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grundlagen:energiewirtschaft_und_oekologie:graue_energie_und_passivhaus-standard

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-====== Graue Energie und Passivhaus-Standard ======+====== Lebenszyklusbewertung und Passivhaus-Standard ======
  
 ===== Der kumulierte Primärenergieaufwand KEA ===== ===== Der kumulierte Primärenergieaufwand KEA =====
  
-Ein vollständiger Vergleich muss über den gesamten Lebenszyklus erfolgen. In der zitierten Publikation wurde **der kumulierte Primärenergieaufwand (KEA) über eine Nutzungsdauer von 80 Jahren für verschiedene Gebäudestandards** verglichen (**Abb.1**).+Ein vollständiger Vergleich muss über den gesamten Lebenszyklus erfolgen. In der zitierten Publikation wurde **der kumulierte Primärenergieaufwand (KEA) über eine Nutzungsdauer von 80 Jahren für verschiedene Gebäudestandards** verglichen (**Abb.1**). Geheizt wird für diesen Vergleich jeweils mit einem Erdgas-Brennwertkessel.
   * Für schlecht gedämmte Gebäude (deutsche Wärmeschutzverordnung 1984) beträgt der Herstellungsenergieaufwand (HEA) im Vergleich zum Verbrauch an Erdgas und Primärenergie für den Haushaltsstrom nur ca. 5%.   * Für schlecht gedämmte Gebäude (deutsche Wärmeschutzverordnung 1984) beträgt der Herstellungsenergieaufwand (HEA) im Vergleich zum Verbrauch an Erdgas und Primärenergie für den Haushaltsstrom nur ca. 5%.
 +
   * Bereits beim Niedrigenergiehaus liegen die Bedeutung von Strom- und Erdgasverbrauch in der Nutzungszeit mit je 45% etwa gleich auf. Fortschritte können nun vor allem durch effiziente Nutzung von Strom erzielt werden.   * Bereits beim Niedrigenergiehaus liegen die Bedeutung von Strom- und Erdgasverbrauch in der Nutzungszeit mit je 45% etwa gleich auf. Fortschritte können nun vor allem durch effiziente Nutzung von Strom erzielt werden.
 +
   * Beim Standard des Passivhauses wird durch sehr guten Wärmeschutz der Heizenergieverbrauch so gering, dass auf ein separates Heizsystem verzichtet werden kann. Der Herstellungsenergieaufwand von neuen Passivhäusern kann dabei sogar geringer sein als der von gewöhnlichen Neubauten.    * Beim Standard des Passivhauses wird durch sehr guten Wärmeschutz der Heizenergieverbrauch so gering, dass auf ein separates Heizsystem verzichtet werden kann. Der Herstellungsenergieaufwand von neuen Passivhäusern kann dabei sogar geringer sein als der von gewöhnlichen Neubauten. 
 +
   * Bedingt durch den hohen Herstellungs- und Erneuerungs-Primärenergieaufwand (E-HEA) für aufwendige technische Systeme ist der kumulierte Energieaufwand für Energieautarke Häuser allerdings wieder höher als für ein Passivhaus [[Grundlagen:Energiewirtschaft und Ökologie:Graue Energie und Passivhaus-Standard#Literatur|[Röhm 1993] ]].\\   * Bedingt durch den hohen Herstellungs- und Erneuerungs-Primärenergieaufwand (E-HEA) für aufwendige technische Systeme ist der kumulierte Energieaufwand für Energieautarke Häuser allerdings wieder höher als für ein Passivhaus [[Grundlagen:Energiewirtschaft und Ökologie:Graue Energie und Passivhaus-Standard#Literatur|[Röhm 1993] ]].\\
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 |{{ :picopen:kumulierter_primaerenergie_aufwand_passivhaus_k.png?400 }}| |{{ :picopen:kumulierter_primaerenergie_aufwand_passivhaus_k.png?400 }}|
 |**//__Abb. 1__: kumulierter Primärenergieaufwand im Vergleich\\ |**//__Abb. 1__: kumulierter Primärenergieaufwand im Vergleich\\
-(Basis: [[Beispiele:Wohngebäude:einfamilienhäuser:Das erste Passivhaus in Darmstadt-Kranichstein|Passivhaus Darmstadt Kranichstein]]) [[Grundlagen:Energiewirtschaft und Ökologie:Graue Energie und Passivhaus-Standard#Literatur|[Feist 1997] ]];\\+(Basis: [[Beispiele:Wohngebäude:Mehrfamilienhäuser:Das erste Passivhaus in Darmstadt-Kranichstein, Deutschland]] ) [[Grundlagen:Energiewirtschaft und Ökologie:Graue Energie und Passivhaus-Standard#Literatur|[Feist 1997] ]];\\
 Materialdaten nach [Kohler 1995] und [[Grundlagen:Energiewirtschaft und Ökologie:Graue Energie und Passivhaus-Standard#Literatur|[SIA 0123] ]].\\ Materialdaten nach [Kohler 1995] und [[Grundlagen:Energiewirtschaft und Ökologie:Graue Energie und Passivhaus-Standard#Literatur|[SIA 0123] ]].\\
 Die Basisdaten für den Verbrauch an Strom und Gas sind beim Passivhaus\\ Die Basisdaten für den Verbrauch an Strom und Gas sind beim Passivhaus\\
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 In **Abb.2** ist **der Zeitverlauf des kumulierten Primärenergieaufwandes (KEA) für 3 Varianten über einen Nutzungszeitraum von 80a** dargestellt. In **Abb.2** ist **der Zeitverlauf des kumulierten Primärenergieaufwandes (KEA) für 3 Varianten über einen Nutzungszeitraum von 80a** dargestellt.
   * Die „Startpunkte“ der Varianten zur WSchVO (HEA 1171 kWh/m²), Niedrigenergiehaus (1220 kWh/m²) und zum realisierten Passivhaus (1391 kWh/m²) liegen sehr eng zusammen.   * Die „Startpunkte“ der Varianten zur WSchVO (HEA 1171 kWh/m²), Niedrigenergiehaus (1220 kWh/m²) und zum realisierten Passivhaus (1391 kWh/m²) liegen sehr eng zusammen.
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   * Bereits nach 2 Jahren liegt der kumulierte Energieaufwand des Referenzhauses über dem Niedrigenergiehaus und jenes über dem Passivhaus.   * Bereits nach 2 Jahren liegt der kumulierte Energieaufwand des Referenzhauses über dem Niedrigenergiehaus und jenes über dem Passivhaus.
-  * Anschließend entwickeln sich die Primärenergieeinsätze im wesentlichen proportional zum unterschiedlichen Verbrauch in der Nutzungsphase auseinander; erkennbar sind aber auch die Erneuerungsaufwendungen für Sonnenkollektoren und Lüftungssysteme im Passivhaus (Sprünge alle 20 a bzw. alle 30a). + 
-  * Deutlich ist erkennbar, das der ökologische Gewinn beim Übergang vom Niedrigenergiehaus zum Passivhaus viel größer ist als beim Übergang vom Haus nach Wärmeschutzverordnung zum Niedrigenergiehaus.\\+  * Anschließend entwickeln sich die Primärenergieeinsätze im Wesentlichen proportional zum unterschiedlichen Verbrauch in der Nutzungsphase auseinander; erkennbar sind aber auch die Erneuerungsaufwendungen für Sonnenkollektoren und Lüftungssysteme im Passivhaus (Sprünge alle 20 a bzw. alle 30a)((Für das Beispielgebäude wurde die Dauerhaftigkeit inzwischen in einem Forschungsprojekt überprüftVergleiche: "25 Jahre". U.a. stellte sich dabei heraus, dass auch die Lüftungskomponente eine deutlich längere Nutzungsdauer aufweist als hier ursprünglich vorsichtig abgeschätzt wurde)). 
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 +  * Deutlich ist erkennbar, dass der ökologische Gewinn beim Übergang vom Niedrigenergiehaus zum Passivhaus viel größer ist als beim Übergang vom Haus nach Wärmeschutzverordnung zum Niedrigenergiehaus.\\
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 |{{ :picopen:zeitverlauf_kumulierter_primaerenergie_aufwand_passivhaus_k.png?400 }}| |{{ :picopen:zeitverlauf_kumulierter_primaerenergie_aufwand_passivhaus_k.png?400 }}|
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 Wie sich der Herstellungsenergieaufwand ändert, wenn ausschließlich die Dämmdicke variiert wird (übrige Daten: wie Passivhaus), zeigt\\ **Abb. 3**. Wie sich der Herstellungsenergieaufwand ändert, wenn ausschließlich die Dämmdicke variiert wird (übrige Daten: wie Passivhaus), zeigt\\ **Abb. 3**.
   * Interessanterweise sinkt der HEA zunächst bis Dämmdicken um 5 cm, obwohl der Dämmstoff Herstellungsenergie erfordert: Die Ursache liegt in der Verkleinerung der Heizflächen (Stahl) durch verringerte maximale Heizlast.   * Interessanterweise sinkt der HEA zunächst bis Dämmdicken um 5 cm, obwohl der Dämmstoff Herstellungsenergie erfordert: Die Ursache liegt in der Verkleinerung der Heizflächen (Stahl) durch verringerte maximale Heizlast.
-  * Bei einer Dämmdicke von ca. 23 cm wird bei diesem Haus schließlich der Passivhausstandard ereicht: Nun können das Wärmeverteilsystem und die restlichen Heizkörper entfallen, wodurch sich der Sprung in der Kurve ergibt.+ 
 +  * Bei einer Dämmdicke von ca. 23 cm wird bei diesem Haus schließlich der Passivhausstandard erreicht: Nun können das Wärmeverteilsystem und die restlichen Heizkörper entfallen, wodurch sich der Sprung in der Kurve ergibt.
  
 Bitte beachten: Bei diesem Diagramm ist der Nullpunkt unterdrückt! Die ausgewiesenen 44 kWh/m² sind gerade 3,5% der gesamten Herstellungs-Primärenergie.\\ Bitte beachten: Bei diesem Diagramm ist der Nullpunkt unterdrückt! Die ausgewiesenen 44 kWh/m² sind gerade 3,5% der gesamten Herstellungs-Primärenergie.\\
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 Sowohl der Primärenergieaufwand für den Stromeinsatz während der Nutzungsphase als auch die Graue Energie in den Baumaterialen gewinnen aber bei energieeffizientem Bauen an Bedeutung. Hier können sowohl **durch weitere Effizienzsteigerungen bei der Baustoffherstellung als auch durch effizienten Materialeinsatz weitere Fortschritte** erzielt werden; diese dürfen aber nicht auf Kosten wieder steigender Betriebsenergie gehen, denn letztere überwiegt immer noch. Sowohl der Primärenergieaufwand für den Stromeinsatz während der Nutzungsphase als auch die Graue Energie in den Baumaterialen gewinnen aber bei energieeffizientem Bauen an Bedeutung. Hier können sowohl **durch weitere Effizienzsteigerungen bei der Baustoffherstellung als auch durch effizienten Materialeinsatz weitere Fortschritte** erzielt werden; diese dürfen aber nicht auf Kosten wieder steigender Betriebsenergie gehen, denn letztere überwiegt immer noch.
  
-Die planerische Optmierung von Passivhäusern erfolgt zweckmäßigerweise mit dem **Passivhaus Projektierungs Paket (PHPP)**, das ein umfassendes Tool zur Bestimmung von Gebäude-Energiebilanzen ist.\\+Die planerische Optimierung von Passivhäusern erfolgt zweckmäßigerweise mit dem **Passivhaus Projektierungs Paket (PHPP)**, das ein umfassendes Tool zur Bestimmung von Gebäude-Energiebilanzen ist. 
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 +Der Aufwand, ein Gebäude vollständig energieautark zu machen, ist dagegen sehr hoch - sowohl ökonomisch als auch ökologisch gesehen. Sinnvoll ist es hingegen, alle Möglichkeiten zu nutzen, von den Außenflächen des Gebäudes (vor allem der Dächer) solare Energie zu gewinnen. Dabei ist aber weiterhin eine Kopplung an das Stromnetz sinnvoll, denn tagsüber im Sommer wird mit solchen Anlagen deutlich mehr Strom erzeugt, als im Haushalt benötigt wird - andere Nutzer können damit jedoch über das Netz versorgt werden. Diese Konzepte liegen dem Passivhaus-Plus und dem Passivhaus-Premium zugrunde. (vgl. [[Grundlagen:energiewirtschaft_und_oekologie:erneuerbare_primaerenergie_per#passivhaus-klassen|Passivhaus Plus]] ) \\
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 ===== Hinweise ===== ===== Hinweise =====
  
-  - Diese Internet-Kurzfassung ist aus der Schrift **"Lebenszyklusbilanzen im Vergleich: Niedrigenergiehaus, Passivhaus, Energieautarkes Haus"** zusammengefasst worden. Die Langfassung ist im **Protokollband 8 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser** enthalten. Eine englische Übersetzung kann hier als pdf heruntergeladen werden: {{:picopen:primary_energy_input_comm2007.pdf|Life Cycle Passive House}}+  - Diese Internet-Kurzfassung ist aus der Schrift **"Lebenszyklusbilanzen im Vergleich: Niedrigenergiehaus, Passivhaus, Energieautarkes Haus"** zusammengefasst worden. Die Langfassung ist im **Protokollband 8 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser** enthalten. Eine englische Übersetzung kann hier als pdf heruntergeladen werden: **{{:picopen:primary_energy_input_comm2007.pdf|Life Cycle Passive House}}**
   - **Die Daten** haben sich gegenüber der Erstellung der ursprünglichen Studie **nicht nennenswert geändert**, die Messdaten aus dem herangezogenen Passivhaus ohnehin nicht, aber auch die spezifischen Primärenergie-Input-Werte für Baumaterialien sind nach neuesten, heute leicht zugänglichen Datenbanken, nicht deutlich verändert. Das könnte sich künftig wenden, zumal Energie jetzt sehr viel teurer ist als vor 10 Jahren und sich effizientere Produktionsverfahren nun rentieren. Dies zu untersuchen war aber nicht Gegenstand des Beitrages.   - **Die Daten** haben sich gegenüber der Erstellung der ursprünglichen Studie **nicht nennenswert geändert**, die Messdaten aus dem herangezogenen Passivhaus ohnehin nicht, aber auch die spezifischen Primärenergie-Input-Werte für Baumaterialien sind nach neuesten, heute leicht zugänglichen Datenbanken, nicht deutlich verändert. Das könnte sich künftig wenden, zumal Energie jetzt sehr viel teurer ist als vor 10 Jahren und sich effizientere Produktionsverfahren nun rentieren. Dies zu untersuchen war aber nicht Gegenstand des Beitrages.
   - Wenn in der Literatur z.T. Aussagen zu finden sind, die den Ergebnissen dieser Arbeit zu widersprechen scheinen, sollte für einen korrekten Vergleich auf folgende Punkte geachtet werden:\\   - Wenn in der Literatur z.T. Aussagen zu finden sind, die den Ergebnissen dieser Arbeit zu widersprechen scheinen, sollte für einen korrekten Vergleich auf folgende Punkte geachtet werden:\\
  
-> Wurde die Nutzungsphase (sie ist dominant) überhaupt berücksichtigt?\\ Welcher Ansatz für den Lebenszyklus wurde gewählt?\\ Wurde der Erneuerungsenergieaufwand einbezogen?\\ Mit welchen Annahmen für die Rohdichte der Dämmmaterialien und mit welchem Dämmstoff wurde gerechnet?\\+> Wurde der Verbrauch in der Nutzungsphase (der ist dominant) überhaupt berücksichtigt?\\ \\ Welcher Ansatz für die Dauer des Lebenszyklus wurde gewählt?\\ \\ Wurde der Erneuerungsenergieaufwand einbezogen?\\ \\ Mit welchen Annahmen für die Rohdichte der Dämmmaterialien und mit welchem Dämmstoff und welcher Nutzungsdauer wurde gerechnet?\\ \\ Recht oft wird der extrem geringe restliche Verbrauch eines energieeffizienten Gebäudes mit dem Einsatz an grauer Energie verglichen - entscheidend ist aber die Bilanz der Einsparung über die Nutzungszeit mit der Investition für die Einsparung. (Sonst wäre z.B. ein "Nullenergiegebäude" schon allein deswegen keine Option, weil sein Verbrauch eben "Null" und daher immer deutlich kleiner als welcher Herstellungsaufwand auch immer ist.) 
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grundlagen/energiewirtschaft_und_oekologie/graue_energie_und_passivhaus-standard.txt · Zuletzt geändert: 2022/04/04 16:47 von wfeist