Benutzer-Werkzeuge

Webseiten-Werkzeuge


grundlagen:bauphysikalische_grundlagen:heizlast

Unterschiede

Hier werden die Unterschiede zwischen zwei Versionen angezeigt.

Link zu dieser Vergleichsansicht

Beide Seiten der vorigen RevisionVorhergehende Überarbeitung
Nächste Überarbeitung
Vorhergehende Überarbeitung
grundlagen:bauphysikalische_grundlagen:heizlast [2012/03/06 16:00] aespenbergergrundlagen:bauphysikalische_grundlagen:heizlast [2024/03/18 11:48] (aktuell) – [Überprüfung des Heizlast-Verfahrens: Modell/Praxis] wolfgang.hasper@passiv.de
Zeile 2: Zeile 2:
  
  
-Mit der extrem hohen Energieeffizienz, welche beim Passivhaus erreicht wird, wird der Heizwärmebedarf mit typisch um 10 bis 15 kWh/(m<sup>2</sup>a) eigentlich völlig unbedeutend in Bezug auf die davon ausgehende Ressourcen- und Umweltbelastung. In einem funktionierenden Passivhaus ist der Verbrauch für Heizung automatisch vernachlässigbar gering – er beträgt nur rund ein Zehntel des sonst üblichen Verbrauches.+Mit der hohen Energieeffizienz, welche beim Passivhaus erreicht wird, wird der Heizwärmebedarf mit typisch um 10 bis 15 kWh/(m<sup>2</sup>a) eigentlich völlig unbedeutend in Bezug auf die davon ausgehende Ressourcen- und Umweltbelastung. In einem funktionierenden Passivhaus ist der Verbrauch für Heizung automatisch vernachlässigbar gering – er beträgt nur rund ein Zehntel des sonst üblichen Verbrauches.
 \\ \\
  
Zeile 13: Zeile 13:
  
 Es folgt für die Leistung: Es folgt für die Leistung:
-Ppers = 30 m<sup>3</sup>/h/Pers * 0.33 Wh/(m<sup>3</sup>K) * 30 K = 300 W/Pers+P<sub>pers</sub> = 30 m<sup>3</sup>/h/Pers * 0.33 Wh/(m<sup>3</sup>K) * 30 K = 300 W/Pers
  
 Also: 300 Watt pro Person kann eine Frischluftheizung bereitstellen. Wenn z.B. 30 m<sup>2</sup> Wohnfläche je Person angenommen werden, ergeben sich 10 W/m<sup>2</sup> Wohnfläche, und das unabhängig vom Klima. Hierbei handelt es sich um eine Leistungseinheit, d.h. die Werte beziehen sich auf den Tag mit der jeweils höchsten Heizleistung (Heizlastfall). Je nach Klimazone muss ein Passivhaus also unterschiedlich gut gedämmt werden: In Stockholm mehr, in Rom weniger. Also: 300 Watt pro Person kann eine Frischluftheizung bereitstellen. Wenn z.B. 30 m<sup>2</sup> Wohnfläche je Person angenommen werden, ergeben sich 10 W/m<sup>2</sup> Wohnfläche, und das unabhängig vom Klima. Hierbei handelt es sich um eine Leistungseinheit, d.h. die Werte beziehen sich auf den Tag mit der jeweils höchsten Heizleistung (Heizlastfall). Je nach Klimazone muss ein Passivhaus also unterschiedlich gut gedämmt werden: In Stockholm mehr, in Rom weniger.
Zeile 24: Zeile 24:
  
  
-===== Heizlast im voraus bestimmen =====+===== Heizlast im Voraus bestimmen =====
  
-Ob die beschriebene funktionale Vereinfachung in einem konkreten Projekt wirklich realisiert werden kann, hängt entscheidend von den im betreffenden Fall tatsächlich auftretenden maximalen Heizleistungen (eben von der Heizlast) ab. Damit wird es für Passivhäuser heute wieder wichtig, die **Heizlasten zuverlässig im voraus zu bestimmen**. Mit Passivhäusern sind die Bauherren wieder in einer Situation wie vor den Ölkrisen, in der zwar eine korrekte Auslegung der Heiztechnik erforderlich, der resultierende Jahresverbrauch aber so gering ist und so niedrige Aufwendungen erfordert, dass er kaum noch interessiert. Deshalb ist es wichtig, ein zuverlässiges Verfahren für die Bestimmung der Heizlast zur Verfügung zu haben. +Ob die beschriebene funktionale Vereinfachung in einem konkreten Projekt wirklich realisiert werden kann, hängt entscheidend von den im betreffenden Fall tatsächlich auftretenden maximalen Heizleistungen (eben von der Heizlast) ab. Damit wird es für Passivhäuser heute wieder wichtig, die **Heizlasten zuverlässig im Voraus zu bestimmen**. Mit Passivhäusern sind die Bauherren wieder in einer Situation wie vor den Ölkrisen, in der zwar eine korrekte Auslegung der Heiztechnik erforderlich, der resultierende Jahresverbrauch aber so gering ist und so niedrige Aufwendungen erfordert, dass er kaum noch interessiert. Deshalb ist es wichtig, ein zuverlässiges Verfahren für die Bestimmung der Heizlast zur Verfügung zu haben. 
 \\ \\
  
Zeile 33: Zeile 33:
 \\ \\
   * Die ermittelten Heizlasten müssen "auf der sicheren Seite" liegen, d.h. die behagliche Beheizbarkeit der so projektierten Häuser **muss** gewährleistet sein.   * Die ermittelten Heizlasten müssen "auf der sicheren Seite" liegen, d.h. die behagliche Beheizbarkeit der so projektierten Häuser **muss** gewährleistet sein.
 +
   * Die ermittelten Heizlasten sollten andererseits keine übermäßigen Sicherheitsreserven enthalten, weil sonst der bauliche und technische Aufwand unangemessen hoch wird und die spezifischen Vorteile der Gebäude mit sehr kleinen Heizlasten nicht zur Geltung kommen.   * Die ermittelten Heizlasten sollten andererseits keine übermäßigen Sicherheitsreserven enthalten, weil sonst der bauliche und technische Aufwand unangemessen hoch wird und die spezifischen Vorteile der Gebäude mit sehr kleinen Heizlasten nicht zur Geltung kommen.
 +
   * Wenn möglich, sollte das Verfahren einfach handhabbar sein, und   * Wenn möglich, sollte das Verfahren einfach handhabbar sein, und
 +
   * die erforderlichen Randbedingungen für den Auslegungsfall sollten auf einfache Weise verfügbar gemacht werden können. Naheliegend wäre es daher zunächst, die vorhandenen Normen zur Ermittlung der Raumheizlast [EN 12831] einzusetzen. Es zeigte sich aber in der Praxis sehr schnell, dass das dort normierte Verfahren bei hocheffizienten Gebäuden wie dem Passivhaus zu extrem überdimensionierten Auslegungen führt. Die Ursachen dafür sind (neben im Grundsatz leicht änderbaren „Besonderheiten“, die nicht das Verfahren, aber seltsam gewählte Zusatzbedingungen betreffen, wie beispielsweise, dass U-Werte von Außenbauteilen immer mit mindestens 0.3 W/(m<sup>2</sup>K) angesetzt werden müssen):   * die erforderlichen Randbedingungen für den Auslegungsfall sollten auf einfache Weise verfügbar gemacht werden können. Naheliegend wäre es daher zunächst, die vorhandenen Normen zur Ermittlung der Raumheizlast [EN 12831] einzusetzen. Es zeigte sich aber in der Praxis sehr schnell, dass das dort normierte Verfahren bei hocheffizienten Gebäuden wie dem Passivhaus zu extrem überdimensionierten Auslegungen führt. Die Ursachen dafür sind (neben im Grundsatz leicht änderbaren „Besonderheiten“, die nicht das Verfahren, aber seltsam gewählte Zusatzbedingungen betreffen, wie beispielsweise, dass U-Werte von Außenbauteilen immer mit mindestens 0.3 W/(m<sup>2</sup>K) angesetzt werden müssen):
 +
   * Innere Wärmequellen und die gerade bei sehr tiefen Außentemperaturen bedeutenden solaren Energiebeiträge werden in der Norm nur unzureichend berücksichtigt. Gerade bei Gebäuden mit sehr geringer Heizlast spielen diese freien Wärmen jedoch auch im Auslegungsfall eine bedeutende Rolle. „Keine inneren Lasten“ gibt es nur, wenn auch keine Nutzer anwesend sind und damit auch nur geringere Anforderungen zu stellen sind. Sind Nutzer anwesend, die Komfortansprüche erheben, so gibt es regelmäßig auch innere Wärmequellen; möglicherweise in geringer Höhe, aber nicht mit dem Ansatz „Null“. Das bedingt gerade bei Gebäuden mit guter Dämmung einen entscheidenden Unterschied.   * Innere Wärmequellen und die gerade bei sehr tiefen Außentemperaturen bedeutenden solaren Energiebeiträge werden in der Norm nur unzureichend berücksichtigt. Gerade bei Gebäuden mit sehr geringer Heizlast spielen diese freien Wärmen jedoch auch im Auslegungsfall eine bedeutende Rolle. „Keine inneren Lasten“ gibt es nur, wenn auch keine Nutzer anwesend sind und damit auch nur geringere Anforderungen zu stellen sind. Sind Nutzer anwesend, die Komfortansprüche erheben, so gibt es regelmäßig auch innere Wärmequellen; möglicherweise in geringer Höhe, aber nicht mit dem Ansatz „Null“. Das bedingt gerade bei Gebäuden mit guter Dämmung einen entscheidenden Unterschied.
 +
   * Gebäude mit sehr kleinen Heizlasten haben regelmäßig sehr hohe Gebäudezeitkonstanten (mehr als 5 und bis über 30 Tage). Dadurch werden kurzzeitige extreme Wetterbedingungen für das Passivhaus unbedeutend (das Gebäude geht praktisch darüber hinweg) und die Auslegungsparameter beziehen sich eher auf längere Zeitperioden. Diese Tatsache war auch den Verfassern älterer Normwerke (wie DIN 4701) bereits bekannt, wurde aber nicht auf Gebäude mit sehr langen Zeitkonstanten ausgedehnt und schließlich sogar in der neueren Normung gar nicht mehr berücksichtigt.   * Gebäude mit sehr kleinen Heizlasten haben regelmäßig sehr hohe Gebäudezeitkonstanten (mehr als 5 und bis über 30 Tage). Dadurch werden kurzzeitige extreme Wetterbedingungen für das Passivhaus unbedeutend (das Gebäude geht praktisch darüber hinweg) und die Auslegungsparameter beziehen sich eher auf längere Zeitperioden. Diese Tatsache war auch den Verfassern älterer Normwerke (wie DIN 4701) bereits bekannt, wurde aber nicht auf Gebäude mit sehr langen Zeitkonstanten ausgedehnt und schließlich sogar in der neueren Normung gar nicht mehr berücksichtigt.
 +
   * Die raumweise Ermittlung der Heizlast ist schon bei konventionellen Gebäuden mit hohen Unsicherheiten behaftet, die daraus resultieren, dass schon bei relativ kleinen Temperaturdifferenzen zwischen den Räumen die inneren Wärmeströme bedeutender sein können als die Wärmeverluste nach außen. Dieser Effekt verstärkt sich im Passivhaus noch entscheidend. Aus diesem Grund **macht die raumweise Ermittlung der Heizlast in Passivhäusern in der Regel keinen Sinn**; eine wohnungs- oder gebäudeweise Berechnung ist zuverlässiger und in der Regel ausreichend. Genauere Untersuchungen dazu finden sich in [AkkP 25].   * Die raumweise Ermittlung der Heizlast ist schon bei konventionellen Gebäuden mit hohen Unsicherheiten behaftet, die daraus resultieren, dass schon bei relativ kleinen Temperaturdifferenzen zwischen den Räumen die inneren Wärmeströme bedeutender sein können als die Wärmeverluste nach außen. Dieser Effekt verstärkt sich im Passivhaus noch entscheidend. Aus diesem Grund **macht die raumweise Ermittlung der Heizlast in Passivhäusern in der Regel keinen Sinn**; eine wohnungs- oder gebäudeweise Berechnung ist zuverlässiger und in der Regel ausreichend. Genauere Untersuchungen dazu finden sich in [AkkP 25].
 +
   * Der in der Heizlastberechnung übliche Bezug auf das Innenmaß der Raumumfassungsflächen vernachlässigt Wärmebrückenwirkungen in unzulässiger Weise und liegt außerdem quer zur gesamten übrigen üblichen Verfahrensweise, in der sich inzwischen überall die Verwendung der Außenmaße durchgesetzt hat.    * Der in der Heizlastberechnung übliche Bezug auf das Innenmaß der Raumumfassungsflächen vernachlässigt Wärmebrückenwirkungen in unzulässiger Weise und liegt außerdem quer zur gesamten übrigen üblichen Verfahrensweise, in der sich inzwischen überall die Verwendung der Außenmaße durchgesetzt hat. 
 \\ \\
  
  
-**Probleme bei der Berechnung der Heizlast für sehr gut wärmegedämmte Gebäude**+**Probleme bei der Berechnung der Heizlast für sehr gut wärmegedämmte Gebäude** \\
 Die Praxis zeigte, dass die in wissenschaftlich begleiteten Projekten tatsächlich gemessenen Heizleistungen in sehr gut wärmegedämmten Gebäuden eine obere Leistungsbegrenzung aufweisen, die auch bei extrem niedrigen Außentemperaturen viel niedriger liegt als die Auslegungsleistung nach der herkömmlichen Normung [DIN 4701]. Erstmals publiziert wurde dies in [Feist/Werner 1993] an Hand von gemessenen täglichen Heizwärmeverbrauchswerten im Passivhaus Darmstadt-Kranichstein. Die gemessenen tagesmittleren Heizlasten "knicken" nach diesen Ergebnissen unterhalb von Tagesmitteltemperaturen von ca. 0 °C in einen waagrechten Verlauf ab. Dieser Zusammenhang wurde in [Feist/Werner 1993] korrekt durch solare Energiebeiträge in den kälteren Wetterperioden erklärt und in [Feist 2005] ausführlicher diskutiert. Damit stand fest, dass eine Vernachlässigung der Solarbeiträge bei der Heizlastberechnung insbesondere in sehr gut wärmegedämmten Gebäuden keine korrekten Ergebnisse mehr erbringen kann.  Die Praxis zeigte, dass die in wissenschaftlich begleiteten Projekten tatsächlich gemessenen Heizleistungen in sehr gut wärmegedämmten Gebäuden eine obere Leistungsbegrenzung aufweisen, die auch bei extrem niedrigen Außentemperaturen viel niedriger liegt als die Auslegungsleistung nach der herkömmlichen Normung [DIN 4701]. Erstmals publiziert wurde dies in [Feist/Werner 1993] an Hand von gemessenen täglichen Heizwärmeverbrauchswerten im Passivhaus Darmstadt-Kranichstein. Die gemessenen tagesmittleren Heizlasten "knicken" nach diesen Ergebnissen unterhalb von Tagesmitteltemperaturen von ca. 0 °C in einen waagrechten Verlauf ab. Dieser Zusammenhang wurde in [Feist/Werner 1993] korrekt durch solare Energiebeiträge in den kälteren Wetterperioden erklärt und in [Feist 2005] ausführlicher diskutiert. Damit stand fest, dass eine Vernachlässigung der Solarbeiträge bei der Heizlastberechnung insbesondere in sehr gut wärmegedämmten Gebäuden keine korrekten Ergebnisse mehr erbringen kann. 
 \\ \\
Zeile 50: Zeile 57:
 \\ \\
  
-**Entwicklung des Berechnungsmodells**+**Entwicklung des Berechnungsmodells** \\
 Diese Aufgabenstellung wurde vom Arbeitskreis kostengünstige Passivhäuser angegangen und in Kooperation mit der Universität Stuttgart (Institut für Thermodynamik und Wärmetechnik) sowie dem Ingenieurbüro ebök gelöst. Die entscheidenden Ansätze sind in der Diplomarbeit von Carsten Bisanz mit dem instationären Modell DYNBIL untersucht worden [Bisanz 1999]. Das in dieser Kooperation entwickelte Verfahren beruht in den Grundzügen auf Energiebilanzen nach dem Schema der DIN EN 832, allerdings mit Randbedingungen, welche nicht Jahres- oder Monatsdaten, sondern die Auslegungszeiträume des betreffenden Klimas berücksichtigen. Als entscheidend hat sich herausgestellt, dass eine Auslegung mit mindestens zwei unterschiedlichen Auslegungsdatensätzen erfolgen muss, nämlich einer "kalten und strahlungsreichen Auslegungsperiode" und mit einer "mäßig kalten und strahlungsarmen Auslegungsperiode". A priori steht nämlich gerade bei Gebäuden mit sehr geringem Wärmebedarf nicht fest, ob das Maximum der Heizlast tatsächlich in den extrem kalten Perioden oder aber während eines stark bewölkten, jedoch nur mäßig kalten Zeitraumes vorliegt. Die betreffenden Auslegungsrandbedingungen müssen für jedes Klima funktional mit Hilfe von dynamischen Gebäudesimulationen an Hand von Testdatensätzen ermittelt werden. In [Bisanz 1999] ist dies für die deutschen Testreferenzjahre ausgeführt worden und es erfolgte eine erste theoretische Validierung des Verfahrens mit Hilfe von Simulationsrechnungen. Diese Aufgabenstellung wurde vom Arbeitskreis kostengünstige Passivhäuser angegangen und in Kooperation mit der Universität Stuttgart (Institut für Thermodynamik und Wärmetechnik) sowie dem Ingenieurbüro ebök gelöst. Die entscheidenden Ansätze sind in der Diplomarbeit von Carsten Bisanz mit dem instationären Modell DYNBIL untersucht worden [Bisanz 1999]. Das in dieser Kooperation entwickelte Verfahren beruht in den Grundzügen auf Energiebilanzen nach dem Schema der DIN EN 832, allerdings mit Randbedingungen, welche nicht Jahres- oder Monatsdaten, sondern die Auslegungszeiträume des betreffenden Klimas berücksichtigen. Als entscheidend hat sich herausgestellt, dass eine Auslegung mit mindestens zwei unterschiedlichen Auslegungsdatensätzen erfolgen muss, nämlich einer "kalten und strahlungsreichen Auslegungsperiode" und mit einer "mäßig kalten und strahlungsarmen Auslegungsperiode". A priori steht nämlich gerade bei Gebäuden mit sehr geringem Wärmebedarf nicht fest, ob das Maximum der Heizlast tatsächlich in den extrem kalten Perioden oder aber während eines stark bewölkten, jedoch nur mäßig kalten Zeitraumes vorliegt. Die betreffenden Auslegungsrandbedingungen müssen für jedes Klima funktional mit Hilfe von dynamischen Gebäudesimulationen an Hand von Testdatensätzen ermittelt werden. In [Bisanz 1999] ist dies für die deutschen Testreferenzjahre ausgeführt worden und es erfolgte eine erste theoretische Validierung des Verfahrens mit Hilfe von Simulationsrechnungen.
 \\ \\
Zeile 58: Zeile 65:
  
  
-**Überprüfung des Heizlast-Verfahrens: Modell/Praxis** +==== Überprüfung des Heizlast-Verfahrens: Modell/Praxis ====
-\\ +
-Im Rahmen des Forschungsprojekts IEA SHC TASK 28 / ECBCS ANNEX 38 wurden Objekte mit insgesamt weit über 200 Wohneinheiten mit Passivhaus-Standard durch wissenschaftlich fundierte messtechnische Begleituntersuchungen detaillierte, zeitlich aufgelöste Daten zum Temperaturverhalten und Heizwärmeverbrauch erhoben [Feist 2005]. Diese Daten sind in unterschiedlichen Auswertestudien bereits unter verschiedenen Gesichtspunkten analysiert worden: Heizwärmeverbrauch, übrige Energieverbrauchswerte, thermische Behaglichkeitsparameter und auch mittlere und maximale Heizleistungen. Ein Teil dieser Daten stand am Passivhaus Institut (PHI) für weitergehende Analysen zur Verfügung, für einen weiteren Teil hat das Institut die Überlassung von Daten von anderen Forschungseinrichtungen erbeten; für die Zustimmung zur Verwendung in der hier vorliegenden Analyse sei den Beteiligten dabei ausdrücklich gedankt. Die zentrale Aufgabenstellung der hier vorgelegten Untersuchung ist die Überprüfung des Heizlast-Verfahrens aus [Bisanz 1999] an Hand dieser in den Feldprojekten gesammelten Messdaten und gegebenenfalls die Modifizierung des Verfahrens.  +
-\\ +
  
-**Feldmessergebnisse** 
 \\ \\
 +Im Rahmen des Forschungsprojekts IEA SHC TASK 28 / ECBCS ANNEX 38 wurden Objekte mit insgesamt weit über 200 Wohneinheiten mit Passivhaus-Standard durch wissenschaftlich fundierte messtechnische Begleituntersuchungen detaillierte, zeitlich aufgelöste Daten zum Temperaturverhalten und Heizwärmeverbrauch erhoben [Feist 2005]. Diese Daten sind in unterschiedlichen Auswertestudien bereits unter verschiedenen Gesichtspunkten analysiert worden: Heizwärmeverbrauch, übrige Energieverbrauchswerte, thermische Behaglichkeitsparameter und auch mittlere und maximale Heizleistungen. Ein Teil dieser Daten stand am Passivhaus Institut (PHI) für weitergehende Analysen zur Verfügung, für einen weiteren Teil hat das Institut die Überlassung von Daten von anderen Forschungseinrichtungen erbeten; für die Zustimmung zur Verwendung in der hier vorliegenden Analyse sei den Beteiligten dabei ausdrücklich gedankt. Die zentrale Aufgabenstellung der hier vorgelegten Untersuchung ist die Überprüfung des Heizlast-Verfahrens aus [Bisanz 1999] an Hand dieser in den Feldprojekten gesammelten Messdaten und gegebenenfalls die Modifizierung des Verfahrens.
 +
 +**Feldmessergebnisse** \\
 Wie sich zeigen wird, führen die Feldmessergebnisse zu einer einheitlichen Bewertung: Wie sich zeigen wird, führen die Feldmessergebnisse zu einer einheitlichen Bewertung:
  
   * Die mit Qualitätssicherung gebauten Passivhäuser weisen nicht nur tatsächlich die extrem geringen Jahresheizwärmeverbrauchswerte auf, die mittels Simulation und/oder Bilanzverfahren im Voraus bestimmt worden waren, sondern für ihre Beheizung reichen auch die extrem niedrigen Heizleistungen aus, die sich aus der funktionalen Auslegung ergeben.   * Die mit Qualitätssicherung gebauten Passivhäuser weisen nicht nur tatsächlich die extrem geringen Jahresheizwärmeverbrauchswerte auf, die mittels Simulation und/oder Bilanzverfahren im Voraus bestimmt worden waren, sondern für ihre Beheizung reichen auch die extrem niedrigen Heizleistungen aus, die sich aus der funktionalen Auslegung ergeben.
 +
   * Die Tatsache, dass innere Wärmequellen und passiv solare Gewinne auch bei der Heizlastberechnung, insbesondere bei Objekten mit gutem Wärmeschutz, berücksichtigt werden müssen, kann auf Basis der Messwerte bestätigt werden.   * Die Tatsache, dass innere Wärmequellen und passiv solare Gewinne auch bei der Heizlastberechnung, insbesondere bei Objekten mit gutem Wärmeschutz, berücksichtigt werden müssen, kann auf Basis der Messwerte bestätigt werden.
 +
   * An Hand gemessener Temperatur- und Heizlastverläufe in ganz besonders gelagerten Einzelfällen (z.B. Winterabwesenheit mit Heizungsabschaltung in einer Wohnung) kann auch das Verhalten in zuvor theoretisch behandelten Sondersituationen nun messtechnisch validiert werden. Auch diese Untersuchungen bestätigen die Simulation.   * An Hand gemessener Temperatur- und Heizlastverläufe in ganz besonders gelagerten Einzelfällen (z.B. Winterabwesenheit mit Heizungsabschaltung in einer Wohnung) kann auch das Verhalten in zuvor theoretisch behandelten Sondersituationen nun messtechnisch validiert werden. Auch diese Untersuchungen bestätigen die Simulation.
-  * Aus den Fallstudien und der Simulation ergibt sich eine hohe Temperaturstabilität von Gebäuden mit sehr gutem Wärmeschutz, insbesondere von Passivhäusern. Dies erhöht die Fehlertoleranz sowohl gegenüber Extremereignissen („Jahrhundertwinter“) als auch gegenüber Auslegungsfehlern. Natürlich muss diese Erkenntnis sehr vorsichtig gehandhabt werden: Überschreiten die kumulierten Fehler eine bestimmte Schwelle, so geht neben dem Passivhaus-Standard auch die Gutmütigkeit dieses Standards verloren und die Fehler wirken sich dann um so massiver aus. Daher ist dazu zu raten, die Planungsaufgabe und Qualitätssicherung besonders ernst zu nehmen und die aus einem korrekt geplanten und gebauten Passivhaus resultierende Toleranz für die bessere Behaglichkeit und die Handlungsfreiheit der Bewohner zu nutzen. 
-  * Die zentrale Fragestellung dieser Studie betreffend: Die Berechnungsansätze nach dem in [Bisanz 1999] publizierten Verfahren haben sich in allen untersuchten Objekten sehr gut bewährt. Das Verfahren ist damit einem besonderen Härtetest unterzogen worden, denn gerade in Passivhäusern mit ihren extrem geringen Heizlasten ist die Empfindlichkeit gegenüber Einflussgrößen wie der Solarstrahlung besonders groß. Nur in solchen Gebäuden kann man daher ein solches Verfahren überhaupt mit Aussicht auf Erfolg testen, weil bei Objekten mit hohen Heizlasten Einflüsse dieser Größenordnung von anderen Effekten meist überdeckt werden. 
  
-\\+  * Aus den Fallstudien und der Simulation ergibt sich eine hohe Temperaturstabilität von Gebäuden mit sehr gutem Wärmeschutz, insbesondere von Passivhäusern. Dies erhöht die Fehlertoleranz sowohl gegenüber Extremereignissen („Jahrhundertwinter“) als auch gegenüber Auslegungsfehlern. Natürlich muss diese Erkenntnis sehr vorsichtig gehandhabt werden: Überschreiten die kumulierten Fehler eine bestimmte Schwelle, so geht neben dem Passivhaus-Standard auch die Gutmütigkeit dieses Standards verloren und die Fehler wirken sich dann umso massiver aus. Daher ist dazu zu raten, die Planungsaufgabe und Qualitätssicherung besonders ernst zu nehmen und die aus einem korrekt geplanten und gebauten Passivhaus resultierende Toleranz für die bessere Behaglichkeit und die Handlungsfreiheit der Bewohner zu nutzen. 
 + 
 +  * Die zentrale Fragestellung dieser Studie betreffend: Die Berechnungsansätze nach dem in [Bisanz 1999] publizierten Verfahren haben sich in allen untersuchten Objekten sehr gut bewährt. Das Verfahren ist damit einem besonderen Härtetest unterzogen worden, denn gerade in Passivhäusern mit ihren extrem geringen Heizlasten ist die Empfindlichkeit gegenüber Einflussgrößen wie der Solarstrahlung besonders groß. Nur in solchen Gebäuden kann man daher ein solches Verfahren überhaupt mit Aussicht auf Erfolg testen, weil bei Objekten mit hohen Heizlasten Einflüsse dieser Größenordnung von anderen Effekten meist überdeckt werden.
  
 Die vorliegende Untersuchung ist ein Beispiel dafür, wie sorgfältig durchgeführte Feldmessungen in Verbindung mit einer wissenschaftlich fundierten Auswertung für die Praxis hilfreiche Ergebnisse liefern. Solche Ergebnisse sind statistisch gesichert und gehen über die heute oft anzutreffenden Einschätzungen „aus dem Bauch heraus“ hinaus. Die Ergebnisse können dennoch in einfach vom Praktiker zu handhabende Verfahren übertragen werden und erleichtern so deren Arbeit. Die vorliegende Untersuchung ist ein Beispiel dafür, wie sorgfältig durchgeführte Feldmessungen in Verbindung mit einer wissenschaftlich fundierten Auswertung für die Praxis hilfreiche Ergebnisse liefern. Solche Ergebnisse sind statistisch gesichert und gehen über die heute oft anzutreffenden Einschätzungen „aus dem Bauch heraus“ hinaus. Die Ergebnisse können dennoch in einfach vom Praktiker zu handhabende Verfahren übertragen werden und erleichtern so deren Arbeit.
-\\ 
  
 +See also: [[https://passiv.de/de/05_service/03_fachliteratur/030302_heizlast.htm|Forschungsprojekts IEA SHC TASK 28 / ECBCS ANNEX 38]]
 +
 +Auch neuere Arbeiten können die geringen Heizlasten in Passivhäusern empirisch bestätigen, etwa [[https://passiv.de/downloads/05_heidelberg_bahnstadt_endbericht_betriebsoptimierung.pdf|[Hasper 2021]]].
  
  
 ===== Literatur ===== ===== Literatur =====
  
 +**[Feist 2005]** [[https://passiv.de/downloads/05_heizlast.pdf|Feist, W.: Heizlast in Passivhäusern – Validierung durch Messungen.]] Endbericht. IEA SHC TASK 28 / ECBCS ANNEX 38. Passivhaus Institut, Darmstadt 2005
  
-**[Feist 2005]**  Feist, W.: Heizlast in Passivhäusern – Validierung durch Messungen. Endbericht. IEA SHC TASK 28 / ECBCS ANNEX 38. Passivhaus InstitutDarmstadt 2005+**[AkkP-28]** Wärmeübergabe- und Verteilverluste im Passivhaus; Protokollband Nr. 28 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser Phase III; Passivhaus InstitutDarmstadt 2004
  
-**[AkkP-28]**  Wärmeübergabeund Verteilverluste im Passivhaus; Protokollband Nr. 28 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser Phase IIIPassivhaus InstitutDarmstadt 2004+**[DIN EN 12831]** DIN EN 12831: Heizungssysteme in Gebäuden – Verfahren zur Berechnung der Norm-Heizlast Deutsche Fassung EN 12831Beuth VerlagBerlin
  
-**[DIN EN 12831]**  DIN EN 12831: Heizungssysteme in Gebäuden – Verfahren zur Berechnung der Norm-Heizlast Deutsche Fassung EN 12831Beuth VerlagBerlin+**[AkkP-25]** Temperaturdifferenzierung in der Wohnung; Protokollband Nr. 25 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser Phase IIIPassivhaus InstitutDarmstadt 2004
  
-**[AkkP-25]** Temperaturdifferenzierung in der Wohnung; Protokollband Nr. 25 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser Phase III; Passivhaus Institut; Darmstadt 2004 +**[DIN 4701]** Deutsches Institut für Normung: DIN 4701: Regeln für die Berechnung des Wärmebedarfs von Gebäuden; Beuth Verlag; Berlin 1995
- +
-**[DIN 4701]**  Deutsches Institut für Normung: DIN 4701: Regeln für die Berechnung des Wärmebedarfs von Gebäuden; Beuth Verlag; Berlin 1995+
  
 **[Feist/Werner 1993]** Feist, W. und Werner, J.: Erste Messergebnisse aus dem Passivhaus Darmstadt Kranichstein; gi 114 (1993) Heft 5 Seite 240 ff **[Feist/Werner 1993]** Feist, W. und Werner, J.: Erste Messergebnisse aus dem Passivhaus Darmstadt Kranichstein; gi 114 (1993) Heft 5 Seite 240 ff
  
-**[Feist/Loga 1997]**  Feist, W. und Loga, T.: Vergleich von Messung und Simulation. In: Arbeitskreis kostengünstige Passivhäuser, Protokollband Nr. 5, Passivhaus Institut, Darmstadt 1997+**[Feist/Loga 1997]** Feist, W. und Loga, T.: Vergleich von Messung und Simulation. In: Arbeitskreis kostengünstige Passivhäuser, Protokollband Nr. 5, Passivhaus Institut, Darmstadt 1997 
 + 
 +**[Hasper 2021]** Hasper, W., Peper, S.: Betriebsoptimierung Bahnstadt Heidelberg, Durchgeführt im Auftrag des Amts für Umweltschutz, Gewerbeaufsicht und Energie Heidelberg 2019-2021, Passivhaus Institut, Darmstadt 2021
  
 **[Kaufmann/Feist 2001]** Kaufmann, B. und Feist, W.: Vergleich von Messung und Simulation am Beispiel eines Passivhauses in Hannover-Kronsberg. CEPHEUS-Projektinfornation Nr. 21, Passivhaus Institut, enercity, Hannover 2001 **[Kaufmann/Feist 2001]** Kaufmann, B. und Feist, W.: Vergleich von Messung und Simulation am Beispiel eines Passivhauses in Hannover-Kronsberg. CEPHEUS-Projektinfornation Nr. 21, Passivhaus Institut, enercity, Hannover 2001
  
-**[Bisanz 1999]**  Bisanz, C.: Heizlastauslegung im Niedrigenergie- und Passivhaus, 1. Auflage, Darmstadt, Januar 1999+**[Bisanz 1999]** Bisanz, C.: Heizlastauslegung im Niedrigenergie- und Passivhaus, 1. Auflage, Darmstadt, Januar 1999 
 + 
 +**[PHPP 1999]** Feist, W.; Baffia, E. und Schnieders, J.: Passivhaus Projektierungspaket 1999; Passivhaus Institut, Darmstadt, Januar 1999
  
-**[PHPP 1999]** Feist, W.; Baffia, E. und Schnieders, J.: Passivhaus Projektierungspaket 1999; Passivhaus Institut, Darmstadt, Januar 1999 
  
grundlagen/bauphysikalische_grundlagen/heizlast.1331046002.txt.gz · Zuletzt geändert: 2012/03/06 16:00 von aespenberger