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grundlagen:energiewirtschaft_und_oekologie:bemerkungen_zur_wachstumsdebatte

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 Vor allem in der politischen Ökonomie spielt Wachstum eine bedeutende Rolle. Die weit werbreitete Position ist, dass der Wohlstand zunehmen muss, damit es mehr zu verteilen gibt, denn die Begierde der Menschen ist unersättlich. Das ist die Grundposition der Schule der Wachstumsvertreter.\\ \\  Vor allem in der politischen Ökonomie spielt Wachstum eine bedeutende Rolle. Die weit werbreitete Position ist, dass der Wohlstand zunehmen muss, damit es mehr zu verteilen gibt, denn die Begierde der Menschen ist unersättlich. Das ist die Grundposition der Schule der Wachstumsvertreter.\\ \\ 
 Es gibt nicht viele Kritiker - aber es gibt sie schon. Die haben begründete Kritik an der zentralen Bedeutung, die dem Wachstum gegeben wird. Meist sehen sie dann, ganz im Gegensatz zu den Wachstumvertretern, das Wachstum als solches als die entscheidende Ursache dafür, dass es Probleme wie z.B. die Treibhausgaszunahme gibt.\\ \\  Es gibt nicht viele Kritiker - aber es gibt sie schon. Die haben begründete Kritik an der zentralen Bedeutung, die dem Wachstum gegeben wird. Meist sehen sie dann, ganz im Gegensatz zu den Wachstumvertretern, das Wachstum als solches als die entscheidende Ursache dafür, dass es Probleme wie z.B. die Treibhausgaszunahme gibt.\\ \\ 
-Hier werden ein paar Gesichtspunkte angeführt, die auf eine konkrete alternative Lösung bzgl. dieser Kontroverse hinweisen. Eine Lösung, die als Transformation in Fortsetzung eines Prozesses, der ohnehin schon läuft, entwickelt und umgesetzt werden kann. Die Analyse hat mehrere Teile: \\ +Hier werden ein paar Gesichtspunkte angeführt, die auf eine konkrete alternative Lösung bzgl. dieser Kontroverse hinweisen. Eine Lösung, die als Transformation in Fortsetzung eines Prozesses, der ohnehin schon läuft, entwickelt und umgesetzt werden kann. Die Analyse hat mehrere Teile: \\ \\ 
 (1) Die historische Aufbereitung: Das Wachstum war schon bisher gar nicht exponentiell...\\  (1) Die historische Aufbereitung: Das Wachstum war schon bisher gar nicht exponentiell...\\ 
-(2) Die Rolle von Effizienzfaktoren (wie z.B. Produkt-Lebensdauern)\\ +(2) Die Rolle von Effizienzfaktoren (wie z.B. Produkt-Lebensdauern).\\ 
 (3) Etwas elementare Mathematik: Die Summe der unendlichen geometrischen Folge konvergiert - doch was hat das mit dem Wachstum zu tun?\\  (3) Etwas elementare Mathematik: Die Summe der unendlichen geometrischen Folge konvergiert - doch was hat das mit dem Wachstum zu tun?\\ 
-(4) Alles nur Theorie? Ein paar konkrete Umsetzungsansätze. \\ +(4) Alles nur Theorie? Ein paar konkrete Umsetzungsansätze. \\ \\ 
  
  
 ====(1) Die historische Aufbereitung: Das Wachstum war schon bisher gar nicht exponentiell...==== ====(1) Die historische Aufbereitung: Das Wachstum war schon bisher gar nicht exponentiell...====
  
-[{{ :beispiele:wohngebaeude:mehrfamilienhaeuser:winter_2022:wachstum_real_de_linear.png?640|Das Wachstum war schon historisch nicht exponentiell; eher ziemlich gut linear. Das nimmt dieser Sache eine Menge Schärfe!  }}]+[{{ :beispiele:wohngebaeude:mehrfamilienhaeuser:winter_2022:wachstum_real_de_linear.png?640|Das Wachstum war schon historisch nicht exponentiell; eher ziemlich gut linear. Das nimmt dieser Sache eine Menge Schärfe!((Hinweis: auf der Y-Achse ist hier ein ganz normaler linearer Maßstab angelegt. Ökonomen stellen dort oft auch die Werte im logarithmischen Maßstab dar: Da haben dann Wertepaare, die im gleichen Verhältnis stehen, gleiche Abstände - ein **exponentielles** Wachstum wird dann im **logarithmischen Maßstab** zu einer Geraden. In unserem Diagramm liegt aber gar kein logarithmischer Maßstab vor: D.h., der dargestellte Basisprozess IST linear in der Zeit und eben gerade nicht exponentiell.))  }}]
 Kommuniziert werden bzgl. des Wirtschaftswachstums meist Prozentzahlen. Das ist anschaulich - und es spricht auch zunächst nichts dagegen. Dass allerdings die einmal gemessene Prozentzahl Jahr für Jahr in mindestens der gleichen Höhe weiter fortgesetzt werden muss - das folgt aus dieser Art Angabe natürlich nicht. Das ist vielmehr eine Frage der empirischen Forschung: Deren Ergebnisse gibt es, sie sind sogar leicht allgemein zugänglich (statistische Ämter). Ein wichtiger Punkt muss dabei beachtet werden: für die Realität, sowohl bzgl. des Wohlstandes als auch bzgl. der erforderlichen materiellen Ressourcen, ist nicht das nominale Brutto-Inlandsprodukt (BIP), sondern allenfalls das inflationsbereinigte ausschlaggebend((Ob das BIP ein gutes Maß für den Wohlstand darstellt, ist stark umstritten. Das ist allerdings ein anderes Thema, das wir bei Gelegenheit weiter diskutieren werden. Hier nehmen wir zunächst einmal das BIP als Maß ohne dies bzgl. der Wohlstandsfrage zu bewerten. Es ist sicher ein Maß für (offiziell abgerechnete) Wirtschaftsaktivitäten; somit im Grundsatz eher ein Maß für den Aufwand, den eine Nation unternimmt, um diese Aktivitäten durchzuführen.)). Das ist den statistischen Ämtern auch bewusst, daher gibt es die Daten als BIP-Zahlenreihen in realen Werten [Statista]. Die Grafik stellt dies am Beispiel Deutschlands für die Zeit nach dem II. Weltkrieg dar. Und da gibt es dann bereits zwei Überraschungen:  Kommuniziert werden bzgl. des Wirtschaftswachstums meist Prozentzahlen. Das ist anschaulich - und es spricht auch zunächst nichts dagegen. Dass allerdings die einmal gemessene Prozentzahl Jahr für Jahr in mindestens der gleichen Höhe weiter fortgesetzt werden muss - das folgt aus dieser Art Angabe natürlich nicht. Das ist vielmehr eine Frage der empirischen Forschung: Deren Ergebnisse gibt es, sie sind sogar leicht allgemein zugänglich (statistische Ämter). Ein wichtiger Punkt muss dabei beachtet werden: für die Realität, sowohl bzgl. des Wohlstandes als auch bzgl. der erforderlichen materiellen Ressourcen, ist nicht das nominale Brutto-Inlandsprodukt (BIP), sondern allenfalls das inflationsbereinigte ausschlaggebend((Ob das BIP ein gutes Maß für den Wohlstand darstellt, ist stark umstritten. Das ist allerdings ein anderes Thema, das wir bei Gelegenheit weiter diskutieren werden. Hier nehmen wir zunächst einmal das BIP als Maß ohne dies bzgl. der Wohlstandsfrage zu bewerten. Es ist sicher ein Maß für (offiziell abgerechnete) Wirtschaftsaktivitäten; somit im Grundsatz eher ein Maß für den Aufwand, den eine Nation unternimmt, um diese Aktivitäten durchzuführen.)). Das ist den statistischen Ämtern auch bewusst, daher gibt es die Daten als BIP-Zahlenreihen in realen Werten [Statista]. Die Grafik stellt dies am Beispiel Deutschlands für die Zeit nach dem II. Weltkrieg dar. Und da gibt es dann bereits zwei Überraschungen: 
   - Ja, es gab ein **stetiges und anhaltendes Wachstum** - bis auf ein paar (wohlbekannte) kurzzeitige Einbrüche.   - Ja, es gab ein **stetiges und anhaltendes Wachstum** - bis auf ein paar (wohlbekannte) kurzzeitige Einbrüche.
   - Das war aber keinesfalls exponentiell, sondern, mit überraschend überzeugender Korrelation, **linear**!\\    - Das war aber keinesfalls exponentiell, sondern, mit überraschend überzeugender Korrelation, **linear**!\\ 
      
-So schnell ließe sich das nicht, auch nicht mit gewaltigen Anstrengungen, in ein exponentielles Wachstum verwandeln. Auch wenn in der Politik das immer mal wieder gern versprochen wird. Kurzzeitige "Strohfeuer" sind durchaus auch möglich - das geht dann aber regelmäßig auf Kosten der nachfolgenden Zeit nach dem übermäßigen Abfackeln des Feuers. Die Wachstumsvertreter mag das enttäuschen - und einige der Wachstumskritiker oft auch, denn es gibt unter diesen Umständen letztlich auch nicht die Gefahr eines gewaltigen unkontrollierbaren Überschießens((Wie das ja beim exponentiellen Wachstum wahrgenommen wird: Ab einem gewissen Punkt sieht dieses aus "wie eine Explosion". Derweil ist es schon immer exponentiell - weil die absoluten Werte aber zunächst klein erschienen, hat das zunächst niemanden gekümmert.)). Und vor allem: Unter solchen Bedingungen bleiben die Zeitspannen für ein gesellschaftliches Handeln weiterhin überschaubar((Natürlich auch das nur dann, wenn wir nicht einem Hyper-Hype von überzogenen unüberlegten 'schnell-schnell' Eingriffen zum Opfer fallen, welche eine hohe Gefahr von Fehlgriffen riskieren)).\\ +So schnell ließe sich das nicht, auch nicht mit gewaltigen Anstrengungen, in ein exponentielles Wachstum verwandeln. Auch wenn in der Politik das immer mal wieder gern versprochen wird. Kurzzeitige "Strohfeuer" sind durchaus auch möglich - das geht dann aber regelmäßig auf Kosten der nachfolgenden Zeit nach dem übermäßigen Abfackeln des Feuers. Die Wachstumsvertreter mag das enttäuschen - und einige der Wachstumskritiker oft auch, denn es gibt unter diesen Umständen letztlich auch nicht die Gefahr eines gewaltigen unkontrollierbaren Überschießens((Wie das ja beim exponentiellen Wachstum wahrgenommen wird: Ab einem gewissen Punkt sieht dieses aus "wie eine Explosion". Derweil ist es schon immer exponentiell - weil die absoluten Werte aber zunächst klein erschienen, hat das zunächst niemanden gekümmert. Am besten veranschaulicht wird ein solches Wachstum durch die alte [[https://de.wikipedia.org/wiki/Sissa_ibn_Dahir#Legende|Schachbrett-Korn-Legende des Brahmanen Sissa]], sehr schön illustriert in folgendem Video [[https://www.youtube.com/watch?v=jWXLNPrVhfw|Kornlegende - wie exponentielles Wachstum die Vorstellung der Menschen sprengt.]])). Und vor allem: Unter solchen Bedingungen bleiben die Zeitspannen für ein gesellschaftliches Handeln weiterhin überschaubar((Natürlich auch das nur dann, wenn wir nicht einem Hyper-Hype von überzogenen unüberlegten 'schnell-schnell' Eingriffen zum Opfer fallen, welche eine hohe Gefahr von Fehlgriffen riskieren)).\\ 
  
 Fazit: Überschießende Wachstumserwartungen sind eine Illusion. Aber auch: Die Gefahr, dass das 'Wachstum als solches' in absehbarer Zeit zum fatalen Problem für die Gesellschaft werden sollte, besteht ebenfalls nicht akut. Die gesamte Problematik verdient es, etwas gelassener angegangen zu werden. Anders ausgedrückt: Lassen wir den Hyper-Hype mit dem unbegrenzt exponentiellen Wachstum oder seiner Forderung((denn, dies geht ja ohnehin nicht)); und lassen wir auch das gelähmte Starren auf die "Schlange exponentielles Wachstum"((eben weil es dieses auf Dauer auch ohnehin nicht gibt)). Befassen sollten wir uns stattdessen mit den konkreten Lösungen für die Probleme, die wir gesichert erkannt haben - wozu z.B. der Klimawandel gehört.\\ \\  Fazit: Überschießende Wachstumserwartungen sind eine Illusion. Aber auch: Die Gefahr, dass das 'Wachstum als solches' in absehbarer Zeit zum fatalen Problem für die Gesellschaft werden sollte, besteht ebenfalls nicht akut. Die gesamte Problematik verdient es, etwas gelassener angegangen zu werden. Anders ausgedrückt: Lassen wir den Hyper-Hype mit dem unbegrenzt exponentiellen Wachstum oder seiner Forderung((denn, dies geht ja ohnehin nicht)); und lassen wir auch das gelähmte Starren auf die "Schlange exponentielles Wachstum"((eben weil es dieses auf Dauer auch ohnehin nicht gibt)). Befassen sollten wir uns stattdessen mit den konkreten Lösungen für die Probleme, die wir gesichert erkannt haben - wozu z.B. der Klimawandel gehört.\\ \\ 
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 Hier spreche ich, einzig wichtig in diesem Zusammenhang, nur Material- und Energie-Effizienz an. Das Thema Energieeffizienz wird auf den Seiten der Passipedia eingehend behandelt, z.B. [[/energieeffizienz_jetzt/das_grosse_ganze|hier]]. Dort wird auch gezeigt, dass im //praktisch relevanten// Bereich für fast alle Anwendungen die Energie-Effizienz-Verbesserung unbegrenzt möglich ist; ob sie letztlich bei einem sehr kleinen Restbedarfswert stagnieren wird, ist dabei im Grunde nicht relevant, weil dieser Wert in jedem Fall unter dem nachhaltig verfügbaren Energiestrom((nämlich dem von der Sonne)) liegt. Ich greife daher hier das Thema Materialeffizienz auf. Oft wird da argumentiert, dass da ja 'so sehr viel nicht zu holen' sei, denn eine bestimmte Mindest-Material-Menge für eine gegebene Aufgabe sei ja wohl offensichtlich. Selbst das ist keinesfalls so klar, wie es auf den ersten Blick erscheint. Aber es gibt noch einen weiteren Gesichtspunkt: Nämlich die Verweildauer, die ein einmal gewonnenes Material für diese Aufgabe in Nutzung bleibt. Die kann nämlich unterschiedlich lang sein. 'Beliebig' unterschiedlich lang? Das würde eine ziemlich philosophische Diskussion: Die Voyager-Raumsonden z.B. sind jetzt bereits seit September 1977 unterwegs; und sie laufen immer noch! Ich wage hier die These: Für die praktischen Fragen der Gegenwart können die Nutzungsdauern 'quasi' beliebig lang verlängert werden, solange es sich nicht um Verbrauchsmaterial handelt((Die Differenzierung "Verbrauchsmaterial" und Investitions-Material braucht eine weitere sorgfältige Betrachtung: Dies führt in der Regel auf die Notwendigkeit zur Vermeidung jeder Form von "Verbrauch", der nicht allein auf nachwachsende Rohstoffe in einer zirkulären Ökonomie zurückgreift. So, wie das hier auch immer wieder am Beispiel Energie gezeigt wurde: Dabei ist die Effizienz mindestens so weit zu verbessern, dass die Rate der nachwachsenden Rohstoffe ausreicht, den konsumtiven Teil des Umsatzes zu decken (eben genau so, wie jedes Jahr auf den Feldern auch wieder soviel Kohl nachwächst, wie wir verspeisen). Zu behandeln ist dann natürlich, ob es für alle als "Verbrauchsmaterial" identifizierten Ressourcen tatsächlich eine Lösung mit einem nachwachsenden Rohstoff gibt - das steht keinesfalls offensichtlich fest, es gibt dazu aber einen Hinweis: Die Ökosphäre der Erde hat auch komplexes Leben über viele Hundert Millionen erhalten. Wenn dazu nicht nachwachsende Ressourcen erforderlich wären, ist der Erschöpfungszeitraum jedenfalls so lang, dass wir diese Probleme nicht jetzt in jedem Einzelfall vollständig lösen müssen; wohl müssen wir es für einige der heute in übermäßigem Ausmaß industriell genutzten Rohstoffe (wie z.B. Iridium oder Helium) lösen.)).\\ \\  Hier spreche ich, einzig wichtig in diesem Zusammenhang, nur Material- und Energie-Effizienz an. Das Thema Energieeffizienz wird auf den Seiten der Passipedia eingehend behandelt, z.B. [[/energieeffizienz_jetzt/das_grosse_ganze|hier]]. Dort wird auch gezeigt, dass im //praktisch relevanten// Bereich für fast alle Anwendungen die Energie-Effizienz-Verbesserung unbegrenzt möglich ist; ob sie letztlich bei einem sehr kleinen Restbedarfswert stagnieren wird, ist dabei im Grunde nicht relevant, weil dieser Wert in jedem Fall unter dem nachhaltig verfügbaren Energiestrom((nämlich dem von der Sonne)) liegt. Ich greife daher hier das Thema Materialeffizienz auf. Oft wird da argumentiert, dass da ja 'so sehr viel nicht zu holen' sei, denn eine bestimmte Mindest-Material-Menge für eine gegebene Aufgabe sei ja wohl offensichtlich. Selbst das ist keinesfalls so klar, wie es auf den ersten Blick erscheint. Aber es gibt noch einen weiteren Gesichtspunkt: Nämlich die Verweildauer, die ein einmal gewonnenes Material für diese Aufgabe in Nutzung bleibt. Die kann nämlich unterschiedlich lang sein. 'Beliebig' unterschiedlich lang? Das würde eine ziemlich philosophische Diskussion: Die Voyager-Raumsonden z.B. sind jetzt bereits seit September 1977 unterwegs; und sie laufen immer noch! Ich wage hier die These: Für die praktischen Fragen der Gegenwart können die Nutzungsdauern 'quasi' beliebig lang verlängert werden, solange es sich nicht um Verbrauchsmaterial handelt((Die Differenzierung "Verbrauchsmaterial" und Investitions-Material braucht eine weitere sorgfältige Betrachtung: Dies führt in der Regel auf die Notwendigkeit zur Vermeidung jeder Form von "Verbrauch", der nicht allein auf nachwachsende Rohstoffe in einer zirkulären Ökonomie zurückgreift. So, wie das hier auch immer wieder am Beispiel Energie gezeigt wurde: Dabei ist die Effizienz mindestens so weit zu verbessern, dass die Rate der nachwachsenden Rohstoffe ausreicht, den konsumtiven Teil des Umsatzes zu decken (eben genau so, wie jedes Jahr auf den Feldern auch wieder soviel Kohl nachwächst, wie wir verspeisen). Zu behandeln ist dann natürlich, ob es für alle als "Verbrauchsmaterial" identifizierten Ressourcen tatsächlich eine Lösung mit einem nachwachsenden Rohstoff gibt - das steht keinesfalls offensichtlich fest, es gibt dazu aber einen Hinweis: Die Ökosphäre der Erde hat auch komplexes Leben über viele Hundert Millionen erhalten. Wenn dazu nicht nachwachsende Ressourcen erforderlich wären, ist der Erschöpfungszeitraum jedenfalls so lang, dass wir diese Probleme nicht jetzt in jedem Einzelfall vollständig lösen müssen; wohl müssen wir es für einige der heute in übermäßigem Ausmaß industriell genutzten Rohstoffe (wie z.B. Iridium oder Helium) lösen.)).\\ \\ 
 //Wie gut ist denn dann "gut genug"?// \\ \\  //Wie gut ist denn dann "gut genug"?// \\ \\ 
-Die nächste Überraschung: Das ist eine rein mathematische Frage. Wenn eine Aufgabe bisher mit einem System der Nutzungsdauer $t_N$ erledigt wird und das Wachstum $p$ beträgt((Faktor $(1+p)$ in der Dienstleistungsmenge; z.B. $p=$2,5% , dann ist $1+p=$1,025 )), dann braucht die neue Lebensdauer neuer Systeme dieses Typs nur jetzt mehr als $(1+p)\cdot t_N - t_N = p \cdot t_N$ länger zu halten; sagen wir, die neue Lebensdauer ist  $(1+\epsilon)$ mal $t_N$, dann ist $(1+\epsilon)$ ein typischer Effizienzfaktor. Dass der jedes Jahr erneut "aufmultipliziert" werden kann, ist für die Anfangszeit unbestreitbar - auf Dauer natürlich eine Diskussion wert((diese "Dauer", da sind aber Sorgen für Zeiten in "200 Jahren" allerdings derzeit irrelevant; innerhalb von 200 Jahren wird klugen Menschen wieder eine gute Lösung einfallen. Innerhalb von nur 10 Jahren ist das so nicht erzwingbar - weshalb sich z.B. 'Lösungenmit bisher unvertretbar nicht nachhaltigen Entsorgungsproblemen verbieten.))((Außerdem gibt es hier sicher einen Einwand seitens der Wachstums-Politik: Natürlich wird durch die längeren Lebensdauern das in BIP gemessene (und auch das Materialumsatz-) Wachstum reduziert. Trotzdem kann das Wachstum insgesamt p betragen, es können p mehr verkaufte Systeme sein - der Bestand nimmt dann dementsprechend zu. Das bedeutet, dass es sich dabei tatsächlich um einen echten Wertzuwachs handelt - während die reduzierten Abgänge infolge der längeren Lebensdauern in Wahrheit nur eine Ersatzbeschaffung sind; auch im ökonomischen Sinn ist die Verkürzung der Lebensdauer in Wahrheit kein wirklicher Wohlstandszuwachs: Sie erlaubt es allein, den Status quo aufrecht zu erhalten - aber mit höherem Aufwand. Verlängerung von Lebensdauern bedeutet daher auch ökonomisch eine Zunahme an Wohlstand, weil die gewonnenen Arbeitszeit für sinnvollere Dinge eingesetzt werden kann, oder, je nach gesellschaftlicher Priorität, auch zusätzliche Freizeit sein kann. Das ist ein ganz typisches Beispiel dafür, das höherer Eigennutz (nämlich durch kurze Lebensdauern erzeugte erhöhte Umsätze eines einzelnen Unternehmens) nicht identisch ist mit höherem Nutzen für alle, sondern ganz im Gegenteil, kontraproduktiv. Auch das muss nicht für alle auf der individuellen Ebene getroffenen Entscheidungen gelten; nur: Einen Automatismus gibt es nicht, weder in die eine, noch in die andere Richtung. Daher sind auch gesetzliche Vorgaben bzgl. Garantiezeiten und Reparaturfähigkeit sinnvoll. //Wachstum durch verkürzte Lebensdauern ist in Wahrheit Scheinwachstum, sogar Wertverlust. Dafür gar politisch Anreize zu schaffen, reduziert die Gesamtleistungsfähigkeit der betroffenen Volkswirtschaft.// **Dieses Beispiel zeigt auch, dass das BIP, so wie es derzeit gemessen wird, kein vernünftiges Maß für den tatsächlichen Wohlstandszuwachs auch schon allein aus ökonomischer Sicht ist. Wenn kürzere Lebensdauern für ein Wachstumsziel verfolgt werden, ist das Ergebnis in Wirklichkeit genau das Gegenteil.**)). Die jährlich weiter erforderliche geförderte Materialmenge entwickelt sich dann nach \\ +Die nächste Überraschung: Das ist eine rein mathematische Frage. Wenn eine Aufgabe bisher mit einem System der Nutzungsdauer $t_N$ erledigt wird und das Wachstum $p$ beträgt((Faktor $(1+p)$ in der Dienstleistungsmenge; z.B. $p=$2,5% , dann ist $1+p=$1,025 )), dann braucht die neue Lebensdauer neuer Systeme dieses Typs nur jetzt mehr als\\ \\ 
 +$(1+p)\cdot t_N - t_N = p \cdot t_N$\\ \\  
 +länger zu halten; sagen wir, die neue Lebensdauer ist  $(1+\epsilon)$ mal $t_N$, dann ist $(1+\epsilon)$ ein typischer Effizienzfaktor. Dass der jedes Jahr erneut "aufmultipliziert" werden kann, ist für die Anfangszeit unbestreitbar - auf Dauer natürlich eine Diskussion wert((diese "Dauer", dabei sind Sorgen für Zeiten in "200 Jahren" allerdings derzeit irrelevant; innerhalb von 200 Jahren wird klugen Menschen wieder eine gute Lösung einfallen. Innerhalb von nur 10 Jahren ist das so nicht erzwingbar - weshalb sich z.B. Lösungen mit bisher unvertretbar nicht nachhaltigen Entsorgungsproblemen verbieten.))((Außerdem gibt es hier sicher einen Einwand seitens der Wachstums-Politik: Natürlich wird durch die längeren Lebensdauern das in BIP gemessene (und auch das Materialumsatz-) Wachstum reduziert. Trotzdem kann das Wachstum insgesamt p betragen, es können p mehr verkaufte Systeme sein - der Bestand nimmt dann dementsprechend zu. Das bedeutet, dass es sich dabei tatsächlich um einen echten Wertzuwachs handelt - während die reduzierten Abgänge infolge der längeren Lebensdauern in Wahrheit nur eine Ersatzbeschaffung sind; auch im ökonomischen Sinn ist die Verkürzung der Lebensdauer in Wahrheit kein wirklicher Wohlstandszuwachs: Sie erlaubt es allein, den Status quo aufrecht zu erhalten - aber mit höherem Aufwand. Verlängerung von Lebensdauern bedeutet daher auch ökonomisch eine Zunahme an Wohlstand, weil die gewonnenen Arbeitszeit für sinnvollere Dinge eingesetzt werden kann, oder, je nach gesellschaftlicher Priorität, auch zusätzliche Freizeit sein kann. Das ist ein ganz typisches Beispiel dafür, das höherer Eigennutz (nämlich durch kurze Lebensdauern erzeugte erhöhte Umsätze eines einzelnen Unternehmens) nicht identisch ist mit höherem Nutzen für alle, sondern ganz im Gegenteil, kontraproduktiv. Auch das muss nicht für alle auf der individuellen Ebene getroffenen Entscheidungen gelten; nur: Einen Automatismus gibt es nicht, weder in die eine, noch in die andere Richtung. Daher sind auch gesetzliche Vorgaben bzgl. Garantiezeiten und Reparaturfähigkeit sinnvoll. //Wachstum durch verkürzte Lebensdauern ist in Wahrheit Scheinwachstum, sogar Wertverlust. Dafür gar politisch Anreize zu schaffen, reduziert die Gesamtleistungsfähigkeit der betroffenen Volkswirtschaft.// **Dieses Beispiel zeigt auch, dass das BIP, so wie es derzeit gemessen wird, kein vernünftiges Maß für den tatsächlichen Wohlstandszuwachs auch schon allein aus ökonomischer Sicht ist. Wenn kürzere Lebensdauern für ein Wachstumsziel verfolgt werden, ist das Ergebnis in Wirklichkeit genau das Gegenteil.**)). Die jährlich weiter erforderliche geförderte Materialmenge entwickelt sich dann nach \\ 
  
 $\;\displaystyle q=\frac {1+p}{1+\epsilon} < 1 \;$ \\  $\;\displaystyle q=\frac {1+p}{1+\epsilon} < 1 \;$ \\ 
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 ====(3) Etwas Mathematik: Sogar die Summe der unendlichen geometrischen Folge konvergiert! ==== ====(3) Etwas Mathematik: Sogar die Summe der unendlichen geometrischen Folge konvergiert! ====
 Das ist nicht neu, fast alle haben das irgendwann in der Schule gehabt - meist natürlich nicht mit der Tragweite diskutiert, die es für die Praxis hat; wie so oft bei mathematischen Erkenntnissen: Viele von denen sind sehr viel relevanter als es der meist trockene Mathematik-Unterricht erscheinen lässt; das kann an sehr vielen Stellen so richtig spannend sein!\\ \\  Das ist nicht neu, fast alle haben das irgendwann in der Schule gehabt - meist natürlich nicht mit der Tragweite diskutiert, die es für die Praxis hat; wie so oft bei mathematischen Erkenntnissen: Viele von denen sind sehr viel relevanter als es der meist trockene Mathematik-Unterricht erscheinen lässt; das kann an sehr vielen Stellen so richtig spannend sein!\\ \\ 
-Erstmal die Fakten: Sei $q$ ein Faktor mit Betrag kleiner als 1. Dann ist die 'unendliche Summe'(genannt: geometrische Reihe)\\ \\  +Erstmal die Fakten: Sei $q$ ein Faktor mit Betrag kleiner als 1. Dann ist die 'unendliche Summe' (genannt: geometrische Reihe)\\ \\  
 $1+q+q^2+q^3+...$ \\ \\  $1+q+q^2+q^3+...$ \\ \\ 
 ein **endlicher Wert**. Wer die folgende Box mit den Formeln als zu herausfordernd empfindet, kann diesen Zusammenhang auch auf der [[Schoko-Spar-Spiel|hier verlinkten Seite]] veranschaulicht finden und die Box erst einmal überspringen. \\ \\  ein **endlicher Wert**. Wer die folgende Box mit den Formeln als zu herausfordernd empfindet, kann diesen Zusammenhang auch auf der [[Schoko-Spar-Spiel|hier verlinkten Seite]] veranschaulicht finden und die Box erst einmal überspringen. \\ \\ 
grundlagen/energiewirtschaft_und_oekologie/bemerkungen_zur_wachstumsdebatte.txt · Zuletzt geändert: 2024/05/22 15:15 von wfeist