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Einflussfaktoren auf den Endenergieverbrauch

Nach der Projektierung eines Gebäudes wird der interessierte Nutzer oder Investor wissen wollen, ob der berechnete Heizwärmebedarf eingehalten wird. Die naive Erwartung ist häufig, dass sich bei einem Passivhaus der vorab berechnete Heizwärmebedarf von maximal 15 kWh/(m²a) auch bei der Messung des Heizwärmeverbrauchs einstellen wird. Dass der wirkliche Heizwärmeverbrauch ohne Umwandlungs- und Verteilverluste und ohne die Warmwassererzeugung gar nicht einfach ablesbar ist, wird dabei zunächst nicht bedacht. Der zweite, zwingende Anforderungswert von primärenergetisch 120 kWh/(m²a) ist häufig nicht im Fokus oder sogar gar nicht bekannt.

Auch, dass der Heizwärmeverbrauch von diversen Einflussfaktoren merklich beeinflusst wird, wird bei den Erwartungen oft nicht berücksichtigt. Damit kann seine Höhe deutlich variieren. Die Bedarfsberechnung muss dagegen mit möglichst realistischen aber doch festen Randbedingungen durchgeführt werden. Die wichtigsten Einflussfaktoren werden hier benannt und zum Zweck der nachfolgenden Zusammenstellung von zusätzlichen Verbräuchen (vgl. Abbildung 6) wird deren Größenordnung eingeschätzt.

Luftdichtheit

Die Luftdichtheit eines Gebäudes wird insbesondere gefordert, um Bauschäden und unnötige Energieverluste (Exfiltration) zu vermeiden sowie die Funktion einer Lüftungsanlage zu ermöglichen. Sie hat direkten Einfluss auf den Energieverbrauch des Gebäudes. In der theoretischen Betrachtung kann die Auswirkung einer veränderten Luftdichtheit auf den Energiebedarf gut eingeschätzt werden: Das PHPP berücksichtigt die Luftdichtheit entsprechend und damit kann der Einfluss, bei sonst gleichbleibenden Bedingungen, gut dargestellt werden.

In Abbildung 5 ist dieser Einfluss auf ein beispielhaftes Passivhaus abzulesen: Das Gebäude verfügt real über den sehr guten Luftdichtheitskennwert von n50 = 0,22 h-1. Dabei ergibt die Berechnung einen Bedarfswert von 13,6 kWh/(m²a). Bei einer auf den Anforderungswert von n50 = 0,6 h-1 verschlechterten Luftdichtheit steigt der Heizwärmebedarf auf 15,4 kWh/(m²a), beim Grenzwert der EnEV für Gebäude mit Lüftungsanlage (n50 = 1,5 h-1) erhöht er sich auf 19,6 kWh/(m²a). Bei der noch niedrigen Anforderung der EnEV für Gebäude ohne Lüftungsanlage (n50 = 3,0 h-1) steigt der Wert auf über 27 kWh/(m²a) – alles bei sonst gleichbleibenden Komponenten des Gebäudes (Fenster, Dämmung, Lüftung etc.). In der Realität sind auch noch deutlich schlechtere n50-Werte anzutreffen, insbesondere wenn niemand die Luftdichtheit detailliert plant. Damit zeigt sich der deutliche Einfluss der Luftdichtheit auf die Energieeffizienz eines Gebäudes.

Abbildung 5:
Einfluss der Luftdichtheit eines beispielhaften Gebäudes auf den Heizwärmebedarf.


Es ist zwingend wichtig, von einem realisierten Gebäude den tatsächlichen Luftdichtheitswert unter Nutzungsbedingungen zu kennen. Ein Mehrbedarf von z. B. 4 kWh/(m²a) bei der Luftdichtheit von n50 = 1,5 h-1 anstelle der geplanten von n50 = 0,6 h-1 kann schnell auftreten. Ob es sich um kleine oder große Abweichungen handelt, kann nur für das entsprechende Objekt im Einzelfall durch eine Messung festgestellt werden. Für Passivhäuser werden daher zwingend Luftdichtheitsmessungen gefordert, der Wert kann also als verfügbar betrachtet werden.

Raumtemperatur

Wie im Beitrag Messkonzept, Störgrößen und adäquate Lösungen im Protokollband Nr. 45 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser (in Kürze auf Passipedia zu finden) ausgeführt, hat die Raumtemperatur eines Gebäudes deutliche Auswirkungen auf den Heizwärmeverbrauch. Als für Passivhäuser typisch können hier um 2 kWh/(m²a) je Kelvin Temperaturänderung im Bereich um 20 °C angenommen werden. Aufgrund des niedrigen Energieverbrauchs von Passivhäusern ergeben sich damit prozentual große Änderungen zwischen typischerweise 12 und 15% je Kelvin Veränderung der Innentemperatur.

Betrachten wir den möglichen Fall einer Innentemperatur von durchschnittlich 22 °C, ist ein Zusatzverbrauch von 4 bis 5 kWh/(m²a) gegenüber den in der Planung angesetzten 20 °C zu erwarten.

In dem erwähnten Beitrag wurde auch dargestellt, dass die Innentemperaturen in vermessenen Wohnungen im Regelfall durchschnittlich höher liegen als der bei Passivhäusern übliche Planungswert von 20 °C. Daher ist regelmäßig mit entsprechend höheren Verbrauchswerten zu rechnen. In Ermangelung des Wissens der späteren tatsächlichen Raumtemperatur wird aber üblicherweise mit den 20 °C in der Planung bilanziert. Sonderfälle stellen Sondernutzungen wie Krankenhäuser, Pflegeheime oder Schwimmbäder dar, wo eine bestimmungsgemäß höhere Temperaturanforderung bereits in der Planung berücksichtigt wird.

Klimaeinfluss

Auch die Auswirkungen der Außentemperatur und der tatsächlichen Solarstrahlung wurden im Beitrag Messkonzept, Störgrößen und adäquate Lösungen (in Kürze auf Passipedia zu finden) bereits behandelt. Einen Eindruck davon bekommt man, wenn in der Bilanzberechnung für ein und dasselbe Gebäude unterschiedliche Klimadatensätze verwendet werden. Wird ein beispielhaftes Reihenendhaus in Passivhausqualität rechnerisch vom milden Standort Freiburg an den kühleren Standort Harzgerode versetzt, nimmt der Heizwärmebedarf um stattliche 9 kWh/(m²a) zu.

Auch in der im Beitrag vorgestellten Messung [Peper/Schnieders/Ochs/Feist 2010] eines Passivhauses variieren die Bedarfswerte der Heizwärme durch die Verwendung der tatsächlich gemessenen Wetterbedingungen von drei untersuchen Jahren um maximal 4 kWh/(m²a). In anderen Objekten können hier sicher noch deutlichere Schwankungen auftreten. Als Größenordnung für den Klimaeinfluss werden 5 kWh/(m²a) angesetzt (vgl. Abbildung 6).

Planungsabweichung beim Bau

Beim Bau eines Gebäudes gibt es immer Abweichungen von den in der Planung angenommenen Werten. So wird ein Bauteilanschluss anders ausgeführt als geplant und eine zusätzliche Wärmebrücke ergibt sich oder es wird der Stahlanteil im Beton erhöht, was im entsprechenden Bereich eine Erhöhung der Wärmeabgabe zur Folge haben kann. Es sind sehr viele Abweichungen denkbar und werden auch regelmäßig bei Arbeiten zur Qualitätssicherungen festgestellt. In gewissen Grenzen ist das für ein Gebäude kein Problem und dem Geschehen auf einer Baustelle geschuldet. Häufig werden diese Gegebenheiten von der Bauleitung bzw. dem Qualitätssicherer möglicherweise nicht erkannt bzw. nicht in einer nachgeführten Energiebilanz berücksichtigt. Das führt dazu, dass der Berechnungswert sich vom Verbrauchswert unterscheiden wird.

Die Größenordnung dieser sehr unterschiedlichen möglichen Planungsabweichungen kann nicht pauschal in Zahlen gefasst werden. Es gibt darüber keine statistisch verwertbaren Untersuchungen. Aus den Erfahrungen bei den Baubegleitungen des Passivhaus Instituts setzten wir beispielhaft eine Größenordnung von 1 kWh/(m²a) an, die leicht, z. B. durch zusätzliche Wärmebrücken etc., entstehen kann.

Verbrauchsabweichung Betriebsweise

Bei den durchgeführten Monitoringprojekten wurden immer wieder Zusatzverbräuche festgestellt, die sich aufgrund der suboptimalen Bedienung technischer Komponenten oder mangelnder Information der Bewohner eingestellt haben:

  • Verspätete Abschaltung des Bypasses der Lüftungsanlage vor dem Winterbeginn.
  • Ungewollte Beheizung der Wohnung im Sommer aufgrund fehlender zentraler Abschaltung.
  • Fehlbedienungen durch fehlende oder unklare Nutzeranweisungen (Ventil auf / zu etc.).

Diese Einflüsse lassen sich im Regelfall einfach vermeiden oder abstellen. Aus diesen Gründen empfiehlt das Passivhaus Institut zentrale Abschaltungen, z. B. der Heizkreispumpen, durch eine einfache Jahresschaltuhr sowie eine ausreichende Nutzerinformation zu den vorhandenen technischen Einbauten. Ein Passivhaus zeichnet sich im Regelfall durch schlanke, unkomplizierte Technik aus, welche gut zu bedienen ist. Klare Hinweise für Mieter und Betreiber sowie Anweisungen, für z. B. den Wartungsdienst der Lüftungsanlage, können viel bewirken (siehe dazu auch: Downloadmöglichkeit der Nutzerhandbücher auf www.passiv.de).

Auch hier ist die mögliche Größenordnung der Auswirkungen auf den Heizwärmeverbrauch sehr unterschiedlich und nicht durchschnittlich anzugeben. Allein durch die ungewollte Sommerheizung sind schon mehrfach unbeabsichtigte Zusatzverbräuche um 0,5 kWh/(m²a) gemessen worden.

Möglicher Zusatzverbrauch Heizwärme

In der Realität werden die oben aufgeführten möglichen Zusatzverbräuche niemals alle gleichzeitig und in immer anderen Größenordnungen auftreten. Wenige können auch zu einer geringen Reduktion des Wärmeverbrauchs führen (höhere Luftdichtheit, niedrigere Raumlufttemperatur). Die Summe aller an einem Gebäude real auftretenden Einflüsse ist immer unterschiedlich und nur individuell durch umfängliches Monitoring und umfangreich nachgeführte Bilanzberechnungen möglich.

Im Rahmen eines Minimalmonitorings müssen die denkbaren Größenordnungen allerdings zumindest bekannt sein. Die theoretische Summe aller hier zusammengetragenen Einflüsse liegt in der gleichen Größenordnung wie der Zielwert des Heizwärmeverbrauchs (Abbildung 6). Das zeigt auch die theoretisch denkbare Schwankungsbreite der Messwerte: Ist es möglich, nur den Heizwärmeverbrauch zu messen und liegt dieser z. B. bei 20 oder gar 25 kWh/(m²a) bei einem mit 15 kWh/(m²a) projektierten Gebäude, ist damit NICHT zwingend gesagt, dass irgendein Mangel vorliegt.

Kann nur der gesamte Endenergieverbrauch inkl. Umwandlungs- und Verteilverlusten als Summenwert messtechnisch erfasst werden, sind noch weitere Verbrauchsgrößen darin enthalten. Typische Größenordnungen können 5 kWh/(m²a) für die Kessel- und Systemverluste (z. B. Wärmetauscher, Speicher etc.) und 3 kWh/(m²a) für nicht nutzbare Verteilverluste der Heizwärme sein. Allerdings dienen diese Werte nur einer Orientierung und variieren wieder sehr stark, je nach Art der Haustechnik, der Leitungsführung und -länge. Sind diese „Verbraucher“ im Messwert durch die Zähleranordnung enthalten, führt dies natürlich zu höheren Verbrauchswerten. Die Antwort auf die Frage, ob es Abweichungen vom Projektierungswert gibt, wird noch schwieriger.

Die Umwandlungs-, Speicher- und Verteilverluste werden bei der Bedarfsberechnung (PHPP) berücksichtigt und fließen in den zweiten Anforderungswert von maximal 120 kWh/(m²a) Primärenergie ein, nicht aber in den Heizwärmebedarf (Nutzwärme).

Abbildung 6:
Größenordnungen von denkbaren Zusatzverbräuchen zum projektierten Heizwärmebedarf
sowie die Größenordnungen von typischen Endenergieverbräuchen,
die nicht beim Heizwärmebedarf berücksichtigt werden.


Da der tatsächliche Verbrauch immer mit dem Bedarfswert aus der Bilanzberechnung verglichen wird, ist es zwingend, die realen Qualitäten der Komponenten möglichst genau zu kennen und in der Berechnung anzusetzen. Dies ist einer der Hauptgründe, warum das Passivhaus Institut die Zertifizierung der energetischen Komponenten betreibt und auf möglichst realitätsnahen Werten besteht. Ändern sich die eingesetzten Qualitäten gegenüber der Planung, müssen diese realen Werte und Bedingungen unbedingt berücksichtigt werden. Der Einfluss des Wärmebereitstellungsgrads der Lüftungsanlage, Disbalance der Lüftung, der Wirkungsgrad des Wärmeerzeugers usw. können noch größere Auswirkungen auf den Verbrauch erzeugen, als die oben zusammengestellten Einflussfaktoren.

Energie zur Warmwasserbereitung

Bei der Messung des gesamten Endenergieverbrauchs eines Gebäudes ist, je nach Versorgungsart, regelmäßig der Energieaufwand für die Warmwasserbereitung enthalten. Sollen – wie beschrieben – Aussagen nur zum Heizwärmeverbrauch erfolgen, muss der Verbrauch für die Warmwasserbereitung ebenfalls bekannt sein, um ihn herauszurechnen. Um auch hier eine Vorstellung der möglichen Größenordnungen und Schwankungsbreiten zu erhalten, wurden die Messdaten zur Warmwasserbereitung aus verschiedenen Mehrfamilienhäusern (insgesamt knapp 6.600 m² EBF) mit zentraler Warmwasserbereitung ausgewertet.

Abbildung 7:
Mittelwert der Energieaufwendungen zur Warmwasserversorgung
aus verschiedenen Mehrfamilienhäusern.


In Abbildung 7 sieht man, dass die Energie für den Warmwasserverbrauch inkl. der Verteilung im Gebäude durchschnittlich 17,5 kWh/(m²a) beträgt. Damit liegt der Energieaufwand in der gleichen Größenordnung wie der für die Heizwärme in einem Passivhaus. Zusätzlich gibt es noch die Speicherung und Verteilung im Technikraum mit durchschnittlich 2,1 kWh/(m²a) sowie den erheblichen Anteil von 7,1 kWh/(m²a) für den Betrieb einer Warmwasserzirkulation. In der Summe aller Warmwasseraufwendungen ergibt sich damit im Mittel ein Summe von 26,7 kWh/(m²a).

Es muss berücksichtigt werden, dass es sich dabei um Mittelwerte aus Mehrfamilienhäusern handelt. Betrachtet man einzelne Wohnungen, sind erhebliche Schwankungen üblich. Im Messprojekt Altbausanierung mit Passivhauskomponenten in Frankfurt a.M. Tevesstraße [Peper/Schnieders/Feist 2011] zeigen die Messungen über drei Jahre eine starke Streuung der Einzelwerte (vgl. Abbildung 8). Solche Streuungen im Bereich des Warmwasserverbrauchs sind üblich und typisch. Das bedeutet, dass z. B. bei einem Einzelhaus ohne gesonderten Messwert keine realistische Abschätzung des Energieverbrauches für die Warmwasserbereitung vorgenommen werden kann.

Abbildung 8:
Energieinhalt des genutzten Warmwassers von 19 Wohnungen für drei Jahresbilanzzeiträume
sowie den drei zugehörigen flächengewichteten Mittelwerten.
Die Messungen erfolgten direkt in den Wohnungen, daher handelt es sich vollständig um Nutzwärme Warmwasser
[Peper/Schnieders/Feist 2011].


Siehe auch

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