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grundlagen:strahlungsaustausch

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 ${\displaystyle \dot{q_{e}}= \sigma T^4 }$ \\  ${\displaystyle \dot{q_{e}}= \sigma T^4 }$ \\ 
  
-Reale Objekte haben aber keinen 100% Emissionsgrad; in aller Regel lassen sie sich aber für einen Wellenlängenbereich, wie z.B. den der thermischen Strahlung in der Umgebung der Raumtemperatur (also ca. 0 bis 40 °C) durch einen 'grauen Körper' mit konstantem Emissionsgrad $\varepsilon$ < 1 annähern. Sie emittieren dann das $\varepsilon$-Fache des o.g. Wertes. Stehen sich zwei Körper mit verschiedener Temperatur gegenüber, so senden beide Wärmestrahlung aus und absorbieren((bzw. reflektieren)) die des anderen (Beispiele: innere und äußere Scheibe einer Zweischeibenverglasung, Erdboden-Wolkendecke bzw. Erdboden-klarer Nachthimmel). In diesem Fall spricht man von Strahlungsaustausch. +Dabei ist wie immer $T$ die Temperatur (hier der Oberfläche) und $\sigma$ die bereits eingeführte [[/grundlagen/strahlungsgesetze#das_stefan-boltzmannsche_strahlungsgesetz|Stefan-Bolzmannsche Konstante]]. 
-Als einfaches Beispiel werden zwei unendlich ausgedehnte parallele ebene Körper in einem bestimmten Abstand voneinander betrachtet. Der Nettostrahlungsfluss $\dot{q}_{rad} $ lässt sich wie folgt aus dem Strahlungsstrom $\dot{q}_1$ von 1 nach 2 und von $\dot{q}_2$ in die andere Richtung bestimmen+ 
 +Reale Objekte haben keinen Emissionsgrad von 100%; in aller Regel lassen sie sich aber für einen Wellenlängenbereich, wie z.B. den der thermischen Strahlung in der Umgebung der Raumtemperatur((ein Bereich von rund -10°C bis 40 °C) durch einen 'grauen Körper' mit annähernd konstantem Emissionsgrad $\varepsilon$ < 1 annähern. Sie emittieren dann das $\varepsilon$-Fache des o.g. Wertes. Stehen sich zwei Körper mit verschiedener Temperatur gegenüber, so senden beide Wärmestrahlung aus und absorbieren((bzw. reflektieren)) die des anderen (Beispiele: innere und äußere Scheibe einer Zweischeibenverglasung, Erdboden-Wolkendecke bzw. Erdboden-klarer Nachthimmel). In diesem Fall spricht man von Strahlungsaustausch. 
 +Als einfaches Beispiel werden zwei((unendlich)) ausgedehnte parallele ebene Körper in einem bestimmten Abstand voneinander betrachtet. Der Nettostrahlungsfluss $\dot{q}_{rad} $ lässt sich wie folgt aus dem Strahlungsstrom $\dot{q}_1$ von 1 nach 2 und von $\dot{q}_2$ in die andere Richtung bestimmen
  
 $\dot{q}_{rad}= \dot{q}_1 - \dot{q}_2 ~,$ $\dot{q}_{rad}= \dot{q}_1 - \dot{q}_2 ~,$
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 ${ \displaystyle \dot{q}_{rad}= \frac{\sigma}{\frac{1}{\varepsilon_1}+\frac{1}{\varepsilon_2}-1} \left( T_1^4 - T_2^4 \right) ~},$ \\   ${ \displaystyle \dot{q}_{rad}= \frac{\sigma}{\frac{1}{\varepsilon_1}+\frac{1}{\varepsilon_2}-1} \left( T_1^4 - T_2^4 \right) ~},$ \\  
  
-Damit lässt sich (weitgehend exakt) der netto-Wärmestrom durch Strahlung zwischen zwei Fensterscheiben aber auch in guter Näherung der Netto-Strahlungsaustausch zwischen Fußboden und Decke((z.B. wichtig für eine Fußbodenheizung)) bestimmen. Das hier jeweils die Potenz $T^4$ bestimmt werden muss, ist bei der heutigen Verfügbarkeit von Taschenrechner und Computer eigentlich kein Hindernis. Es ist aber auch zulässig (und üblich) eine lineare Näherung für die Abhängigkeit von der Temperaturdifferenz zu verwenden, weil die absoluten Temperaturen im Bereich der Bauphysik sich doch alle in einem recht engen Bereich (dem Komfortbereich!) bewegen: $15 °C < \vartheta < 28 °C$. Dazu wenden wir auf die Differenz der $T^4$-Terme einfach zweimal den dritten binomischen Lehrsatz an:\\ +Damit lässt sich (weitgehend exakt) der netto-Wärmestrom durch Strahlung zwischen zwei Fensterscheiben aber auch in guter Näherung der Netto-Strahlungsaustausch zwischen Fußboden und Decke((z.B. wichtig für eine Fußbodenheizung)) bestimmen. Das hier jeweils die Potenz $T^4$ bestimmt werden muss, ist bei der heutigen Verfügbarkeit von Taschenrechner und Computer eigentlich kein Hindernis. Es ist aber auch zulässig (und üblich) eine lineare Näherung für die Abhängigkeit von der Temperaturdifferenz zu verwenden, weil die absoluten Temperaturen im Bereich der Bauphysik sich alle in einem recht engen Bereich (dem Komfortbereich!) bewegen: $15 °C < \vartheta < 28 °C$. Dazu wenden wir auf die Differenz der $T^4$-Terme einfach zweimal den dritten binomischen Lehrsatz an:\\ 
  
 $T_1^4 - T_2^4 = (T_1^2 + T_2^2) (T_1^2 - T_2^2)= (T_1^2 + T_2^2) (T_1 + T_2)(T_1 - T_2)$\\  $T_1^4 - T_2^4 = (T_1^2 + T_2^2) (T_1^2 - T_2^2)= (T_1^2 + T_2^2) (T_1 + T_2)(T_1 - T_2)$\\ 
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 angegeben werden. Dabei haben wir den Netto-Emissionsfaktor durch $\varepsilon_n=\frac{1}{\frac{1}{\varepsilon_1} + \frac{1}{\varepsilon_2} -1}$ abgekürzt. Die Strahlungswärmeübergänge bei raumüblichen Emissionsgraden von um 93% liegen damit so in etwa zwischen 4,8 und 5,4 W/(m²K) und sind damit DEUTLICH höher als die konvektiven Wärmeübergänge; diese liegen nämlich in vernünftig gebauten Gebäuden innen um 1,9 W/(m²K) (vgl. das Kapitel [[/grundlagen/waermeuebergaenge_ii|Wärmeübergänge II]] in diesem Grundlagenkurs.\\  angegeben werden. Dabei haben wir den Netto-Emissionsfaktor durch $\varepsilon_n=\frac{1}{\frac{1}{\varepsilon_1} + \frac{1}{\varepsilon_2} -1}$ abgekürzt. Die Strahlungswärmeübergänge bei raumüblichen Emissionsgraden von um 93% liegen damit so in etwa zwischen 4,8 und 5,4 W/(m²K) und sind damit DEUTLICH höher als die konvektiven Wärmeübergänge; diese liegen nämlich in vernünftig gebauten Gebäuden innen um 1,9 W/(m²K) (vgl. das Kapitel [[/grundlagen/waermeuebergaenge_ii|Wärmeübergänge II]] in diesem Grundlagenkurs.\\ 
  
-**Der Wärmeaustausch im Raum findet somit zu einem sehr großen Teil über die Wärmestrahlung statt und gar nicht, wie in der naiven Vorstellung, über die Luft.** Die richtigere Vorstellung ist: Der Raum ist umgeben von Flächen (und gefüllt mit weiteren Flächen), die Wärmestrahler mit ihrer jeweiligen Oberflächentemperatur sind. Im Raum liegt ständig ein leistungsstarkes Wärmestrahlungsfeld vor. Das sorgt für den Transport von Wärme von Oberfläche zu Oberfläche und ist auch für einen entscheidenden Teil des thermischen Komfortempfindens verantwortlich (sog. "Strahlungstemperatur", das ist in guter Näherung die mittlere Temperatur der Raumumfassungsflächen).\\ +**Der Wärmeaustausch im Raum findet somit zu einem sehr großen Teil über die Wärmestrahlung statt und gar nicht, wie in einer verbreiteten naiven Vorstellung, über die Luft.** Die richtigere Vorstellung ist: Der Raum ist umgeben von Flächen (und gefüllt mit Gegenständen, die weitere Oberflächen haben), die Wärmestrahler mit ihrer jeweiligen Oberflächentemperatur sind. Im Raum liegt ständig ein leistungsstarkes Wärmestrahlungsfeld vor. Das sorgt für den Transport von Wärme von Oberfläche zu Oberfläche und ist auch für einen entscheidenden Teil des thermischen Komfortempfindens verantwortlich (sog. "Strahlungstemperatur", das ist in guter Näherung die mittlere Temperatur der Raumumfassungsflächen).\\ 
  
-Das hat weitreichende praktische Konsequenzen: Das naive thermische Modell, dass Wärme im Raum über die Luft ausgetauscht wird, teilen leider auch noch viele 'Fach'-Leute. Der Wärmestrahlungsaustausch ist viel bedeutender! Der transportiert die Wärme auch direkt z.B. vom Heizkörper an die Außenbauteil-Innenoberfläche - oder vom beheizten Fußboden an die Dach-Innenoberfläche. Effekte, die zumindest zu einem Teil der oft beobachteten höheren Energieverbrauchswerte((als erhofft)) von Flächenheizungen beitragen; nun ist dieser Effekt auch nicht so groß, dass die gewollten Einsparbeiträge durch größere Heizflächen dadurch ganz aufgehoben würden(Strahlungsklima, niedrigere Vorlauftemperaturen und daher Leitungsverluste, insbesondere aber bessere Arbeitszahlen von Wärmepumpen). Allerdings: Wenn ich einen Raum nur mal schnell und dann für kurze Zeit (< 1,5 h) in der Temperatur anheben will - dann geht das am effizientesten durch einen Lufterwärmer. Einmal wird die Luft wg. der geringen Wärmekapazität schnell warm; zum anderen überträgt sie innerhalb von 1,5 h keine gigantischen Wärmemengen an die Raumumfassungsflächen, so dass deren Temperaturen nicht so rasch ansteigen. Dadurch fällt die Temperatur dann auch nach dem Abschalten schnell wieder ab; das ist also ein "guter Trick" um z.B. ein kleines Bad mal eben schnell und mit vertretbaren Kosten hochzuheizen.+Das hat weitreichende praktische Konsequenzen: Die naive Vorstellung, dass Wärme im Raum über die Luft ausgetauscht wird, teilen leider auch noch viele 'Fach'-Leute. Der Wärmestrahlungsaustausch ist jedoch viel bedeutender! Der transportiert die Wärme direkt z.B. vom Heizkörper an die Außenbauteil-Innenoberfläche - oder vom beheizten Fußboden an die Dach-Innenoberfläche. Effekte, die zumindest zu einem Teil der oft beobachteten höheren Energieverbrauchswerte((als erhofft)) von Flächenheizungen beitragen; nun ist dieser Effekt auch nicht so groß, dass die gewollten Einsparbeiträge durch größere Heizflächen dadurch ganz aufgehoben würden(Strahlungsklima, niedrigere Vorlauftemperaturen und daher Leitungsverluste, insbesondere aber bessere Arbeitszahlen von Wärmepumpen). Allerdings: Wenn ich einen Raum nur mal schnell und dann für kurze Zeit (< 1,5 h) in der Temperatur anheben will - dann geht das am effizientesten durch einen Lufterwärmer. Einmal wird die Luft wg. der geringen Wärmekapazität schnell warm; zum anderen überträgt sie innerhalb von 1,5 h keine großen Wärmemengen an die Raumumfassungsflächen, so dass deren Temperaturen nicht so rasch ansteigen. Dadurch fällt die Temperatur dann auch nach dem Abschalten schnell wieder ab; das ist ein "guter Trick" um z.B. ein kleines Badezimmer mal eben schnell und mit vertretbaren Kosten hochzuheizen.
  
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 **Was bedeutet das nun für die Temperaturen in Aufenthaltsräumen?** Für einen Raum in Passivhaus-Qualität((der keinen zusätzlichen Einflüssen wie Sonneneinstrahlung oder inneren Wärmequellen ausgesetzt ist)),heißt es zunächst, dass die Temperaturen im annähernd eingestellten Gleichgewicht kaum Unterschiede an verschiedenen Orten aufweisen. Eben weil der Strahlungsaustausch zwischen den Umfassungsflächen so groß, andererseits aber der Wärmeverlust durch Außenbauteile so gering ist, kann es nicht zu nennenswerten Unterschieden der stark miteinander durch Strahlung gekoppelten Oberflächentemperaturen kommen. **Was bedeutet das nun für die Temperaturen in Aufenthaltsräumen?** Für einen Raum in Passivhaus-Qualität((der keinen zusätzlichen Einflüssen wie Sonneneinstrahlung oder inneren Wärmequellen ausgesetzt ist)),heißt es zunächst, dass die Temperaturen im annähernd eingestellten Gleichgewicht kaum Unterschiede an verschiedenen Orten aufweisen. Eben weil der Strahlungsaustausch zwischen den Umfassungsflächen so groß, andererseits aber der Wärmeverlust durch Außenbauteile so gering ist, kann es nicht zu nennenswerten Unterschieden der stark miteinander durch Strahlung gekoppelten Oberflächentemperaturen kommen.
    
-Beispiel: Eine Außenwand mit U-Wert 0,12 W/(m²K) überträgt bei einem Temperaturunterschied von 20 K einen Wärmestrom von 2,4 W/m² nach außen. Selbst im Winter ist also der Wärmeverlust nach außen nur halb so groß, wie es allein der Strahlungswärmeaustausch im Inneren des Raumes bei 1K Temperaturdifferenz ist. Die Oberflächentemperatur der Außenwand kann also nur eine maximal 0,5K geringere Temperatur als die übrigen Raum-Umfassungsflächen aufweisen. Zumindest bei stationären Bedingungen ist das der Fall - und die liegen im normalen Winterbetrieb eines Passivhauses mit guter Näherung vor((Natürlich sind künstlich veränderte Zustände mit hohem Energieeinsatz erzwingbar: Es könnte z.B. eine Wandoberfläche aktiv gekühlt werden, mit im Putz eingebetteten Kühlschlagen und die Luft im Raum im Gegenzug mit einem Konvektor aktiv auf z.B. 22°C geheizt. Dass sind technisch realisierbare interne Wärmekreise, wobei dann die aktive Kühlung gegen die aktive Heizung läuft. Aus Behaglichkeitsgesichtspunkten ist das völlig unsinnig - und ein Beispiel für aktiv erzwungene Inneffizienz.)).+Beispiel: Eine Außenwand mit U-Wert 0,12 W/(m²K) überträgt bei einem Temperaturunterschied von 20 K einen Wärmestrom von 2,4 W/m² nach außen. Selbst im Winter ist also der Wärmeverlust nach außen nur halb so groß, wie es allein der Strahlungswärmeaustausch im Inneren des Raumes bei 1K Temperaturdifferenz ist. Die Oberflächentemperatur der Außenwand kann also nur eine maximal 0,5K geringere Temperatur als die übrigen Raum-Umfassungsflächen aufweisen. Zumindest bei stationären Bedingungen ist das der Fall - und die liegen im normalen Winterbetrieb eines Passivhauses mit guter Näherung vor((Natürlich sind künstlich veränderte Zustände mit hohem Energieeinsatz erzwingbar: Es könnte z.B. eine Wandoberfläche aktiv gekühlt werden, mit im Putz eingebetteten Kühlschlagen und die Luft im Raum im Gegenzug mit einem Konvektor aktiv auf z.B. 22°C geheizt. Dies sind technisch realisierbare interne Wärmekreise, wobei dann die aktive Kühlung gegen die aktive Heizung läuft. Aus Behaglichkeitsgesichtspunkten ist das völlig unsinnig - und ein Beispiel für einen aktiv erzwungenen hohen Energieverlust.)).
    
 **Was ist das überhaupt, die Raumtemperatur?** Auch die meisten Thermometer erfassen zu einem großen Anteil die Strahlungstemperatur der Umfassungsflächen und anderen Gegenstände. Nur ein Anteil des Messwerts ist auf die konvektive Kopplung an die Raumluft bestimmt. Es ergibt sich so ein gewichteter Mittelwert aus beiden Größen, die genauen Anteile hängen von der Bauart des Thermometers ab. Für übliche, an der Wand montierte Raumtemperatursensoren in Gehäusen sind ¾ (Strahlung) zu ¼ (konvektiv) eine realistische Größenordnung. **Was ist das überhaupt, die Raumtemperatur?** Auch die meisten Thermometer erfassen zu einem großen Anteil die Strahlungstemperatur der Umfassungsflächen und anderen Gegenstände. Nur ein Anteil des Messwerts ist auf die konvektive Kopplung an die Raumluft bestimmt. Es ergibt sich so ein gewichteter Mittelwert aus beiden Größen, die genauen Anteile hängen von der Bauart des Thermometers ab. Für übliche, an der Wand montierte Raumtemperatursensoren in Gehäusen sind ¾ (Strahlung) zu ¼ (konvektiv) eine realistische Größenordnung.
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