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Besonderheiten und Eigenschaften erdberührter Bauteile

Die Vorgehensweise zur Berechnung von Wärmebrücken in kontakt zum Erdreich unterscheidet sich nicht prinzipiell von anderen Wärmebrücken. Es ist für jedoch hilfreich die Wirkung des Erdreichs auf die Gebäudehülle zu kennen, vorallen wenn es darum geht die längenbrzogenen Wärmedurchgangskoeffizienten korrekt im PHPP zu verwenden.

Einfluss des Erdreiches auf erdberührte Bauteile

Die thermischen Wechselwirkungen eines Gebäudes mit seiner Umgebung sind komplex. Dies gilt insbesondere für das System Erdreich. Dieses System wird neben dem Erdreich von Schnee, Frostbildung, Sicker- und Grundwasser beeinflusst. Relevant für die Ermittlung der U- und Ψ-Werte erdberührter Bauteile sind jedoch nur die physikalischen Eigenschaften des Erdreichs, gegeben durch:

  • die Temperatur θ des Erdreiches.
  • die Wärmeleitfähigkeit λ des Erdreiches.
  • die Wärmekapazität c des Erdreiches

Temperatur und Wärmleitfähigkeit des Erdreichs

Der Wärmestrom durch die einzelnen Bauteilen eines Gebäudes wird durch die Temperaturdifferenz zwischen Innenraum und Außenraum bestimmt. Bei erdberührten Bauteilen ist der Wärmestrom abhängig von dem im Erdreich vorherrschendem Temperaturfeld. Dieses hängt zwar direkt von der Außenlufttemperatur ab, wird aber noch durch den Strahlungsaustausch der Erdoberfläche beeinflusst. Jürgen Schnieders deutet in [Sch04a] 10 an, dass die Oberflächentemperatur im Schnitt um ca. 1 K höher liegt als die Außenlufttemperatur. So bleibt beispielsweise Schnee, der bei Temperaturen um den Gefrierpunkt fällt, vorerst nicht auf dem Boden liegen. Die genaue Angabe der Oberflächentemperatur ist nichtsdestotrotz sehr schwierig. Der Strahlungsaustausch ist unter anderem abhängig von der Struktur der Erdoberfläche. Da die Beschaffenheit der an das Gebäude grenzenden Flächen (Gehwegen, Parkplätzen, Rasenflächen etc.) bei der Projektierung meist unklar ist, kann in der Praxis die Oberflächentemperatur mit der Außenlufttemperatur gleichgesetzt werden. Der Wärmeübergangswiderstand zwischen der Erdoberfläche und der Außenluft wird dabei vernachlässigt ($R_{se}$ = 0). Der Wärmstrom wählt den Weg des geringsten Widerstandes. 100 m Erdreich mit einer Wärmeleitfähigkeit von 2,0 W/(m·K) hat bereits einen U-Wert von nur noch 0,02 W/(m 2·K), daher findet der relevante Wärmeaustausch nur zur Außenluft statt. Der Wärmestrom, verursacht durch die Temperaturdifferenz zwischen Innen- und Außenumgebung, verläuft demnach von der Gebäudehülle durch den Erdboden an die Oberfläche. Daher ist das Erdreich als zusätz- liche Bauteilschicht des betreffenden Gebäudeteiles anzusehen, dessen Wärmeleitfähigkeit den U -Wert des Bauteils beeinflusst. Den Wärmeübergangswiderstand kann man allerdings nicht mehr nach R = λ/d bestimmen, da das Erdreich um ein Gebäude keine homogene Bauteilschicht darstellt. Folglich ist eine reine eindimensionale Betrachtung nicht mehr ausreichend. Um dies dennoch zu berücksichtigen, sind im Erdreichblatt des PHPP spezielle Funktionen hinterlegt, die in Abhängigkeit der Gebäudegröße und der einbindenden Tiefe, die dämmende Wirkung des Erdreichs berücksichtigt (analog zur Norm DIN EN ISO 13370).

Wärmekapazität des Erdreichs

Die Wärmespeicherfähigkeit wird im Bauwesen durch die spezifische Wärmekapazität c angegeben. Sie definiert die Energiemenge, die benötigt wird um ein Kilogramm eines Materials um ein Kelvin zu erhöhen. Das bedeutet, dass Materialien eine gewisse Wärmemenge aufnehmen und wieder abgeben können, abhängig von den zeitlichen Änderungen der anliegenden Temperatur. Die Gebäudehülle weist eine von ihrer Masse abhängige thermische Trägheit auf. Eine Außenwand die tagsüber Wärme aufnimmt, gibt diese bei kühleren Temperaturen wieder ab. Je größer die Masse der Außenwand ist, desto länger dauert der Auflade- bzw. Entladevorgang. Für übliche Bauteile ist dieses Zeitintervall relativ klein. Werden längere Zeiträume betrachtet, wie beim Monatsverfahren, mitteln sich der Effekt heraus, da gleich viele Aufladephasen wie Entladephasen vorhanden sind. Somit ist eine stationäre Betrachtung der Wärmeströme durchaus ausreichend. Bei erdberührten Bauteilen ist dies nicht mehr der Fall. Folgende Abbildung zeigt den Tempertaturverlauf im Erdreich in Abhänigkeit der Außentemperatur:

Die Amplituden der sinusförmigen Temperaturverläufe nehmen mit zunehmender Tiefe deutlich ab. Gleichzeitig findet eine Phasenverschiebung statt, so dass Temperaturspitzen der Außenluft erst viel später in tieferen Regionen ankommen. Die Amplitudenspitze eines Testreferenzjahres von 21,5 °C am 21.07 wirkt sich in 5 m Tiefe erst 91 Tage später aus. Dort beträgt die Spitzentemperatur am 20.10 nur noch 13,1 °C. In zunehmender Tiefe stellt sich eine fast gleichbleigende Temperatur in Höhe der Jahresmitteltemperatur ein. Die hohen Phasenverschiebungen, die für erdberührte Bauteile typisch sind, lassen eine rein stationäre Betrachtung der Transmissionswärmeverluste für das Monatsverfahren nicht mehr zu, da sich die Auflade- bzw. Entladevorgänge über mehrere Monate strecken können. Daher ist bei der Berechnung von Wärmeverlusten durch das Erdreich sind die Wärmespeicherung im Erdreich und die dadurch verursachte Dämpfung und Phasenverschiebung der Erdreichtemperatur unter der Bodenplatte gegenüber der Außentemperatur von Bedeutung.

Im PHPP wird durch das Superpositionsprinzip die Problematik aufgeteilt. Der sinusförmige Verlauf des Wärmestroms wird aufgeteilt in eine stationäre $L_s$ und eine harmonische Komponente $L_{pe}$. Beide Anteile können im PHPP jeweils durch längenbezogene Wärmedurchgangskoeffizienten korrigiert werden. Im Gegensatz zu $L_s$ muss $L_{pe}$ durch einen harmonischen längenbezogenen Wärmedurchgangskoeffizienten korrigiert werden, der durch eine instationäre Simulation zu ermitteln ist. Vereinfacht kann dieser jedoch auch mit dem stationären Ψ-Wert gleichgesetz werden.

Instationäre oder stationäre Ψ-Werte?

Bei der Berechnung von erdberührten Wärmebrücken reicht in zahlreichen Fällen eine stationäre Näherung aus und es kann auf eine dynamische Simulation verzichtet werden. Dynamische Simulationen liefern zwar im Prinzip genauere Ergebnisse, es entsteht aber auch zusätzlicher Aufwand. Darüber hinaus ist die zu erwartende Genauigkeit einer zwei- oder drei­dimensionalen instationären numerischen Berechnung aufgrund der meist nur ungenau bekannten thermischen Eigenschaften des Erdreichs nicht so hoch, dass der zusätzliche Aufwand (außer bei Groß- oder Forschungsprojekten) gerechtfertigt wäre. Vielfach werden daher die stationär ermittelten -Werte auch als harmonische Ψ-Werte verwendet (vgl. das Blatt Erdreich im PHPP). Für erdberührte Wärmebrücken, die sich weit von der Erdoberfläche entfernt befinden, wird diese Annahme jedoch meist recht pessimistisch sein. Ob sich eine zeitabhängige Berechnung lohnen kann, lässt sich leicht feststellen, indem man im PHPP den harmonischen Ψ-Wert einmal gleich dem stationären Ψ-Wert, einmal gleich Null setzt und den Einfluss auf das Endergebnis betrachtet. Auch bezüglich der Oberflächentemperaturen kann eine stationäre Berechnung unter den unten angegebenen Randbedingungen zu pessimistische Ergebnisse liefern.

Weiterführende Literatur bezüglich der Vorgehensweise im PHPP

[AkkP 27] Wärmeverluste durch das Erdreich; Protokollband Nr. 27 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser, 1. Auflage, Passivhaus Institut, Darmstadt 2004 (Link zur Publikationsliste des PHI)

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