planung:energieeffizienz_ist_berechenbar:hintergruende_-_energiebilanzen
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planung:energieeffizienz_ist_berechenbar:hintergruende_-_energiebilanzen [2013/10/25 15:38] – cweber | planung:energieeffizienz_ist_berechenbar:hintergruende_-_energiebilanzen [2023/11/16 12:11] – [Diskussion über die Heizaufgabe] wfeist | ||
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+ | ====== Hintergründe: | ||
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+ | Energiebilanzen sind eine sehr elegante Methode, trotz der komplexen thermischen Vorgänge, die in einem Gebäude stattfinden, | ||
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+ | ===== Einleitung ===== | ||
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+ | ==== Die Bilanzhülle ==== | ||
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+ | **Energie ist eine Erhaltungsgröße** - sie geht nicht verloren. Allerdings kann Energie das Gebiet, in welchem der Nutzen aus der Energiedienstleistung gewonnen wird, verlassen. Dies bezeichnen wir als **" | ||
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+ | Schon diese einleitenden Sätze zeigen, dass Energiebilanzen immer nur für ein abgegrenztes räumliches Gebiet mit klar definierten Grenzen aufgestellt werden können. Die Grenze dieses Gebietes nennt man die **Hülle**. | ||
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+ | Im Fall der Heizung oder Klimatisierung ist das interessierende Gebiet der " | ||
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+ | Die Heiz- oder Klimatisierungsaufgabe besteht gerade darin, die Temperatur innerhalb des betrachteten Gebietes (des Gebäudes) behaglich, d.h. konstant zu halten ([[Planung: | ||
+ | \\ | ||
+ | |{{ : | ||
+ | |//**__Abb. 1:__ Es ist praktisch, die Bilanzhülle für ein\\ Gebäude entlang der Außengrenze der wärme-\\ dämmenden Außenbauteile zu wählen.**// | ||
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+ | ==== Wärmeverluste und Wärmegewinne ==== | ||
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+ | Betrachten wir einen Wärmestrom, | ||
+ | \\ | ||
+ | |{{ : | ||
+ | |//**__Abb. 2:__ Verlustwärmeströme (Transmisson und\\ Ventilation) verlassen durch die Bilanzhülle das\\ Gebäude. Wärmegewinne treten über eben diese\\ Hülle in das Gebäude ein. Nach dem Energiesatz\\ ist die Summe der Gewinne gleich der Summe der\\ Verluste, solange die innere Energie konstant bleibt.**// | ||
+ | \\ | ||
+ | * An dieser Stelle ein wichtiger Hinweis: **Die Notwendigkeit, | ||
+ | \\ | ||
+ | | | ||
+ | \\ | ||
+ | * Bei der Heizaufgabe haben wir andererseits Glück: **Es gibt auch freie " | ||
+ | \\ | ||
+ | * **Unter den hier beschriebenen vereinfachten Bedingungen ist die Energiebilanz des Gebäudes ganz einfach aufzustellen: | ||
+ | \\ | ||
+ | | **Die Summe der Wärmeverlustströme\\ \\ ist gleich\\ \\ der Summe der Wärmegewinnströme.** | ||
+ | \\ | ||
+ | Da sich die Wärmeverluste ganz einfach und relativ genau berechnen lassen (sie hängen im Wesentlichen von der Dämmung ab) und innere Wärmequellen sowie passiv genutzte Solarenergie gut genug abgeschätzt werden können, kann man mit der Energiebilanz die noch erforderliche Heizwärmezufuhr (also den Heizwärmebedarf) ausrechnen.\\ | ||
+ | \\ | ||
+ | * Nur ein kleines Problem verbleibt dabei: **Die Höhe der " | ||
+ | \\ | ||
+ | |||
+ | ==== Diskussion über die Heizaufgabe ==== | ||
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+ | Besteht die Heizaufgabe wirklich darin, die Temperatur im Gebäude konstant zu halten? Das ist eine Vereinfachung, | ||
+ | |||
+ | - **Soll man tatsächliche " | ||
+ | - **Ist es nicht für die Gesundheit besser, wenn die Temperaturen sich im Tagesverlauf ändern und auch in verschiedenen Räumen unterschiedlich sind?**\\ Wir zitieren hierzu Ole Fanger (aus " | ||
+ | - **Spart eine Nacht- (oder Wochenend-) Absenkung nicht auch Energie? | ||
+ | - Oft finden sich auch kritische Anmerkungen zum Berechnungsverfahren: | ||
+ | //< | ||
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+ | ===== Energiebezugsfläche ===== | ||
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+ | Ist dieses Thema wichtig? - Eigentlich nicht besonders. Es handelt sich um eine reine Vereinbarungsfrage. Wichtig ist die substantielle Qualität. Wenn diese nun aber unter Bezug auf eine Referenzgröße, | ||
+ | |||
+ | Die Kernanforderung ist **Transparenz: | ||
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+ | Die Basis aller Angaben ist eine **Energiebilanz** (siehe [[Planung: | ||
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+ | === Warum überhaupt Kennwerte? === | ||
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+ | Wenn die Einführung von durch Bezugsflächen dividierten absoluten Verbräuchen Anlass zu Verwirrung geben, warum führen wir diese dann überhaupt ein? Warum verwenden wir nicht einfach grundsätzlich die absoluten Jahresbedarfs- oder Verbrauchswerte? | ||
+ | |||
+ | Ganz einfach: Gebäude sind sehr unterschiedlich groß. Vom kleinen freistehenden Einfamilienhaus bis zum Turm-Wohnpark mit 3000 Wohneinheiten. Absolute Verbrauchszahlen sagen daher nicht viel aus. Vielmehr muss **der Verbrauch (Aufwand) in Relation zum Nutzen** gesehen werden. Was aber ist der Nutzen? Das ist nicht von vorn herein evident und deswegen gibt es dazu verschiedene Positionen.\\ | ||
+ | \\ | ||
+ | === Welches ist die " | ||
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+ | Die " | ||
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+ | * Borsch-Laaks und andere haben vorgeschlagen, | ||
+ | * Andere (z.B. der Verein Deutscher Ingenieure VDI) ziehen **das Brutto-Volumen V** als Bezugsgröße vor (kWh/m³). Böse Zungen behaupten, dass dann der Heizwärmebedarf mit zunehmender Dämmdicke allein dadurch abnimmt, dass sich das Bezugsvolumen vergrößert. Das ist natürlich Unsinn - aber auch andere Totvolumina verbessern dann den Energiekennwert. Das führt zu Fehloptimierungen: | ||
+ | * **Die " | ||
+ | * **Die Bruttogeschossfläche A< | ||
+ | * **Die Wohnfläche A< | ||
+ | * **Die beheizte Wohnfläche A< | ||
+ | * Um die Vorteile der Wohnfläche als Bezugsgröße zu behalten, sich aber von den nationalen Unterschieden zu befreien, wurde im Projekt CEPHEUS die **" | ||
+ | |||
+ | \\ | ||
+ | |{{ : | ||
+ | |//**__Abb. 3:__ Zum Vergleich für dieses Gebäude**// | ||
+ | |**Flächentyp**|**Fläche in m²**| | ||
+ | |Bruttogeschossfläche|212| | ||
+ | |Fläche A< | ||
+ | |Wohnfl. inkl. Außenflächen|183| | ||
+ | |beheizte Wohnfläche|156| | ||
+ | |TFA/ | ||
+ | \\ | ||
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+ | === Wie wirkt sich das auf die Ergebnisse aus? === | ||
+ | |||
+ | Das ist ganz einfach: Die substantiellen Ergebnisse ändern sich gar nicht. Es wird immer gleich viel Energie verbraucht, welche Bezugsfläche auch immer gewählt wird. Rein subjektiv sehen die Ergebnisse natürlich besser aus, wenn die Bezugsfläche größer wird. Das sind im Beispiel bis zu 26%, es können sich in anderen Beispielen auch über 30% Unterschied ergeben.\\ | ||
+ | \\ | ||
+ | ^1753 kWh/a bezogen auf^ | ||
+ | |Bruttogeschossfläche| | ||
+ | |Fläche AN der EnEV| | ||
+ | |Wohnfl. inkl. Außenflächen| | ||
+ | |beheizte Wohnfläche| | ||
+ | |TFA/ | ||
+ | \\ | ||
+ | |||
+ | |||
+ | <WRAP round important 50%> | ||
+ | |||
+ | Alle Berechnungsergebnisse im PHPP beziehen sich auf die | ||
+ | Energiebezugsfläche. Daher ist die korrekte Ermittlung dieses Werts | ||
+ | besonders wichtig. Eine fehlerhafte Berechnung führt zu irreführenden | ||
+ | Ergebnissen und kann z. B. die Zertifizierbarkeit in Frage stellen. | ||
+ | </ | ||
+ | |||
+ | Die Energiebezugsfläche (EBF) ist im Prinzip die Wohn- bzw. Nutzfläche. Sie stellt | ||
+ | damit ein Maß für den Nutzen des Gebäudes dar. Für Wohngebäude orientiert sich | ||
+ | die Berechnung an der Wohnflächenverordnung [WoflV], für Nichtwohngebäude an | ||
+ | DIN 277. | ||
+ | |||
+ | Die Berechnung der Energiebezugsfläche erfolgt gemäß den nachfolgenden | ||
+ | Tabellen. Es gehen grundsätzlich nur Flächen innerhalb der thermischen Hülle ein. | ||
+ | Je nach Nutzung der Räume werden die Flächen unterschiedlich gewichtet (100% | ||
+ | bzw. 60%), um einen effizienten Umgang mit hochwertigen Flächen in der | ||
+ | thermischen Hülle zu begünstigen und unterschiedliche interne Wärmequellen zu | ||
+ | berücksichtigen. | ||
+ | |||
+ | ===== Wohngebäude - Berechnung der Energiebezugsfläche (EBF)===== | ||
+ | |||
+ | ||| Zur EBF zählen nur die Grundflächen der Räume **innerhalb** der thermischen Hülle. \\ Die Grundfläche darf über Rohbaumaße ermittelt werden. \\ Zur Grundfläche kann folgendes mitgerechnet werden: \\ * Bodentiefe Fensternischen mit mehr als 0,13m Tiefe \\ * Sockel, Fußbodenleisten, | ||
+ | | **100% anrechenbar** | **60% anrechenbar** | **0% anrechenbar** | | ||
+ | |* Wohnräume mit Aufenthaltsqualität, | ||
+ | ||| Für alle Räume/ | ||
+ | \\ | ||
+ | |||
+ | |||
+ | ---- | ||
+ | \\ | ||
+ | |||
+ | |{{: | ||
+ | | \\ **Beispiel: | ||
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+ | \\ | ||
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+ | ===== Nichwohngebäude - Berechnung der Energiebezugsfläche (EBF)===== | ||
+ | |||
+ | ||| Zur EBF zählen nur die Grundflächen der Räume innerhalb der thermischen Hülle. \\ Die Grundfläche darf über Rohbaumaße ermittelt werden. \\ In die Grundfläche kann Folgendes eingerechnet werden: \\ * Bodentiefe Fensternischen mit mehr als 0,13 m Tiefe \\ * Sockel, Fußleisten, | ||
+ | | **100% anrechenbar** | **60% anrechenbar** | **0% anrechenbar**| | ||
+ | | **Nutzfläche: | ||
+ | ||| Für alle Räume/ | ||
+ | \\ | ||
+ | |||
+ | ---- | ||
+ | \\ | ||
+ | Dienen Räume sowohl der Erschließung als auch einer weiteren Nutzung, ist die laut | ||
+ | Grundriss überwiegende Nutzung der Flächen entscheidend. Gegebenenfalls | ||
+ | werden verschiedene Teile eines Raumes unterschiedlich angerechnet. | ||
+ | |||
+ | |{{: | ||
+ | |**Beispiel: | ||
+ | |||
+ | \\ | ||
+ | === Anforderungen als Kennwert === | ||
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+ | Wurde ein Kennwert wie beim Passivhaus (15 kWh/(m²a)) festgelegt, **dann darf die Berechnung der Kennwerte selbstverständlich nur unter Bezug auf __die__ Energiebezugsfläche erfolgen**, die auch der Anforderung zu Grunde liegt. | ||
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+ | So wird aus einem reinen Formproblem eine substantielle Frage: Unterbietet ein Gebäude 15 kWh/(m²a) nur unter Bezug auf die Bruttogeschossfläche, | ||
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+ | **Deshalb ist es wichtig, alle flächenbezogenen Angaben auf die Flächen zu beziehen, die dem Anforderungswert zugrunde liegen. Beim Passivhaus ist diese Fläche die beheizte Wohnfläche - aus guten Gründen, denn ein Balkon ist für die Heizung ebenso wenig relevant wie eine Treppe oder ein Innenwandquerschnitt oder irgendein anderes nicht nutzbares Volumen. Es gehört mit zur Bauaufgabe, diese irrelevanten Flächen nicht ausufern zu lassen; auch dadurch wird das Bauen teurer und ineffizienter.** | ||
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+ | Weder der Funktion noch dem Umweltschutz ist gedient, wenn Kennwerte einfach dadurch " | ||
+ | \\ | ||
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+ | ==== Fazit ==== | ||
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+ | Mit diesen Erkenntnissen ist nun sehr einfach zu verstehen, wie ein Passivhaus funktioniert. In unserer Animation (**__Abb. 4__**) haben wir das illustriert. Das Konzept " | ||
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+ | Energiebilanzen können auch bei anderen Energieanwendungen helfen, die wichtigsten Energieströme und Energieverluste zu erkennen. Das ist bereits der wichtigste Schritt, um die Verluste zu reduzieren (vgl. [[Grundlagen: | ||
+ | \\ | ||
+ | |{{ : | ||
+ | |//**__Abb. 4:__ Energiebilanz vom Normalhaus zum Passivhaus: verringert man die Wärme-\\ verluste nur konsequent genug, dann können passiv solare Energie (gelb) und innere\\ Wärmequellen (gelbgrau) einen beträchtlichen Anteil der Verluste abdecken. Eine\\ separate Heizung wird entbehrlich, | ||
+ | \\ | ||
+ | Die dargestellte Bilanz wurde mit PHPP berechnet; sie gehört zu den tatsächlich gebauten **Passivhäusern in Hannover Kronsberg** (Bauträger Rasch& | ||
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+ | Als Energiebezugsfläche dient hier die beheizte Wohnfläche. Die Energiebezugsfläche ändert die Energiebilanz nicht - aber sie lässt das Ergebnis manchmal besonders schön erscheinen. Näheres dazu hier: [[Planung: | ||
+ | \\ | ||
+ | ====== Siehe auch ====== | ||
+ | |||
+ | **[[Planung: | ||
+ | |||
+ | **[[Planung: | ||
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+ | **[[Planung: | ||
+ | |||
+ | **[[planung: | ||
+ | |||
+ | Zurück zur Übersicht **[[grundlagen/ | ||
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+ | \\ | ||
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+ | **An das PHPP angegliederte Berechnungstools** \\ | ||
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+ | [[planung: | ||
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+ | [[planung: | ||
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+ | Übersicht über weitere [[http:// | ||
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planung/energieeffizienz_ist_berechenbar/hintergruende_-_energiebilanzen.txt · Zuletzt geändert: 2023/11/17 09:41 von wfeist