Der anthropogen induzierte Klimawandel stellt eine Bedrohung für Flora, Fauna und für unsere Zivilisation dar. Es erweist sich als zwingend erforderlich, die Netto Treibhausgasemissionen auf ein nachhaltiges Maß zu reduzieren. Zur Lösung dieses Problems im Gebäudesektor werden „Zero Carbon“- oder „Zero Emission“-Gebäude als zukünftige Lösung postuliert und teilweise gefordert.
In diesem Beitrag wird die Sinnhaftigkeit dieses Ansatzes diskutiert und darauf aufbauend ein zielführendes System zur Bewertung von Gebäuden vorgeschlagen.
Wissenschaftlich unstrittig ist, dass die Treibhausgasemissionen mittelfristig gestoppt werden müssen, um das Weltklima zu stabilisieren und so die negativen Auswirkungen des Klimawandels auf Zivilisation und Umwelt zu begrenzen. Daher ist die Forderung „Zero Carbon“ für Gebäude grundsätzlich zu begrüßen. Zweifelhaft ist allerdings die Aussage, die mit diesem Postulat getroffen wird.
Die verbreitete Definition für „Zero Carbon“ / „Zero Emission“ / „Null Energie“ / „Plus Energie“-Gebäude ist in der Regel folgende: Bedarf – Erzeugung ≤ Null. Wobei zunächst nicht klar ist, welcher Bedarf einbezogen wird und ob es sich um Primär- End- oder Nutzenergie handelt. Bevor diese Fragen weiter erörtert werden, ist es notwendig, den systematischen Fehler des Postulats „Zero-Emission = nachhaltig“ für Gebäude zu benennen.
Auch CO2- freie (oder richtiger CO2-arme) Energieträger sind nur in endlichem Maße verfügbar, jede Kilowattstunde aus erneuerbaren Energien kann nur einmal genutzt werden. Ist die Grenze der Verfügbarkeit erreicht, muss auf fossile (nicht nachhaltige und nicht erneuerbare) Energieträger zurückgegriffen werden.
Beispiel: Stellen wir uns ein Dorf mit 100 Häusern vor, das nachhaltig mit Heizwärme versorgt werden soll. Dazu können jährlich 200 Festmeter Holz geerntet werden. Andere erneuerbare Energien stehen (im Beispiel) nicht zur Verfügung. Die bestehenden Gebäude haben einen Jahresenergiebedarf von 20 Festmetern Holz, (im Bereich des Üblichen für ein Einfamilienhaus in kühl-gemäßigtem Klima).
Mit den verfügbaren 200 Festmetern Holz könnten 10 Gebäude versorgt werden. Diese 10 Gebäude sind nun, bezüglich der Heizwärmeversorgung „Zero-Carbon“-Gebäude. Aber nachhaltig sind sie deshalb nicht: Die 90 restlichen Gebäude müssen nach wie vor fossil geheizt werden. Das Ziel, die nachhaltige Heizwärmeversorgung des Dorfes, kann so nicht erreicht werden.
Aus diesem Beispiel wird klar, dass der „Zero-Carbon“ Ansatz deutlich zu kurz greift, da er die Begrenztheit der Ressourcen nicht einbezieht. In diesem Beispiel wäre die Heizwärmeversorgung des Dorfes erst dann nachhaltig, wenn alle Gebäude mit dem verfügbaren Holz beheizt werden können. Pro Gebäude stehen unter dieser Prämisse 2 Festmeter Holz zur Verfügung. Eine Lösung gibt es sogar in diesem Fall: das ist eine Holzmenge, mit der sich ein Einfamilien-Passivhaus durchaus beheizen lässt.
Insofern ist die Definition „Bedarf – Erzeugung ≤ Null“ durchaus korrekt, jedoch darf sie sich nicht auf die Bilanzgrenze des Gebäudes beziehen. Und auch nicht auf die Bilanzgrenze des Dorfes, da dem Nachbardorf möglicherweise weniger Energie zur Verfügung steht. Auf der Suche nach dieser Bilanzgrenze drängt sich zunächst eine weltweite Betrachtung auf, in diesem Kontext sind jedoch, bedingt durch unterschiedliche Klimate, stark unterschiedliche Anforderungen gegeben. Zudem unterscheidet sich die Verfügbarkeit verschiedener Energieträger in den Teilen der Welt. Auch sollen die durch den Transport von Energie, die daraus entstehenden Abhängigkeiten und Konfliktpotentiale in einem vertretbaren Rahmen gehalten werden. Am sinnvollsten scheint daher eine Betrachtung von Regionenähnlichen Klimas und ähnlicher erneuerbarer Ressourcenlage zu sein, die weitgehend energieautark zu versorgen sind.
Die Forderung einer generellen (bilanziellen) Energieautarkie für einzelne Gebäude ist indes auch aus anderen Gründen nicht zielführend. Selbst für ein nur mittelmäßig effizientes, freistehendes Einfamilienhaus ist es, die Verfügbarkeit umfassender elektrischer Energiespeicher vorausgesetzt, nicht weiter schwer, auf solchem Weg quasi Energieautarkie zu erreichen, da relativ zur Energiebezugsfläche eine große Dachfläche für die solare Stromerzeugung zur Verfügung steht. Wohingegen die Energieautarkie in einem Geschosswohnungsbau aufgrund der geringen Dachfläche im Verhältnis zur Energiebezugsfläche selbst bei höchsteffizienten Gebäuden z.B. schon in Mitteleuropa nur schwer zur realisieren sein wird. Aus dieser Überlegung ist der sinnvolle Ansatz zur Bewertung der am Gebäude erzeugten Energie der Bezug auf die Grund- oder Dachfläche des Gebäudes. Diese gewichtete erzeugte Energie müsste dann, um die Bilanz zu komplettieren, dem Energiebedarf gegenüber gestellt werden.
Vor dem Hintergrund der Knappheit erneuerbarer Ressourcen ist die Energieerzeugung am Gebäude wünschenswert – auch weil dies die Identifikation der Nutzer des Gebäudes mit der notwendigen Energiewende stärkt. An erster Stelle muss aber für die realistische Zielerreichung die Energieeffizienz stehen.
Dimensionen nachhaltiger Energieversorgung
Künftige Bewertung von Gebäuden
[Feist 2007] Feist, Wolfgang: Passivhäuser in der Praxis. In: [Fouad, Nabil (ed.) 2007]
[Feist (ed.) 2012] Tagungsband zur 16. Internationalen Passivhaustagung in Hannover, Passivhaus Institut Darmstadt, 2012
[Fouad, Nabil (ed.) 2007] Fouad, Nabil (Ed.): Bauphysikkalender 2007; Ernst&Sohn, Berlin 2007
[GEMIS 4.7] GEMIS Version 4.7: Ökoinstitut, 2011 (www.gemis.de)
[Schnieders 2012a] Schnieders, Jürgen: „Passivhäuser in verschiedenen Klimazonen – technische und wirtschaftliche Aspekte“ In: [Feist (Hrsg.) 2012]