhaus in Darmstadt Kranichstein wurde vor Mitte Oktober in den 33 Jahren der Nutzung noch nie geheizt.
Etwas anders die Situation an einem klaren Wintertag, von denen es übrigens rund 5 im Dezember gibt. Die Dauer des hellen Tages ist mit nur noch 8 h gering - weil die Sonne auch noch sehr tief steht, erreicht die Globalstrahlung auf die Horizontale nur etwa 340 W/m². Besser sieht es für die Südfassade aus: Hier liegt das Maximum immer noch bei 840 W/m²; die Tagessumme auf die Südseite erreicht rund 4 kWh/m². Wenn im Winter am Standort die Sonne scheint, so kann diese durchaus einen nennenswerten passiv solaren Beitrag zum Ausgleich von Wärmeverlusten leisten. Die Strahlungsangebote auf die Ost- und Westseite sowie insbesondere auf die Nordseite sind aber sehr bescheiden.
Die überwiegende Zahl der Wintertage am Standort ist allerdings wolkenverhangen. Zwei dieser Tage zeigen die oben dokumentierten Messdaten: Hier wird es über 8 h des Tages durchaus noch 'hell', die Intensität der nun rein diffusen Einstrahlung beträgt aber nur um die 20 W/m². Damit sind leider keine hohen solaren Energieerträge mehr möglich - im übrigen ist das der eigentliche, tiefer liegende Grund dafür, weshalb an solchen Standorten im Winter künstlich Wärme erzeugt und zugeführt werden muss, um ein Gebäude auf komfortablen Temperaturen zu halten. Und auch der Grund dafür, dass es in den Monaten mit tiefstehender Sonne im Außenraum überhaupt so kalt wird.

Schon aus dem letzten Diagramm können wichtige Indizien für das winterliche Verhalten von Verglasungen an einem solchen Standort gezogen werden: Gehen wir von einer Außentemperatur von z.B. 2°C aus5), dann beträgt der Wärmeverlust einer passivhaustypischen Dreischeiben-Argonverglasung mit $U_{g3}=0,6 \frac{W}{m²K}$ etwa 11 W/m². Eine solche Verglasung lässt etwa 55% der außen auftreffenden solaren Einstrahlung innen wirksam werden: Das sind bei den dort tagsüber ca. 20 W/m² gerade ebenfalls 11 W/m². Die Dreischeiben-Wärmeschutzverglasung kann somit zumindest während der hellen Stunden auch an trüben Tagen ihren Wärmeverlust gerade eben durch die passiv nutzbare Sonnenenergie kompensieren; allerdings natürlich nicht in der Nacht. Schon die Zweischeiben-Wärmeschutzverglasung mit $U_{g,2}=1,1 \frac{W}{m²K}$ kann dies, trotz des höheren Gesamtenergiedurchlasswertes von 65%, nicht mehr: Der Verlust ist mit rund 20 W/m² auch tagsüber höher als der Solareintrag von 13 W/m². Wir haben damit auch den Hinweis bzgl. der 'energie-positiven' passiv solaren Energienutzung von der Übersichtsseite zu Verglasungen geklärt: Natürlich kann an machen Tagen tagsüber auch eine weniger gut wärmedämmende Verglasung als die Dreischeiben-Wärmschutz-Verglasung solare Energie in den Raum bringen - im Mittel über den Monat Dezember ist das allerdings in unseren Breiten nicht ausreichend für eine netto-positive Bilanz: Dazu sind die klaren Tage zu selten, die helle Zeit am Tag zu kurz und die Wärmeverluste bei U-Werten über 0,7 W/(m²K) zu hoch.

Bei Gebäuden sind vor allem Oberflächen mit lotrechten Orientierungen wie bei der überwiegenden Anzahl von Fenstern interessant.

Langjährige Monatsmittel der Einstrahlung

Die behandelten Beispiele beziehen sich auf zwar typische, aber eben doch konkrete Bedingungen zu einzelnen Zeitpunkten. Zuverlässigere Aussagen sind möglich, wenn wir die langjährigen Monatssummen des Strahlungsangebotes verwenden: Für diese gibt es umfassenden Datensammlungen. Für das Passivhaus Projektierungs Paket PHPP wurden z.B. monatliche Mittelwerte der relevanten Strahlungsdaten und andere Klimaparameter zusammen gestellt.

Von den deutschen Großstädten hat München das höchste Solarangebot mit rund 1124 kWh/(m²a) für das ganze Jahr und im Minimum auf einer vertikalen Südfläche auch im Dezember immer noch 34 kWh/(m²Mon). Das sind im Monatsmittel rund 45 W/m². In München sind damit passive solare Lösungen attraktiver als am nächsten behandelten Standort, Hamburg:
In Hamburg liegt die Jahressumme der Globalstrahlung mit 934 kWh/(ma²) gar nicht extrem viel niedriger; allerdings ist auch für eine vertikale Südfläche der Dezembereintrag hier mit nur 20 kWh/(m²Mon) sehr gering: Das entspricht nur noch 27 W/m² im Monatsdurchschnitt. Dennoch reicht das aus, um die Wärmeverluste einer Dreischeiben-Wärmeschutzverglasung6) zu kompensieren.

Das solare Strahlungsangebot hat einen bedeutenden Einfluss auf den Bedarf an Heizwärme in einem Gebäude. Die Höhe dieses Angebotes ist im durchschnittlichen Jahresverlauf gut bekannt - das haben wir auf dieser Seite beschrieben. Um den Einfluss auf ein Gebäude zu quantifizieren, müssen wir wissen, auf welchem Weg die Sonnenenergie im und am Gebäude wirksam wird. Wir können dabei verschiedene Wirkungsketten unterscheiden:

  1. Aktive Nutzung der Strahlung durch Licht-Elektrizität-Energiewandler (Photo-Voltaik): Eingeführt sind dafür aus Halbleitermaterialen gefertigte Paneele, sog. PV-Module. Moderne handelsübliche Paneele wandeln etwa 12 bis 18% der auftreffender Solarstrahlung in elektrische Energie um. Das PHPP enthält auch ein Tabellenkalkulationsblatt, mit welchem die mittleren monatlichen Erträge von PV-Anlagen mit allen denkbaren Orientierungen abgeschätzt werden können. Auf einigermaßen wenige verschatteten Flächen zwischen Südwest- und Südost-Orientierung sowie auf die Horizontale lassen sich PV-Anlage heute überall in Deutschland wirtschaftlich betreiben. Wir empfehlen daher, bei einem Neubau oder einer Dach-Neueindeckung immer die Integration einer PV-Anlage in Betracht zu ziehen. Dabei gilt: „Viel hilft viel!“ oder auch „wenn schon, denn schon.“; es ist empfehlenswert, Flächen immer mit dem Maximum dessen, das dort möglich und erlaubt ist, zu belegen: Viele der erforderlichen baulichen Maßnahmen hängen in ihren Kosten nur wenig von der Größe der Anlage ab. Wenn das schon einmal angepackt wird, dann ist es unklug, an der Fläche zu sparen.
  2. Aktive Nutzung der Strahlung durch einen thermischen Sonnenkollektor: Dieser absorbiert die Strahlung, wandelt sie in Wärme um und gibt diese an ein Medium ab - meist ist das mit Frostschutzmittel vermischtes Wasser. Thermische Kollektoren hängen bzgl. ihres Wirkungsgrades stark von der Umgebungstemperatur ab: Im Sommer sind 60% auch bei einfachsten Kollektoren 'drin'; im Winter gehen die Wirkungsgrade aber sehr in die Knie, es ist nicht selten, dass im Dezember und Januar so gut wie keine Energie geliefert wird. Das PHPP erlaubt auch eine realistische Berechnung der Erträge thermischer Solaranlagen. Solche Anlagen sind in aller Regel heute teurer als gleich große PV-Felder. Weil die PV über den erzeugten Strom und eine Warmwasser-Wärmepumpe ebenfalls Wärme erzeugen kann und das in den meisten Fällen kostengünstiger umsetzbar ist, haben thermische Solaranlagen etwas an Attraktivität eingebüßt. Richtig ist allerdings nach wie vor, dass die Sommererträge einer guten thermischen Anlage bei gleicher Fläche höher sein werden als die der PV-Wärmepumpen-Kombination. Da die Wärmepumpe allerdings im Winter dann ohnehin gebraucht wird, stellt sich die ökonomische Seite anders dar. Eine Überdimensionierung thermischer Solaranlagen ist wenig sinnvoll: Der weit überwiegende Teil der dann im Sommer zu viel erzeugten Energie ist dann nicht nutzbar; bei der PV ist das anders: Nicht selbst genutzter Solarstrom kann hier über das Stromnetz anderen Nutzern verfügbar gemacht werden.
  3. Passive Nutzung der Sonnenenergie durch bis in die Innenräume eindringende („transmittierte“) Strahlung; durch die Verglasungen von Fenstern kommt mit dem sichtbaren Licht auch die Energie ins Gebäude herein; in der Regel auch der Teil, der im infraroten Bereich des Spektrums liegt. Im Raum wird solche Strahlung, wenn sie nicht durch irgendein Fenster wieder hinausdringen kann, letztlich an den inneren Oberflächen von Bauteilen und Mobiliar absorbiert, d.h. in Wärme verwandelt: Der Raum wirkt hier physikalisch gesehen wie ein Sonnenkollektor. Passive Sonnenenergie kann daher in der Heizzeit zumindest eine Teil der Wärmeverluste ersetzen und damit den Bedarf an Heizung reduzieren: Das ist eines der Prinzipien, die ein Passivhaus verwendet, um sehr geringe Wärmebedarfswerte zu erreichen. Um diesen Beitrag vorab berechnen zu können, benötigen wir strahlungsphysikalische Eigenschaften der Verglasungen - dazu hat sich der sog. Der Gesamtenergiedurchlassgrad 🌡️ g eingeführt; wir behandeln dieses Konzept auf der nächsten Seite des Kurses. Die Bestimmung der Nutzbarkeit passiv solarer Beiträge ist ein Kernbestandteil des PHPP.
  4. Passive Nutzung der Sonnenenergie durch auf der Außenseite von Bauteilen absorbierte Strahlung: Das hat einen Wärmeverlust-einsparenden Effekt, weil sich die Oberflächen dadurch erwärmen, auch in dem Fall, dass das betreffende Bauteil nicht lichtdurchlässig ist. Auch dieser Effekt wird z.B. bei Bilanzen mit dem PHPP berücksichtigt - er ist aber vor allem im Sommer von Bedeutung und da natürlich problematisch, weil es in dieser Jahreszeit mehr auf das Kühlhalten als auf zusätzliche solare Gewinne ankommt; gerade, wenn es um Kühllasten geht, auch an besonders heißen Standorten auf der Welt, ist es unverzichtbar, diesen Beitrag zu berücksichtigen.
  5. Indirekter Einfluss durch die Erwärmung auch von Flächen in der Umgebung des Hauses. Jene stehen nämlich im Wärmestrahlungsaustausch mit den Oberflächen des Gebäudes - und sie erwärmen die Umgebungsluft. Das ist die überwiegende Ursache für den Tag-Nacht-Gang der Außentemperatur und in dieser auch weit überwiegend schon berücksichtigt. In geschickt genutzten Lagen kann eine lokale Erwärmung aber durchaus einen gewissen Einfluss auf die Bilanz haben; in aller Regel ist der Einfluss aber gering - das PHPP bleibt bzgl. solcher Effekte bewusst auf der sicheren Seite und macht hier, wegen der großen Unsicherheit und der ohnehin geringen Auswirkungen, keine zusätzlichen Gutschriften.



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1)
extraterrestrisch
2)
Einstrahlleistung in kW/m²
3)
auch Globalstrahlung genannt
4)
Das ist ein Hinweis, wie ein guter Sonnenschutz funktionieren kann: Dieser muss vor allem die Direktstrahlung abhalten. Das ist z.B. durch Überstände über den Fenstern oder durch eine Jalousie möglich. In unserem Gebäude haben sich dafür außenliegende Jalousien sehr gut bewährt; auch diese sind jetzt schon über 30 Jahre in der Nutzung. Die Verschattung der Fenster im Sommer ist der wichtigste Beitrag zur Verringerung hoher Temperaturen im Gebäude: Siehe "praktische Tips zur Reduzierung der Hitzelast"
5)
typisch für stark bewölkte Wintertage
6)
rund 11 W/m² im Schnitt